II „Ihm allein sollst du dienen"
2095 Die
göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe formen die
sittlichen Tugenden und erfüllen sie mit Leben. So drängt uns die Liebe, Gott
das zu geben, was wir ihm als Geschöpfe rechtmäßig schulden. Die Tugend der
Gottesverehrung [virtus religionis] macht uns zu dieser Haltung bereit.
Anbetung
2096 Der erste
Akt der Tugend der Gottesverehrung ist die Anbetung. Gott anbeten heißt, ihn
als Gott, als den Schöpfer und Retter, den Herrn und Meister von allem, was
ist, als unendliche und barmherzige Liebe anzuerkennen. Jesus beruft sich auf
das Buch Deuteronomium 1 und sagt: „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich
niederwerfen und ihm allein dienen" (Lk 4,8).
2097 Gott
anbeten heißt, in Ehrfurcht und absoluter Unterwerfung die „Nichtigkeit des
Geschöpfs" anzuerkennen, welches einzig Gott sein Dasein verdankt. Gott
anbeten heißt, wie Maria im Magnificat ihn zu loben, ihn zu preisen und sich
selbst zu demütigen, indem man dankbar anerkennt, daß er Großes getan hat und
daß sein Name heilig ist [Vgl. Lk 1,46-49].
Die Anbetung des einzigen Gottes
befreit den Menschen von der Selbstbezogenheit, von der Sklaverei der Sünde und
der Vergötzung der Welt.
Gebet
2098 Die Akte
des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, die das erste Gebot befiehlt, vollenden
sich im Gebet. Wir beten Gott an, indem wir den Geist in Lob- und Dankgebet,
Fürbitte und Bitte zu Gott erheben. Das Gebet ist eine unerläßliche
Voraussetzung, um die Gebote Gottes halten zu können. Man soll „allzeit beten
und darin nicht nachlassen" (Lk 18,1).
2099 Es ist
richtig, Gott Opfer darzubringen zum Zeichen der Anbetung und des Dankes, des
Flehens und der Gemeinschaft mit ihm. „Ein wahres Opfer ist jegliches Werk, das
getan wird, um in heiliger Gemeinschaft Gott anzuhangen" (Augustinus, civ.
10,6).
2100 Damit die
äußere Opferhandlung wahrhaftig ist, muß sie Ausdruck einer inneren
Opferhaltung sein: „Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist .
. .„ (Ps 51, 19). Die Propheten des Alten Bundes verurteilten oft die Opfer,
die ohne innere Anteilnahme [Vgl. Am 5,21-25] oder ohne Liebe zum Nächsten
[Vgl. Jes 1,10-20, 2 Vgl. Jes 1,10-20, ] dargebracht werden. Jesus erinnert an
das Wort des Propheten Hosea:
„Barmherzigkeit will ich, nicht
Opfer" (Mt 9,13; 12,7)[Vgl. Hos 6,6]. Das einzige vollkommene Opfer ist
jenes, das Christus am Kreuz in völliger Hingabe an die Liebe des Vaters und zu
unserem Heil dargebracht hat [Vgl. Hebr 9,13-14. ]
Indem wir uns mit seinem Opfer
vereinen, können wir unser Leben zu einer Opfergabe an Gott machen.
Versprechen und Gelübde
2101 Bei
mehreren Anlässen wird der Christ aufgerufen, Gott Versprechen zu machen. Taufe
und Firmung, Trauung und Weihe sind stets mit einem solchen Versprechen verbunden.
Aus persönlicher Frömmigkeit kann der Christ Gott auch eine Tat, ein Gebet, ein
Almosen, eine Wallfahrt oder ähnliches versprechen. Im treuen Einhalten der
Gott gemachten Versprechen zeigt sich die der göttlichen Majestät geschuldete
Ehrerbietung und die Liebe zum getreuen Gott.
2102 „Ein
Gelübde, das ist ein Gott überlegt und frei gegebenes Versprechen, das sich auf
ein mögliches und besseres Gut bezieht, muß kraft der Tugend der
Gottesverehrung erfüllt werden" (CIC, can. 1191, §
1). Das Gelübde ist ein Akt der Hingabe, durch den sich der Christ
Gott weiht oder ihm ein gutes Werk verspricht. Durch die Erfüllung seiner
Gelübde schenkt er Gott, was er ihm versprochen und geweiht hat. So war der hl.
Paulus, wie die Apostelgeschichte uns zeigt, sehr darauf bedacht, seine Gelübde
zu erfüllen [Vgl. Apg 18,18; 21,23-24.].
2103 Den
Gelübden, den evangelischen Räten entsprechend zu leben, erkennt die Kirche
einen beispielgebenden Wert zu [Vgl. CIC. can.
654]
„Deshalb
freut sich die Mutter Kirche darüber, daß sich in ihrem Schoß viele Männer und
Frauen finden, die die Entäußerung des Erlösers nachdrücklicher befolgen und
deutlicher erweisen, indem sie die Armut in der Freiheit der Kinder Gottes
übernehmen und auf den Eigenwillen verzichten, das heißt, sie unterwerfen sich
einem Menschen um Gottes willen hinsichtlich der Vollkommenheit über das Maß
des Gebotes hinaus, um sich dem gehorsamen Christus mehr gleichzugestalten"
(LG 42).
