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PÄPSTLICHES KOMITEE FÜR DIE EUCHARISTISCHEN WELTKONGRESSE

EUCHARISTIEFEIER ZUM ABSCHLUSS DES I. INTERNATIONALEN EUCHARISTISCHEN KONGRESSES DER UNIVERSITÄTEN 

PREDIGT VON KARD. JOZEF TOMKO 

Murcia (Spanien)
Sonntag, 13. November 2005

 

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
sehr geehrte akademische und zivile Obrigkeiten,
Brüder und Schwestern!

Unser Eucharistischer Kongreß geht nun zu Ende.
Für die Teilnahme an dieser Veranstaltung sind wir aus unseren jeweiligen Lebensbereichen gekommen, so wie die beiden Jünger im Evangelium, die am Nachmittag des Ostersonntags nach Emmaus gingen (vgl. Lk 24,13–35).

Genauso wie sie sind wir voll Sorge hier angekommen, vielleicht enttäuscht, beunruhigt von der Entwicklung der Ereignisse und der Dinge. Gerade als das Reich Gottes zu erstarken schien und ihr Meister so viel Erfolg beim Volk verbuchen konnte, da stürzte auf einmal alles zusammen. Die Feinde Jesu haben es geschafft, den Herrn kreuzigen zu lassen, und so schwanden die Hoffnungen, die die Jünger hegten. Es waren messianische und religiöse Hoffnungen, aber sie waren vermischt mit allzu menschlichen Erwartungen und Gewißheiten im Hinblick auf Herrschaft und Macht in der Gesellschaft. Ihr Glaube war bequem, kannte keine Prüfungen, Leiden und Verfolgungen und war daher wenig missionarisch, wenig apostolisch. Innerhalb einer Woche jedoch änderte sich alles. Es kam zur Niederlage, zum Zusammenbruch, und zwar gerade als man es am wenigsten erwartete. Die Volksmenge, die vorher begeistert gewesen zu sein schien, verließ den Meister: ein leicht errungener Sieg der Gegner, denen es gelang, den »Messiasanwärter« ans Kreuz und dann ins Grab zu bringen. Mit Ihm wurden im steinernen Grab alle Hoffnungen begraben, und nach drei Tagen gab es keine Anzeichen für eine Änderung der Lage.

Wie sehr ähnelt doch die Haltung der beiden Emmausjünger unserer eigenen Haltung gegenüber den Situationen, die wir in unserer westeuropäischen Welt erleben! Es ist nicht nötig, viel zu erklären, denn die Fakten liegen offen zutage. In unseren Lebensbereichen herrscht eine Glaubenskrise; Entchristlichung und Säkularisierung nehmen zu; Relativismus und Agnostizismus, der auf einen übersteigerten Individualismus gründet, scheinen zu triumphieren; die absolute Freiheit des »Ich« wird aufs höchste gepriesen; man sucht das Vergnügen um jeden Preis, die jahrtausendealte westliche Kultur wird in Frage gestellt, die Religion angegriffen, viele Medien verbreiten verkehrte Ideen, die die Gesellschaft vergiften, die Familie wird zerstört, es gibt Parlamente und Regierungen, die den Menschen ungerechte Gesetze aufzwingen und so ihre Grundrechte verletzen, wie das Recht auf das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Die Lage ist ernst und löst bei uns Christen Sorge und Frustration aus; wir sind beunruhigt und betrübt wie die beiden Jünger, die nach Emmaus gehen.

