Der Heilige Stuhl
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Katechismus der Katholischen Kirche

1997
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  • DRITTER TEIL DAS LEBEN IN CHRISTUS
    • ZWEITER ABSCHNITT DIE ZEHN GEBOTE
      • ZWEITES KAPITEL „DU SOLLST DEINEN NÄCHSTEN LIEBEN WIE DICH SELBST"
        • ARTIKEL 4 DAS VIERTE GEBOT
          • V Autoritäten in der Gesellschaft
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V Autoritäten in der Gesellschaft

 

2234 Das vierte Gebot Gottes befiehlt uns auch, all jene zu ehren, die von Gott zu unserem Wohl ein öffentliches Amt in der Gesellschaft erhalten haben. Es gibt Aufschluß über die Pflichten der Amtsträger sowie jener, zu deren Wohl sie bestellt sind.

 

 

Pflichten der Behörden

 

2235 Der Inhaber eines Amtes muß dieses als einen Dienst ausüben. „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein" (Mt 20,26). Die Ausübung eines Amtes wird sittlich gemessen an seinem göttlichen Ursprung, seiner vernünftigen Natur und seinem besonderen Objekt. Niemand darf etwas befehlen oder einführen, was der Menschenwürde und dem natürlichen Sittengesetz widerspricht.

 

2236 Die Ausübung von Autorität zielt darauf ab, eine gerechte Rangordnung der Werte sichtbar zu machen, um allen den Gebrauch ihrer Freiheit und Verantwortung zu erleichtern. Die Vorgesetzten sollen die austeilende Gerechtigkeit weise ausüben, dabei den Bedürfnissen sowie dem Beitrag eines jeden Rechnung tragen und gegenseitiges Einvernehmen und Frieden anstreben. Sie sollen darauf bedacht sein, daß die von ihnen getroffenen Maßnahmen und Anordnungen nicht dadurch in Versuchung führen, daß sie das persönliche Interesse in Widerspruch zum Gemeinwohl bringen [Vgl. CA 25.].

 

2237 Die politischen Autoritäten sind verpflichtet, die Grundrechte der menschlichen Person zu achten. Sie sollen die Gerechtigkeit menschlich ausüben und dabei das Recht eines jeden, besonders das der Familien und Bedürftigen, achten.

 

Die staatsbürgerlichen Rechte dürfen und sollen gemäß den Erfordernissen des Gemeinwohls gewährt werden. Die öffentlichen Gewalten dürfen sie nicht ohne berechtigten und angemessenen Grund außer Kraft setzen. Die Ausübung der politischen Rechte soll das Gemeinwohl der Nation und der menschlichen Gesellschaft fördern.

 

 

Pflichten der Bürger

 

2238 Die der Autorität Unterstellten sollen ihre Vorgesetzten als Diener Gottes ansehen, der diese zur Verwaltung seiner Gaben bestellt hat [Vgl. Röm 13, 1-2.] „Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung ... Handelt als Freie, aber nicht als solche, die Freiheit als Deckmantel für das Böse nehmen, sondern wie Knechte Gottes" (1 Petr 2, 13. 16). Loyale Mitarbeit bringt für die Bürger das Recht und manchmal sogar die Pflicht mit sich, in angemessener Weise zu kritisieren, was der Menschenwürde oder dem Gemeinwohl zu schaden scheint.

 

2239 Pflicht der Bürger ist es, gemeinsam mit den Behörden im Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Die Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten und entsprechen der Ordnung der Liebe. Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Autoritäten und Einsatzbereitschaft für das Gemeinwohl verlangen von den Bürgern, ihre Aufgabe im Leben der staatlichen Gemeinschaft zu erfüllen.

 

2240 Der Gehorsam gegenüber der Autorität und die Mitverantwortung für das Gemeinwohl machen es zu einer sittlichen Pflicht, Steuern zu zahlen, das Stimmrecht auszuüben und das Land zu verteidigen.

„Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre" (Röm 13,7).

Die Christen „bewohnen das eigene Vaterland, aber wie seßhafte Fremde. Sie nehmen an allem teil wie Bürger, und sie ertragen alles wie Fremde ... Sie gehorchen den erlassenen Gesetzen, und mit der ihnen eigenen Lebensweise überbieten sie die Gesetze ... Auf einen so wichtigen Posten hat Gott sie gestellt, dem sich zu entziehen ihnen nicht erlaubt ist" (Diognet 5,5.10; 6,10).

Paulus fordert uns auf, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, zu beten und dankzusagen, „damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können" (1 Tim 2,2).

