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   Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen Unterwegs

V. Weltkongress der Seelsorge für Zigeuner

Budapest, Ungarn, 30. Juni – 7. Juli 2003

 

Die Zigeunerseelsorge.

 Für eine Spiritualität der Kommunion

 

S.E. Bischof Leo Cornelio, SVD

Bischof von Khandwa, Indien

 

Terminologie

Vom Morgengrauen der menschlichen Zivilisation angefangen gab es immer Menschengruppen, die aus verschiedenen Gründen von Ort zu Ort wanderten.Wir benutzen für diese wandernden Gruppen Ausdrücke wie „Nomaden“, „Zigeuner“, „Migranten, Reisende, Flüchtlinge“ usw. Einige wurden aus ihren Häusern und aus ihrer sesshaften Lebensform durch zwingende Umstände wie Krieg, politischen Aufruhr, wirtschaftliche Zwänge usw. vertrieben. Andere wandern ihr ganzes Leben, weil die Art der Arbeit, die sie verrichten, dies erfordert, oder aus Gründen, die wir, die wir eine sesshaftere Lebensform vorziehen, vielleicht niemals werden verstehen können. Menschen, die zu dieser letzteren Gruppe gehören, bezeichnen wir mit dem Eigennamen „Zigeuner“. „Nomaden“ ist ein anderer Begriff, der häufig für sie verwendet wird. „Nomadentum“ bedeutet dass ein Volk seinen Wohnsitz auf der Suche nach Unterhalt häufig wechselt. Es bedeutet nicht, dass diese Menschen in unrealistischer Weise und ohne Ziel umherwandern; sondern es konzentriert sich um Zentren, wo die Nomaden einer zeitlich begrenzten Tätigkeit nachgehen. Wie lange sie bleiben hängt davon ab, ob diese auch weiterhin Möglichkeiten bietet, die erwünschten Ziele zu erreichen, die woanders angeboten werden.[1]

Das Wort „Gypsy“ oder „Gipsy“ (englisch für „Zigeuner“) soll von einer Verballhornung des Wortes „Egyptian“ (Ägypter) stammen.Da sie aus dem Osten nach Europa kamen, glaubte man, sie kämen aus der Türkei, Nubien oder Ägypten oder auch aus einer ganzen Reihe von anderen, nicht-europäischen Orten. Unter anderem wurden sie also als „Egyptians“ oder „Gyptians“ bezeichnet, und von daher kommt der Name „Gypsy“.[2] Neben dem Namen „Gypsy“ wurden diese Völker unter vielen anderen Namen bekannt, zum Beispiel Rom (Roma, Romani), Tziganes, Cigano, Zigeuner, Sinti, Manouches, Gitans und viele andere. Die meisten Roma haben sich immer mit ihrem Stammesnamen bezeichnet oder auch als Rom oder Roma, das heißt „Mensch“ oder „Volk“. [3] Der Gebrauch von Rom, Roma und Romani oder auch mit zwei „r“ geschrieben (Rrom, Rroma, Rromani) wird in allen offiziellen Mitteilungen und rechtlichen Dokumenten bevorzugt. Die Tendenz geht dahin, alle derogatorischen, pejorativen und offensiven Bezeichnungen für sie, wie zum Beispiel „Zigeuner“ abzuschaffen und ihnen durch Verwendung des Namens, den sie selbst für sich benutzen, Roma oder Rroma, den gebührenden Respekt zu erweisen. Der Name „Zigeuner“ klingt für die meisten Roma offensiv, ist aber jedenfalls ein Eigenname.[4] Ein anderer Ausdruck, den man in der Literatur oder in der Diskussion über die Zigeuner oft antrifft, ist „Gadsche“ (gadzo), mit dem die Nicht-Roma oder sesshaften Menschen bezeichnet werden. „Gadscho“ bedeutet wörtlich Bauer.

Wer sind die Zigeuner ?

Die Zigeuner werden in den meisten offiziellen Volkszählungen nicht erwähnt.Viele unter ihnen geben aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen ihren wirklichen ethnischen Ursprung nicht an. Darüber hinaus ziehen sie oft von Ort zu Ort. Aus diesen Gründen gibt es keinerlei Möglichkeit, die genaue Zahl der Zigeuner auf der Welt zu erfahren. Darüber hinaus benutzen diejenigen, die sich für diese Menschen interessieren, unterschiedliche Kriterien, um zu bestimmen, wer tatsächlich ein Zigeuner ist. Einige schließen sesshafte Gruppen aus, die in ihren Augen keine Zigeuner mehr sind. Andere zählen zur Gruppe der Zigeuner auch solche Stammesangehörigen, die umherwandern, um durch ihre Arbeit ihren Unterhalt zu verdienen. Nichtsdestoweniger wird geschätzt, dass es verstreut in der ganzen Welt etwa 17 Millionen Zigeuner gibt. Annähernd 75% von ihnen leben in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Alles weist auf Indien hin, als das Land, in dem die Zigeuner ihre historischen Wurzeln haben. „Es muss im Laufe der Jahrhunderte mehrere Einwanderungswellen dieser Menschen aus Indien gegeben haben. Historiker haben festgestellt, dass eine solche Einwanderung vor fast 1000 Jahren aus der Provinz Sind im heutigen Pakistan stattfand und dass die Einwanderer Westeuropa im 15. Jahrhundert erreichten. Von dieser Zeit an gibt es historische Nachweise für ihre Anwesenheit und ihre Teilnahme am sozialen Leben der europäischen Gesellschaft.“[5] Die Gründe, die dazu geführt haben, dass sie Indien verließen, liegen wohl endgültig im Dunkel der Vergangenheit, obwohl es diesbezüglich viele Hypothesen gibt. Wahrscheinlich war es eine Kombination von Gründen wie Armut, Hungersnot, Naturkatastrophen, Invasion, Kriege usw., die diese Menschen aus ihrer ursprünglichen Heimat vertrieben haben. Die gleichen Gründe vertreiben die Menschen noch heute aus ihrer Heimat.

Zigeunerkultur und Aktivitäten

In der Zigeunerkultur gibt es viele unterschiedliche Traditionen und Bräuche. Zigeunergruppen in der ganzen Welt haben jeweils ihre eigenen religiösen Überzeugungen und Dogmen. Es gibt keine allgemeingültige Zigeunerkultur an sich; aber es gibt Eigenschaften, die alle Zigeuner überall miteinander teilen, wie zum Beispiel das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Familie und die Nähe zueinander innerhalb der gleichen ethnischen Gruppe, bestimmte kulturelle Standards und Normen können sich graduell von Stamm zu Stamm unterscheiden, die Anpassungsfähigkeit an veränderte Bedingungen, ihre Marginalisierung usw. Viele Zigeuner sind sesshaft geworden und durch ihre Integration in die Kultur der Nicht-Zigeuner haben sich viele Werte und Überzeugungen der Zigeunerkultur abgeschwächt. Nicht alle Gruppen wenden die gleiche Definition an, wer ein Zigeuner ist und was Zigeunerkultur bedeutet. Wer als „echter Zigeuner“ in der einen Gruppe gilt, mag für eine andere ein Gadsche sein. Es ist wohl eine Verallgemeinerung und eine allzu grobe Vereinfachung, wenn wir alle Zigeuner in einem stereotypischen Schema vereinen. Auch wenn einige Gruppen dies glauben mögen, gibt es keine einzelne Gruppe, die sich selbst als die einzigen „wahren“ Roma bezeichnen kann. Heute kennzeichnen die folgenden typischen Merkmale alle Zigeunergruppen und Zigeunergemeinschaften in der ganzen Welt: Zigeuner können Nomaden, halb sesshaft oder sesshaft sein. Sie sprechen viele Romanes-Dialekte und einige sprechen gar kein Romanes. Die Zigeunersprache ist ein Beleg für die außerordentliche Vielfältigkeit der Welt der Zigeuner, d.h. der Mangel an Strenge in ihrem Denken, die Freiheit, mit der sie Wörter übernehmen und Wörter, die sie anderen Sprachen entnommen haben, umformen. Tatsächlich erklärt dies in gewisser Hinsicht die Psychologie, die den Zigeunern eigen ist.[6] Zigeuner können in ländlichen oder städtischen Gebieten leben. Einige Zigeunergruppen sind vorwiegend Analphabeten, während andere Gruppen zumindest ein Minimum an Lese- und Schreibkenntnissen in der Sprache ihres Gastlandes bei den Mitgliedern ihrer Gemeinschaft erwarten.[7]

Die Nomaden in der ganzen Welt sind in unterschiedlicher Weise klassifiziert worden. Eine der besten Klassifizierungen stammt von S. P. Ruhela[8]und basiert auf den Berufen, die die verschiedenen Gruppen ausüben.

Ihre unruhige Geschichte

Es scheint, dass die Zigeuner eine sehr bewegte Geschichte gehabt haben.In all den langen Jahrhunderten scheinen sie für die Menschen, unter denen sie lebten, Fremde geblieben zu sein. Sie besaßen keinerlei rechtliche Identität in den Ländern, die sie bewohnten, und folgerichtig konnten sie ungestraft von den herrschenden Gruppen unterdrückt werden. Der größte Teil der Geschichte der Zigeuner besteht aus einer langen Litanei von Gesetzen, Erlässen, Schikanen, Vertreibungen usw., die sich gegen sie richteten. In den meisten Teilen Osteuropas wurden sie akzeptiert, auch wenn die Zigeuner in der Walachei und in Moldawien bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts nur den Status von Sklaven besaßen. In diesen Gebieten hatten die Besitzer alle Rechte über sie mit Ausnahme des Rechts über Leben und Tod. Der Gesetzeskodex der Walachei stellt ausdrücklich fest: „Der Zigeuner wird als Sklave geboren!“ Sie wurden getauscht und gehandelt.

