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Mittwoch, 17. Mai – Die Heiligen Sprechen Zu Den Priestern

VORTRAG VON P. ANTONIO SICARI, OCD

DIE HEILIGE THERESIA VOM KINDE JESU UND DIE PRIESTER
 

Es war an einem Sonntag im Juli 1887.

Thérèse Martin, ein junges Mädchen, schließt nach Ende der Messe ihr Gebetbuch und erblickt ein Bild des gekreuzigten Jesus, das über den Rand vorsteht: Zu sehen ist nur die von einem Nagel durchbohrte Hand Jesu, und das Blut scheint ins Leere zu tropfen.

Später wird sie erzählen, großen Schmerz verspürt zu haben «bei der Vorstellung, dass dieses Blut zu Boden tropfte, ohne dass es jemand auffing.» Sie nahm sich erneut vor, ihr Leben am Fuße des Kreuzes zuzubringen, um das kostbare Blut Christi aufzufangen und es den Seelen zu schenken.

So begann die kirchliche Mission der hl. Theresia von Lisieux.

Doch eine Anmerkung, die sie der Episode sofort hinzufügt, ist erstaunlich: «Auch der Schrei Jesu am Kreuz hallte fortwährend in meinem Herzen wieder: "Mich dürstet!". Diese Worte entzündeten in mir einen nie gekannten, lebhaften Eifer. Ich wollte meinem Geliebten zu trinken geben und verzehrte mich vor Durst nach Seelen. Noch zogen mich nicht die Seelen von Priestern an, sondern die der großen Sünder. Ich brannte vor Sehnsucht danach, sie den ewigen Flammen zu entreissen. » (Ms A, 45v).

Im Alter von 14 Jahren dachte Theresia somit an die großen Sünder und betete inständig für die Errettung eines berüchtigten Verbrechers, der auf der Guillotine sterben sollte.

An die Priester dachte sie nicht im geringsten, denn sie war von ihrer Heiligkeit absolut überzeugt.

Wir wissen, dass sie sie schon als Kind schlicht und ergreifend mit Jesus gleichsetzte.

Zu ihrer ersten Beichte schreibt sie:

«Geliebte Mutter, mit wieviel Sorgfalt haben Sie mich vorbereitet und mir gesagt, dass ich nicht einem Menschen, sondern dem guten Gott meine Sünden beichtete. Ich war davon wirklich überzeugt und legte daher meine Beichte mit tiefem Glaubenseifer ab. Ich fragte Sie [die Mutter] sogar, ob ich Pater Ducellier sagen sollte, dass ich ihn von ganzem Herzen liebte, da ich ja durch ihn zum guten Gott sprach.» (Ms A 16v).

Doch nach ihrer Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Rom, die die Diözesen Coutances und Bayeux organisierten (195 Pilger, davon 73 Priester), richteten sich ihre apostolischen Befürchtungen vor allem auf die Priester.

Diese Veränderung erklärte sie auf einfache Weise:

«Für die Sünder zu beten lockte mich, doch für die Seelen der Priester zu beten, die ich für reiner als Kristall hielt, schien mir seltsam!... Ah! In Italien habe ich meine Berufung erkannt: Dies war keine zu weite Reise, da sie mir ja eine so nützliche Erkenntnis brachte. Einen Monat lang lebte ich mit vielen heiligen Priestern und erkannte, dass zwar ihre sublime Würde sie über die Engel erhebt, sie aber dennoch schwache und fragile Menschen sind. Wenn heilige Priester, die Jesus in seinem Evangelium "Salz der Erde" nennt, in ihrem Verhalten einen extremen Bedarf an Gebeten an den Tag legten, was ist dann erst von den Halbherzigen zu sagen? Sagte nicht schon Jesus: "Wenn das Salz seinen Geschmack verlöre, wodurch könnte man es dann wieder salzig machen?" Oh Mutter! Welch schöne Berufung, die darauf abzielt, das für die Seelen bestimmte Salz zu bewahren! Das ist die Berufung des Karmel, denn das einzige Ziel unserer Gebete und unserer Opfer ist es, die Apostelin der Apostel zu sein, für sie zu beten, während wir die Seelen mit Worten und vor allem mit Beispielen evangelisieren.» (Ms A 56r).

Auf dieser Pilgerfahrt fiel ihr eines schmerzlich auf: Auch die «heiligsten» Priester verhehlten ihre Schwäche und Fragilität nicht und «zeigten durch ihr Verhalten, dass sie einen extremen Bedarf an Gebeten hatten». Was war also mit den «Halbherzigen», die «das für die Seelen bestimmte Salz» vergeudeten?

Die Frage schockierte dieses Mädchen nicht, das nach Rom ging, um von Papst Leo XIII. die Gnade zu erbitten, mit 15 Jahren in den Karmel eintreten zu können. Diese Frage warf vielmehr ein strahlendes Licht auf diese Berufung, die von vielen als zu kindlich erachtet worden war.

«Da ich nie in Vertrautheit [mit Priestern] gelebt hatte – erklärte Theresia – konnte ich das Hauptziel der Reform des Karmel nicht verstehen».

Doch auf dieser Reise zum Mittelpunkt der Christenheit bewirkte die Tatsache, dass diese Priester einen so offensichtlichen Bedarf an Gebeten und Kontemplation hatten, dass sich Theresia berufen fühlte, «Apostelin der Apostel» zu werden.

Sie war noch nicht 15 Jahre alt.

Und sie war noch keine 17, als sie aus dem Karmel ihrer Schwester folgende Glückwünsche für das Jahr 1889 sandte: «Céline, wir müssen in diesem neuen Jahr viele Priester machen ("que nous fassions beaucoup de prêtres"), die Jesus zu lieben verstehen» (LT 101).

Zum entscheidenden Zeitpunkt kannte sie daher kein Zögern: «Was ich im Karmel tun wollte, erklärte ich zu Füßen der Hostie Jesu, in der Prüfung, die meinem Gelübde vorausging: "Ich bin gekommen, um die Seelen zu retten, und vor allem um für die Priester zu beten."» (Ms A 69).

Es lohnt sich nicht, neugierig nachzuforschen, was Theresia von den «spirituellen Bedürfnissen» der Priester verstand. Wir wissen, dass auf der Reise nach Rom mancher junger Priester etwas zuviel Eifer gegenüber den beiden Schwestern – den Jüngsten in der Gruppe – zeigte. Doch auch hier galt dieser innere Schutz, den Theresia im bekannten Aphorismus zusammenfasst: «Alles ist rein für die Reinen.» (vgl. Ms A 57r).

