Der Heilige Stuhl
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Katechismus der Katholischen Kirche

1997
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  • VIERTER TEIL DAS CHRISTLICHE GEBET
    • ERSTER ABSCHNITT DAS GEBET IM CHRISTLICHEN LEBEN
      • ZWEITES KAPITEL DIE ÜBERLIEFERUNG DES GEBETES
        • ARTIKEL 5 DER WEG DES GEBETES
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ARTIKEL 5

DER WEG DES GEBETES

 

2663 Jede Kirche bietet in der lebendigen Überlieferung des Gebetes dem geschichtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld entsprechend ihren Gläubigen die Sprache des Betens in Worten, Gesängen, Gebetshaltungen und Bildern an. Das Lehramt [Vgl. DV 10] hat die treue Übereinstimmung dieser verschiedenen Wege des Betens mit dem überlieferten apostolischen Glauben zu beurteilen, und die Seelsorger und Katecheten haben deren Sinn zu erkären, der stets auf Christus bezogen ist.

 

 

Gebet zum Vater

 

2664 Es gibt keinen anderen Weg christlichen Betens als Christus. Unser Gebet hat nur dann Zugang zum Vater, wenn wir „im Namen Jesu" beten, in Gemeinschaft oder allein, in gesprochener oder innerlicher Weise. Die heilige Menschheit Jesu ist der Weg, durch den der Heilige Geist uns zu Gott, unserem Vater, beten lehrt.

 

 

Gebet zu Jesus

 

2665 Das Gebet der Kirche, das sich vom Wort Gottes und der Feier der Liturgie nährt, lehrt uns zu Jesus, unserem Herrn beten. Selbst wenn es sich vornehmlich an den Vater richtet, enthält es doch in allen liturgischen Überlieferungen Formen des Betens, die sich an Christus wenden. Manche im Gebet der Kirche aktualisierte Psalmen und das Neue Testament legen die Anrufungen dieses Betens zu Christus auf unsere Lippen und prägen sie in unsere Herzen ein:

Sohn Gottes Sohn der Jungfrau

Wort Gottes Guter Hirt

Unser Herr Unser Leben

Unser Heiland Unser Licht

Lamm Gottes Unsere Hoffnung

Unser König Unsere Auferstehung

Du vielgeliebter Sohn Freund der Menschen

 

2666 Doch der Name, der alles enthält, ist der, den der Sohn Gottes bei seiner Menschwerdung erhält: Jesus. Der Name Gottes läßt sich von menschlichen Lippen nicht aussprechen [Vgl. Ex 3,14; 33,19-23.], aber das Wort Gottes offenbart ihn uns in der Menschwerdung; jetzt können wir ihn anrufen: „Jesus", „JHWH rettet" Vgl. Mt 1,21]. Der Name Jesu enthält alles: Gott und den Menschen und die ganze Ordnung der Schöpfung und Erlösung. „Jesus" beten heißt, ihn anrufen, ihn in uns rufen. Sein Name trägt als einziger Gottes Gegenwart in sich, die er bedeutet. Jesus ist auferstanden, und wer immer seinen Namen anruft, empfängt den Sohn Gottes, der ihn geliebt und sich für ihn hingegeben hat [Vgl. Röm 10,13: Apg 2,21; 3. 15-16; Gal 2,20. - Phil 2,6-11].

 

2667 Diese äußerst einfache Anrufung aus dem Glauben wurde in der Überlieferung des Gebetes des Ostens und des Westen in mancherlei Formen entfaltet. Die häufigste Fassung, die durch die geistlichen Väter auf dem Sinai, in Syrien und auf dem Berge Athos weitergegeben wurde, ist die Anrufung: „Jesus Christus, Sohn Gottes, Herr, hab Erbarmen mit uns Sündern!" Sie verbindet den christusbezogenen Hymnus aus dem Brief an die Gemeinde in Philippi [Vgl. Mk 10,46-52; Lk 18,13] mit der Bitte des Zöllners und der Blinden. Durch sie wird das Herz auf das Elend der Menschen und die Barmherzigkeit ihres Retters eingestimmt.

 

2668 Die Anrufung des Namens Jesu ist der einfachste Weg des ständigen Betens. Von einem demütig aufmerksamen Herzen oft wiederholt, verliert sich dieses Gebet nicht in „vielen Worten" (Mt 6,7), sondern bewahrt das Wort und bringt in Ausdauer Frucht. Es ist „allzeit" möglich, denn zu beten ist nicht eine Beschäftigung neben anderen, sondern die einzigartige Beschäftigung, Gott zu lieben, die in Christus Jesus alles Tun beseelt und verklärt.