Die Tatsache, dass die Zigeuner sowohl in West- wie in Osteuropa vom 15. bis durch das ganze 18.Jahrhundert hindurch bevorzugt als Opfer behandelt wurden, muss vor dem Hintergrund der Entstehung und der Konsolidierung der modernen Nationalstaaten in Europa gesehen werden. Die Ablehnung des Anderen ist wesentlicher Bestandteil des Prozesses der Bildung von modernen Staaten. Mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems und der osteuropäischen Vielvölkerstaaten haben von Neuem Prozesse das Bild beherrscht, die mit der Bildung und der Konsolidierung von Nationen zu tun haben. Und von Neuem hat dieser Prozess die Kraft, die Intoleranz anderen gegenüber auszulösen, jenen ethnischen Gruppen gegenüber, die am schwächsten sind und ohne jede Verteidigung dastehen, wie zum Beispiel die Zigeuner, die leicht zu tragischen Opfern solcher Prozesse werden.[9] In dem Prozess der Bildung von Nationalstaaten bilden ein oder zwei gemeinsame Ausprägungen (wie Volkszugehörigkeit, Religion usw.) eine Achse, um die sich die Solidarität der Gruppe dreht. Menschen, die diese gemeinsamen Ausprägungen nicht haben, werden zu den bedrohlichen „Anderen“, gegen die die Essenz der Gruppe verteidigt werden muss. Auch die „andere“ Gruppe wird sich aggressiv verteidigen und auf der Suche nach einem Weg, um zu überleben, wird auch sie die Gruppensolidarität bestärken. Mit anderen Worten, wenn andere sich gegen uns zusammentun, dann müssen wir noch mehr Zigeuner sein, wenn wir überleben wollen. Ablehnung und Rückzug bestärken sich also gegenseitig und führen zu Verdacht, Angst und Abstand zwischen den Gruppen. Der Zigeuner ist ganz anders als der Gadscho: er taucht plötzlich in großer Zahl aus dem Nirgendwo auf, bleibt für eine Weile und dann ist er wieder auf und davon! Sein Leben ist so unvorhersehbar linear. Der Gadscho auf der anderen Seite lebt in vorhersehbaren langsamen Zirkeln. Dem Gadscho scheint der Zigeuner wie ein Flüchtling, ein Ausreißer, wie jemand, der sich ein merkwürdiges Verbrechen hat zuschulden kommen lassen; warum würde er sonst davonlaufen!

Wenn die herrschende Kultur sich einer neuen Minderheitenkultur gegenüber sieht, kann sie diese nicht verstehen, sie wird die Minderheitenkultur in den sozialen Kategorien klassifizieren, die ihre eigene Weltanschauung strukturieren.So wird der Zigeuner als „Vagabund“ eingestuft; Vagabunden stehen den Straßenräubern nahe, die die sesshaften Personen betrügen und ausrauben. Der Zigeuner wird als verantwortlich betrachtet für alles, was in der Nachbarschaft schief geht. Uralte Ängste vor dem Geheimnisvollen und dem Unbekannten, die der herrschenden Gruppe Rätsel aufgeben, werden schon bald diesen unbekannten Menschen angeheftet, die plötzlich aus dem Nichts in der Nachbarschaft auftauchen, und die dann aus unbekannten Gründen genau so plötzlich und ohne ein Ziel verschwinden. Spiritualismus und Zauberei werden den Zigeunern nachgesagt. Wie leicht können solche Ängste und Vorurteile sich verbinden mit rassistischen Ideen und mit der sozioökonomischen und politischen Krise einer Nation und sich einer Minderheit gegenüber entladen, die zum Sündenbock für alle vorhandenen Übel gemacht wird! Der Rassismus der Nazis zum Beispiel raubte den Zigeunern ebenso wie den Juden ihren gesetzlichen Schutz. Die Zigeuner standen jenseits des Gesetzes. Gabriele Tyrnauer schrieb vor kürzlich: „Der Rest folgte: erzwungene Sterilisierung, Deportation und Sklavenarbeit, Vernichtungslager, sie wurden Opfer von medizinischen Experimenten und schließlich der Massenvernichtung durch die Kugel der Gas.[10] Es wird geschätzt, dass 500.000 Zigeuner dem Nazi-Regime zum Opfer fielen. [11]

Diese fürchterlichen Ereignisse haben wenig oder gar keinen öffentlichen Protest hervorgerufen, denn überall betrachtete die herrschende Kultur die Zigeuner als potentielle Verbrecher, als anti-sozial, als Feinde der Menschheit und gefährliche Fremde, unersättliche Bettler und Parasiten der Gesellschaft.In Frankreich zum Beispiel wurden die Zigeuner schon 1937 verdächtigt, Kollaborateure der „Fünften Kolonne“ zu sein und sie wurden umzingelt und in Lagern überwacht. Ein Gesetz aus dem Jahre 1912 hatte die Zigeuner bereits als potentielle Verbrecher abgestempelt, deren Profile schon immer in den Akten der Polizei registriert waren. Im Alter von zwei Jahren wurden die Fingerabdrücke eines Zigeunerkindes in den Polizeiakten festgehalten und jede Bewegung der Familie von einer Stadt zur andern war Gegenstand von Polizeikontrollen bei ihrem Aufbruch und bei der Ankunft. Ich sage dies nicht, um ein Land schlechter als die anderen zu machen. Dieses Gesetz, das erst 1969 abgeschafft wurde, steht hier stellvertretend für die Behandlung, die die Zigeuner überall durch die Gesetze erfuhren. Daher weckte eine Tragödie, die diese Gruppe traf, keinerlei Mitgefühl bei den Gadsche. Die Gadsche hatten das Empfinden, dass die Zigeuner verdienten, was ihnen geschah.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Situation der Zigeuner nicht.Sie waren nach wie vor Gegenstand der gleichen Ablehnung wie früher. Dies wird geographisch deutlich sichtbar in den Niederlassungen der Zigeuner, die gezielt in bestimmten Stadtteilen oder am Stadtrand nicht weit von den Müllhalden lagen, auf denen die Zigeuner nach Abfällen suchten und wo sie in sehr unhygienischen Bedingungen lebten. Polizeikontrollen überwachten sie durch wiederholte Kontrollen und bezeichneten sie als gefährlich, selbst wenn sie nicht wegen irgend welcher Verbrechen vorbestraft waren. Sie waren Bürger zweiter Klasse. Sie waren abhängig von den Gadsche wegen ihrer Arbeit.

Die Zigeuner haben traditionell in nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten gearbeitet.Sie übten ein Gewerbe aus und erfüllten die Bedürfnisse der Gadsche, um sich so ihren Unterhalt zu verdienen. Die Gadsche brachten durch ihren privaten Landbesitz und die damit verbundenen sozialen und staatlichen Strukturen institutionelle und kulturelle Normen für sich selbst hervor. Die Zigeunergemeinschaften schufen keinerlei Einrichtungen, die mit privatem Landbesitz zu tun hatten. Sie waren niemals an ein bestimmtes Gebiet gebunden und hatten darum kaum Interesse, Land zu erwerben. Dies mag einer der Gründe sein, warum sie eher dazu neigen, unmittelbar zu konsumieren, statt zu sparen.[12]

Heute sind nur noch ein Bruchteil der Zigeuner wirklich Nomaden.Auch nachdem sie einen eher sesshaften Lebensstil angenommen hatten, bewahrten die Zigeuner weitgehend ihre geographische Mobilität, wobei die von Pferden gezogenen Wagen ersetzt wurden von Autos und/oder Wohnmobilen. Sie boten den Gadsche auch weiterhin ihre besonderen Dienste an (Hufschmied, musikalische Unterhaltung, das Sammeln und Bearbeiten von Holz und anderen Rohmaterialien und in neuerer Zeit auch die Wiederverwendung von Materialien). Doch mit dem Beginn der Industrialisierung wurden die großen landwirtschaftlich geprägten Gemeinschaften immer weniger. Die Zigeuner und die Agrargesellschaft ergänzten sich nicht mehr wie früher. Die Nachfrage nach den Dienstleistungen der Zigeuner nahm im Laufe der Zeit drastisch ab. Da sie selbst kein Land besaßen und über keinerlei landwirtschaftliche Erfahrung oder Kultur verfügten, lieferten die Zigeuner in zunehmendem Maße billige Arbeit in der Schwerindustrie, die in der sozialistischen Zeit stark anwuchs und danach zusammenbrach. Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausschluss, die in vielen Zigeunergesellschaften offensichtlich sind, haben hier ihre geschichtlichen Wurzeln.[13]

Im Allgemeinen stehen die Zigeuner der Anhäufung von Besitz sehr skeptisch gegenüber.Ihr Lebensstil hat eher etwas Provisorisches und ist stark geprägt von geringen Ersparnissen und hohen laufenden Ausgaben. Diese „Von-der Hand-in-den-Mund-Lebensart ist ebenfalls eine Folge der Armut. Sparen und Investieren sind nicht möglich, wenn das Einkommen nur gerade das Überleben sichert. Das bedeutet, dass entscheidende Veränderungen im Lebensstil der Zigeuner erst mit einer entscheidenden Verbesserung in ihrem Lebensstandard möglich sind.[14]

Die Zigeuner in Indien 

Ihre geschätzte Zahl

Zur Zeit des fürchterlichen Erdbebens in Gujarat im Jahr 2001 sagte man von einer Gruppe von Menschen: „“Sie haben nichts verloren, jedenfalls nicht durch den Zusammenbruch von Häusern und Gebäuden.“ Dies war ein Nomadenstamm, der Rabbari genannt wird.Auf den nationalen und regionalen Hauptstraßen kann man sie leicht erkennen. Die Karawanen ihrer Kamele trotten in einer Reihe hintereinander die Straßen entlang und ihre Herden folgen langsam etwas tiefer in den anliegenden Feldern auch wenn die Sonne am Nachmittag heiß auf alles hernieder brennt. Kinder, Hab und Gut, das kranke Schaf oder Lamm oder sogar manchmal der müde Hund reiten auf dem Höcker des Kamels in umgedrehten charpai (einer aus Stricken gewebten Bettstatt).[15] Das ist nur eine der tausend verschiedenen Vorstellungen von diesen Menschen, die die indische Landschaft und seine Vorstädte füllen. Ein kurzer Blick auf das magere Material, dass über die Zigeuner in Indien zur Verfügung steht, bietet einen sehr verwirrenden Eindruck. Nach einigen Untersuchungen gibt es in Indien etwa 3 Millionen Zigeuner und weniger als 120 Gemeinschaften von Nomaden.[16] Andere Schätzungen gehen, wie oben bereits erwähnt, von 8 Millionen Zigeunern in Indien aus. Wieder andere schätzen ihre Zahl auf 15 Millionen.[17] Einige andere, die viele nomadisierende und halbsesshafte Gruppen mit einschließen, sprechen von etwa 150 Millionen Zigeunern.[18] Eines ist sicher: es gibt in Indien keine gesicherte Zahl, was die Zigeuner betrifft, seien sie nun sesshaft oder nicht.