Ein paar Hinweise sind jedoch in Briefen aus jenen Jahren enthalten.

Im Juli 1889 schreibt Theresia ihrer Schwester: «Oh, meine Céline, wir leben für die Seelen, wir sind Apostelinnen. Vor allem retten wir die Seelen der Priester: Diese Seelen sollten transparenter als Kristall sein. Oh weh, wie viele unwürdige Priester gibt es, wieviele Priester, die nicht heilig genug sind! Wir beten und leiden für sie, und am jüngsten Tag wird sich Jesus dafür dankbar erweisen…» (LT 94).

Im Oktober des gleichen Jahres fügt sie hinzu:

«Allein Jesus existiert; alles andere existiert nicht. Lieben wir ihn daher mit Leidenschaft, retten wir für ihn Seelen. Ah, Céline, ich fühle, dass Jesus von uns zweien fordert, dass wir seinen Durst stillen, indem wir ihm Seelen schenken, und vor allem Priesterseelen» (LT 96).

Zu dieser Zeit leidet Theresia im Kloster wegen der Krankheit ihres Vaters, der in einer Heilanstalt ist, versunken in seine zahlreichen Halluzinationen. Sein Gesicht ähnelt immer mehr dem Heiligen Antlitz Christi, das von Schmähungen und Tränen verschleiert ist.

Theresia möchte beide Gesichter wie Veronika trocknen, mit der gleichen Zärtlichkeit.

Mit ihrem Leiden und Beten will sie Christus «Seelen» zuführen, die seinen Durst stillen, indem sie ihm Liebe schenken und mit Ihm und für Ihn leiden.

Und sie ist überzeugt, dass Jesus vor allem von seinen Priestern Liebe erwartet.

Wenn Theresia von «unwürdigen» Priestern spricht, Priestern, die «nicht heilig genug» sind, denkt sie dabei nicht an eine moralische Kasuistik oder tadelnswerte Verhaltensweisen, die ihr zu Ohren gekommen wären. Tadelnswert scheint ihr nur, dass Priester die ausschließliche Liebe vergessen, die sie bei ihrer Priesterweihe gelobten, und dass ihre Reinheit nicht die Reinheit kraft der Eucharistie ist, die sie in Händen halten.

In einem Brief, den sie einen Monat nach ihrem religiösen Gelübde schreibt, spricht sie mit Begeisterung von ihrer Konsakration als Jungfrau: «Ich glaube, dass das Herz meines Gemahls nur mir allein gehört, so wie das meine nur Ihm allein gehört.» Aber genau aus diesem Grund findet sie keine Ruhe beim Gedanken, dass bestimmte Priesterseelen sich dieser ausschließlichen Verbindung entziehen, und insistiert daher:

«Geliebte Céline, ich habe dir immer wieder das gleiche zu sagen: Beten wir für die Priester! Jeder Tag zeigt, wie rar die Freunde Jesu sind. Mir scheint, am schlimmsten muss für Ihn Undankbarkeit sein. Dies gilt vor allem, wenn Er sieht, dass ihm geweihte Seelen anderen ihr Herz schenken, das Ihm auf so absolute Weise gehört. » (LT 122).

Und nicht nur der etwaige Verrat schmerzt sie, sondern bereits die geringe Behutsamkeit im Umgang mit Christus, die in Priestern ein Zeichen für Herzenskälte ist.

Eine ständig wiederkehrende Formel in den Schriften Theresias lautet: Es werden Priester gebraucht, die «Jesus zu lieben verstehen, Ihn mit der gleichen Behutsamkeit berühren, mit der Maria Ihn in der Wiege berührte!» (LT 101).

Ihr Schmerz und ihr Gebet vertiefen sich, als man ihr sagt, dass mitunter die Liebe des Priesters zu Jesu Eucharistie zu «altern» scheint, zusammen mit der Liebe eines erschöpften Christenvolks in einer vergessenen Kirche.

Dies ist der Fall, als sie am 17. Juli 1890 diesen höchst traurigen Brief ihrer Schwester Céline erhält:

«Neulich betraten wir zufällig eine armselige Kirche […]. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Stell dir vor: ein Tabernakel ohne Vorhang, ein richtiges schwarzes Loch, vielleicht eine Spinnenhöhle, und ein so armseliges Ziborium, dass es aus Kupfer gemacht schien. Es war mit einem schmutzigen Fetzen Stoff bedeckt, das die Form eines Schleiers für die Eucharistie verloren hatte. Und im Ziborium war nur eine einzige Hostie enthalten. Oh weh, in jener Pfarrgemeinde werden auch nicht mehr Hostien benötigt. Keine einzige Kommunion ausserhalb der Osterzeit. In diesen Landstrichen gibt es ungeschliffene Priester, die die Kirche den ganzen Tag zusperren. Meist sind sie alt und mittellos...».

Am darauffolgenden Tag – während die Schwester eine neue Pyxis kauft und im Karmel ein gestickter Schleier vorbereitet wird –, antwortet Theresia mit Zitaten langer Passagen aus den Karmen des leidenden Dieners Jahwes, die von der verborgenen Schönheit des geschmähten Antlitzes Jesu sprachen, das erkannt und geliebt werden will. Sie fordert die Schwester auf:

«Lass uns in unserem Herzen ein kleines Tabernakel einrichten, in dem Jesus Zuflucht finden kann. Dann wird er Trost finden und vergessen, was wir nicht vergessen können: die Undankbarkeit der Seelen, die ihn in einem einsamen Tabernakel alleinlassen! […]. Céline, beten wir für die Priester, ach, beten wir für sie! Unser Leben sei ihnen geweiht: Jesus gibt mir alle Tage zu verstehen, dass er dies von uns beiden wünscht» (LT 108).

Aber Theresia beschränkte sich nicht darauf, für die Priester zu beten. Sie wollte zumindest einen Priester als «Bruder» und bat Gott am Tag ihres religiösen Gelübdes um diese Gnade. An diesem Tag gelangte sie zur Überzeugung, dass ihr dieser Bruder geschenkt werden würde, wenngleich sie der Ansicht war, ihn erst im Himmel kennenzulernen.

Es war immer Theresias Traum gewesen, einen «Priester zum Bruder» zu haben. Hiermit hatte Theresia den unerfüllten Wunsch der gesamten Familie Martin übernommen. Und eines Tages bat die Priorin sie, sich spirituell um zwei Priester zu kümmern, die sich an den Karmel gewandt hatten, um Hilfe und Beistand zu erbitten.

