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KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

Schreiben an alle Ortsordinarien und Generaloberen
von Klerikerorden über die Rückversetzung
in den Laienstand
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In der Enzyklika „Sacerdotalis caelibatus“ vom 24. Juni 1967 (Abschnitt 83) wendet sich. Papst Paul VI. „mit väterlicher Liebe und mit großem Bangen und Schmerz jenen unglücklichen und trotzdem immer geliebten Mitbrüdern im Priesteramt zu, die, obwohl ihrer Seele der heilige Charakter des Weihesakramentes eingeprägt bleibt, unglücklicherweise ihren in der Weihe übernommenen Verpflichtungen untreu wurden oder noch sind“. Nach Anführung der Gründe, aus denen die Kirche die Laisierung mit Dispens von der Zölibatsverpflichtung meint gewähren zu sollen, mahnt der Papst in jenem Dokument: „... jedes Mittel des Zuredens“ soll versucht werden, „damit der schwankende Mitbruder zur Ruhe, zum Vertrauen, zur Reue und zu einem Neubeginn komme. Nur wenn auf diese Weise keine Lösung möglich ist, wird der unglückliche Priester von seinem ihm anvertrauten Amt entfernt.“Und der Papst fügt hinzu: „Unter der Voraussetzung, daß er für das Priesteramt nicht mehr zurückgewonnen werden kann, aber doch gewisse ernsthafte und gute Neigungen hat, als christlicher Laie zu leben, gewährt der Apostolische Stuhl nach Prüfung aller Umstände und im Einvernehmen mit dem Ortsordinarius oder dem Ordensoberen mitunter alle erbetenen Dispensen, indem er die Liebe über den Schmerz siegen läßt“ (AAS 59, 1967, S. 690 und 691).

Tatsächlich haben die Päpste Pius XII., Johannes XXIII. Und Paul VI. der damals obersten heiligen Kongregation des heiligen Offiziums die Laisierungsanträge mit Dispens von der Zölibatsverpflichtung zur Prüfung zugewiesen, damit sie die einer positiven Entscheidung würdigen Fälle in der päpstlichen Audienz vorlege. Daher sandte diese heilige Behörde am 2. Februar 1964 „an alle Ortsordinarien und an die Generaloberen von Klerikerorden“ ein Schreiben, in dem die Gründung einer Sonderkommission bei dieser heiligen Kongregation bekanntgegeben wurde, welche Laisierungsanträge mit Dispens von den Zölibatsverpflichtungen zu bearbeiten hatte. Diesem Schreiben waren „Regeln für die Bearbeitung von Fällen, die die Priesterweihe mit ihren Verpflichtungen betrafen“, beigefügt. Nach diesen Regeln hatte der Ordinarius des gewöhnlichen Aufenthaltsortes-des Antragstellers (auch „actor“ genannt), ein Gericht zu bilden, das aus einem Richter, einem Weihebandverteidiger und einem Protokollführer bestand, um das Verfahren in gerichtlicher Form durchzuführen. Die Befragung des Antragstellers enthält 27, die gerichtliche Vernehmung der Eltern und Zeugen jedoch 22 bzw. 32 Punkte.

Daher haben viele Bischöfe und Generalobere klerikaler Ordensgenossenschaften schon seit langem darum gebeten, die zu beachtenden Regeln zu vereinfachen und damit die Zeit für die Lösung der anhängigen Fälle zu verkürzen, und zwar sowohl bei den Bischofskurien wie bei der Kongregation.

Aufgrund dieser Anregung beschloß die Vollversammlung dieser heiligen Kongregation am 3. Dezember 1969 die eben erwähnten Regeln aufzuheben und sie durch neue, einfachere zu ersetzen. Der Papst bestätigte die ihm vorlegte Entscheidung.

Daher hat diese heilige Kongregation die Vorschläge der Bischöfe und Generaloberen geordnet und mit Folgerungen versehen, die auf einer tausendfältigen Erfahrung mit Fällen aus fast der ganzen Welt beruhen. Die neuen Regeln sind daraus abgeleitet. Sie wurden dem Papst vorgelegt und von ihm am 14. Dezember 1970 bestätigt.