Die sozioökonomische Situation der Zigeuner[19]

Das Leben der Zigeuner ist verglichen worden mit der uneingeschränkten Freiheit der wilden Papageien oder der Tiere im Dschungel.Im Gegensatz zu diesen idyllischen Vorstellungen, ist das Leben der Nomaden in Indien im Grunde nur ein Kampf ums Überleben. Die indische Bevölkerung umfasst große Gruppen von sozial benachteiligten Menschen, deren Zahl in die Millionen geht! Jahrhunderte lang haben die Menschen, die zu dieser sozial vernachlässigten Klasse gehörten, ein Leben der Unterdrückung geführt, sie waren vernachlässigt und isoliert, was sie so schwach gemacht hat, dass sie nun unfähig sind, mit dem nationalen Fortschritt mitzuhalten.

Obwohl Indien in den letzten fünf Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht hat, hat das Land es nicht geschafft, den geschaffenen Reichtum in ausgewogener Form zwischen den Menschen im Land zu verteilen.Enorme und weiter zunehmende Ungleichheiten sind zwischen Reichen und den Armen entstanden, und wer am meisten leidet, das sind Gruppen wie die Zigeuner, die am unteren Rand der sozialen Schichtung stehen. Die indische Verfassung hat versichert, dass die Interessen der sozial und schulisch benachteiligten Schichten gewährleistet werden und so wurde eine Liste von eingetragenen Kasten und eingetragenen Stämmen vorbereitet. Zu jener Zeit war es den Vätern der Verfassung vielleicht nicht klar, dass die unterprivilegierten Teile der indischen Bevölkerung viel zu groß, zu unterschiedlich und zu heterogen waren, um in den engen Kategorien von eingetragenen Kasten und/oder eingetragenen Stämmen alle zusammen erfasst zu werden. Das Ergebnis war, dass fast alle Wohlfahrtsprogramme für die eingetragenen Kasten und eingetragenen Stämme bestimmt waren und eine Zahl von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten, zu denen ein erheblicher Bestandteil der Gesamtbevölkerung gehörte, übel vernachlässigt wurde. Die Wirkung dieser beiden Faktoren: ständig zunehmende Armut und Vernachlässigung durch die Regierung traf die Zigeuner Indiens besonders schwer.

Der Glauben der meisten dieser nomadischen Gruppen ist eher volkstümlich, fromm und basiert auf den Traditionen.Obwohl die eher fundamentalistischen Hindu-Gruppen behaupten würden, dass sie der Hindu-Religion angehören, kann man feststellen, dass diese Nomadengruppen vielmehr die Natur anbeten und eher Animisten sind als Hindus.[20] Einige Gruppen, wie zum Beispiel die Kalenders, haben sich dem Islam angeschlossen, aber ihr Glaube ist nicht sehr exklusiv, denn sie verehren zugleich die Gottmenschen andere Religionen.[21] Halbsesshafte Stämme wie zum Beispiel die Bhils, Oraons, Gonds, Santhals usw. haben sich in großer Zahl zum Christentum bekehrt. Verschiedene Gruppen von Protestanten haben ebenso wie die katholische Kirche recht große Gemeinden bei diesen Völkern.[22]

Versuche, die Lebensbedingungen zu verbessern

Es hat einzelne sporadische Versuche gegeben, das Los der Zigeuner in Indien zu verbessern, aber ohne großen Erfolg.Immer wieder haben die Regierungen einzelner Staaten Maßnahmen getroffen, um die Lebensbedingungen von Zigeunergruppen zu verbessern.

Im Großen und Ganzen waren die Verbesserungsbemühungen am Ende ein Fehlschlag.Man hat das Gefühl, dass die Planer und Organisatoren dieser Programme für die Zigeuner fehlgeleitet waren durch den Mythus der Existenz eines „nomadischen Instinkts“ bei den Nomaden, und sie haben nicht begriffen, dass es starke wirtschaftliche Motive sind, die die Nomaden zu ihren Reisen veranlassen.[23] Die Verbesserungsbemühungen tendierten dazu diese Völker sesshaft zu machen, ohne jedoch wirklich zu versuchen, sie und ihre wahren Bedürfnisse zu verstehen. Wenn es darum geht, diesen Nomadenvölkern wirklich zu helfen, so ist die vorgeschlagene Lösung für alle Gruppen und in allen geographischen Gebieten immer die gleiche. Die klassische Lösung besteht darin, kostenloses Land oder Land in subventionierter Form zur Verfügung zu stellen, günstige Kredite zum Hausbau zu ermöglichen, Hilfen zur Anschaffung von Vieh, Pflügen usw. zu geben, die Schaffung von kooperativen Kreditgesellschaften und Zentren, die Ausbildung und Produktion miteinander vereinen.

Diese weisen Bestimmungen des Komitees beleuchten einige der Prinzipien, die es in jedem Programm für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Nomaden zu berücksichtigen gilt.

Solche Bemühungen von Seiten der Regierung und anderer Gruppen gibt es jedoch zu selten, um einen wirklichen Einfluss auf das Leben der Zigeuner als Ganzes in diesem Land zu haben.Diese Menschen, die keine irgend wie nennenswerte rechtliche oder soziale Identität haben, brauchen jede Hilfe, die sie nur irgend bekommen können und das so schnell wie möglich.

Die Kirche und die Zigeuner

Die Zigeuner und die Kirche im Allgemeinen

Die Erfahrung, die die Zigeuner in allen Ländern machen, einschließlich ihrem Ursprungsland, ist die, dass sie den Gadsche verdächtig sind und von ihnen mit Vorsicht behandelt und abgelehnt werden.Man könnte sogar sagen, dass die Identität des Zigeuners zutiefst geprägt ist von dieser Erfahrung der Ablehnung. Der Zigeuner sieht sich selbst ausgeschlossen von der Kommunion und der Gemeinschaft der Gadsche. Die schärfste Form der Ausschließung und der Ablehnung ist dadurch begründet, dass sie als kriminell, asozial und gefährlich betrachtet werden und aus diesem Grund unter Beobachtung gestellt und von der Mehrheit der Gesellschaft getrennt gehalten werden müssen. Zu wenige Christen sind das Risiko eingegangen, eine Brücke zwischen den Zigeunern und den Gadsche zu bauen. Es ist allerdings auch eine Tatsache, dass einige der lautesten Stimmen, die sich zugunsten der Zigeuner haben hören lassen, die einiger Mitglieder der katholischen Kirche sind, die sich inspiriert und gespeist haben von dem Wort, dass die Kirche verkündet. Die gleichen Stimmen äußern sich auch kritisch der Kirche gegenüber, weil sie so weit entfernt steht von den Gruppen der Ärmsten wie zum Beispiel den Zigeunern. Sie vertreten die Überzeugung, dass die Mission der Kirche, die ihnen anvertraut ist, nicht von der gesamten christlichen Gemeinschaft getragen wird und dass sie zu alleine dastehen, um den Abgrund zu überwinden, den die Ablehnung zwischen den Gadsche, die Teil der Kirche sind, und den Zigeunern geschaffen hat. Historisch betrachtet, hat sich die Kirche eher auf die Seite der sesshaften Gadsche gestellt. Die Zigeuner fühlen sich in unseren Kirchen und in den christlichen Versammlungen nicht wohl. Es ist auch nicht selten, dass man auf Geistliche, Ordensfrauen und Laien im Dienste der Zigeuner trifft, die erklären, dass sie sich einsam fühlen und dass ihr Engagement von Seiten der Gemeinden oder bei anderen Geistlichen und Ordensleuten keine Anerkennung findet. Ihre Anstrengungen, Gruppen zu schaffen, die im Kontakt mit den Zigeunern Überlegungen anstellen, finden nicht oft Unterstützung bei anderen Pfarrern und Ordensleuten. Diese Beobachtungen und Erfahrungen beleuchten den Abstand, der zwischen den Zigeunern und der katholischen Kirche besteht.

Doch in dem Herzen der Kirche es hat immer gegärt vor Leidenschaft und Güte diesen Menschen gegenüber.Prophetische Stimmen haben der Sache der weniger Glücklichen zu allen Zeiten ihre Stimme geliehen. Um nur ein Beispiel zu erwähnen, Johannes XXIII. zitierte in Pacem in Terris, während er den Begriff des Allgemeinwohls diskutierte Leo XIII: „Die weltliche Macht darf nicht zugunsten irgend eines Einzelnen oder einiger Weniger tätig werden, denn sie wurde geschaffen zum allgemeinen Wohl aller.“ Papst Johannes XXIII fuhr dann fort: „Überlegungen, die die Gerechtigkeit und die Gleichheit betreffen, können es jedoch manchmal erfordern, dass diejenigen, die Teil der weltlichen Regierungen sind, den weniger glücklichen Mitgliedern der Gemeinschaft mehr Aufmerksamkeit zuwenden, denn diese sind weniger darauf vorbereitet, ihre Rechte zu verteidigen und für ihre legitimen Ansprüche aufzustehen.“ [24] Mit anderen Worten, die armen und weniger glücklichen Mitglieder der Gemeinschaft standen nicht neben den Reichen, sondern sie kommen zuerst, wenn es um das Allgemeinwohl geht. Dies ist eines der fruchtbaren Prinzipien, die von jeher im Herzen der Nachfolger Christi lebendig sind, auch wenn das nicht immer sichtbar ist. Dieses Gären fand schließlich deutlich Ausdruck auf dem 2. Vatikanischen Konzil in Christus Dominus. Die Ratsmitglieder stellten fest, dass „jenen unter den Gläubigen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, die aufgrund ihrer Lebensweise nicht in ausreichender Form von der allgemeinen und normalen Seelsorge der Gemeindepfarrer Gebrauch machen können oder die von ihr abgeschnitten sind. Zu diesen Gruppen zählt die Mehrheit der Migranten, der im Exil Lebenden und Flüchtlinge, der Seefahrer, Luftfahrer, Zigeuner und andere ähnlicher Art.“[25] Das Dokument rief die nationalen Bischofskonferenzen dazu auf, sich der drängenden Probleme dieser Menschen selbst anzunehmen.

