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 EUCHARISTIEFEIER ZUM 50. JAHRESTAG DER PRIESTERWEIHE

PREDIGT VON KARD. TARCISIO BERTONE,
STAATSSEKRETÄR DES HEILIGEN VATERS

Petersdom
Montag, 6. Juli 2010

 

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Exzellenzen,
hochwürdiger Rector Magnificus der Salesianer-Universität,
liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst,
liebe Ordensmänner und -frauen, sehr geehrte Würdenträger,
liebe Gläubige und liebe Freunde!

Ich danke euch allen, daß ihr euch mit eurer Anwesenheit und eurem Gebet den Gefühlen der Dankbarkeit Gott gegenüber anschließt, die ich am 50. Jahrestag meiner Priesterweihe empfinde. Ich hoffe, daß diese Messe ein Lobgesang auf die Güte und Sanftmut des Herrn sein möge.

Mit diesen Gefühlen im Herzen wollen wir uns von den Lesungen aus der Bibel inspirieren lassen, die wir soeben gehört haben. Sie zeigen uns drei wichtige Gründe auf, die wir für unsere heutige Danksagung an den Herrn anführen können.

 

1. Ich bin für ein unvergleichlich schönes Amt erwählt worden: das Priesteramt

Die erste Lesung beschreibt die Sendung des Propheten, die in Wahrheit die Sendung Jesu ist. Er selbst ist es nämlich, der mit seiner Menschwerdung die Prophezeiung des Alten Testaments erfüllt. Diese Sendung wird im Lauf der Jahrhunderte  und Jahrtausende der Geschichte von all jenen fortgeführt, die von ihm selbst auserwählt und geheiligt wurden.

Worin besteht diese Sendung? Wir haben es gerade gehört: sie besteht darin, den Menschen Hoffnung zu geben, indem wir verkünden, daß Gott gut ist; indem wir die Schmerzen jener lindern, die leiden; indem wir die Gedanken all jener, die die Last der Sorgen dieser Erde erdrückt, auf den Himmel lenken.

Als Priester und als Bischof durfte ich viele Male die Schönheit und Kraft des Evangeliums Jesu erfahren, das wirklich in der Lage ist, das Leben der Menschen zu verändern. In der Ausübung seines Amtes hat der Priester diese unvergleichlich einzigartige Sendung: den Himmel ein kleines Stück weit auf die Erde zu holen und alle Männer und Frauen in die Gemeinschaft mit Gott aufzunehmen.

So durfte auch ich diese Freude empfinden, von der der Prophet im letzten Teil der Lesung spricht: Gott hat mich aus Gnade zum Dienst inmitten seines Volkes berufen. Er hat mich seine Liebe spüren lassen durch die Gaben, die er mir gewährte, durch die Personen, die er meinen Weg kreuzen ließ, die Ereignisse, die mein Leben als Priester prägten, die Aufgaben, die mir anvertraut wurden. Dieser überfließende Reichtum des Lebens und der Gnade erfüllt mich heute mit Gedanken und Gefühlen des Lobpreises und der Dankbarkeit. Wie sollte ich nach 50 Jahren nicht erkennen, daß die Ausübung meines Dienstes aus dem geheimnisvollen Beschluß Gottes erwächst, der mich mit seinem Geist geheiligt hat und dessen Gegenwart mich allzeit begleitet.

Das Priestertum ist Geschenk und Geheimnis! So kann auch ich heute mit dem Propheten ausrufen: »Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn!«

 

2. Im Dienst der Kirche

In der zweiten Lesung wendet sich der Apostel Paulus an die christliche Gemeinde in Philippi und läßt seinen Gefühlen freien Lauf. Aus diesem Brief klingt soviel Freude heraus, daß ihn einige Exegeten den »Brief der Freude« nennen.