So begann für Theresia ein neues Kapitel in ihrer spirituellen Erfahrung (sie nennt dies: «Die Geschichte meiner Brüder, die einen so großen Platz in meinem Leben innehaben.» - Ms C 33r). Diese ist durch rund 17 Briefe voller Zärtlichkeit und Kraft belegt, die sie diesen «Brüdern im Geiste» schrieb und in denen sie ihnen alle Geheimnisse ihrer Seele und ihrer Doktrin mitteilte.

Für eine Karmeliterin war dies eine ungewöhnliche Erfahrung, doch sie erlebte sie voller Gehorsam und im Bewusstsein, eine Mission erfüllen zu müssen, die im Himmel beschlossen worden war. Einem der Priester zögerte sie nicht zu schreiben: «Er hat mich geschaffen, damit ich ihre Schwester bin.» (LT 193).

Hatte sie bisher stets für die Priester gebetet, so gelingt es ihr nun, ihr Gebet eng und sichtbar mit deren Apostolat zu verknüpfen. Zunächst bittet sie «die zwei Brüder», das Apostolat vor allem ihr gegenüber auszuüben:

«Versprechen Sie mir, mein Bruder – schreibt sie an Pater Roulland – weiterhin jeden Morgen zum Heiligen Altar zu sprechen: "Mein Gott, entzünde meine karmelitische Schwester mit deiner Liebe!"? Alles, was ich von Jesus für mich erbitte, erbitte ich auch für Sie. Wenn ich meine schwache Liebe dem Geliebten darbiete, so nehme ich mir die Freiheit, ihm auch die Ihre darzubieten. Nach diesem Leben, in dem wir zusammen unter Tränen ausgesät haben, werden wir einander freudig wiederfinden und Garben in den Händen tragen.» (LT 201).

Die gleiche Frage richtet sie an den Seminaristen Bellière:

«Wenn Sie der Gedanke tröstet, dass im Karmel eine Schwester unaufhörlich für Sie betet, dann ist meine Dankbarkeit nicht weniger groß als die Ihre gegenüber unserem Herrn. Er hat mir einen kleinen Bruder geschenkt, den er zu seinem Priester und Apostel bestimmt hat. Erst im Himmel werden Sie wirklich wissen, wie teuer Sie mir sind […]. Ich wäre sehr glücklich, wenn Sie einverstanden wären, jeden Tag, dieses Gebet zu sprechen: "Barmherziger Vater, im Namen Jesu, der Jungfrau Maria und der Heiligen bitte ich, meine Schwester mit deinem Geiste der Liebe zu entzünden und ihr die Gnade zu schenken, dass Sie sehr geliebt werden." (LT 220).

Ihrerseits hat sie bereits vor einiger Zeit ein Gebet verfasst, das sie betet, um ihm in schwierigen Momenten seiner Berufung beizustehen:

«Oh mein Jesus, ich danke Dir, dass du einen meiner größten Wünsche erfüllst: einen Priester und Apostel zum Bruder zu haben! Ich fühle mich dieser Gunst sehr unwürdig, aber da Du geruhst, deiner armen kleinen Braut die Gnade zu erweisen, ganz besonders an der Heiligwerdung einer für das Priesteramt bestimmten Seele zu arbeiten, biete ich Dir für sie mit Freuden sämtliche Gebete und Opfer dar, über die ich verfüge. Ich bitte Dich, oh mein Gott, nicht auf das zu schauen, was ich bin, sondern auf das, was ich sein sollte und möchte: eine ganz von Deiner Liebe entzündete Ordensschwester. Du weisst es, Herr: Mein einziges Bestreben ist, zu erreichen, dass Du gekannt und geliebt wirst. Nun wird mein Wunsch erfüllt werden. Ich kann nur beten und leiden; doch die Seele, mit der Du mich durch die süßen Bande der Barmherzigkeit verbindest, wird in der Ebene kämpfen gehen, um Herzen für Dich zu erobern. Und ich auf dem Berg Karmel werde Dich anflehen, ihr den Sieg zu schenken. Göttlicher Jesus, erhöre die Bitte, die ich für den an Dich richte, der Dein Missionar sein will. Bewahre ihn inmitten der Gefahren der Welt, lass ihn das Nichts und die Nichtigkeit der vergehenden Dinge immer mehr erleben, sowie das Glück, diese im Namen Deiner Liebe zu verschmähen. Sein sublimes Apostolat möge sich auf die auswirken, die ihn umgeben. Er möge ein Apostel sein, der Deines Heiligen Herzens würdig ist. Oh Maria, liebliche Königin des Karmel, dir vertraue ich die Seele des künftigen Priesters an, dessen unwürdige kleine Schwester ich bin. Lehre ihn schon heute, mit welcher Liebe Du das göttliche Kind Jesus berührtest und in Windeln hülltest, damit er eines Tags zum Heiligen Altar hinaufsteigt und den König des Himmels in Händen hält. Ich bitte dich weiter, ihn stets im Schatten Deines jungfräulichen Gewands zu hüten, bis zu dem glücklichen Augenblick, in dem er dieses Tal der Tränen verlässt und deine Herrlichkeit schauen und in aller Ewigkeit die Früchte seines ruhmreichen Apostolats genießen kann!» (Pr n. 8).

Worum sie unter dem Geheimnis des Gebets bittet, streut sie dann in den Briefen an ihre «zwei Brüder» aus.

Sie ist vor allem bemüht, ihnen den tiefen Sinn der Kommunionserfahrung nahezubringen, die ihnen zuteil wird.

An Pater Roulland, der als Missionar aufbrechen wird, schreibt sie: «Während ich das Meer in Ihrer Begleitung überqueren werde, werden Sie hier an meiner Seite bleiben, sicher geborgen in unserer armseligen Zelle.» (LT 193)

Dies kehrt immer wieder:

«Arbeiten wir gemeinsam an der Errettung der Seelen! Wir haben nur den einzigen Tag des Lebens, um sie zu retten und dem Herrn so den Beweis unserer Liebe darzubringen» (LT 213).

«Worum wir Ihn bitten, ist, für seinen Ruhm zu arbeiten, ihn zu lieben und zu erreichen, dass er geliebt wird» (LT 220).

