The Holy See
back up
Search
riga

 Pontifical Council for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People

People on the Move

N° 107, August 2008

 

 

Religionsverschiedene Ehen –

Gefahren und Chancen

 

Weihbischof Josef VOß

Vorsitzender der Kommission für Migration

der Deutschen Bischofskonferenz

Deutschland

 

1.  Vorbemerkungen zur Fragestellung.

Gefragt wird in diesem Beitrag nach „Matrimoni misti“ – im Sinne von „religionsverschiedenen Ehen“: Es geht um Ehen, in denen der eine Partner getaufter Christ ist, während der andere nicht getauft bzw. einer anderen nicht christlichen Religion angehört. Es ist also nicht im Blick die konfessionsverschiedene Ehe, d. h. die Ehe zwischen getauften, christlichen Partnern, die aber unterschiedlichen Konfessionen angehören.

Wenn von religionsverschiedenen Ehen die Rede ist, so darf der religiöse Aspekt nicht isoliert gesehen werden; er ist vielmehr eingebettet in den Kontext von Religion und Tradition und Kultur. Manchmal ist dieser Kontext von Tradition und Kultur und Volksfrömmigkeit für das Gelingen einer Ehe wichtiger als der religiöse Aspekt selbst.

Mein Beitrag erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Untersuchung; er enthält keine statistischen und soziologischen Darstellungen. Vielmehr geht mein Beitrag zurück auf die Erfahrungen, die wir in den muttersprachlichen Gemeinden machen, in den Beratungsdiensten der Caritas und vor allem in den katholischen Diensten für Ehe-, Familie- und Lebensberatung.

Im Folgenden werde ich in einem ersten Abschnitt sprechen von Erfahrungen mit bikulturellen Ehen.

Im zweiten Teil komme ich auf besondere Erfahrungen zu sprechen mit einigen unterschiedlichen Religionen. 

2.  Der große Kontext.

„1. Die Liebe Christi zu den Migranten drängt uns (vgl. 2 Kor 5,14), von neuem ihre Probleme aufzugreifen, die nunmehr die ganze Welt betreffen. Denn auf die eine oder andere Weise sind heute fast alle Länder mit dem Auftreten des Phänomens der Migration im gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen und religiösen Bereich konfrontiert, und zudem nimmt dieses Phänomen immer mehr eine permanente und strukturelle Dimension an.“

So vielfältig und unterschiedlich die Gründe freiwilliger und erzwungener Migration sind, so unterschiedlich sind auch die Erfahrungen und Auswirkungen: Vom Elend und von der Not von Vertreibung und Flucht bis hin zur Marginalisierung in den Aufnahmegesellschaften und bis hin zu neuen Lebensperspektiven und Neuaufbrüchen.

„2. Die Migrationen fördern aber auch die gegenseitige Kenntnis und bieten eine Gelegenheit für Dialog und Gemeinschaft, wenn nicht sogar für Integration auf verschiedenen Ebenen wie es Papst Johannes Paul II. in der Botschaft zum Weltfriedenstag 2001 deutlich ausspricht: „Viele Zivilisationen haben sich durch die von der Einwanderung erbrachten Beiträge entwickelt und bereichert. In anderen Fällen wurden die kulturellen Unterschiede von Eingesessenen und Zuwanderern zwar nicht integriert, aber sie haben durch praktisch geübte gegenseitige Achtung der Personen und durch die Annahme bzw. Tolerierung der unterschiedlichen Bräuche die Fähigkeit zum Zusammenleben bewiesen“. – Migration gehört zu unserer Gesellschaft, zur Situation in unserer Welt.

Auf diesem Hintergrund sind auch Chancen und Gefahren religionsverschiedener Ehen zu sehen.  

2.1  Grundlegende Erfahrungen mit bikulturellen Ehen.

Die Statistik der Eheschließungen in Deutschland zeigt eine deutliche Zunahme bikultureller Eheschließungen.