In gewissen Fällen kann die Kirche aus angemessenen Gründen von Gelübden und
Versprechen dispensieren [Vgl. CIC, cann. 692; 1196-1197].
Die Verpflichtung der
Gesellschaft zur Gottesverehrung und das Recht auf Religionsfreiheit
2104 Alle
Menschen sind „verpflichtet, die Wahrheit, besonders in dem, was Gott und seine
Kirche angeht, zu suchen und die erkannte Wahrheit aufzunehmen und zu
bewahren" (DH 1). Zu dieser Pflicht werden die Menschen „durch ihre eigene
Natur gedrängt" (DH 2). Diese Pflicht verbietet nicht, „mit aufrichtigem
Ernst" die verschiedenen Religionen zu achten, die „nicht selten einen
Strahl jener Wahrheit wiedergeben, die alle Menschen erleuchtet" (NA 2);
sie widerspricht auch nicht dem Liebesgebot, das die Christen drängt, „den
Menschen, die in Irrtum oder Unwissenheit in den Dingen des Glaubens befangen
sind, in Liebe, Klugheit und Geduld zu begegnen" (DH 14).
2105 Die Pflicht,
Gott aufrichtig zu verehren, betrifft sowohl den einzelnen Menschen als auch
die Gesellschaft. Dies ist „die überlieferte katholische Lehre von der
moralischen Pflicht der Menschen und der Gesellschaften gegenüber der wahren
Religion und der einzigen Kirche Christi" (DH 1). Indem die Kirche
unablässig das Evangelium verkündet, bemüht sie sich darum, daß es den Menschen
möglich wird, „Mentalität und Sitte, Gesetz und Strukturen der Gemeinschaft, in
der jemand lebt, im Geist Christi zu gestalten" (AA 13). Die Christen
haben die soziale Verpflichtung, in jedem Menschen die Liebe zum Wahren und
Guten zu achten und zu wecken. Dies verlangt von ihnen, die einzige wahre
Religion, die in der katholischen und apostolischen Kirche verwirklicht ist
[Vgl. DH 1], zu verbreiten. Die Christen sind berufen, das Licht der Welt zu
sein [Vgl. AA 13]. Die Kirche bezeugt so die Königsherrschaft Christi über die
ganze Schöpfung, insbesondere über die menschlichen Gesellschaften [Vgl. Leo
XIII.. Enz. „Immortale Dei"; Pius Xl., Enz. „Quas primas"].
2106
Religionsfreiheit bedeutet, „daß im religiösen Bereich niemand gezwungen wird,
gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich,
als einzelner und in Verbindung mit anderen innerhalb der gebührenden Grenzen
nach seinem Gewissen zu handeln" (DH 2). Dieses Recht gründet auf der
Natur des Menschen, dessen Würde erfordert, daß er der göttlichen Wahrheit, die
die zeitliche Ordnung übersteigt, freiwillig zustimmt. Deswegen bleibt dieses
Recht „auch denjenigen erhalten, die der Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen
und an ihr festzuhalten, nicht nachkommen" (DH 2).
2107 „Wenn in
Anbetracht besonderer Umstände in einem Volk einer einzigen religiösen
Gemeinschaft in der Rechtsordnung des Staates eine spezielle bürgerliche
Anerkennung gezollt wird, so ist es notwendig, daß zugleich das Recht auf
Freiheit in religiösen Dingen für alle Bürger und religiösen Gemeinschaften
anerkannt und gewahrt wird" (DH 6).
2108 Das Recht
auf Religionsfreiheit bedeutet weder die moralische Erlaubnis, einem Irrtum
anzuhängen [Vgl. Leo XIII., Enz. „Libertas præstantissimum"], noch ein
angebliches Recht auf Irrtum [Vgl. Pius XII., Ansprache vom 6 Dezember 1953]
sondern es ist ein natürliches Recht des Menschen auf die bürgerliche Freiheit,
das heißt darauf, daß im religiösen Bereich - innerhalb der gebührenden Grenzen
- von der politischen Gewalt kein äußerer Zwang ausgeübt wird. Dieses
natürliche Recht ist in der Rechtsordnung der Gesellschaft anzuerkennen, so daß
es zum staatlichen Recht wird [Vgl. DH 2. ].
2109 Das Recht
auf Religionsfreiheit darf an sich weder unbeschränkt [Vgl. Pius VI., Breve
„Quod aliquantum"] noch bloß durch eine positivistisch oder naturalistisch
verstandene „öffentliche Ordnung" [Vgl. Pius IX., Enz. „Quanta cura".] beschränkt sein. Die diesem
Recht innewohnenden „gerechten Grenzen" sind für jede
Gesellschaftssituation den Forderungen des Gemeinwohls entsprechend durch die
politische Klugheit zu bestimmen und durch die staatliche Autorität „nach
rechtlichen Normen, die der objektiven sittlichen Ordnung entsprechen", zu
bestätigen (DH 7).
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