Um diese Richtlinien des 2.Vatikanischen Konzils zu ergänzen, wurden einige strukturelle Instrumente eingerichtet.1965 richtete Papst Paul VI. bei der Heiligen Bischofskongregation das Sekretariat für das Apostolat der Nomaden ein, um den Menschen ohne einen festen Wohnsitz spirituelle Hilfe zu bringen. Dieses Internationale Sekretariat wurde Teil der Päpstlichen Kommission für die Seelsorge der Migranten und der Menschen unterwegs mit dem Motu Proprio Apostolicae Caritatis (19.3.1970). Diese Kommission war der Heiligen Bischofskongregation angeschlossen. Sie wurde später mit der Apostolischen Konstitution Pater Bonus zu einem Rat der römischen Kurie mit voller Autonomie (28.6.1988). Artikel 150 dieser Konstitution stellt ausdrücklich fest: „ Der Rat hat den Auftrag sicherzustellen, dass besondere Kirchen wirksame und wahre spirituelle Hilfe für Flüchtlinge und Menschen im Exil anbieten, indem er entsprechende seelsorgerische Strukturen schafft, wenn das nötig is; dies gilt auch für Migranten, Nomaden und Zirkusleute.“ Zweck des oben genannten Rates ist es, diesen Dienst auch auf die Nomaden auszudehnen, d.h. auf Menschen, Familien und Gruppen, die ein Leben als Nomaden führen, sei es aus ethnischen Gründen (z.B. die Zigeuner) sei es aus sozioökonomischen Gründen (z.B. Zirkusleute). Es gilt zudem auch für Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben und die sich keinerlei Seelsorge erfreuen, wie zum Beispiel die Reisenden in Irland, jene Personen in Belgien und Holland, die in Wohnmobilen leben, die Nomaden auf den Flussbooten in Bangladesh usw. Tatsächlich kamen zu dem ersten von der Päpstlichen Kommission 1975 organisierten internationalen Treffen Abgesandte sogar aus Afrika, um die afrikanischen Nomaden zu vertreten, die nicht Zigeuner sondern Kuh- und Schafhirten sind, wie zum Beispiel die Tuaregs aus der Sahara, die Masai aus Tansania und Kenia, die Pygmäen aus Zentralafrika usw.[26]

Obwohl die kirchliche Seelsorge für die Nomaden noch sehr jung ist, haben die letzten Päpste ihm sehr erwünschten Mut zugesprochen und sie ihres vollen Vertrauens versichert.Vor etwa 38 Jahren sprach Papst Paul VI anlässlich der ersten Zigeunerwallfahrt die inzwischen berühmten Worte: „Ihr seid im Herzen der Kirche.“[27] Dreißig Jahre später sagte Johannes Paul II. zu all denen, die an einer Konferenz teilnahmen, die der Päpstliche Rat für die Migranten und die Menschen unterwegs organisiert hatte: „Die vielen Formen von seelsorgerischer Tätigkeit, die für die Zigeunergruppen durchgeführt werden, die einen apostolischen Auftrag haben: in den Schulen des Glaubens und des Wortes, in nationalem und bischöflichem Auftrag, im Kaplansamt für die Zigeuner und schließlich im Päpstlichen Rat für Migranten und Menschen unterwegs, zeigt, wie sehr die Kirche die Zigeuner liebt.“[28] Die Worte des Papstes verweisen auf die vielen verschiedenen Aktivitäten und Organisationen, die sich in relativ sehr kurzer Zeit zugunsten der Zigeuner innerhalb der Kirche gebildet haben. In der gleichen Rede erinnerte der Papst die Kirche auch daran, die Geschichte der Zigeuner nicht zu  übersehen, vor allem nicht ihre tragischen Perioden. Der Papst erinnerte an eine Feststellung die er zum 50. Jahrestag des Endes des 2. Weltkriegs in Europa gemacht hatte:„ Der Erinnerungen an den Krieg dürfen nicht schwächer werden; sie sollten stattdessen zu einer ernsten Lektion für unsere eigne und für die zukünftigen Generationen werden.“ „Zu vergessen, was in der Vergangenheit geschah, kann den Weg zu neuen Formen der Zurückweisung und der Aggression öffnen.“[29]

Der 12. März im Jahr 2000 wurde als ein Tag der Sühne begangen. Der Heilige Vater selbst leitete das Gebet der Gläubigen nach der Homelie. Der Papst führte in den Ritus ein, dessen einzelne Teile jeweils aus einem Invitatorium bestand, das von einem Augenblick der Stille gefolgt wurde, von einem Gebet des Heiligen Vaters, dem Singen eines dreifachen Kyrie eleison und dem Anzünden einer Kerze. Eine der Invitatoria wurde von Erzbischof Stephen Fumio Hamao gelesen, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Seelsorge der Migranten und Menschen unterwegs, und forderte zu Buße für die Worte und Einstellungen auf, die verursacht werden durch Stolz, Hass und den Wunsch, über andere zu dominieren, von Feindschaft den Mitgliedern anderer Religionen gegenüber und gegenüber den schwächsten Gruppen der Gesellschaft wie den Einwanderern und den Menschen unterwegs. Der Heilige Vater betete: „…Christen haben das Evangelium oft verleugnet und sich stattdessen einer von Macht diktierten Mentalität gebeugt, sie haben die Rechte ethnischer Gruppen und Völker verletzt und ihren Kulturen und religiösen Traditionen gegenüber Verachtung gezeigt: habt Geduld und Barmherzigkeit mit uns und schenkt uns eure Vergebung…“[30] Die in diesem Gebet vollzogene Geste des Papstes bedeutet ein Bekenntnis zu vergangenen Fehlern der Kirche, zugleich aber auch eine ständige Aufforderung an alle Menschen in der Kirche, sich selbst und ihre Haltungen und Handlungen gegenüber diesen weniger glücklichen Menschen zu prüfen.

In der Homelie, die Papst Johannes Paul II predigte, als er am 2.Juni 2000 das Jubiläum der Migranten und der Menschen unterwegs feierte, bekräftige er die Gleichstellung der Zigeuner in der Kirche. Er stellte fest: „Seit der Sohn Gottes „sein Zelt bei uns aufgeschlagen hat“, ist in gewisser Weise jeder Mensch zu einem „Ort“ des Treffens mit ihm geworden.“[31] Und mit einem Zitat von Paul VI stellte er fest: „ Für die katholische Kirche ist niemand ein Fremder, niemand ist ausgeschlossen, niemand steht ihr fern.“ (AAS, 58 [1966], S.51-59). Der Papst betonte, dass wir, obwohl es keine Fremden oder Gäste gibt, sondern nur Mitbürger der Heiligen und der Mitglieder im Haushalt Gottes (vergl. Eph.2, 19), „…in der Welt noch immer eine Haltung geringer Aufgeschlossenheit und der Engherzigkeit, ja sogar der Abweisung finden, verursacht von ungerechtfertigter Angst und der Tatsache, dass ein jeder sich nur für den eigenen Interessen verpflichtet fühlt. Diese Formen der Diskriminierung können nicht vereinbart werden mit der Zugehörigkeit zu Christus und der Kirche.[32] Der Papst unterstrich das weit reichende Prinzip, dass die Beziehungen zwischen den Zigeunern und den Gadsche regeln sollte: „In einer so vielschichtigen Gesellschaft wie der unsrigen, die von vielen Spannungen gekennzeichnet ist, muss man sich der Kultur der Aufnahme mit Klugheit und vorausschauenden Gesetzen und Normen anschließen, die es zulassen, das Beste aus den positiven Aspekten der menschlichen Beweglichkeit zu machen und Vorkehrungen zu treffen für die möglichen negativen Aspekte. Das gibt die Möglichkeit, dass jedermann respektiert und akzeptiert wird..“[33] Jede Aktion zugunsten der Migranten und der Menschen unterwegs muss bestimmt werden von der Regel: „Man muss immer den Menschen und die Achtung seiner Rechte in den Mittelpunkt stellen…“(33)

Das Thema dieser Konferenz stammt aus dem Vierten Apostolischen Schreiben, Novo Millennio Ineunte von Papst Johannes Paul II.In diesem Teil des Apostolischen Schreibens entwickelt der Papst eine Spiritualität der Kommunion. Das wahre Wesen des Mysteriums der Kirche enthüllt sich in der koinonia (Kommunion), die das Ergebnis ist, wenn wir andere lieben, „wie Er uns geliebt hat.“ Die Kirche ist ein Sakrament dieser koinonia. Um die Kirche sowohl zu einem Heim wie auch zu einer Schule zu machen, benötigen wir nicht nur gute und barmherzige Taten, sondern eine wirkliche Spiritualität der Kommunion. Die Spiritualität der Kommunion umfasst Folgendes:

1.Die Fähigkeit, im Gesicht all unserer Brüder und Schwester den Widerschein des Gottes der Kommunion (der Dreieinigkeit) zu erkennen.

2.Die Fähigkeit, die anderen „als Teil meiner selbst“ zu betrachten – jener, die mit mir in dem Mystischen Körper verbunden sind – und daher fähig zu sein, ihre Freuden, ihr Leiden und ihre Wünsche zu meinen eigenen zu machen.

3.Die Fähigkeit, in den Anderen das Positive nicht nur als eine Gabe zu sehen, die ihnen gemacht wurde, sondern als eine Gabe, die wir durch sie empfangen.  

4.Die Fähigkeit „zu wissen, wie wir „Platz schaffen“ können für unsere Brüder und Schwester, und „einander zu helfen, die Lasten“ zu tragen“ (Gal. 6,2), und den eigensüchtigen Versuchungen zu widerstehen, die uns ständig bedrohen und die Wettstreit, Karriereehrgeiz, Misstrauen und Eifersucht hervorrufen.“[34]

Dem Papst zufolge muss jedes Aktionsprogramm, jedes Projekt christlicher Erziehung, die Ausbildung von Pfarrern, von geweihten Personen und Seelsorgern, alle Bemühungen, Familien und Gemeinden zu schaffen müssen von dieser Spiritualität der Kommunion durchdrungen sein und geleitet werden.Im Zusammenhang mit dem historisch bedingten Abstand zwischen den Zigeunern und den Gadsche ist es offensichtlich, dass jeder Versuch, eine Brücke zwischen den beiden Seiten zu bauen, der nicht von der erhebenden Wirkung der Spiritualität der Kommunion getragen wird, hohl ist.