 

2241 Die wohlhabenderen Nationen sind verpflichtet, so weit es ihnen irgend möglich ist, Ausländer aufzunehmen, die auf der Suche nach Sicherheit und Lebensmöglichkeiten sind, die sie in ihrem Herkunftsland nicht finden können. Die öffentlichen Autoritäten sollen für die Achtung des Naturrechts sorgen, das den Gast unter den Schutz derer stellt, die ihn aufnehmen.

Die politischen Autoritäten dürfen im Hinblick auf das Gemeinwohl, für das sie verantwortlich sind, die Ausübung des Einwanderungsrechtes verschiedenen gesetzlichen Bedingungen unterstellen und verlangen, daß die Einwanderer ihren Verpflichtungen gegenüber dem Gastland nachkommen. Der Einwanderer ist verpflichtet, das materielle und geistige Erbe seines Gastlandes dankbar zu achten, dessen Gesetzen zu gehorchen und die Lasten mit zu tragen.

 

2242 Der Bürger hat die Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen Autoritäten nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen des Evangeliums widersprechen. Den staatlichen Autoritäten den Gehorsam zu verweigern, falls deren Forderungen dem rechten Gewissen Widersprechen, findet seine Rechtfertigung in der Unterscheidung zwischen dem Dienst Gottes und dem Dienst an der staatlichen Gemeinschaft. „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" (Mt 22,21). „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29).

„Wo ... die Staatsbürger von einer öffentlichen Gewalt, die ihre Zuständigkeit überschreitet, bedrückt werden, sollen sie sich nicht weigern, das zu tun, was das Gemeinwohl objektiv verlangt. Sie haben jedoch das Recht, ihre und ihrer Mitbürger Rechte gegen den Mißbrauch der staatlichen Autorität zu verteidigen, freilich innerhalb der Grenzen des Naturrechts und des Evangeliums" (GS 74,5).

 

2243 Bewaffneter Widerstand gegen Unterdrückung durch die staatliche Gewalt ist nur dann berechtigt, wenn gleichzeitig die folgenden Bedingungen erfüllt sind: (1) daß nach sicherem Wissen Grundrechte schwerwiegend und andauernd verletzt werden; (2) daß alle anderen Hilfsmittel erschöpft sind; (3) daß dadurch nicht noch schlimmere Unordnung entsteht; (4) daß begründete Aussicht auf Erfolg besteht und (5) daß vernünftigerweise keine besseren Lösungen abzusehen sind.

 

 

Staat und Kirche

 

2244 Jede Institution ist, zumindest implizit, von einer bestimmten Sicht des Menschen und seiner Bestimmung beeinflußt, aus der sie ihre Urteilskriterien, ihre Wertordnung und ihre Verhaltensweisen ableitet. Bei der Errichtung ihrer Institutionen gehen die meisten Gesellschaften davon aus, daß dem Menschen ein gewisser Vorrang vor den Dingen gebührt. Einzig die göttlich geoffenbarte Religion hat in Gott, dem Schöpfer und Erlöser, klar den Ursprung und das Ziel des Menschen erkannt. Die Kirche lädt die politischen Verantwortungssträger ein, sich in ihren Urteilen und Entscheidungen nach dieser geoffenbarten Wahrheit über Gott und den Menschen zu richten.

 

Die Gesellschaften, die diese Offenbarung nicht kennen oder sie im Namen ihrer Unabhängigkeit von Gott ablehnen, müssen ihre Maßstäbe und Ziele in sich selbst suchen oder einer Ideologie entnehmen. Und da sie kein objektives Kriterium zur Unterscheidung von gut und böse dulden, maßen sie sich offen oder unterschwellig eine totalitäre Gewalt über den Menschen und sein Schicksal an, wie die Geschichte beweist [Vgl. CA 45;46.].

 

2245 Die Kirche, die sich aufgrund ihres Auftrags und ihrer Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft keineswegs deckt, ist Zeichen und zugleich Schützerin des transzendenten Wesens des Menschen. Als solche „achtet und fördert sie auch die politische Freiheit der Bürger und ihre Verantwortlichkeit" (GS 76,3).

 

2246 Zur Sendung der Kirche gehört es, „auch politische Angelegenheiten einer sittlichen Beurteilung zu unterstellen, wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen. Sie wendet dabei alle, aber auch nur jene Mittel an, welche dem Evangelium und dem Wohl aller je nach den verschiedenen Zeiten und Verhältnissen entsprechen" (GS 76,5).

 





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