Sie weiss, dass diese Gemeinschaft niemals zerbrechen wird und insistiert hierauf mit überraschender Sicherheit:

Gegenüber dem Seminaristen Bellière verkündet sie, dass ihre Verbindung in der Lage sei, selbst den Tod zu überwinden (den sie nunmehr nahe fühlt): «Wenn Jesus meine Vorahnungen verwirklicht, dann verspreche ich Ihnen, auch dort oben weiterhin Ihre kleine Schwester zu sein. Unsere Verbindung wird so nicht entzweit, sondern vertrauter. Es wird keine Klausur und keine Gitter mehr geben, und meine Seele wird mit Ihnen in ferne Missionen fliegen können. Unsere Rollen werden gleich bleiben: für Sie die apostolischen Waffen, für mich das Gebet und die Liebe.» (LT 220).

«Ich möchte Ihnen, lieber kleiner Bruder, tausend Dinge sagen, die ich erst jetzt verstehe, wo ich an der Pforte zur Ewigkeit stehe. Doch ich sterbe nicht, ich trete ins Leben ein, und all das, was ich Ihnen auf Erden nicht mehr sagen kann, werde ich Ihnen vom Himmel aus zu verstehen geben» (LT 244).

«[Vom Himmel aus] werde ich Ihm sehr nahe sein und all das sehen, was Sie brauchen. Ich werden den guten Gott nicht in Frieden lassen, solange er mir nicht alles gegeben hat, was ich will» (LT 253).

«Ich zähle darauf, dass ich im Himmel nicht tatenlos sein werde […]. Was mich in die himmlische Heimat zieht, sind der Ruf des Herrn und die Hoffnung, zu erreichen, dass er endlich geliebt wird, wie ich so sehr gewünscht habe, sowie der Gedanke, dass ich erreichen kann, dass er von einer Vielfalt von Seelen geliebt wird» (LT 254).

Da sie weiss, dass sie die beiden in Kürze auf Erden verlassen muss, versucht sie, ihnen in knappen Urteilen und Hinweisen die Essenz ihrer Doktrin zu vermitteln:

«Ausserhalb des lieblichen Willens Gottes werden wir nichts tun, weder für Jesus noch für die Seelen» (LT 201) – schreibt sie an Pater Roulland, der erste Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten hat.

«Er will vielmehr mit Verfolgungen und Leid als mit brillanten Predigten seine Herrschaft über die Seelen behaupten.» (LT 226).

«Lieber kleiner Bruder, im Augenblick, wo ich vor Gott trete, verstehe ich besser denn je, dass nur eines notwendig ist: allein für Ihn zu arbeiten und nichts für sich oder für die Geschöpfe tun» (LT 244) – erklärt sie Bellière.

«Sie können kein halber Heiliger sein, Sie müssen es entweder ganz oder gar nicht sein» (LT 252).

Vor allem aber liegt ihr daran, ihre Doktrin vom umfassenden Vertrauen zu übermitteln:

«Ich werde Sie lehren, lieber kleiner Bruder meiner Seele, auf dem stürmischen Weltenmeer zu segeln, nämlich mit der Hingabe und der Liebe eines Kindes, das weiss, das es vom Vater zärtlich geliebt wird» (LT 258).

«Ist Ihr einziger Schatz nicht Jesus? Da er im Himmel ist, muss dort auch Ihr Herz wohnen. Und ich sage es Ihnen ganz einfach, lieber kleiner Bruder: Mir scheint, es wird Ihnen leichter fallen, mit Jesus zu leben, wenn ich Ihm für immer nah sein werde. Ihr Platz ist in den Armen Jesu. Es ist Ihnen verboten, auf einem anderen Weg in den Himmel zu gelangen als Ihre arme kleine Schwester» (LT 261).

 

Theresia strebt inzwischen zügig die innere Vereinigung aller ihrer Erfahrungen an. Das Beten für die Priester und die Sorge um sie hat ihrer Seele gleichsam eine priesterliche Struktur verliehen, so dass diese jetzt von immer mitreissenderen und «unendlicheren» Sehnsüchten ergriffen wird.

Sie schreibt: «Ich fühle in mir die Berufung zum Priester. Mit wieviel Liebe, oh Jesus, würde ich Dich in den Händen tragen, wenn du auf meinen Ruf hin vom Himmel herabsteigst. Mit wieviel Liebe würde ich Dich den Seelen darbringen!» (Ms B 2v). Sie träumt davon, ein Apostel zu sein, der die ganze Welt bereist und überall das ruhmreiche Kreuz aufstellt.

Sie steht also kurz davor, zum «Herzen der Kirche» zu gelangen, wo sie sie allumfassende Berufung zum «Liebe sein», «Alles sein» umsetzen kann (vgl. Ms B 2v).

An ihrem Lebensende erreicht sie die höchste auf Erden mögliche gegenseitige Durchdringung von Berufung zur Kontemplation einerseits und Berufung zum Apostolat andererseits.

Sie betrachtet ihre «Missionarsbrüder» mit den Augen Jesu, ja sie versetzt sich nahezu an Seinen Platz. Sie schreibt das Priestergebet des Himmlischen Meisters aus der Sicht einer Frau neu. Auch sie wendet sich an den himmlischen Vater, um Ihm zu sagen, dass sie auf Erden die «Missionarsbrüder» («die, die Du mir gegeben hast») behütet und dass sie diese im Himmel alle um sich haben will, «damit die Welt weiss, dass ich Dich geliebt habe, wie Du mich geliebt hast» (vgl. Ms C 34v).

Ihre Überzeugungskraft ist mitreissend:

«Ich habe mich im Geiste mit den Aposteln vereint, die Jesus mir als Brüder schenkte. Alles was mir gehört, gehört einem jeden von ihnen.» (Ms C 31v).

Folglich muss ihre kontemplative Existenz, die sie den Priestern widmet, nicht einmal mehr willentlich dargebracht werden.

Theresia hat es nicht mehr nötig, zugunsten der Priester besondere Gebetsabsichten explizit oder detailliert darzulegen.

Die letzten Worte, die sie auf dem Sterbebett mit Bleistift in ihr Heft schreibt, lauten: «Jesus hat mir ein einfaches Mittel gegeben, um meine Mission zu vollenden. Er hat mich diese Worte aus den Liedern verstehen lassen: "Zieh mich an, wir laufen den Ausströmungen deiner Düfte entgegen". Oh Jesus, es ist also nicht einmal nötig zu sagen: "Indem du mich anziehst, zieh die Seelen an, die ich liebe". Das einfache Wort "zieh mich an" ist ausreichend. Herr, ich verstehe das. Wenn eine Seele sich vom berauschenden Geruch deiner Düfte hat betören lassen, dann könnte sie gar nicht mehr alleine gehen. Alle Seelen, die sie liebt, werden von ihr mitgerissen. Dies geschieht frei und mühelos als natürliche Konsequenz der Anziehung, die Du auf sie ausübst. Wie ein Wildbach, der ungestüm in den Ozean strömt und alles mit sich reisst, was ihm im Vorbeifließen begegnet, so reisst auch die Seele, oh mein Jesus, die eintaucht in den uferlosen Ozean Deiner Liebe, alle Schätze mit sich. Herr, wie du weisst, habe ich keine anderen Schätze als die Seelen, die Du mit der meinen verbunden hast. Diese Schätze hast Du mir anvertraut, so dass ich es wage, mir die Worte zueigen zu machen, die du am letzten Abend, den du auf Erden verbrachtest, an den Himmlischen Vater gerichtet hast» (Ms C 34r).