Die Zigeuner und die indische Kirche

In Indien ist die Seelsorge für die Nomaden sehr jungen Ursprungs.Die indische Kirche war diesen Menschen gegenüber nicht verschlossen. Vielleicht lebt die Mehrheit der Gläubigen, besonders jene in den Diözesen der Mission unter Bedingungen, die wir mit den Zigeunern assoziieren, so dass diese Kirchen nicht in der Lage waren, ihre Aufmerksamkeit kleineren Gruppen wie den Zigeunern zuzuwenden. Bruder Renato Rosso, auf der Welt ein Pionier in diesem Amt, hat einen wesentlichen Beitrag geleistet, das Bewusstsein der Kirche in Indien für die Nomaden zu wecken. Als Papst Johannes Paul II. durch die apostolische Konstitution Pater bonus 1988 den Päpstlichen Rat für die Pastoral der Migranten und der Menschen unterwegs einrichtete, wollte er auch, dass auf der Ebene der einzelnen Bischofskonferenzen jeweils eine Einrichtung bestehe, die sich um die seelsorgerischen Bedürfnisse der Migranten und der Menschen unterwegs kümmern sollte. Um diese Vision des Papstes zu erfüllen, wurde mit Unterstützung des Päpstlichen Rats für Migranten und die Menschen unterwegs 1993 in Indien PACNI (Pastoral Care of Nomads in India – Seelsorge für die Nomaden Indiens) gegründet. Seit seinen Anfängen 1993 hat Dr. Pascal Topno, Erzbischof von Bhopal diese seelsorgerische Unternehmung geleitet. In den letzten zwei Jahren war ich als Mitglied des Päpstlichen Ausschusses selbst mit dieser Organisation befasst.

PACNI versucht, die Zigeuner zu erreichen.Es wünscht, mit allen Nomadengruppen Kontakt aufzunehmen. Es widmet den Kindern und Frauen besondere Aufmerksamkeit und dient im Gesundheits- und im Erziehungswesen, wo eine zunehmende Bewusstwerdung zu spüren ist und wo spirituelle Hilfe gebraucht wird. Alle Nomadengruppen sind religiös, aber bei einigen von ihnen gibt es sehr wenige Christen. Viele Narikuravas und Lambadas gehören protestantischen Kirchen an und es gibt viele Katholiken unter den Bhils und Bhilalas. PACNI möchte jedoch alle diese Gruppen erreichen, ohne Rücksicht auf ihren religiösen Glauben, denn alle Menschen tragen in sich das Antlitz Gottes. PACNI fordert alle Menschen, bei denen diese Organisation arbeitet, zu einer Umkehr des Herzens auf, zu Verzicht auf Gewalt, zu Barmherzigkeit, Liebe usw. PACNI versucht, die Humanität bei diesen Völkern zu erhalten, insbesondere die ihrer Frauen und Kinder.

Seit 1993 ist PACNI stetig gewachsen.Das sechste nationale Treffen und Seminar fand vom 23. bis 26. September 2002 in Khandwa statt. Die etwa 100 Teilnehmer kamen aus allen Teilen Indiens. Wir stellten fest, dass jetzt 35 religiöse Kongregationen von Frauen an dieser Mission in Indien beteiligt sind. Bei dem Treffen verkündete Erzbischof Pascal Topnol, dass PACNI jetzt Teil des Ausschusses für Arbeit bei der Katholischen Bischofskonferenz in Indien ist (CBCI). Grund für den Anschluss an die Kommission für Arbeit ist die Tatsache, dass die Nomaden meistens als Arbeiter betrachtet werden. In Indien ist die Seelsorge für die Nomaden unterteilt in die südlichen, mittleren und nördlichen Regionen, um den Entfernungen innerhalb des Landes Rechnung zu tragen. Der Internationale Tag der Zigeuner wird in Indien am 8. April gefeiert. Um diesen Tag besonders hervorzuheben, werden Treffen in den Dörfern abgehalten, in den Gemeinden finden besondere Messen statt und die Seelsorger kämpfen für ein erhöhtes Bewusstsein in der Bevölkerung für die Bedürfnisse des Zigeunervolkes.[35]

Einige der Aktivitäten von PACNI sind neuartig und sie tragen Früchte: für die Kinder werden Klassen in der Nähe des Arbeitsplatzes ihrer Eltern organisiert, für die Straßenkinder wird Unterricht unter Bäumen erteilt, freiwillige Ärzte untersuchen die Kinder kostenlos, den Müttern wird die Planung der Gesundheitsfürsorge und der Ernährung beigebracht, die Seelsorger organisieren kleine Sparanlagen, Zigeuner werden in die Wählerlisten eingetragen, Kinderarbeit und das Betteln von Kindern wird verhindert, man gibt den Menschen mehr Macht durch Erziehung.Es gibt 452 nicht formelle Schulen, die von Mitarbeitern der Seelsorge für die Zigeunerkinder geführt werden.[36]

Einige der Probleme, mit denen die Zigeuner in Indien unmittelbar zu tun haben, sind Hunger und die Diskriminierung durch die Gesellschaft, in der Schule und in der Öffentlichkeit, der Mangel an auch elementarsten Erleichterungen, die politische Missachtung, die Abstempelung als Kriminelle, die Kinderarbeit, der Mangel an Ausbildung bei den Kindern, dass sie nicht in die Wählerlisten eingetragen werden, wodurch ihnen ihr Recht auf Staatsbürgerschaft streitig gemacht wird.Alle diese Verletzungen können in vier Gruppen zusammengefasst werden: i) grundlegende Bedürfnisse; ii) grundlegende Diskriminierungen, iii) Gewalt und iv) mangelndes Bewusstsein. PACNI bemüht sich, diese Probleme auf die folgende Weise zu lösen: in persönlichen Kontakten, durch eine Untersuchung der Situation und eine genaue Identifizierung der Probleme, durch Verteidigung und Vertretung, durch die Schaffung eines Bewusstseins für die Probleme, durch die Benutzung der Medien, durch eine Stärkung der Zigeunermänner und Zigeunerfrauen, durch die Zusammenarbeit mit NGOs, die gleiche Ideen vertreten usw.[37]

Inspirationen aus der Heiligen Schrift für eine Spiritualität der Kommunion zwischen Zigeunern und Gadsche

Die fremde Würde der Menschen

Die Bibel spricht vom Menschen im Wesentlichen in Bezug auf Gott.Der Mensch ist ein Widerhall des Wortes Gottes: „Lass uns einen Menschen schaffen nach unserem Bilde, der uns gleich sei…Gott Schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Und er schuf Mann und Frau.“ (Gen.1, 26,27) Wie der Rest der Schöpfung ist auch der Mensch vom Wort Gottes gemacht. Doch hat der Mensch eine besondere Rolle in der Schöpfung, denn er ist sein Abbild, eine Ikone Gottes. Seine Form, sein Leben und seine Bild, sein Mann-Sein und sein Frau-Sein stammen von Gott. Seine grundlegende Würde ist nicht in dem, was er erreicht oder vollbracht hat, sondern in der Tatsache, dass er eine Gabe Gottes ist. Daher ist seine Würde eine „fremde Würde“. Der Mensch ist der Augapfel Gottes; wer ihn berührt, berührt Gott. Jede menschliche koinonia muss auf dieser Voraussetzung gründen, wenn sie machbar und christlich sein soll. Wenn die transzendente Dimension nicht erkannt wird, dann kann der Mensch zum Objekt werden, dass von der Selbstsüchtigkeit und dem Ehrgeiz einer anderen Person oder eines totalitären Staates beherrscht wird.

Die Unterschiedlichkeit der Menschen

In den ersten Seiten erkennt die Bibel die Unterschiede und die Spannungen an, die zwischen Menschen mit verschiedenen Lebensweisen bestehen.Die Genesis erzählt uns, dass Abel ein Schafhalter war und Kain ein Landmann, der den Boden bearbeitete. (Gen 4,2) In dem Zusammenhang mit unserem Thema kommen wir nicht umhin, eine Ähnlichkeit zu sehen zwischen diesen beiden Brüdern in der Bibel und den beiden Arten von Menschen, die Gegenstand unserer Überlegungen sind: die Zigeuner und die Gadsche. Die Erzählung berichtet von den unterschiedlichen Lebensformen der beiden Brüder, ohne die Unterschiede zu kritisieren. Doch besteht die Geschichte auf der Tatsache, dass, was auch immer die Unterschiede zwischen uns sein mögen, was zwischen uns geschieht, das ist Gott wichtig. Wir können nicht durch eigene Kraft in die Gegenwart Gottes gelangen. Gott wird uns fragen: „Wo ist dein Bruder/deine Schwester?“ Vor Gott sind wir verantwortlich für unsere Brüder und Schwestern. Ihr schmerzerfülltes Rufen und ihr Leiden erreichen sein Ohr und die Auswirkungen auf unser Leben werden unmittelbar sein.

Der Pilgergott eines fremden Volkes

Das „kleine überlieferte Glaubensbekenntnis“ der Israeliten begann mit den Worten „Ein heimatloser Aramäer war mein Vater.“ (Deut. 26,5) Die Erfahrung, ein Fremder oder ein Gast zu sein war wesentlich für die frühe Identität Israels.Abraham wurden hinweg gerufen, seine Familie und das Land der Seinen zu verlassen, um ein Fremder in einem anderen Land zu werden. Inmitten der Versprechungen Gottes, ihm Nachkommen und Land zu geben, wird Abraham erklärt: „Dessen sollst du gewiss sein: dass deine Nachkommen Fremde sein werden in einem Land, das ihnen nicht gehört, und dort werden sie Sklaven sein und für vier Jahrhunderte werden sie unterdrückt werden.“ (Gen. 15,13) Der Begriff, ein Gast zu sein oder ein Fremder war natürlich eingebettet in den Bund mit Gott und Teil dessen, was es bedeutete, das Volk Jahwehs zu sein.[38]

 Gleich neben diesem Thema der Identität Israels finden wir ein anderes großes Thema, das heißt, das Thema des Pilgergottes, der eine Gruppe von Menschen, die zeitweilig Gäste in einem fremden Land sind, „mein Volk“ nennt und der „… das Elend seines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage gehört hat…“ (Ex 3,7) „Eines unterscheidet diesen Gott von all den Gottheiten, die man damals überall fand. Alle diese Gottheiten waren an bestimmte Orte gebunden – Berge, Flüsse, Städte oder Regionen – während der Gott, der zu Abraham spricht, ein Gott ist, der nicht an einen bestimmten Platz auf der Erde gebunden ist. Dieser Gott ist ein reisender Gott, ein pilgernder Gott.“[39] Dieser Gott weigert sich, in einem Tempel zu leben oder an einem festen Ort, denn er ist ein Gott der Zelte, der reisende Gott, der immer bereit ist, Israel auf seinen Reisen zu führen. (2 Sam 7, 1-7) Das Thema des wandernden Gottes taucht im Neuen Testament von Neuem auf. Der Verfasser des vierten Evangeliums erzählt uns, dass das Wort Fleisch wurde „und sein Zelt mitten unter uns aufschlug.“(Joh.1,14)