Die Partnerwahl ist geschlechtsspezifisch unterschiedlich: Deutsche Frauen heiraten eher einen türkischen Partner, gefolgt von Männern aus dem ehemaligen Jugoslawien, dann aus Italien und den USA.

Deutsche Männer heiraten eher Frauen aus osteuropäischen und asiatischen Ländern.

Insgesamt ist die Rate der Ehescheidung bei bikulturellen Paaren nicht höher als bei Ehen von Partnern, die derselben Kultur angehören. Allerdings werden bei der Konstellation, dass eine deutsche Frau einen ausländischen Mann heiratet, doppelt so viele Ehen geschieden wie bei der Konstellation, dass eine ausländische Frau einen deutschen Mann geheiratet hat.

Von der Tradition her waren bei der Schließung einer Ehe über Jahrhunderte soziale und ökonomische Motive mehr oder weniger prägend; die Wahl des Partners und die Ehe selbst waren weithin eingebettet in ein familiäres und gesellschaftliches Gefüge. Das gilt auch für die Länder mit christlichen Traditionen. Die kirchliche Eheschließung vollzog sich in der Regel auf dem Hintergrund ökonomischer und sozialer Notwendigkeiten. Heute ist die Ehe in westlich orientierten Gesellschaften die persönliche Lebensentscheidung der beiden Ehepartner, die gründet in der Liebe und der Treue mit hohen Erwartungen an die Beziehungen als Ort emotionaler und sozialer Erfüllung.

Hier gibt es oft bei bikulturellen Ehen eine erhebliche Ungleichzeitigkeit: Während der christliche Partner weithin vom Eheverständnis christlicher Prägung bestimmt ist, ist der Ehepartner der anderen Kultur sehr stark verhaftet seiner Tradition und seiner Kultur. Das führt im Verlauf der Partnerschaft zu Enttäuschungen und Konflikten. Gelingt es den Ehepartnern nicht, darüber in eine Kommunikation zu kommen und über die unterschiedlichen Erwartungen und Enttäuschungen zu sprechen, wird diese Ungleichzeitigkeit zu einer tiefen Krise in der Ehe.

Sehr unterschiedlich ist, wie die Familie und der Kreis der Verwandten auf die Wahl eines Ehepartners aus einem anderen Kulturkreis reagiert. Es gibt die ganze Bandbreite: Der Partner / die Partnerin aus der fremden Kultur wird wohlwollend und freundlich empfangen bis dahin, dass der fremde Partner verdeckt oder offen abgelehnt oder sogar bedroht wird; das betrifft dann in der Regel auch die ausländische Familie.

In der Regel ist die deutsche gesellschaftliche Akzeptanz geringer, wenn der Ehepartner aus Afrika oder Asien stammt, eine dunkle Hautfarbe hat oder aus deutscher Sicht Moslem ist.

Bikulturelle Ehen erfahren sich in der Regel unter dem Druck, dass sie in der Öffentlichkeit ihre Ehe ständig rechtfertigen und erklären müssen. Sie finden sich wieder unter der skeptischen Prognose: „Das kann doch nicht gut gehen“. Die Ausländergesetzgebung ist für die bikulturelle Ehe nicht förderlich.

Der Partner, der nicht eine EU-Staatsbürgerschaft hat, unterliegt dem Aufenthaltsgesetz. Wenn das Visum oder die Duldung ausläuft, muss er vorher heiraten, auch wenn er es zu diesem Zeitpunkt noch nicht getan hätte. Viele Ehepaare sehen sich unter dem Generalverdacht der Scheinehe und werden überprüft.

Zu Anfang ihrer Beziehung erleben viele bikulturelle Ehepaare die Unterschiede als attraktive Bereicherung. Das kann später zu einer Belastung führen. Diese Kulturunterschiede beziehen sich in der Regel auf die unterschiedliche Mentalität und den unterschiedlichen Stil in der Kommunikation und in der Beziehung der Familie.