Mit vorliegendem Schreiben werden die neuen Regeln den einzelnen Ortsordinarien und Generaloberen klerikaler Ordensgenossenschaften mitgeteilt. Die Generaloberen werden gebeten, sie allen höheren Oberen ihrer Genossenschaft (den Provinzialen und den ihnen gleichgestellten) bekanntzumachen. Dieses Schreiben und die Regeln selbst sollen jedoch nur den eben Genannten zur Kenntnis gelangen. Ihre Veröffentlichung ist daher verboten.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen den Regeln von 1964 und den jetzigen werden im folgenden aufgezeigt:

1. Anstelle eines „Gerichtsverfahrens“, das im Rahmen eines Gerichtes abläuft, tritt eine einfache Untersuchung, in der festzustellen ist, ob die im Antrag auf Dispens von der Zölibatsverpflichtung aufgeführten Gründe stichhaltig und ob die Angaben des Antragstellers wahr sind. Eine solche Untersuchung ist also von geringerer juridischer Strenge, wird mehr von pastoralen Gesichtspunkten bestimmt und folgt einem einfacheren Verfahren: Dabei soll es unumstößliches Prinzip sein, daß die Untersuchung zur Erkenntnis der objektiven Wahrheit führt.

2. Die Normen von 1964 wiesen das ganze Verfahren dem Ordinarius des normalen Aufenthaltsortes des Antragstellers zu, der jedoch nicht sein eigener Ordinarius sein durfte und der nie der eigene höhere Obere eines antragstellenden Ordensmannes war. Nach den neuen Regeln hat nun der eigene Ordinarius des Antragstellers, sei es der Diözesanbischof oder der Ordensobere, die Aufgabe, die Untersuchung durchzuführen. So haben nun nach den neuen Regeln die genannten zuständigen Autoritäten (bzw. Oberen) den Ordinarius des Aufenthaltsortes des Antragstellers schriftlich zu bitten, diese Untersuchung vorzunehmen.

3. Die Glaubenskongregation prüft nun die ihr vom zuständigen Oberen übersandten Akten nach der einfacheren Regelung. Sind die Akten vollständig, so wird die Prüfung des Falles und seine Lösung in kurzer Frist erfolgen. Ist das Votum des zuständigen Oberen positiv und bestätigt die Glaubenskongregation dieses Votum, so wird die Dispens von der Zölibatsverpflichtung vom Papst sofort erbeten. Sobald diese gewährt ist, wird das Reskript darüber in Kürze dem Oberen zugesandt, der den Fall eingereicht hat.

4. Bisher wurde das Reskript über die Rückversetzung in den Laienstand mit Dispens von der Zölibatsverpflichtung als Beilage eines Briefes an den Ordinarius des Aufenthaltsortes des Antragstellers geschickt. Die Kongregation benachrichtigte selbst den Ordinarius, bei dem der Antragsteller inkardiniert ist, oder den höheren Ordensoberen. Jetzt aber wird derselbe Obere, dem der Antragsteller aufgrund der Inkardination oder Ordensprofeß unterstand und der zugleich die Untersuchung des Falles vornahm, das Reskript diesem entweder selbst oder über den Ordinarius seines Aufenthaltsortes bekanntgeben.

5. Die neuen Regeln bevollmächtigen den zuständigen Oberen (den Inkardinationsordinarius, den höheren Ordensoberen, den Ordinarius des Aufenthaltsortes des Antragstellers), nach eigenem Ermessen und soweit nötig, den Antragsteller von der bisher strengen Verpflichtung, über die Dispens und die kanonische Eheschließung Stillschweigen zu bewahren, zu dispensieren.

6. Die unter VI aufgeführten Normen sind das Ergebnis wiederholter Beratungen und einer sorgfältigen Prüfung in der gemischten Kommission dieser heiligen Kongregation und anderer zuständiger Dikasterien. Der Heilige Vater hat sie in besonderer Weise bestätigt.

Die jetzt erlassenen Normen verbessern in etwa und ergänzen die Regeln von 1964. Diese Normen setzen jedoch eine schwere Verpflichtung voraus, die auch bei ihrer Anwendung erfüllt werden muß, die alle Bischöfe und Ordensobere bindet, an die sich auch diese heilige Kongregation gebunden fühlt und die vor allem der Papst selbst zu erfüllen bemüht ist: nämlich die Pflicht (vor einem Rekurs an die höchste kirchliche Autorität in den von „Sacerdotalis caelibatus“ erwähnten Fällen, in denen Barmherzigkeit am Platz ist), alles zu unternehmen, damit die Priester, die versucht sind, ihr Amt niederzulegen, ihre Schwierigkeiten überwinden.

Weiter bezeugen dieser Brief und die angefügten Normen der heiligen Kongregation für die Glaubenslehre den festen und beständigen Wunsch, den Bischöfen und höheren Ordensoberen zu helfen, damit gefährdete Priester wieder auf den rechten Weg zurückgeführt werden.

Indem wir dies kraft unseres Amtes mitteilen, bekunden wir nachdrücklich unsere Hochachtung und verbleiben im Herrn.

Rom, 13. Januar 1971.

Franciscus Card. Šeper
Präfekt

Erzbischof Paul Philippe
Sekretär

 

 

* AAS 63 (1971) 309-312; dt. HK 25 (1971) 195-196.