 

2669 Das Gebet der Kirche ehrt und verehrt das Herz Jesu, wie es seinen heiligsten Namen anruft. Die Kirche betet das menschgewordene Wort und sein Herz an, das sich aus Liebe zu den Menschen von unseren Sünden durchbohren ließ. Das christliche Beten folgt im Kreuzweg gern dem Erlöser nach. Die Stationen vom Prätorium bis Golgota und bis zum Grab kennzeichen den Weg Jesu, der durch sein heiliges Kreuz die Welt erlöst hat.

 

 

„Komm, Heiliger Geist!"

 

2670 „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet" (1 Kor 12,3). Jedesmal, wenn wir beginnen zu Jesus zu beten, lockt uns der Heilige Geist durch seine zuvorkommende Gnade auf den Weg des Betens. Er lehrt uns beten, indem er uns an Christus erinnert; wie sollten wir dann nicht auch zu ihm selbst beten? Deshalb lädt uns die Kirche ein, jeden Tag um den Heiligen Geist zu flehen, besonders zu Beginn und am Ende jeder wichtigen Tätigkeit:

 

„Wenn der Geist nicht angebetet werden soll, wie vergöttlicht er mich dann durch die Taufe? Und wenn er angebetet werden soll, muß er dann nicht Gegenstand einer besonderen Verehrung sein?" (Gregor v. Nazianz, or. theol. 5,28).

 

2671 Die übliche Form der Bitte um den Geist besteht in der Anrufung des Vaters durch Christus, unseren Herrn, uns den Tröstergeist zu geben‘. Als Jesus den Geist der Wahrheit verheißt 2, betont er die Notwendigkeit, in seinem Namen um den Geist zu bitten. Ebenfalls üblich ist das einfachste und unmittelbarste Gebet: „Komm, Heiliger Geist!". Jede liturgische Überlieferung entfaltet es in ihren Antiphonen und Hymnen:

 

„Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!" [Vgl. die Pfingstsequenz].

 

„Himmlischer König, Geist des Trostes, Geist der Wahrheit, allgegenwärtig und alles erfüllend, Schatz alles Guten und Quell des Lebens, komm, wohne in uns, läutere und rette uns, du, der du gut bist" (Byzantinische Liturgie, Tropar der Pfingstvesper).

 

2672 Der Heilige Geist, dessen Salbung unser ganzes Wesen erfüllt, ist der innere Lehrmeister des christlichen Betens. Er ist der Urheber der lebendigen Überlieferung des Gebetes. Es lassen sich wohl ebensoviele Wege des Betens finden, wie es betende Menschen gibt, doch wirkt in allen und mit allen der gleiche Geist. In der Gemeinschaft des Heiligen Geistes ist das christliche Beten Gebet in der Kirche.

 

 

In Gemeinschaft mit der heiligen Gottesmutter

 

2673 Im Gebet vereint uns der Heilige Geist mit der Person des eingeborenen Sohnes in dessen verherrlichter Menschennatur. Durch diese und in ihr ist unser Gebet als Söhne Gottes in der Kirche mit der Mutter Jesu vereint [Vgl. Apg 1,14].

 

2674 Seit ihrer Zustimmung, die sie bei der Verkündigung gläubig gab und an der sie unter dem Kreuz ohne Zögern festhielt, erstreckt sich die Mutterschaft Marias fortan auf die Brüder und Schwestern ihres Sohnes, „die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen" (LG 62). Jesus, der einzige Mittler, ist der Weg unseres Gebetes. Maria, seine und unsere Mutter, verstellt ihn nicht. Sie ist vielmehr nach der herkömmlichen bildlichen Darstellung im Osten und Westen „Wegweiserin" [Hodegetria] und „Wegzeichen" Christi.

 

2675 Ausgehend von dieser einzigartigen Mitwirkung Marias am Wirken des Heiligen Geistes haben die Kirchen das Gebet zur heiligen Mutter Gottes entfaltet. Sie richteten dieses Gebet ganz auf Christus aus, wie er sich in seinen Mysterien zeigt. In den unzähligen Hymnen und Antiphonen, die dieses Gebet ausdrücken, wechseln einander für gewöhnlich zwei Bewegungen ab: Die eine preist den Herrn für die „großen Dinge", die er an seiner demütigen Magd, und durch sie für alle Menschen, getan hat [Vgl. Lk 1,46-55]; die andere vertraut der Mutter Jesu die Bitten und das Lob der Kinder Gottes an, weil sie die menschliche Natur kennt, mit der sich der Sohn Gottes in ihr vermählt hat.