Eine Beziehung lebt davon, dass die Ehepartner in ihren Gedanken und Gefühlen einander mitteilen können. Diese Selbstverständlichkeit ist oft nicht gegeben, wenn die gemeinsame Sprache fehlt.

Diese und ähnliche Erfahrungen zeigen, wie sehr das Gelingen einer Ehe von sehr unterschiedlichen Faktoren mitbestimmt wird. Dabei wird die Frage der unterschiedlichen Religion nicht immer reflektiert und thematisiert, sondern eher indirekt mitbedacht. 

2.2 Erfahrungen mit einigen unterschiedlichen Religionen.

Wenn Partner aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen miteinander eine Ehe eingehen wollen, ist das ein Zeichen auf eine beginnende Integration und darum positiv zu sehen.

Erfahrungen zeigen, dass auf dem Hintergrund einer weithin säkularisierten Gesellschaft in Deutschland die Frage nach der eigenen Religion weithin wenig reflektiert und thematisiert wird. Sie steht darum bei der Partnerwahl de facto oft nicht im Vordergrund, sondern wird oft später aktuell. Andererseits wird bei dem nicht christlichen Ehepartner der Lebensbereich von Ehe und Familie gewöhnlich sehr stark von der Religion mitgeprägt. Dadurch entsteht zwischen den Ehepartnern ein Ungleichgewicht, das sich oft erst im Laufe der Ehe und Familie als Problem zeigt. 

2.3.1  Erfahrungen mit religionsverschiedenen Ehen: christliche und muslimische Ehepartner.

In Deutschland steht bei religionsverschiedenen Ehen die Zahl der Ehen mit einem muslimischen Partner im Vordergrund; vorwiegend heiratet eine christliche Frau einen muslimischen Mann.

Erfahrungen zeigen, dass der Islam in sich auch eine Pluralität enthält: Es ist in der Regel ein Unterschied, ob ein türkischer Moslem aus der Westtürkei stammt oder aus Anatolien; anders verstehen sich Muslime aus Bosnien und anders aus den Ländern Nordafrikas. Entscheidend für die Entwicklung der Ehe ist, in wie weit der muslimische Partner sich in seinem Lebensverständnis der freiheitlichen Gesellschaft in Deutschland angenähert hat und „einen Islam mit europäischem Gesicht“ lebt. Wichtig ist dann, wie jeder der beiden Partner in seine eigene Familie zurückgebunden ist: Wenn die Familien des christlichen Partners den muslimischen Partner akzeptieren und zugleich die christliche Glaubenspraxis stärken und fördern, ist das eine gute Voraussetzung, in der religionsverschiedenen Ehe den christlichen Glauben auch lebendig zu halten.

Schon in der Ehevorbereitung muss geklärt werden, wann die Taufe der Kinder geschehen soll und wie ihre Erziehung gewährleistet wird.

Je stärker der muslimische Partner in seine eigene Tradition und in seine Ursprungsfamilie eingebunden ist und von ihnen mitbestimmt wird; je stärker er vom Absolutheitsanspruch des Islam geprägt ist, umso mehr werden Taufe und Erziehung der Kinder zu einem Problem und Konfliktpunkt. Hinzukommt in der Regel ein anderes Verständnis von der Rolle der Frau in der Ehe. Das kann zu schweren Konflikten führen.

Dramatisch kann die Situation werden, wenn der muslimische Partner, gewöhnlich der Mann, in sein Heimatland zurückkehrt; dann kann sich die Frau in der Regel dem muslimischen Einfluss nicht entziehen. Erfahrungen zeigen, dass unter diesen Umständen religionsverschiedene Ehen für den christlichen Partner in eine Katastrophe führen.

Erfahrungen zeigen, dass der muslimische Partner in der Regel stärker in seine Tradition eingebunden ist. Der katholische Partner (meistens die Frau) kommt zunächst noch zum Gottesdienst, wächst aber in der Regel langsam in den Islam hinein.

Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung wie auch der Beratungsdienst des Raphaelswerkes können diese traurigen Erfahrungen bestätigen.

Auf diesem Hintergrund sind die klaren Bedingungen und Hinweise der Instruktion „Erga migrantes caritas Christi“ von großer und realistischer Bedeutung (Nr. 61 – 64), vor allem die Regeln für den Umgang mit muslimischen Migranten (Nr. 65 – 68). 

2.3.2 Religionsverschiedene Ehen: christlicher Partner – buddhistischer Partner.

Wenn auch zahlenmäßig geringer, so gibt es in Deutschland durchaus Erfahrungen mit Ehen zwischen Christen und Buddhisten. So gibt es vietnamesische Christinnen und Christen, die mit einem buddhistischen Ehepartner verbunden sind. Es gibt aber auch Christen, die Deutsche sind und einen buddhistischen Ehepartner aus Vietnam oder einem anderen Land geheiratet haben.

Es gibt Beispiele erzwungener Ehen, in denen ein deutscher Partner eine Ehepartnerin aus einem Land Ostasiens zur Ehe gezwungen hat und sie in Abhängigkeit hält, in dem er ihr den Reisepass vorenthält. Davon ist hier nicht die Rede.

Es gibt aber auch die Erfahrungen religionsverschiedener Ehen zwischen einem christlichen und einem buddhistischen Partner; und diese Erfahrungen zeigen, dass solche Ehen gut gelingen können.

Aus den vietnamesischen Gemeinden wird berichtet, dass es überzeugende Beispiele gibt, dass der buddhistische Ehepartner keine Schwierigkeiten zeigt, dem katholischen Partner auch zum Gottesdienst zu folgen und mit dem christlichen Glauben vertraut zu werden. Wenn der christliche Ehepartner Geduld zeigt und eine entsprechende Weite des Herzens, ist das für viele buddhistische Partner ein Weg gewesen, selber zum christlichen Glauben zu kommen und sich taufen zu lassen.

Zwei Gründe scheinen mitzuspielen: Aus der buddhistischen Religion scheint eine andere Art der Offenheit möglich zu sein gegenüber anderen Religionen.

Die vietnamesischen Gemeinden pflegen in unserem Land eine vertrauensvolle Beziehung zu den verschiedenen buddhistischen Klöstern, so dass das Miteinander unverkrampft ist. 

2.3.3    Religionsverschiedene Ehen: Christen und Nichtgetaufte aus einem atheistischen bzw. areligiösen Umfeld.

In Deutschland muss man noch mit einer anderen Art religionsverschiedener Ehen rechnen: Es gibt in Deutschland eine große Zahl nichtgetaufter Menschen, die in einer atheistischen Umwelt aufgewachsen sind; zum Beispiel im Gebiet der früheren kommunistischen DDR. Oder die in einem areligiösen Umfeld aufgewachsen sind und von ihren Eltern nicht zur Taufe geführt wurden. Sie heiraten einen katholischen Christen, sei es einen Deutschen oder einen zugewanderten Migranten aus einem anderen Land.

Bei diesen nicht christlichen Ehepartnern findet sich natürlich die ganze Breite der Einstellung von der Ablehnung des Glaubens über die Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben bis hin zur Offenheit gegenüber dem Glauben. In der Ehevorbereitung müssten diese Aspekte geklärt werden.

Erfahrungen zeigen: Wenn der christliche Partner in seine Familie eingebunden ist; wenn er aktiv und überzeugend am Leben der Gemeinde teilnimmt und seinen Glauben liebenswürdig lebt, ist das für viele nicht christliche Ehepartner ein Weg zum christlichen Glauben und zur Taufe hin.

Die pastorale Begleitung braucht für solche Situationen ein gutes Maß an Klugheit und Sensibilität.

Religionsverschiedene Ehen: Sie sind in manchen Situationen eine echte Chance; sie sind aber auch ein Risiko, wenn der christliche Partner nicht aus seinem Glauben lebt.

 

top