Wie aber kann Paulus so froh sein, wo er doch aus dem Gefängnis schreibt? Weil er, indem er sich an jene Gläubigen wendet, die ihm besonders am Herzen liegen, das Geheimnis der Kirche betrachtet, das Geheimnis ihrer Bestimmung, ihrer Verbreitung und ihrer Heiligung. Paulus ist glücklich, dieser Kirche zu dienen, sich für sie aufzuopfern, für sie zu leiden. Wir wissen nur zu gut, daß die Kirche und Christus für Paulus untrennbar sind: für ihn sind Christus und die Kirche in einem unlösbaren Bund vereint, wie ein Bräutigam mit seiner Braut.

Ich gestehe euch, daß auch ich, ebenso wie Paulus, Gott dafür danke, daß er mein Amt gesegnet hat, indem er mich auf eine für mich gewiß unerwartete Weise in den Dienst der Kirche stellte. Als ich vor 50 Jahren die Priesterweihe empfing, war ich wie jeder Salesianer Don Boscos bereit, inmitten junger Menschen zu wirken. Das war zwar dann tatsächlich der Fall, aber es erfolgte in einem zutiefst kirchlich geprägten Umfeld: der Päpstlichen Salesianer-Universität, für die ich mich mit großer Begeisterung eingesetzt habe. Dann wurden mir andere Aufgaben übertragen, die mich nicht nur die Teilkirchen lieben lehrten, in die man mich schickte, sondern mir auch die Weltkirche immer mehr ans Herz wachsen ließen: als Mitglied des Bischofskollegiums und in den verschiedenen, mir anvertrauten Ämtern, die ich stets im bedingungslosen und treuen Dienst für den Heiligen Vater auszuüben versuchte. Das waren – und sind – außergewöhnliche Gelegenheiten, mir meinen priesterlichen Dienst in der Kirche bewußt werden zu lassen und mich zum Mitarbeiter des Heiligen Geistes zu machen, der sie von innen her belebt, damit sie die schöne Braut Christi sein kann. Schon der Ort, an dem wir unsere heutige Messe feiern, hilft uns beim »sentire cum ecclesia«, beim Fühlen mit der Kirche, wie uns Kardinal Sodano in seiner Einführung ins Gedächtnis gerufen hat.

Wenn ich an die Kirche denke, wie es Paulus in dem Text tut, den wir eben gehört haben, tauchen vor meinem geistigen Auge die Gesichter und Namen vieler Menschen auf, die ich kennen- und schätzenlernen durfte und in deren Dienst ich mein Priesteramt gestellt habe: mir liebgewordene Bischöfe – angefangen bei dem leider von uns gegangenen Msgr. Albino Mensa, der mich vor 50 Jahren zum Priester und rund 30 Jahre später zum Bischof geweiht hat; viele vorbildliche Priester, treue Ordensmänner und Ordensfrauen; großherzige, engagierte Laien; innig verbundene Familien, die Zeugnis ablegen für die Liebe; junge und alte Menschen; einfache Menschen und die Mächtigen dieser Erde; Männer und Frauen in Italien und auf allen Kontinenten, die glücklich darüber sind, sich für Christus und das Evangelium entschieden zu haben. Auch im Namen dieser Menschen, die sich nicht immer durch einen konsequenten Glauben auszeichnen, danke ich dem Herrn und schließe sie alle in das innige Gebet des Paulus mit ein, der sagte: »Ich habe euch ins Herz geschlossen […] und ich bete darum, daß eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird, damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt. Dann werdet ihr rein und ohne Tadel sein für den Tag Christi, reich an der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus gibt, zur Ehre und zum Lob Gottes« (Phil 1, 7–11). Im Lauf der Jahre wird uns nämlich bewußt, daß nur eines von Dauer ist: die Liebe, einander gern zu haben, uns gegenseitig zu helfen, zu verzeihen, einander zu dienen. »Deus caritas est!«

 

3. In inniger Freundschaft mit Jesus verbunden

Der Evangeliumstext berichtet uns schließlich auch von den Worten, die Jesus seinen Jüngern hinterlassen, und von den Geheimnissen, die er seinen engsten Freunden anvertraut hat: die enge Verbindung zu ihm, ohne die das geistliche Leben niemals fruchtbar sein kann, das neue Gebot der Liebe, die Erwählung durch ihn, die uns den Sinn der Berufung und die Wirksamkeit des Gebetes verstehen läßt.