 

2676 Diese doppelte Bewegung des Gebetes zu Maria hat im „Ave Maria" einen herrlichen Ausdruck gefunden: Gegrüßt seist du, Maria. Wörtlich: „Freue dich, Maria". Der Gruß des Engels Gabriel eröffnet das Ave. Gott selbst grüßt Maria durch seinen Engel. Unser Gebet wagt den Gruß an Maria aufzunehmen, indem es wie Gott auf die niedrige Magd schaut [Vgl. Lk 1,48], und an der Freude, die Gott an Maria hat [Vgl. Zef 3,17b], teilzunehmen.

 

Du bist voll der Gnade; der Herr ist mit dir. Die beiden Teile des Engelsgrußes erhellen sich gegenseitig. Maria ist voll der Gnade, weil der Herr mit ihr ist. Die Gnade, die sie ganz erfüllt, ist die Gegenwart dessen, der die Quelle aller Gnaden ist. „Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! ... Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte" (Zef 3,14.17a). Maria, in der der Herr selbst Wohnung nimmt, ist in Person die Tochter Zion, die Bundeslade und der Ort, wo die Herrlichkeit des Herrn thront. Sie ist „die Wohnung Gottes unter den Menschen" (Offb 21,3). „Voll der Gnade" ist Maria gänzlich dem hingegeben, der in ihr Wohnung nimmt und den sie der Welt geben wird.

 

Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Nach dem Gruß des Engels machen wir uns die Anrede Elisabets zu eigen. „Vom Heiligen Geist erfüllt" (Lk 1,41) ist Elisabet die Erste einer langen Reihe von Geschlechtern, die Maria selig preisen [Vgl. Lk 1.48]: „Selig ist die, die geglaubt hat" (Lk 1,45). Maria ist „gesegnet ... mehr als alle anderen Frauen" (Lk 1,42), weil sie geglaubt hat, daß das Wort des Herrn in Erfüllung gehen wird. Aufgrund des Glaubens konnten durch Abraham „alle Geschlechter der Erde Segen erlangen" (Gen 12,2-3). Aufgrund des Glaubens ist Maria zur Mutter der Glaubenden geworden. Ihr verdanken alle Geschlechter der Erde, daß sie den, der der Segen Gottes selbst ist, empfangen dürfen: „Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes".

 

2677 Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns ... Mit Elisabet staunen wir: „Wer hin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?" (Lk 1,43). Weil Maria uns ihren Sohn Jesus gibt, ist sie, die Mutter Gottes, auch unsere Mutter. Wir können ihr alle unsere Sorgen und Bitten anvertrauen. Sie betet für uns, wie sie für sich selbst gebetet hat: „Mir geschehe nach deinem Wort" (Lk 1,38). Wenn wir uns ihrem Gebet anvertrauen, überlassen wir uns mit ihr dem Willen Gottes: „Dein Wille geschehe!"

 

Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Wenn wir Maria bitten, für uns zu beten, bekennen wir uns als arme Sünder und wenden uns an die „Mutter der Barmherzigkeit", an die ganz Heilige. Wir vertrauen uns ihr „jetzt" an, im Heute unseres Lebens. Und unser Vertrauen weitet sich, so daß wir ihr jetzt schon „die Stunde unseres Todes" anvertrauen. Möge sie dann zugegen sein, wie beim Tod ihres Sohnes am Kreuz, und uns in der Stunde unseres Hinübergangs als unsere Mutter aufnehmen [Vgl. Joh 19,27], um uns zu ihrem Sohn Jesus in das Paradies zu geleiten.

 

2678 In der mittelalterlichen Frömmigkeit des Westens entstand das Gebet des Rosenkranzes als volkstümlicher Ersatz für das Stundengebet. Im Osten haben die Litaneien des Akáthistos und der Paräklisis mehr Ahnlichkeit mit dem Chorgebet in den byzantinischen Kirchen bewahrt, während die armenische, die koptische und syrische Überlieferung Hymnen und Volkslieder zur Mutter Gottes bevorzugt haben. Doch die Überlieferung des Gebetes ist im Ave Maria, in den Theotokia, den Hymnen des hl. Ephrem und des hl. Gregor von Narek im Grunde die gleiche geblieben.

 

2679 Maria ist die vollkommene Orante und das Bild der Kirche. Wenn wir zu ihr beten, stimmen wir mit ihr in den Ratschluß des Vaters ein, der seinen Sohn sendet, um alle Menschen zu retten. Wie der Jünger, den Jesus geliebt hat, nehmen wir die Mutter Jesu, die zur Mutter aller Lebendigen geworden ist, bei uns auf [Vgl. Joh 19,27]. Wir können mit ihr beten und sie bitten. Das Gebet der Kirche ist durch das Gebet Marias wie getragen; es ist mit Maria in der Hoffnung vereint [Vgl. LG 68-69].

 

 





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