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FESTAKT ZUM 80. GEBURTSTAG UND ZUM 2. JAHRESTAG DER WAHL
VON PAPST BENEDIKT XVI.

ANSPRACHE VON KARDINALSTAATSSEKRETÄR
TARCISIO BERTONE

"Teatro Argentina", Rom
Donnerstag, 19. April 2007

 

Es ist für mich eine große Freude, an diesem kulturellen Abend teilzunehmen, der von den Studenten der Universitätskollegien Roms zu Ehren von Papst Benedikt XVI. veranstaltet wird.

Ich begrüße ganz herzlich die Rektoren und Dozenten, die diesen Wunsch der jungen Leute teilten, den Heiligen Vater anläßlich seines 80. Geburtstages und des zweiten Jahrestages seiner Wahl zu feiern.

Liebe junge Studenten, das anspruchsvolle Thema, das ihr gewählt habt, um es heute abend, freilich in einem festlichen Rahmen, zu behandeln, läßt euren besonderen Wunsch erkennen, mit dem Heiligen Vater die treue Liebe zum Herrn Jesus, dem einzigen Retter der Welt, zu teilen und gleichzeitig euren Altersgenossen Zeugnis zu geben von eurer freudigen Nachfolge. Wir erinnern uns an die wiederholten Aufforderungen des Papstes: Wer Christus entdeckt hat, muß andere zu ihm hinführen. Eine große Freude kann man nicht für sich behalten.

»Das Evangelium und die Jugendlichen. Vom Mythos zur Wirklichkeit«. Dieser von euch gewählte Titel kommt nicht als »Slogan« daher, sondern veranlaßt uns dazu, mit Benedikt XVI. über die zeitlich-irdische Position Jesu innerhalb der Weltgeschichte nachzudenken: »Das Wirken Jesu ist nicht als ein mythisches Irgendwann anzusehen, das zugleich immer und nie bedeuten kann; es ist genau datierbares historisches Ereignis mit dem ganzen Ernst wirklich geschehener menschlicher Geschichte – mit ihrer Einmaligkeit, deren Weise von Gleichzeitigkeit mit allen Zeiten anders ist als die Zeitlosigkeit des Mythos« (J. Ratzinger/Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, S. 38). Mit diesem Zitat lade ich euch ein, sein kürzlich erschienenes Buch zu lesen.

Das Johannesevangelium sagt: »Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht« (Joh 1,18). Und alle Mythen, die von einer Gottheit sprechen, die stirbt und aufersteht, – kommentiert der Theologe Ratzinger – warteten letztendlich auf Ihn: Der Wunsch ist Wirklichkeit geworden.

Wir befinden uns noch in der Zeit nach dem Osterfest, und da fragt man sich – besonders mit Blick auf die Welt der Kommunikation, für die die Jugendlichen so empfänglich sind –, ob die Auferstehung Christi heute noch als eine Nachricht angesehen wird, die weiterzugeben und zu vertreten ist, wie sie nach der Kreuzigung verbreitet wurde, was Jerusalem so erschütterte, daß man versuchte, sie im Blut zu ersticken. Oder ob sie nicht als eine Art Mythos gesehen wird, der von Jahr zu Jahr wiederholt wird. Die Antwort erhalten wir von den zahllosen christlichen Märtyrern – auch in unserer Zeit. Nach zweitausend Jahren sterben und leben nach wie vor Menschen für die Wahrhaftigkeit dieser Nachricht, weil sie die gute Nachricht ist, die einen das Leben in Fülle leben läßt und für die es sich deshalb lohnt, sich selbst hinzugeben.

Ihr Jugendlichen spürt, daß ihr, um Zeugen zu sein, unbedingt über eine solide – nicht nur theoretische, sondern lebendige – Bildung im christlichen Glauben verfügen müßt. Es gilt immer der väterliche Hinweis von Benedikt XVI. an die Jugendlichen während des Kölner Weltjugendtages, der sie aufforderte, dafür zu sorgen, daß die Religion nicht zu einem »Marktprodukt« wird, wo man sich das heraussucht, was einem gefällt: »Aber die selbstgesuchte Religion hilft uns im letzten nicht weiter. Sie ist bequem, aber in der Stunde der Krise läßt sie uns allein. Helft den Menschen, den wirklichen Stern zu entdecken, der uns den Weg zeigt: Jesus Christus. Versuchen wir selber, ihn immer besser kennenzulernen, damit wir überzeugend auch andere zu ihm führen können« (Predigt bei der Eucharistiefeier auf der Ebene von Marienfeld, 21. August 2005, in O.R. dt., Nr. 34 vom 26.8.2005, S. 16).

Allein mit den Mitteln der Analyse, mit denen wir die sozialen und kulturellen Phänomene zu erforschen versuchen, kann die Gotteserkenntnis in ihrer wahren und tiefen Wirklichkeit nicht angemessen erfaßt werden. Die Gegenwart Gottes in Jesus Christus ist nur begreifbar, wenn sich der Mensch miteinbeziehen läßt, indem er in eine Beziehung eintritt, die Licht und Geheimnis ist. So erkennt man ihn als Wort Logos, der die Geschichte lenkt und aufbaut und den ganzen Menschen, mit seinen Zweifeln und Schwächen, mit seinen Sorgen und Hoffnungen, mit seinem Verstand und seinem Willen, in Betracht zieht. Der Glaube an Jesus Christus stellt den Menschen nicht in eine vage, nicht festgelegte Metahistorizität, wo er aus dem Lot gerät oder von mysteriösen Kräften vereinnahmt wird, sondern erkennt seine Verantwortlichkeit an, nach dem Ebenbild Gottes geschaffen zu sein.