Dennoch geschieht in dem Augenblick, als sie traurig über die dramatischen Ereignisse in Jerusalem nach dem Tod Jesu sprechen, etwas Überraschendes, das scheinbar unbedeutend, aber doch sehr wichtig ist. Ein Pilger kommt näher und schließt sich ihnen an. Er erklärt ihnen die Bedeutung der traurigen Ereignisse und Tatsachen, über die sie betrübt sind. Auf diese Weise erfüllt er sie mit Licht und Hoffnung. Er begleitet sie und nimmt die Einladung an, sich mit ihnen zu Tisch zu setzen. Beim Mahl wiederholt er denselben Ritus, den er an jenem Donnerstag beim Abendmahl vollzogen hatte, die »fractio panis«, die Eucharistie. In diesem Augenblick wird alles anders. Die Jünger erkennen den Meister. Ihr Herz ist voller Mut und Freude. Der Herr geht von ihnen, und sie machen sich ungeachtet ihrer Müdigkeit und ihrer eigenen Pläne auf den Weg zurück nach Jerusalem, um die gute Nachricht zu verkünden, daß der Herr auferstanden ist. Dann beginnen sie fest entschlossen mit der Evangelisierung der Welt, zusammen mit den anderen Aposteln.

Unser Eucharistischer Kongreß war und ist dieser wunderbare Augenblick der »fractio divina«, der uns verändern muß, ähnlich wie er die Emmausjünger verändert hat.

Wir kehren nun in unsere Lebensbereiche zurück, in unseren Alltag, in unsere Gesellschaft. Und wir müssen mit einem neuen Geist zurückgehen, unsere Betrübnis über die schwierige Situation, in der wir leben, trotz aller Schwierigkeiten hoffnungsvoll überwinden und darauf vertrauen, daß Christus, der Herr der Geschichte, den Lauf der Ereignisse ändern und unsere Zeitgenossen, die Männer und Frauen von heute, verwandeln kann.

Die Eucharistie entfacht unser inneres Feuer neu und schenkt uns neue Kraft für die Mission, für eine Neuevangelisierung der westlichen Welt, für die Evangelisierung der Kultur. Ja, denn die Menschheit der Gegenwart und der Zukunft braucht eine christliche Kultur, die Kultur des Lebens, der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens, eine vom Evangelium Jesu durchdrungene Kultur.

Die Eucharistie ist, wie die vor kurzem in Rom abgehaltene Versammlung der Bischofssynode verkündet hat, »Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche« oder auch »Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation«, wie das II. Vatikanische Konzil sagt (Presbyterorum ordinis, 5).

Das Evangelisieren ist die eigentliche und spezifische Sendung der Kirche. »Evangelisieren«, sagt Paul VI., »besagt für die Kirche, die Frohbotschaft in alle Bereiche der Menschheit zu tragen und sie durch deren Einfluß von innen her umzuwandeln und die Menschheit selbst zu erneuern «. Und »es gibt keine wirkliche Evangelisierung, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich, das Geheimnis von Jesus von Nazaret, des Sohnes Gottes, verkündet wird«. (Evangelii nuntiandi, 18 und 22).

Im eucharistischen Opfer verkünden wir den Tod und preisen wir die Auferstehung des Herrn Jesus (vgl. Eucharistisches Hochgebet der Messe).

Wir gehen von der Eucharistiefeier aus, um die Welt zu evangelisieren. Am Ende der Messe hört man den Priester sagen: »Ite, missa est – Gehet hin in Frieden.« Für uns sind diese Worte nur der Anfang unserer Sendung in der Welt: »Ite, missio est.«

Wir alle sind dazu berufen, Künder des Evangeliums zu sein. Wir müssen uns der Tatsache bewußt werden, daß die Evangelisation der Welt noch am Anfang steht und daß zwei Drittel der Menschheit Jesus Christus noch nicht kennen. Diese Völker, die vor allem in Afrika, Asien und Ozeanien leben, brauchen eine Erstevangelisierung. Aber auch die Völker Europas und Amerikas haben es nötig, aufs neue evangelisiert zu werden. Dies ist die »Neuevangelisierung«, von der unser vielgeliebter und unvergeßlicher Papst Johannes Paul II. so oft gesprochen hat.