Abraham, Isaak und Jakob waren Gäste (gerim) im Land Kanaan und später lebten die Israeliten als Fremde in Ägypten.Auch als Israel schließlich das Land erbt, erinnert Gott das Volk daran: „Das Land darf nicht endgültig verkauft werden; denn das Land gehört mir und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei mir. .“ (Lev. 25,23) Die Israeliten mussten sich selbst als ansässige Fremde in ihrem eigenen Land betrachten, denn das Land, dessen Verwalter und Pfleger sie waren, gehörte Gott, sie lebten auf dem Land dank Gottes Erlaubnis und Gnade.[40] In ihrem gesamten Aufenthalt wurde Israel von dem reisenden Gott getragen, „…wie ein Vater seinen Sohn trägt…“ so bewegten sie sich (Deut.1.31) Ihr Aufenthalt als Fremde und die Güte ihres reisenden Gottes waren so tief in der geschichtlichen Erinnerung Israels eingebrannt, dass sie ständig herausgefordert waren, den gerim unter ihnen gut und freundlich zu behandeln. Israel schuldete Jahweh alles. Es musste sich daran erinnern, selbst ein „ger“ und ein Sklave in dem Land Ägypten zu sein. Wenn Israel es vergaß und sich erneut der Götzenanbetung und der Unterdrückung zuwendete, wurden sie im wahrsten Sinne des Wortes Fremde in einem fremden Land; sie wurden zu Waisen und Witwen, ohne jede Hilfe, ohne Freiheit, Sicherheit, Nahrung und Hoffnung.[41]

Daher sprechen die Regeln der Israeliten von dem Gast, noch bevor sie die Frauen und Kinder erwähnen.Menschen lebten aus vielen verschiedenen Gründen als Gäste und als Fremde bei den alten Israeliten. Doch ohne das Recht, Land zu besitzen und darauf angewiesen, sich nur durch ihre eigene Arbeit zu erhalten, lebten die Gäste in einer sehr prekären Situation und sie waren abhängig von dem Willen der Gemeinschaft, sie in ihrem Leben willkommen zu heißen. Daher ermahnt das Bundesgesetz: „Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen.“ (Ex 22,21; 23,9) Genau wie die Leviten, die Witwen und die Waisen, konnten die Fremden von dem dreijährigen Zehnten profitieren (Deut. 14,29), die verbliebenen Ähren auf dem Feld sammeln, die am Baum gebliebenen Oliven pflücken und die Trauben in den Weingärten. Das Gesetz verlangte nicht nur von den Israeliten, sich daran zu erinnern, dass sie Sklaven im Land Ägypten gewesen waren, (Deut. 24,18-22), sondern fordert, dass sie aus diesem Grunde die Fremden lieben sollen. (Deut. 10, 19) Die parallelen Gebote, den Nachbarn und den Gast zu lieben in Levitikus 19,17 und 34 scheinen einzigartig und auf Israel begrenzt gewesen zu sein.[42]

Doch wurden Fremde nicht bedingungslos willkommen geheißen. Wenn die Fremden, ihre Kultur und ihre Götter Israels Verpflichtungen aus dem Bund, seine Identität und seine Einheit bedrohten, dann musste Israel sich für letztere entscheiden. So kam es manchmal zu Spannungen zwischen der Treue zu Jahweh und der Aufnahme von Fremden. Israel war Jahweh unbedingte Treue und Gehorsam schuldig. Doch Teil dieser Treue bestand auch in der Liebe zu dem Schutz von Fremden. Die Fremden willkommen heißen und fremde Elemente, die die Treue Israels zu Jahweh untergraben könnten, zugleich auszuschließen, wurden beide bekräftigt.

Die oben zitierte biblische Ausrichtung erfordert, dass die Sorge für das physische, soziale und spirituelle Wohlbefinden der Zigeuner (Migranten, Flüchtlinge) keine Randerscheinungen im Leben, Zeugnis und der Mission der Christen darstellen, sondern eine zentrale Stelle einnehmen.Wenn wir unsere Prioritäten auf die Mission und die Sendung setzen, dann muss diesem so verletzlichen Volk unsere vorrangige Aufmerksamkeit gelten.[43]

Biblische Berichte weisen auch darauf hin, das nur, wer sich selbst als Fremder und Ausländer betrachtet, fähig ist, für andere einen Leben spendenden Ort einzurichten.Dies verlangt Abstand von der Dynamik der Macht und von den Statusunterschieden der Mehrheitsgesellschaft. Gleichzeitig wissen diejenigen, die die Haltung von Fremden und Ausländern annehmen „…die Bedeutung des Ortes“ zu schätzen; sie kennen den Wert eines sicheren Platzes, der reich an Bedeutung, voll von Beziehungen und Gebräuchen ist. So gehen sie, wenn sie „Fremde“ sind, nicht losgelöst und unbetroffen durch die Welt, sie sind nicht nur auf der „Durchreise“. Sie wissen, dass die Welt nicht ihre Heimat ist, während sie zugleich Heimstätten und Gemeinschaften schaffen, die Leben spenden und Leben erhalten.“[44]  

Gastfreundschaft und Fremde („Athithi“= Gast) im Neuen Testament[45]

Die Erzählungen von der Geburt Jesu beschreiben uns sehr eindringlich den Status des Fremden, den Jesus selbst hatte.Er wurde in eine Familie geboren, die in dem Moment obdachlos war und sich in einer ihr nicht vertrauten Stadt aufhielt. Er wurde von Fremden verehrt, die ihm Gaben brachten, und er wurde bedroht von den lokalen Führern, die ihn töten wollten. Später fanden er und seine Familie Zuflucht in Ägypten. Jesus kannte die Leiden, die es mit sich bringt, sogar unter den eigenen Landleuten ein Fremder zu sein!

In allen Evangelien wird Jesus als ein Fremder und ein Gast dargestellt, ein Lehrer, der nicht weiß, wo er sein Haupt zur Ruhe betten kann und der dennoch große Menschenmengen dankbar willkommen heißt, die Hungrigen nährt und denen, die sich verirrt haben, Platz macht. Er sorgte für eine Mahlzeit in den Hügeln und am Seeufer und aß regelmäßig mit Menschen, die die religiösen Führer „das Pack“ nannten.

Auf der Straße nach Emmaus, schließt sich Jesus dem Paar seiner Schüler als Fremder an und er wird Gast in ihrem Haus.Als sie das Mahl miteinander teilen, wird Jesus zum Gastgeber und sie erkennen ihn wieder, als er das Brot bricht. (Lk 24,13-35) Ebenso lädt sich Jesus unerwartet in das Haus von Zacchäus ein. Jesus beschreibt sich selbst als das Brot des Lebens. (Joh 6, 35-51) So ist Jesus Fremder, Gast, Gastgeber und Mahlzeit. Das Motiv der Gastfreundschaft ist hineingeschrieben in den Mittelpunkt der Person und der Mission Jesu.

In der Tradition christlicher Gastfreundschaft müssen wir zwei wichtige Elemente festhalten: Von dem ersten ist die Rede in Lk 14,12-14.Im Zusammenhang mit einem Festmahl fragt Jesus die Gastgeber, wer wohl als Gast bei solchen Zusammenkünften zu bevorzugen sei. Normale Gastgeber werden die Familie, Freunde und reiche Nachbarn einladen, die ihrerseits die Einladung erwidern können. Jesus dagegen wählt die Armen, die Krüppel, die Lahmen und die Blinden aus, um sie willkommen zu heißen, Menschen, die anscheinend wenig in der Beziehung zurückgeben können. In Wirklichkeit ist Belohnung und Segen versprochen, aber sie kommen von Gott und ein solches Willkommen ist der Widerhall der Gastfreundschaft im Reich Gottes, die sie vorweg nimmt.

 Von dem zweiten Element spricht die Geschichte vom Jüngsten Gericht (Mt 25, 31-46) „…die Schafe werden von den Böcken getrennt werden, je nachdem wie sie jene behandelt haben, die hungrig, krank, nackt und im Gefängnis sind.“[46] Unsere täglichen kleinen Akte der Gastfreundschaft insbesondere gegenüber jenen, die die Welt als „nutzlos“ und „eine Last“ betrachtet sind untrennbar verbunden mit unserer Antwort auf Gott und sie beeinflussen auf Dauer gesehen unsere Beziehung zu Gott.

Diese zwei Abschnitte haben die christliche Tradition der Gastfreundschaft immer belebt, denn auf mysteriöse Weise legen sie die Möglichkeit nahe, dass wir, wenn wir den „Geringsten“ willkommen heißen, Jesus selbst willkommen heißen.Durch sie wird die christliche Gastfreundschaft auch auf jene ausgedehnt, die anscheinend nichts im Gegenzug bieten können. Darüber hinaus binden diese Abschnitte die menschliche Gastfreundschaft an das Willkommen Gottes und Gottes Gegenwart und Belohnung für einfache Gesten der Fürsorge.

In einer Welt grausamer ethnischer Vorurteile und Spannungen, riesiger soziökonomischer Unterschiede und Ungerechtigkeiten sind die Akte der Gastfreundschaft wie „kleine Gesten gegen die Zerstörung.“[47]Gastfreundschaft ist ein wichtiger Ausdruck der Anerkennung und des Respekts für jene, die von der größeren Gesellschaft verachtet oder übersehen werden.Wenn wir zusammen essen und trinken und wenn wir ein Gespräch mit Personen führen, die sehr anders sind, als wir selbst, machen wir der Welt gegenüber wichtige Hinweise darauf zu geben, wer für uns interessant, wertvoll und wichtig ist.