Auf diesem Glaubensweg, der das Licht der Vernunft nicht scheut und nicht einmal die Finsternis des Widerstandes und der Verfolgung fürchtet, begleitet uns Benedikt XVI. mit seiner hohen theologischen Lehre, die mit Einfachheit und Diskretion – Zeichen wahrer intellektueller Größe – dargeboten wird. Ja, er macht einsichtig, daß neue Impulse und selbst die historische Wirklichkeit dem Evangelium entgegenkommen, wenn man in ihm Licht sucht, um unsere Zeit zu verstehen.

Ihr Universitätsstudenten befindet euch in der günstigen Lage, den heutigen Weg der Kirche zu teilen, wenn ihr eure Begeisterung und eure Hochherzigkeit mit der Festigkeit eines gut begründeten und soliden Denkens untermauert. Auf diesem Weg seid ihr nicht allein.

Ich freue mich, bei der heutigen Gelegenheit den Band entgegenzunehmen, der von den Dozenten – und ich will unterstreichen: von den jungen Dozenten – der Universitäten von Rom und Latium aus Anlaß des 80. Geburtstages des Papstes vorbereitet wurde. An sie ergeht mein herzlicher Dank, und ich bin sicher, damit auch im Sinne des Heiligen Vaters zu sprechen.

Der Titel des Bandes »La Carità intellettuale. Percorsi culturali per un nuovo umanesimo« (Die intellektuelle Nächstenliebe. Kulturelle Wege für einen neuen Humanismus) ist anspruchsvoll, entspricht aber der Verantwortung, die die Hochschullehrer in der Ausbildung der jungen Generationen und in der kulturellen Ausarbeitung haben.

Der Heilige Vater hat vor kurzem bei der marianischen Gebetsvigil seine Freude und Wertschätzung für das Thema der intellektuellen Nächstenliebe zum Ausdruck gebracht. Sie definiert treffend die Rolle des Dozenten und erweitert seinen Horizont. Allzu oft ist im Laufe der Geschichte so manches Unverständnis zwischen Glaube und Vernunft entstanden, allzu oft divergierten die Blickfelder von Wissenschaft und Forschung und verengten sich soweit, daß sie die Wirklichkeit nicht mehr in ihrer Gesamtheit sahen.

Die Rolle der Universitätsprofessoren aus der anspruchsvollen und manchmal schwierigen Perspektive der intellektuellen Nächstenliebe zu definieren, ist eine klare Wegweisung sowohl für das persönliche Leben des Dozenten als auch für die gesamte Universitätsgemeinschaft.

Die Gesellschaft und besonders die studentische Jugend erwarten von den Professoren eine sichere und erleuchtende Führung, wo sich intellektuelle Ehrlichkeit und Reinheit des Herzens, die die Seele der intellektuellen Nächstenliebe bilden, miteinander verbinden. Ein großartiges Vorbild bietet uns Benedikt XVI., der lange Jahre Universitätsprofessor war und jetzt oberster Lehrmeister und Hirt der Universalkirche ist. Die Übung der intellektuellen Nächstenliebe manifestiert sich bei ihm in der strengen und klaren Art und Weise, mit der er zur Vernünftigkeit des Glaubens hinzuführen versteht, aber sie zeigt sich auch im Schweigen, im tiefgehenden und respektvollen Zuhören, in der Fähigkeit, mit dem Gesprächspartner in Beziehung zu treten. Für mich ist jede Begegnung mit Benedikt XVI. eine »Schule« aktualisierter Theologie, der klaren Synthese des christlichen Glaubens, aber auch eine »Schule« des Lebens und der Spiritualität.

Abschließend möchte ich mit einigen Worten das zweite Geschenk kommentieren, das dem Papst heute abend angeboten wird. Es ist eine DVD mit den Aufnahmen zweier großer Oratorien von Lorenzo Perosi: »Die Geburt des Erlösers« und »Die Auferstehung Christi«, ausgeführt vom Orchester des Konservatoriums der »Accademia di Santa Cecilia« sowie vom gemeinsamen Chor der Römischen Universitäten (»Coro Interuniversitario«), zusammen mit den Chören der Konservatorien und Universitäten Latiums, unter der Leitung von Maestro Valentino Miserachs. Es ist eine sehr bedeutsame Aufnahme, einmal wegen des spirituellen und künstlerischen Wertes der Werke Perosis, aber auch wegen der Zusammenarbeit, die in dieser Aufnahme zum Ausdruck kommt. Ich beziehe mich damit auf das Universitätsministerium, auf die Kongregation für das Katholische Bildungswesen, auf Radio Vatikan und auf das Vatikanische Fernsehzentrum. Ganz besonders aber denke ich an die jungen Mitglieder des gemeinsamen Chores mehrerer Universitäten, geleitet von Maestro Massimo Palombella: Sie begleiten mit ihrem freudigen und qualifizierten Zeugnis die Hochschulseelsorge in Rom.

Das sind die beiden Geschenke, die ich dem Heiligen Vater gern überreichen und ihm dabei eure Empfindungen kindlicher Hingabe übermitteln werde. Ich bin sicher, daß dies für ihn ein Augenblick des Trostes sein wird, wenn er weiß, daß er auf die Mitarbeit der in der Hochschulseelsorge engagierten Studenten und Professoren von Rom und Latium zählen kann.

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