Die Evangelisierung oder Mission ist eng verbunden mit der Eucharistie. Ohne sie, ohne den Halt, den sie vermittelt, könnte die Kirche ihrer missionarischen und apostolischen Berufung nicht nachkommen. Um die Welt zu evangelisieren, brauchen wir Apostel und Missionare, Priester oder Laien, die den eucharistischen Christus feiern, betrachten, anbeten und aus ihm leben können, um ihn dann zu den Völkern zu bringen. Johannes berichtet uns im Gegensatz zu den anderen Evangelisten nicht von der Einsetzung der Eucharistie, aber er spielt oft auf die segensreichen Stunden beim Letzten Abendmahl an. Er beginnt mit einer Beschreibung, die das Herz bewegt: »Es war vor dem Paschafest. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung« (Joh 13,1). Nachdem er den Aposteln die Füße gewaschen hatte, sprach er lange zu ihnen und endete mit einem erhabenen Gebet an den Vater, das wir als »hohepriesterliches Gebet Jesu« bezeichnen. In dieser von Aufregung und innerer Bewegtheit geprägten Situation sprach Christus die Worte, die wir im Evangelium lesen und die wie ein Sendungsauftrag sind: »Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandtÂ… Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins seinÂ… damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast« (Joh 17,18–21). Später wird der auferstandene Herr zu den Aposteln sagen: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20,21). Es handelt sich um den Missionsauftrag, den wir am Ende des Matthäusevangeliums feierlich verkündet finden: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe« (Mt 28,19–20).

Zur Durchführung dieses Evangelisierungsauftrags werden wir Licht, Kraft und Begeisterung finden in der Eucharistie und im Kreuz, an dem Jesus für alle Menschen gestorben ist, an dem er sein eigenes Leben für die ganze Menschheit hingab. In der Eucharistie bietet uns der Erlöser auch heute noch sein Heil an für das Leben der Welt, für die Glaubenden und die Nichtglaubenden. Die Eucharistie setzt im Lauf der Geschichte das Heilsgeschenk sakramental gegenwärtig. Diese »gute Nachricht« muß allen Völkern gebracht werden, allen Männern und Frauen.

Jesus ermutigt uns, dies zu tun, und er verspricht, uns dabei zur Seite zu stehen und schenkt uns Sicherheit, indem er seinem Missionsauftrag diese tröstenden und hoffnungsvollen Worte hinzufügt: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20).

Dies ist die Realität der Eucharistie, der Realpräsenz Christi unter uns, in seiner Kirche. Was soll die Kirche tun? Sie soll das tun, was Papst Benedikt XVI. jetzt von ihr verlangt: Jesus Christus immer mehr zum Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit machen, sich immer stärker am Evangelium orientieren, um immer mehr zur Künderin des Evangeliums zu werden. Außerdem muß sie sich daran erinnern, daß »der Glaube stark wird durch Weitergabe« (Redemptoris missio, 2), und »die christliche Gemeinde nur aufgebaut wird, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat« (Johannes Paul II., Ecclesia de Eucharistia, 33). Benedikt XVI. hat am vergangenen 23. Oktober die Synodalversammlung über die Eucharistie abgeschlossen und dabei die folgenden bedeutungsvollen Worte gebraucht, die das zusammenfassen, was wir gesagt haben, und die für uns Auftrag und Programm sind für das Leben der Kirche und für die Evangelisierungsarbeit: »Nun, da das Jahr der Eucharistie zu Ende geht Â… wie könnte man nicht die Einladung des geliebten Papstes Johannes Paul II. zu einem ›Neubeginn in Christus‹ wiederaufnehmen? Wie die Emmausjünger – die in ihrem Innersten vom Wort des Auferstandenen erwärmt wurden und die von seiner lebendigen Gegenwart, derer sie sich beim Brechen des Brotes bewußt geworden waren, erleuchtet waren – unverzüglich nach Jerusalem zurückkehrten und zu Boten der Auferstehung Christi wurden, so nehmen auch wir unseren Weg wieder auf, beseelt vom lebendigen Verlangen, Zeugnis abzulegen vom Geheimnis dieser Liebe, die der Welt Hoffnung gibt« (O.R. dt., Nr. 44, 4.11.2005, S. 8). Amen.

 

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