Wir müssen noch einen weiteren Punkt festhalten.Christliche Gastfreundschaft heißt die Anderen nicht in einem völlig offenen Raum willkommen zu heißen. Sie will Barrieren niederreißen, die zwischen Klassen, Rassen und Völkern bestehen. Sie heißt die Menschen aber auch nicht in einem ganz neutralen Raum willkommen, wenn sie sie in einer Kirche oder im christlichen Glauben willkommen heißt. Wir heißen andere willkommen, die Respekt für unsere Identität als eine Gemeinschaft von Jüngern Jesu Christi, als Kirche haben. Das Willkommen, dass wir anbieten, ist nicht wie das Willkommen eines Hotels oder eines Bahnhofs. Wir bieten das Willkommen eines Zuhauses, einer Gemeinschaft. Christliche Gastfreundschaft heißt den Anderen willkommen wie er ist; aber sie lädt den Anderen dazu ein, sich von unserem Zuhause, unserer Gemeinschaft, unserer Gastfreundschaft anrühren und verändern zu lassen.

Bestimmt besteht eine tiefe Spannung zwischen dem Erhalt unserer Identität und der respektvollen Aufnahme anderer in unserer Mitte; einerseits alles, was uns lieb und wert ist, in Freundschaft mitzuteilen, andererseits die Rechte der Anderen zu respektieren.Christliche Gastfreundschaft muss diese Spannung erkennen und sie als Tatsache hinnehmen und so mit ihr umgehen, dass es weder uns noch die Anderen herabsetzt, auch nicht jene, die nicht unserer Ansicht sind.

Christliche Gastfreundschaft ist kein Programm, keine Strategie, um ein Ziel zu erreichen, sondern eine Lebensart.Es hat immer die Gefahr bestanden, dass die Gastfreundschaft zu einem Mittel wird, die anderen so werden zu lassen, wie wir sie haben wollen, und sie das tun zu lassen, was wir sie tun lassen wollen. Christliche Gastfreundschaft ist also kein Mittel zum Zweck; es ist eine Lebensart, die das Evangelium uns eingibt. In der christlichen Urkirche warnten die christlichen Führer die Gläubigen vor „ehrgeiziger“ Gastfreundschaft oder einer Gastfreundschaft, die in der Hoffnung auf Gewinn und Vorteile gegeben wird.[48] Gastfreundschaft in Kreisen der „feinen Gesellschaft“ wird oft geboten, um dadurch Vorteile zu gewinnen. Die Leute wählen ihre Gäste sorgfältig aus, um sicher zu sein, dass es die richtigen sind, damit ihnen in Zukunft vielleicht ein Vorteil daraus entsteht. Christus und die frühen christlichen Führer lehren uns, dass wir das nicht tun dürfen. Unsere Gäste sollen diejenigen sein, die uns keinen Gefallen erwidern können. Und trotzdem ist die christliche Gastfreundschaft voll von Möglichkeiten und Versprechen. Wir heißen die Geringsten willkommen, aber sie könnten Engel sein (Heb 13,2) oder sogar Jesus selbst. (Mt 25).

Es besteht immer die Gefahr, dass wir die Gastfreundschaft sogar im Rahmen unserer Mission und unseres Auftrags in eine Strategie verwandeln.Wenn die Gastfreundschaft funktioniert und wenn die Leute darauf eingehen, können wir den Hahn aufdrehen, wenn es nicht funktioniert, drehen wir ihn zu. Wenn unser Willkommen nur eine Strategie ist, werden die Leute schnell merken, dass man sie instrumentalisiert und benutzt hat. Sie werden zu Opfern unserer Programme und Strategien, die wir fallen lassen, wenn eine andere Gruppe von Menschen und Programmen vorbeikommt, die mehr zu versprechen scheinen. Eine plötzliche Ansammlung von Zigeunern in unserer Nachbarschaft mag ein erschreckendes Phänomen sein, wenn wir sie von der sicheren und selbstverständlichen Bequemlichkeit unserer Wohnung, unserer Gemeinschaften, unserer Pfarrhäuser erleben. Wir können die christliche Gastfreundschaft nicht auf diese Menschen ausdehnen, es sei denn, wir entfernen uns von der Welt und ihren dem Status und der Macht dienenden Einrichtungen, es sei denn wir nehmen selbst bewusst den Status der Fremden und der Gäste an.

Die christliche Gastfreundschaft schlägt auch eine Lösung vor, wie wir unsere Kirche, unsere Mission und unseren sozialen Auftrag miteinander vereinbaren können.Alle, ganz besonders aber benachteiligte Gruppen wie die Zigeuner, sehnen sich nach einer wirklichen Gemeinschaft; sie verzehren sich vor Sehnsucht nach einem Ort, zu dem sie gehören und zu dem sie etwas beitragen. Doch wir haben im Laufe unserer Geschichte unser Leben, unseren Glauben, unsere Mission und unsere Sendung voneinander getrennt. Wir bieten den Menschen unsere Kirche an, damit sie beten, unsere Erziehungseinrichtungen und die Einrichtungen der Sozialarbeit, um unsere Mission und unsere Sendung zu erfüllen, aber wir selbst halten uns entfernt von den Menschen, während sie doch eigentlich nach Gemeinschaft (Kommunion) mit uns verlangen. In unseren Heimen bieten wir den Menschen Nahrung und Unterkunft, aber keine Freundschaft, in unseren Schulen bieten wir Erziehung, aber keine Kameradschaft, in unseren Krankenhäusern bieten wir Gesundheitsfürsorge, aber keine menschliche Fürsorge. Die christliche Gastfreundschaft erfordert, dass wir den persönlichen Charakter eines Haushalts mit den mehr öffentlichen und verändernden Qualitäten der Kirche verbinden. In diesem Raum war Gott schließlich Haushälter und Gastgeber, alle die sich dort versammelten, waren Gottes Gäste, Gleichgestellte an Gottes Tisch.

 Selbst ein oberflächlicher Blick auf die Themen der Bibel macht uns klar, dass eine echte Kommunion zwischen Menschen stattfinden kann: i) wenn jeder Mensch respektiert wird als ein Kind und das Abbild Gottes; ii) wenn die Unterschiede zwischen den Menschen als ein Geschenk betrachtet werden, dass uns allen gegeben wurde; iii) wenn wir alle in einer demütigen Beziehung zueinander stehen in dem Bewusstsein, dass wir alle Fremde und Gäste sind; iv) wenn wir allen wahre christliche Gastfreundschaft anbieten können.

Zum Abschluss: ein Schritt vorwärts

Im Nuovo Millennio Ineunte (zum Beginn des neuen Jahrtausends) schließt Papst Johannes Paul II. sein apostolisches Schreiben mit „Duc in Altum.“Dies ist ein Aufruf zu erneuertem Engagement in unserer Sendung vor dem Hintergrund des neuen Jahrtausends, das sich vor der Kirche „wie ein weiter Ozean öffnet, auf das wir uns im Vertrauen auf die Hilfe Christi wagen.“ Er fügt hinzu: „Viele verschiedene Wege gibt es, auf denen jeder einzelne in unserer Kirche wandern muss, aber es gibt keinen Abstand zwischen denen, die in der gleichen Kommunion vereint sind.“ (Nuovo Millennio Ineunte Nr.58)

 Die Zigeuner sind ein Volk, das die Unterstützung der Kirche und ihrer Pfarrer nötig hat. Die Kirche als Verkörperung des Guten Samariters in der Geschichte des Herrn, darf nicht einfach an einer Situation voller Vorurteile, Unterdrückung, Ablehnung und Leiden vorbeigehen, ohne darauf in einer Weise zu antworten, die zu der Welt von der Güte unseres himmlischen Vaters spricht. Der Zweck der Seelsorge der Kirche ist immer die Entwicklung eines guten Menschen, der Gottes wert ist und die Schaffung einer menschlichen Gemeinschaft, die die koinonia des Dreifältigen Gottes selbst lebt und verkündet. Es ist selbstverständlich, dass eine Seelsorge, die diese Ziele hat, über sozioökonomische Tagesordnungen und Programme hinausgeht. Menschen, die Mangel leiden, die Vorurteilen und Unterdrückung ausgesetzt sind, brauchen ganz sicher auch soziökonomische und politische Programme, um ihren dringendsten und elementarsten Bedürfnissen nachzukommen. Gemeindepfarrer und Seelsorger müssen solche Programme für diese Menschen anregen und an ihnen mitarbeiten. Die Seelsorge der Kirche für einen hungrigen Menschen muss zunächst sein unmittelbares Bedürfnis nach Nahrung befriedigen. Doch ihm Nahrung zu geben, ist nicht das vollständige Ziel dieser Seelsorge. Manchmal muss öffentlicher und politischer Druck auf unterdrückende Kräfte ausgeübt werden, damit der hungrige Mensch genährt wird und Bedingungen geschaffen werden, damit er auch in Zukunft seinen Unterhalt findet.

Diese Bemühungen können Teil der Seelsorge der Kirche sein, aber die Seelsorge darf nicht nur darin bestehen.Soziökonomische Programme und politische Prozesse können Regierungen und Systeme stürzen; aber wenn sich nicht und bis sich nicht die menschlichen Herzen ändern, wird es keine wirklichen Veränderungen geben. Neuere Regierungsstrukturen und Instrumente der Dienstleistung, die nicht auf einer Umkehr der Herzen gründen, werden bald noch unterdrückender werden, als die bereits bestehenden. Darum müssen im Falle der Zigeunerseelsorge die Kirche und die Geistlichen darauf abzielen, dass zusätzlich zu den soziökonomischen und den politischen Programmen, beide, die Zigeuner und die Gadsche, in die Lage versetzt werden, einander als Kinder Gottes zu betrachten, die einander Respekt schulden. Sie sollten Solidarität füreinander empfinden und einander anerkennen als Mitglieder der gleichen Familie des Vaters und des mystischen Körpers von Jesus Christus. Sie sollten lernen, die positiven Aspekte der Kultur der anderen als eine wertvolle Gabe Gottes zu schätzen, die wir miteinander teilen, während wir helfen, die Last der anderen zu tragen. Sie sollten die christliche Gastfreundschaft aufeinander ausdehnen und aus tiefstem Grunde anerkennen, dass die Erde und all ihre Reichtümer Gott gehören und dass wir alle Fremde und Gäste sind. Jahrhunderte der Vorsicht, des Verdachts und der Vorteile, die sich tief in das Unterbewusstsein der Menschen eingebrannt haben, können nicht einfach durch sozioökonomische Programme und politische Prozesse ausgemerzt werden. Die Gruppen müssen in die Lage versetzt werden die koinonia auf menschlicher, kultureller und spiritueller Ebene zu feiern. Der Bericht des UNDP hat unterstrichen, dass weder die NGOs der Roma noch politische Roma-Parteien sich bei den Roma besonderen Vertrauens erfreuen. Die Roma scheinen auch nicht viel Vertrauen in NGOs zu setzen, die nicht von den Roma organisiert sind.[49] Mit anderen Worten, auch diejenigen, die für das Wohl dieser marginalisierten Gruppen arbeiten, gelten nicht als vertrauensvoll und werden nicht in der Gemeinschaft aufgenommen. Auf dieser Ebene Vertrauen schaffen, das muss eine entscheidende Aufgabe der Seelsorge der Kirche für diese Menschen sein.