So spricht die kleine Theresia von Lisieux – als echte Kirchenlehrerin – abschließende Worte zum schwierigen Problem der Beziehungen zwischen Kontemplation und Handeln in der christlichen Erfahrung.

Im August, ihrem letzten Lebensmonat, inmitten extremer körperlicher und geistiger Leiden, versucht sie, auch den berühmten Prediger, den aus dem Priesterstand ausgetretenen P. Giacinto Loyson, "an sich zu ziehen", ehemals Provinzial der Karmeliter, der durch Frankreich zieht und seine Auflehnung gegen die Kirche verkündet.

Theresia notiert voller Schmerz: «Wie wenig wird der gute Gott auf Erden geliebt, selbst von Priestern und Ordensbrüdern. Nein, der gute Gott wird nicht sehr geliebt.» (UC 7.8.1).

Diesem «abtrünnigen Mönch» – wie ihn die Zeitungen nennen, doch Theresia nennt ihn «unseren Bruder, einen Sohn der Heiligen Jungfrau» – bietet sie (am 19. August 1897) die letzte Kommunion dar und wird bei Zelebration ohnmächtig.

Anschließend schickt sie P. Bellière das letzte von ihr gemalte Bild mit den Worten: «Ich kann einen Gott nicht fürchten, der sich für mich so klein gemacht hat! Ich liebe ihn. Er ist nichts als Liebe und Barmherzigkeit.». Auf die Rückseite schreibt sie als Testament diese Widmung: «Letzte Erinnerung an eine Seele, die mit der Ihren verschwistert ist».

Dies sind die letzten Worte Theresias, mit denen sie einen jungen Priester tröstet, der begeistert ist, doch der Liebe seines Gottes noch ungewiss. Damit nimmt sie die Worte vorweg, die sie am Ende ihrer Agonie aussprechen wird.

Sie widmet diese Worte allen Priestern, damit sie lernen, allein auf Gott zu vertrauen, «der ganz Liebe und Barmherzigkeit ist», und sich freudig dafür einsetzten, dies der Welt kund zu tun.

