Der Heilige Stuhl
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Katechismus der Katholischen Kirche

1997
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  • DRITTER TEIL DAS LEBEN IN CHRISTUS
    • ERSTER ABSCHNITT DIE BERUFUNG DES MENSCHEN: DAS LEBEN IM HEILIGEN GEIST
      • ZWEITES KAPITEL DIE MENSCHLICHE GEMEINSCHAFT
        • ARTIKEL 10 DIE BETEILIGUNG AM GESELLSCHAFTLICHEN LEBEN
          • II Das Gemeinwohl
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II Das Gemeinwohl

 

1905 Der gesellschaftlichen Natur des Menschen entsprechend steht das Wohl eines jeden in Verbindung mit dem Gemeinwohl. Dieses läßt sich nur von der menschlichen Person her bestimmen.

„Verkriecht euch nicht in euch selbst und sondert euch nicht ab, als wäret ihr schon gerechtfertigt, sondern kommt zusammen und sucht miteinander nach dem gemeinsamen Nutzen!" (Barnabasbrief 4,10).

1906 Das Gemeinwohl ist „die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ermöglichen, die eigene Vollendung voller und leichter zu erreichen" (GS 26,1) [Vgl. GS 74,1]. Das Gemeinwohl betrifft das Leben aller. Von einem jeden verlangt es Klugheit, besonders von denen, die mit der Ausübung der Autorität betraut sind. Es beruht auf drei wesentlichen Elementen:

 

1907 Erstens setzt es die Achtung der Person als solcher voraus. Im Namen des Gemeinwohls sind die öffentlichen Gewalten verpflichtet, die unveräußerlichen Grundrechte der menschlichen Person zu achten. Die Gesellschaft muß jedem ihrer Glieder ermöglichen, seine Berufung zu verwirklichen. Insbesondere besteht das Gemeinwohl darin, daß man die natürlichen Freiheiten ausüben kann, die unerläßlich sind, um die Berufung als Mensch zu entfalten: „das Recht zum Handeln nach der rechten Norm seines Gewissens, das Recht auf Schutz des Privatlebens und auf die rechte Freiheit, und zwar auch im religiösen Bereich" (GS 26,2).

 

1908 Zweitens verlangt das Gemeinwohl das soziale Wohl und die Entwicklung der Gemeinschaft. Entwicklung ist der Inbegriff aller sozialen Aufgaben. Gewiß kommt es der Autorität zu, im Namen des Gemeinwohls zwischen den verschiedenen Sonderinteressen als Schiedsrichterin zu walten. Sie muß aber einem jeden das zugänglich machen, was für ein wirklich menschliches Leben notwendig ist, wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Arbeit, Erziehung und Bildung, richtige Information und Recht auf Familiengründung [Vgl. GS 26,2].

 

1909 Zum Gemeinwohl gehört schließlich der Friede, das heißt die Dauerhaftigkeit und Sicherheit einer gerechten Ordnung. Es setzt somit voraus, daß die Autorität durch rechte Mittel die Sicherheit der Gesellschaft und deren Glieder gewährleistet. Es begründet das Recht auf persönliche und kollektive Selbstverteidigung.

 

1910 Jede menschliche Gemeinschaft besitzt ein Gemeinwohl, durch das sie sich als solche erkennen kann. Am vollständigsten wird dies in der politischen Gemeinschaft verwirklicht. Es ist Aufgabe des Staates, das Gemeinwohl der bürgerlichen Gesellschaft, der Bürger und der kleineren Gemeinwesen zu schützen und zu fördern.

 

1911 Die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen wächst und erstreckt sich allmählich über die ganze Erde. Die Einheit der Menschheitsfamilie, welche Menschen gleicher natürlicher Würde vereint, setzt ein weltweites Gemeinwohl voraus. Dieses erfordert eine Gliederung der Völkergemeinschaft, die imstande ist, „den verschiedenen Bedürfnissen der Menschen nach Kräften Rechnung zu tragen, und zwar sowohl in den Bereichen des sozialen Lebens, z. B. Ernährung, Gesundheit, Erziehung, Arbeit, als auch in besonderen Situationen, die hier und dort entstehen können" (GS 84,2), etwa durch Flüchtlingshilfe und Unterstützung Heimatloser und ihrer Familien.

 

1912 Das Gemeinwohl ist stets auf den Fortschritt der Personen ausgerichtet, „denn die Ordnung der Dinge ist der Ordnung der Personen zu unterwerfen und nicht umgekehrt" (GS 26,3). Diese Ordnung gründet in der Wahrheit, wird in der Gerechtigkeit aufgebaut und ist durch die Liebe beseelt.

 

 





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