Jede Seelsorge, die für die Zigeuner bedeutungsvoll sein soll, muss vorrangig auf die Integration der Zigeuner in der Gesellschaft abzielen und nicht auf ihre Assimilation.Integration bedeutet, ihnen die Möglichkeit zu bieten, auf der gleichen Ebene wie alle andern am sozioökonomischen Leben teilzuhaben, ohne dass sie darum ihre Identität verlieren.[50] Regierungen und andere Organisationen, die Versuche gemacht haben, diesen Menschen zu helfen, haben oft versucht, sie in der Mehrheitsgesellschaft aufgehen zu lassen. Assimilation bedeutet: „Soziale Aufnahme zu dem Preis, dass sie dafür ihre deutlich unterschiedene Gruppenidentität verlieren. Assimilation von Minderheiten (normalerweise ethnischen Minderheiten) setzt im Allgemeinen das Opfer ihrer ethnisch-kulturellen Identität voraus, um dafür Möglichkeiten einzutauschen, „Zugang zur Gesellschaft“ zu finden.“ Assimilation ist kurz- und mittelfristig betrachtet selten erfolgreich. Die Minderheiten können allzu leicht Elemente ihrer Unterschiedlichkeit verlieren, ohne dadurch gleichwertige „Zugangsmöglichkeiten zur Gesellschaft“ zu bekommen.“[51] Programme, die auf eine Assimilation hinarbeiten, gehen von der schweigenden Voraussetzung aus, dass die Lebensart der betroffenen Minderheit nicht nur anders ist als die herrschende Kultur, sondern dass sie abweichend, defizient und sogar verkehrt ist, weshalb sie korrigiert und geändert werden muss. Die betroffenen Personen müssen rehabilitiert werden. Dieser Ansatz ist sehr offensiv und verletzend, um es milde auszudrücken. Niemals darf dies der Ansatz und das Programm der Seelsorge sein, die die Kirche unternimmt.

Geistliche, die sich mit der Seelsorge von marginalen Gruppen befassen, wie zum Beispiel den Zigeunern, haben eine große Verantwortung, diese Gruppen zu einem Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft zu führen. Es ist verständlich, dass die Geistlichen, die den Ungerechtigkeiten und dem Mangel, die diese Menschen treffen, so nahe stehen, den Zorn der Betroffenen teilen. Doch müssen die Geistlichen spirituelle Quellen in sich selbst finden, so dass am Ende ihre Sendung eine Sendung der Versöhnung und nicht der Trennung ist. Sich vorzugsweise auf die Seite von marginalen Gruppen zu stellen, kann manchmal bedeuten, Stellung gegen die herrschende Gruppe einzunehmen. Doch kann eine solche Stellungnahme und ihr Ausdruck in der christlichen Pastoral nicht nur politisch sein. Es geht nicht nur darum, die öffentliche Meinung auszunutzen und die herrschende Gruppe zur Unterwerfung zu zwingen; es geht eher darum, den Anderen zu überzeugen, ihn zu einer Umkehr des Herzens einzuladen, die Güte Gottes in einer sündigen Situation zu erklären. Wenn es darum geht, zu drücken und zu schubsen (manchmal ganz wörtlich!), soll der christliche Seelsorger sich darum bemühen, so zu reagieren, dass seine Reaktion den Eindruck der Güte und der Göttlichkeit hinterlässt, einen Eindruck, der den betroffenen Personen in Erinnerung bleiben wird.      


[1] Davindera: Socialization and Education of Nomad Children in Dehli State, (New Dehli: Regency Publications, 1997), 1.
[2] Harold J. Fontenot, “Roma/Gypsies, An Introduction” in: The World Wide Web Virtual Library, 1999.
[3] Rom, Roma, Romani and Romaniya dürfen nicht verwechselt werden mit dem Land Rumänien oder der Stadt Rom. Die Namen haben ganz klar voneinander unabhängigen etymologischen Ursprung und haben nichts miteinander zu tun.
[4] Harold J. Fontenot, a.a.O
[5] Erzbischof Stephen Fumio Hamao, “Message to the National Conference on the Pastoral Care of Nomadic People”, People On The Move, Migrants, Refugees, Seafarers, Nomads, Tourists, All Itinerants XXXI (Dezember 2000), 65
[6] André Barthélèmy, “The Gypsies’ Vocation and Mission in the World and in the Church”, People On The Move, XX (September 1990), 19
[7] Vergl. Harold J. Fontenot, a.a.O.
[8] Ruhela, S.P., “Nomadic Tribes of the World: A Brief Survey”, Jan Jagriti, Bd.1 Nr.10 (1963) zitiert nach Davindera, a.a.O., 3–7
[9] United Nations Development Programme’s Report (UNDP Report), “Avoiding the Dependency Trap”, (11. Februar 2003), 18-19
[10] Zitiert nach Robert A. Graham, “The Other Holocaust, The True Face of Nazi Racism,” in: Zingari oggi tra soria e nuove esigenze pastorali, Atti del IV Convegno Internazionale della Pastorale per gli Zingari, Rom 6-8 Juni 1995 (Vatikan: Päpstlicher Rat für die Seelsorge der Migranten und der Menschen unterwegs), 38
[11] Ibidem 40
[12] Vergl. UNDP-Bericht, a.a.O., 19
[13] Ibidem
[14] Ibidem
[15] Dies ist ein mit Worten gemaltes Bild von Pater Xavier Pinto, leitender Direktor des Ausschusses für Arbeit der Katholischen Bischofskonferenz in Indien anlässlich einer Darstellung während des Internationalen Tages der Solidarität mit Wanderarbeitern am 18. Dezember 2001
[16] Vergl. Zum Beispiel Davindera, a.a.O., vii
[17] Vergl. Zum Beispiel Pater Xavier Pinto in der oben zitierten Darstellung
[18] Vergl. Zum Beispiel Pater Mathias Bhuriya, ein Fachmann auf dem Gebiet der Stämme, in einem Kommuniqué an Erzbischof Stephen Fumio Hamao, vom 1.August 2001
[19] Vergl. Zu diesem Abschnitt Davindera, a.a.O. 8-21
[20] Mathias Bhuriya, „Pastoral Care of the Tribal Nomads in India, With Special Reference to the Bhils in Central an Western India.”Eine Arbeit, die anlässlich des Vierten Internationalen Treffens und Seminars für die Nomadenseelsorge in Chennai vorgelegt wurde; in: Pastoral Care of Nomads in India (Nr.5, Oktober 2000), 9
[21] Ruhela, S.P., a.a.O. 8-9
[22] Mathias Bhuriya, a.a.O., 10
[23] Ibidem, 60
[24] Johannes XXIII., Pacem in Terris, S.56
[25] Vatikan II, Christus Dominus, S. 18
[26] Vergl. Die Konferenz von Mons. Anthony Chirayath anlässlich des Internationalen Treffens für die Seelsorge der Nomaden in Rom am Donnerstag, den 29.November 2001. Vergl. Auch Velasio De Paolis, „La Pastorale dei Migranti e le sue Strutture secondo i Documenti della Chiesa, “ People on The Move,Migrants, Refugees, Seafarers, Nomads, all Itinerants, XXXIV (Dezember 2001), 134
[27] L’Osservatore Romano, Nr. 26 (wöchentliche Ausgabe in englischer Sprache vom 28.Juni 1995), 5
[28] Ibidem
[29] Ibidem
[30] L’Osservatore Romano, Nr. 12 (wöchentliche Ausgabe in englischer Sprache vom 22.März 2000), 4
[31] L’Osservatore Romano, Nr. 25 (wöchentliche Ausgabe in englischer Sprache vom 7.Juni 2000), 3
[32] Ibidem
[33] Ibidem
[34] Johannes Paul II. Novo Millennio Ineunte (Vatikan, Linbreria Editrice Vaticana), S.43
[35] Mons. Anthony Chirayath, Report of the VI National Meeting and Seminary of PACNI,” People on the Move, Migrants, Refugees, Seafarers, Nomads, All Itinerants, XXXIV (Dezember 2002), S. 225-227
[36] Ibidem
[37] Ibidem
[38] Christine D. Pohl, “Biblical Issues in Mission and Migration,” Missiology, Bd.XXXI, Nummer 1, (Januar 2003), 5
[39] Bruder John of Taize, The Pilgrim God: A Biblical Journey, (Washington D.C., Pastoral Press, 1985), 13.Zitiert nach Missiology, Bd. XXV, Nummer 2 (April 1997), 134
[40] Christine D.Pohl, a.a.O., 5
[41] Ibidem, 6
[42] Hans Walther Wolff, Anthropology of the Old Testament, (Philadelphia: Fortress Press, 1975), 188
[43] Christine D. Pohl, a.a.O., S.8
[44] Ibidem
[45] Vergl. Zu diesem Abschnitt ibidem, S. 7-13
[46] Richard B.Hays, The Moral Vision of the New Testament, A Contemporary Introduction to New Testament Ethics, (San Francisco: HarperSanFrancisco, 1996), 464
[47] Philip Hallie, Let Innocent Blood Be Shed, (New Zork. HarperPerennial, 1994), 85
[48] Vergl. Zum Beispiel John Chrysostom, “Homily 20 on I Corinthians”, A Select Library of the Nicene and Post-Nicene Fathers of the Christian Church, First Series, hrsg. von Philip Schaff (Buffalo and New Zork: Christion Literature Company, 1886-1890), Bd.12, 117. Zitiert nach Christine D. Pohl, a.a.O., 11
[49] UNDP-Bericht, a.a.O., 82
[50] Vergl. UNDP-Bericht, a.a.O., S.16
[51] Ibidem
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