Um das Leben eines Priesters zu verstehen, muß man sich nicht fragen: »Was macht der Priester?«, sondern vielmehr: »Wer ist der Priester?« Und die Antwort ist stets nur eine: der Priester ist jemand, der Jesus Christus liebt, er ist sein Freund – der geliebte, erwartete, gegenwärtige, gelobte und angebetete Freund.

Ich muß sagen, daß auch ich in diesen 50 Jahren immer mehr die Erfahrung gemacht habe, daß das Priesteramt eine innige Freundschaft mit Jesus ist. Die Feier des heiligen Meßopfers habe ich jeden Tag als Höhepunkt meines Tages empfunden, und ich bin jeden Tag bei der Feier des Stundengebets vor dem Herrn verweilt. Diese göttliche Präsenz hat mich stets begleitet und beschützt.

Bei dieser Erfahrung ist der Heilige Vater Benedikt XVI. ein leuchtendes Vorbild. In der Hektik der oft so oberflächlichen modernen Welt lädt er alle, besonders aber uns Priester, zur Reflexion ein, zur Vertiefung des Glaubens in einer Freundschaftsbeziehung zu Jesus, und verweist auf die kirchliche Gemeinschaft als Grundlage für ein wirksames Zeugnis des Evangeliums. Man muß nur aufmerksam seinen Worten lauschen, sie zu einer Meditation der Weisheit werden lassen, um zu spüren, daß Seele und Geist gesättigt sind. Im vor kurzem ausgeklungenen Priesterjahr hat Benedikt XVI. das Vorbild des heiligen Pfarrers von Ars vorgeschlagen und uns daran erinnert, daß die innige Verbundenheit eines Priesters mit Jesus das Geheimnis ist, das sein Dasein beseelt, die Quelle, die sein Amt fruchtbar werden läßt. Und dann waren da noch die vielen Predigten und Katechesen, die im gesamten Priesterjahr den in gewisser Weise schwierigen und ruhmreichen Weg der Kirche nachvollzogen haben, der von mutigen, heiligen und gelehrten Priestern geprägt wurde.

Ich bin mir sicher, die Gefühle der hier anwesenden Kardinäle sowie aller Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst zum Ausdruck zu bringen, die sich heute zu einer einmütigen, gemeinsamen Danksagung vor dem Altar versammelt haben. Laßt uns den Herrn loben für das große Geschenk des Priesteramtes.

Denn der Dienst des Priesters ist und wird immer ein Dienst der Liebe an der ganzen Menschheit sein, ein einzigartiger und unersetzlicher Dienst, der bereits in unserer Welt die Fülle der Freude und Schönheit des Reiches Gottes vorwegnehmen kann.

 

4. Schlußbemerkung

Liebe Freunde, als ich, ein Sohn Don Boscos und inniger Verehrer der Gottesmutter Maria, Hilfe der Christen, vor 50 Jahren zum Priester geweiht wurde, habe ich gelernt, mein Priestertum der Muttergottes anzuvertrauen. Und das will ich auch heute tun. An sie, die zärtliche Mutter, die die ersten Früchte meines Priesteramtes angenommen, die meine Spiritualität mit dem Vorbild ihrer Tugenden genährt und mich auf jeder Etappe meines Lebensweges begleitet hat – an sie wende ich mich heute: ihrer Fürsprache will ich das schwere, aber doch so geliebte kirchliche Amt anvertrauen, das man mir übertragen hat.

Mit den Worten Don Boscos rufe ich sie an:

Maria, Du mächtige Jungfrau,
Du bist die erhabene, ruhmreiche Schutzfrau der Kirche;
die wunderbare Hilfe der Christen;
Du bist furchterregend wie ein zum Kampfe gerüstetes Kriegsheer;
Du allein hast alle Irrlehren auf der ganzen Welt vernichtet;
in unseren Nöten, unseren Kämpfen, unseren Bedrängnissen
schütze uns vor dem Feind, und in der Stunde unseres Todes
nimm unsere Seele auf in den Himmel!
Amen.

  

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