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1 Für diese und alle folgenden Zitate vgl.: S. Teresa di Gesù Bambino, Opere complete, Libreria Editrice Vaticana-Edizioni OCD, Rom 1997, (Übersetzung der Oeuvres Complètes, Editions du Cerf-Desclée de Brouwer, 1992). Die Abkürzungen entsprechen den auf S. 1589 verwendeten.
2 Vgl. Ms A 46r.
3 So wird sie sich später bezeichnen: «Diejenige, die Gott dazu bestimmte, die Apostelin der Apostel zu werden» (Ms A 50r).
4 Die Prüfung findet am 2. September 1890 statt.
5 In einem Gebet, das Theresia für ihre Novizinnen verfasste, steht geschrieben: «Deine Töchter (die) alle Unehrlichkeiten wieder gutmachen wollen, die dich die Seelen von Priestern und Ordensbrüder erleiden lassen» (Pr 4). In einem anderen Gebet, das sie verfasste, "um zur Demut zu finden", meditiert sie: «Nun sehe ich dich in der Hostie deine Vernichtung zum Höhepunkt führen. Wie groß ist die Demut, oh göttlicher Ruhmeskönig, mit der Du Dich unter alle Deine Priester stellst, ohne zu unterscheiden zwischen denen, die Dich lieben und denen, die Dir gegenüber leider halbherzig oder kühl sind! Auf ihren Ruf hin steigst Du vom Himmel herab. Sie können die Stunde des Heiligen Opfers vorwegnehmen oder hinauszögern, doch Du bist stets bereit!» (Pr 20).
6 Eine ähnliche Idee findet sich in dem von Theresia für das Weihnachtsfest 1895 verfassten «frommen Unterhaltungstext» Die Engel an der Grotte Jesu wieder: «Die Priester deiner Altäre sollten dich eines Tages mit der gleichen Behutsamkeit berühren, mit der dich Maria in die Windeln hüllte. Doch leider wird Deine Liebe sehr oft verkannt werden, und Deine Priester werden ihres sublimen Charakters nicht würdig sein!», spricht der Engel der Eucharistie in Anbetung des Kinds von Bethlehem, und das Kind antwortet: «Ich wünschte, die Seele des Priesters / ähnelte einem himmlischen Serafim! / Ich wünschte, sie würde wiedergeboren / bevor sie an den Altar tritt. / Um ein solches Wunder zu bewirken / müssen um den Tabernakel herum / Seelen ohne Unterlass beten / dass sie sich jeden Tag für mich entzünden mögen». Wir verweisen auch auf das Gebet Nr. 8, das für den Seminaristen Maurice Bellière verfasst wurde und das wir in Kürze zitieren werden.
7 Da schwer zu finden, geben wir den obigen Text zusätzlich im Original wieder: «L’autre jour nous sommes allées par hasard dans une pauvre petite église. J’ai cru que mes larmes allaient trahir mon coeur, j’avais toutes les peines du monde à les retenir. Pense: un Tabernacle sans tentures, vrai trou noir, peut-être la retraite d’araignées, un ciboire si pauvre que je l’ai cru en cuivre, et quoi pour le couvrir? Un chiffon sale, ne conservant plus la forme d’un voile de ciboire… Dans ce ciboire, une seule Hostie. Hélas! Il n’en est pas besoin d’autres dans cette paroisse: pas une seule communion par an, en dehors de Pâques. Puis, dans ces campagnes, des prêtres à gros grain qui ferment leur église toute la journée. Du reste, ils sont vieux et sans ressources…» (S. Thérèse de l’E.-J. et de la Sainte Face, Correspondance Générale, Band I, Editions du Cerf - Desclée de Brouwer, 1992, LC 129).
8 Eine Strophe des bekannten Gedichts Vivre d’amour wird diesem Thema gewidmet sein: «Von Liebe leben, oh mein göttlicher Meister / heisst dich anzuflehen, dass dein Feuer / die heilige Seele deines Priesters entzünde; / er sei reiner als ein Seraphim im Himmel!» (S. 17).
9 Im Brief 201 erzählt Theresia dem «Missionarsbruder» P. Adolphe Roulland, wie sie auf wunderbare Weise erhört wurde.
10 Um die Bedeutung dieser «Bruderschaft im Geiste» und den theologischen Tiefgang zu verstehen, mit der Theresia diese einschneidende Erfahrung machte, ist es sinnvoll, in Geschichte einer Seele ihre komplette Schilderung zu lesen:
«Seit langem hegte ich einen Wunsch, der mir wirklich unerfüllbar schien, nämlich einen Priester zum Bruder zu haben. Oft dachte ich: Wären meine kleinen Brüder nicht in den Himmel geflogen, hätte ich das Glück erlebt, sie an den Altar treten zu sehen. Doch da der gute Gott sie erwählt hatte, um sie zu Engeln zu machen, konnte ich nicht auf die Verwirklichung meines Traums hoffen. Jesus hat mir also nicht nur die Gnade erwiesen, mir diesen Wunsch zu erfüllen, sondern hat mich durch die Bande der Seele mit zweien seiner Apostel verbunden, die meine Brüder wurden. Geliebte Mutter, ich will Ihnen genau erzählen, wie Jesus meinen Wunsch erfüllt, ja übertroffen hat, denn ich wünschte mir nur einen Priester zum Bruder, der jeden Tag vor dem heiligen Altar meiner gedachte. Es war unsere heilige Mutter Theresia, die mir als Festtagsgeschenk 1895 meinen ersten Bruder sandte. Ich war in der Wäscherei mit meiner Arbeit beschäftigt, als mich Mutter Agnese di Gesù beiseite nahm und mir einen Brief vorlas, den sie soeben erhalten hatte. Ein junger Seminarist, der nach seinen Worten von der hl. Theresia inspiriert war, bat um eine Schwester, die sich besonders dem Heil seiner Seele widmete und ihn später als Missionar durch Gebete und Opfer unterstützte, viele Seelen zu retten. Er versprach, stets ein Gedenken an diejenige zu bewahren, die seine Schwester werden würde, wenn diese das Heilige Opfer darbrächte. Mutter Agnese di Gesù wollte, dass ich die Schwester dieses künftigen Missionars würde. Mutter, mein Glück in Worte zu fassen wäre unmöglich. Mein so unverhofft erfüllter Wunsch weckte in meinem Herzen eine Freude, die ich kindlich nennen möchte, denn ich muss auf die Kindheitstage zurückblicken, um eine Erinnerung an diese so lebendigen Freuden zu finden, für die die Seele nicht gross genug ist, sie zu umfassen. Seit Jahren hatte ich kein ähnliches Glück mehr gekostet. So gesehen fühlte ich, dass meine Seele neu war, so als ob zum ersten Mal Saiten angeschlagen worden seien, die bis dahin vergessen waren. Ich verstand, welche Verpflichtungen ich mir auferlegte, und so machte ich mich mit verdoppeltem Eifer an die Arbeit […]. Ihnen, geliebte Mutter, hatte der gute Gott vorbehalten, das begonnene Werk zu beenden.»
«Vergangenes Jahr Ende Mai, erinnere ich mich, ließen Sie mich eines Tags vor dem Refektorium zu sich rufen. Ich hatte Herzklopfen, als ich zu Ihnen kam, geliebte Mutter. Ich fragte mich, was Sie mir wohl zu sagen hätten, da dies das erste Mal war, dass Sie mich so rufen ließen. Nachdem Sie mir gesagt hatten, ich solle Platz nehmen, machten Sie mir folgenden Vorschlag: "Möchtest du dich um die spirituellen Interessen eines Missionars kümmern, der zum Priester geweiht und bald in die Ferne aufbrechen wird?". Und dann, Mutter, lasen Sie mir den Brief dieses jungen Paters vor, damit ich genau erfuhr, worum er bat. Meine erste Reaktion war ein Gefühl der Freude, das sofort einer Befürchtung wich. Ich erklärte Ihnen, geliebte Mutter, dass ich meine armseligen Verdienste bereits einem künftigen Apostel dargeboten hatte und nicht glaubte, dies noch einmal für einen anderen tun zu können. Ausserdem gab es zahlreiche geeignetere Schwestern, die diesen Wunsch hätten erfüllen können. Alle meine Einwände blieben fruchtlos: Ihre Antwort war, man könne mehrere Brüder haben. Da fragte ich Sie, ob der Gehorsam meine Verdienste verdoppeln könne. Sie antworteten Ja und sagten mir einige Dinge, die mir zu verstehen gaben, dass ich bedenkenlos einen neuen Bruder annehmen sollte. Im Grunde, Mutter, dachte ich wie Sie. Und da ja "der Eifer einer Karmeliterin die Welt entzünden muss", hoffe ich, mit Gottes Gnade mehr als zwei Missionaren nützlich sein zu können. Ich würde nie vergessen, für alle zu beten, ohne dabei an die einfachen Priester zu denken, deren Mission oft ebenso schwierig ist wie die der Apostel, die zu Ungläubigen predigen. Kurzum: Ich möchte Tochter der Kirche sein, wie es unsere Mutter, die hl. Theresia war, und gemäß der Intentionen unseres Heiligen Vaters, des Papstes, beten, wohl wissend, dass seine Intentionen das Universum umfassen. Dies ist der grundlegende Zweck meines Lebens, doch das hätte mich nicht daran gehindert, zu beten und mich auf besondere Weise mit den Werken meiner geliebten Engel zu verbinden, wenn sie Priester gewesen wären. So habe ich mich also spirituell mit den Aposteln verbunden, die mir Jesus als Brüder schenkte.» (Ms C 31v - 33v)
11 Theresia wusste um die Risiken und fügt diesen vorsichtigen Kommentar an: «Gewiss können [wir Nonnen] durch Gebet und Opfer den Missionaren helfen. Doch mitunter, wenn es Jesus gefällt, zwei Seelen zu seinem Ruhm zu verbinden, lässt er zu, dass diese gelegentlich ihre Gedanken austauschen und sich gegenseitig dazu anregen können, Gott noch mehr zu lieben. Hierfür ist aber eine ausdrückliche Willensäusserung der Autorität notwendig, denn mir scheint, dass diese Korrispondenz andernfalls mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. Gilt dies nicht für den Missionar, dann trifft es zumindest auf die Karmeliterin zu, die durch die Art ihres Lebens stets auf sich selbst zurückgeworfen ist. Anstatt sie mit Gott zu verbinden, würde diese Korrispondenz, falls sie sie (wenngleich auf die Ferne) beharrlich erbeten hätte, ihren Geist beschäftigen. Sie würde sich einbilden, Wunder zu wirken, aber absolut nichts vollbringen, sondern lediglich unter dem Vorwand des Eifers einer nutzlosen Ablenkung folgen. Für mich gilt sowohl in Bezug auf die Korrispondenz als auch auf andere Situationen: Damit meine Briefe Gutes wirken können, müssen sie, so fühle ich, aus Gehorsam geschrieben sein, und man muss beim Schreiben mehr Widerwillen als Vergnügen empfinden.» (Ms C 32r-v).
12«Unsere besondere Berufung ist nicht die, auf den reifen Feldern das Korn mähen zu gehen. Jesus sagt uns nicht: "Senkt die Augen, schaut die Felder an und geht das Korn mähen". Unsere Mission ist sublimer. Dies sind die Worte unseres Herrn Jesus: «Blickt auf und schaut.» Ihr seht, dass in meinem Himmel Plätze frei sind. Es liegt an euch sie zu füllen, ihr seid mein betender Moses. Bittet mich um Arbeiter und ich werde euch welche senden. Ich warte nur auf ein Gebet, einen Seufzer eures Herzens! Ist das Apostolat des Gebets nicht gewissermassen sublimer als das des Worts? Es ist unsere Mission als Karmeliterinnen, Arbeiter im Sinne des Evangeliums auszubilden, die Millionen Seelen retten werden, deren Mütter wir sind! Céline, wären dies nicht die Worte Jesu, wer würde daran zu glauben wagen? Ich finde, dass unsere Rolle sehr schön ist! Was sollen wir den Priestern missgönnen? Wie gern würde ich dir alles sagen, was ich denke, doch fehlt mir die Zeit. Versuche, all das zu verstehen, was ich dir nicht schreiben kann!» (LT 135).
13«Bitte Jesus für mich, […] mich mit dem Feuer seiner Liebe zu entzünden, damit ich Sie [die Adressatin] künftig darin unterstützen kann, es in den Herzen zu entzünden.» (LT 189). Diese von ihr so gewünschte und geschätzte Verbindung betont umso mehr die Traurigkeit, mit der Theresia feststellt, dass vielen Priestern die Berufung der Klausurnonnen fremd und unverständlich erscheint. In einem Brief vom August 1894 schreibt sie: «Wir sind keine Nichtstuerinnen, keine Verschwenderinnen. Jesus hat uns in der Person der Magdalena verteidigt. Er saß bei Tisch, Martha servierte, Lazarus aß mit Ihm und den Jüngern. Maria Magdalena wollte nichts essen, sondern war darauf bedacht, dem zu Gefallen zu sein, den sie liebte. So nahm sie ein Gefäß, das mit einem wertvollen Duftstoff gefüllt war, zerbrach das Gefäß und verteilte den Inhalt auf dem Haupte Jesu. Da wurde das ganze Haus von diesem Duft durchdrungen, doch die Apostel erhoben murmelnd die Stimme gegen Magdalena! Es ist genau wie bei uns: Die eifrigsten Christen und Priester finden, dass wir übertreiben, dass wir gemeinsam mit Martha bedienen sollten, anstatt Jesus die Gefäße unseres Lebens zu weihen, samt der Düfte, die darin enthalten sind. Aber was zählt es, wenn unsere Gefäße zerbrechen, solange Christus getröstet wird und die Welt gegen ihren Willen gezwungen ist, die ausströmenden Düfte einzuatmen, die die vergiftete Luft reinigen sollen, die weiterhin eingeatmet wird?» (LT 169).
14 In einem Gedicht, das sie der Madonna des Immerwährenden Beistands widmet, schreibt sie: «Wenn ich kämpfe, oh meine geliebte Mutter, / im Kampf stärkst du mein Herz / weil du weisst, dass am Lebensabend / ich dem Herrn Priester schenken will» (P 49)
15 Wir erinnern an diesbezügliche Schilderungen Theresas: «Wie war ich stolz, als ich Hebdomadar war, wie ich mit lauter Stimme inmitten des Chors die Gebete sprach! Denn ich dachte, dass der Priester in der Messe die gleichen Gebete sprach und dass ich wie er das Recht hatte, mit lauter Stimme vor dem Heiligen Sakrament zu beten, Segen und Absolutionen zu erteilen und das Evangelium zu lesen, als ich die erste Kantorin war. Aber ich kann sagen, dass das Uffizium zugleich mein Glück und mein Martyrium gewesen ist, denn ich wünschte mir so sehr, es gut zu sprechen und keine Fehler zu machen. Manchmal geschah es, dass ich noch eine Minute davor wusste, was ich zu sagen hatte, dann aber die Gelegenheit aus einer unwillkürlichen Zerstreutheit heraus vorübergehen ließ, ohne ein Wort zu sagen. Und doch glaube ich nicht, dass jemand mehr als ich wünschen könnte, das Uffizium perfekt zu sprechen und daran im Chor teilzunehmen. » (UC 6.8.1). Und an anderer Stelle: «Wie sehr hätte ich gewünscht, Priester zu sein, um eine Predigt über die Heilige Jungfrau halten zu können! Ein einziges Mal hätte mir genügt, um all das zu sagen, was ich in dieser Frage denke.» (UC 21.8.3).
16 Das gleiche denkt und betet sie bezüglich ihrer Novizinnen und aller Seelen, die ihr nach Gottes Plan auf Erden und für die Ewigkeit anvertraut wurden: Eine kontemplative Seele ist apostolisch, weil sie alle Seelen mit sich reisst, die Gott ihr anvertraut, unabhängig davon, ob sie sich dessen bewusst ist.
Edith Stein wird diese Doktrin wie folgt erklären: «Für die Karmeliterin existiert in ihren normalen Lebensumständen keine andere Art und Weise, die Liebe Gottes zu erwidern, als diese: ihre täglichen Pflichten auf das Genaueste zu erfüllen; Tag für Tag, Jahr für Jahr mit Freuden alle kleinen Opfer zu bringen, die eine minutiöse Organisation des Tages und der gesamten Existenz einem lebensvollen Geist abverlangt; mit einem Lächeln der Liebe zu allem Verzicht bereit zu sein, der ihr kontinuierlich von einem Leben in engem Kontakt mit Personen von anderer Sensibilität auferlegt werden; keine Gelegenheit zu versäumen, um aus Liebe die Magd der anderen zu werden. Zu alledem kommen die persönlichen Opfer hinzu, die der Herr von den Seelen verlangen wollen kann. Dies ist der "kleine Weg": ein Strauß unscheinbarer Blumen, der jedem Tag dem Heiligsten dargeboten wird. Vielleicht ein stilles Martyrium, das ein ganzes Leben lang dauert und von dem niemand etwas ahnt; das aber zugleich eine Quelle tiefen Friedens und innerer Freude, eine sprudelnde Quelle der Gnade ist, die sich über die ganze Erde verbreitet – wir wissen nicht, wohin sie fliesst, und die Menschen, zu denen sie gelangt, wissen nicht, woher sie kommt» (Edith Steins Werke, XI, S. 8)
17 Es ist interessant, Theresias vollständigen Kommentar zu lesen:
«Was bedeutet die Bitte darum, angezogen zu werden, anderes als eng verbunden zu werden mit dem, was das Herz betört? Wären das Feuer und das Eisen mit Intelligenz begabt und sagte das letztere zum Feuer: Zieh mich an, würde das beweisen, dass es mit dem Feuer eins werden möchte, dass es von diesem durchdrungen, von dessen brennender Substanz durchtränkt und schließlich eins wird mit ihm. Geliebte Mutter, hier ist mein Gebet: Ich bitte Jesus, mich in die Flammen seiner Liebe hinein anzuziehen, mich so eng mit ihm zu verbinden, dass der in mir lebt und handelt. Ich fühle, dass je mehr das Feuer der Liebe mein Herz entzündet, desto mehr werde ich sagen: Zieh mich an, desto mehr werden die sich mir nähernden Seelen (armes kleines nutzloses Stück Eisenschrott, wenn ich mich vom göttlichen Feuer entfernen würde), den Ausströmungen der Düfte ihres Geliebte entgegenlaufen, weil eine von Liebe entzündete Seele nicht tatenlos bleiben kann […]. Ein Wissenschaftler sagte: "Gebt mir einen Hebel, einen Ansatzpunkt, und ich werde die Welt aus den Angeln heben". Was Archimedes nicht gelingen konnte, weil er seine Forderung nicht an Gott richtete und lediglich unter dem materiellen Gesichtspunkt vorbrachte, das haben die Heiligen in der ganzen Fülle erreicht. Der Allmächtige hat ihnen als Ansatzpunkt sich selbst und sich allein gegeben, und als Hebel das Gebet, das ein Feuer der Liebe entzündet. Auf diese Weise haben sie die Welt aus den Angeln gehoben, auf diese Weise heben die noch wirkenden Heiligen sie immer noch aus den Angeln, und die künftigen Heiligen werden sie so bis zum Ende der Welt aus den Angeln heben» (Ms C .35v - 36r).
18 Wir zitieren aus unserer Studie: «Aus ihrer "existentiellen theologischen Biographie" zieht [Theresia] die abschließende Gewissheit, dass die Kontemplation – wenn sie die Person vollständig in das Herz der Kirche einbindet – an sich höchst apostolisch ist. Das geht so weit, dass die geringste Handlung einer kontemplativen Klausurnonne (auch eine irrelevante Handlung, die aber von der reinen Liebe eingegeben ist) in das unendliche Meer der Handlungen Gottes einfließt und teilhat an der gewaltigen Bewegung der kirchlichen Barmherzigkeit, die die Welt fruchtbar umfasst. Es sei angemerkt, dass hier nicht nur die "apostolische Wirksamkeit des Gebets" gemeint ist, sondern eine Unendlichkeit und Universalität, die den einfachsten Handlungen (den "kleinen Dingen") der kontemplativen Ordensschwestern in ihrem Kloster verliehen wird. In diesem Fall wäre zu verstehen (besser: damit zu experimentieren), wodurch die einfachsten Handlungen einer Klausurnonne die umfassende Wirksamkeit, Tragweite und Multiplizität erhalten, die die lebendigen offenen Kanäle in der Gemeinschaft der Heiligen ermöglichen. Theresia erklärt dies überzeugt so: Jede einzelne Handlung einer Klausurnonne (armselige, anonyme und getreue alltägliche Handlungen) wird in dieser Klausur, die eine fortwährende eheliche Umarmung ermöglicht, zur Handlung der Braut, die sich vom über alles geliebten Gemahl an sich ziehen lässt. Auf diese Anziehung antwortete sie, indem sie ihn "mehr und mehr" ("de plus en plus") umarmt, so dass sie alle Seelen mit sich reisst, die ihr der Gemahl anvertraut. Auf diese Weise werden vom gleichen Sog eine unermessliche Anzahl von Seelen mitgerissen, nämlich all diejenigen, die sie mit Gottes Hilfe wirksam erreicht, über jegliche räumliche oder zeitlichen Grenzen hinweg. Diese apostolische Fruchtbarkeit bleibt für die Klausurnonne unsichtbar, doch nicht unbekannt. Ihr Verzicht, die Früchte ihres Lebens zu schauen, wie auch der Verzicht auf die Werke, die zählen, sowie auf die Besorgnis, Verdienste anzusammeln – damit alles eucharistisch an die Welt verteilt wird –, bildet einen wesentlichen Bestandteil ihrer aktiven Kontemplation.» (Sicari Antonio Maria, Comprendere per amare. Riflessioni in margine alla «Verbi Sponsa», in: Rivista di Vita Spirituale, 6/1999, S. 592-619, vgl. S. 606).
19 Theresia spricht davon ausführlich in einem Brief, der wie folgt endet: «Hören wir nicht auf zu beten, denn Zuversicht wirkt Wunder. Jesus sprach zur seligen Margherita Maria: "Eine gerechte Seele hat so viel Macht über mein Herz, dass sie die Vergebung für tausend Verbrecher erhalten kann". Niemand weiss, ob er ein Gerechter oder ein Sünder ist, aber Céline, Jesus hat uns die Gnade erwiesen, in unserem Herzen zu fühlen, dass wir eher sterben würden als ihn zu kränken. Dies ist allerdings nicht unser Verdienst, sondern der unseres Gemahls, der unserer ist und den wir unserem Vater im Himmel darbieten, damit unser Bruder, ein Sohn der heiligen Jungfrau besiegt zurückkehrt, um sich unter den Umhang der barmherzigsten aller Mütter zu werfen.» (LT 129).

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