The Holy See
back up
Search
riga

PREDIGT VON KARD. TARCISIO BERTONE,
STAATSSEKRETÄR,
WÄHREND DER HL. MESSE ANLÄSSLICH DES
100. GRÜNDUNGSJUBILÄUMS DES WELTVERBANDES DER ALTSCHÜLER UND - SCHÜLERINNEN DER
INSTITUTE DER DON-BOSCO-SCHWESTERN

Petersdom
Dienstag, 28. Juli 2009

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir sind hier in dieser Basilika, die das Herz des Katholizismus darstellt, versammelt, um die Festlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen des Weltverbandes der Altschüler und -schülerinnen der Don-Bosco-Schwestern feierlich abzuschließen.

Im Namen des Heiligen Vaters, der sehr gern mit euch zusammengetroffen wäre – was ihm aber leider nicht möglich war –, überbringe ich euch allen – angefangen bei eurer Präsidentin, Frau Carolina Fiorica, den Salesianern und den Don-Bosco-Schwestern, die euch begleiten – einen herzlichen Gruß.

Seine Heiligkeit ist mit uns geistig verbunden und versichert uns seines Gebets für einen jeden und eine jede von euch, für eure Aktivitäten, für die Pläne und Hoffnungen eures Verbandes, der einen starken »Zweig« der großen und ausgedehnten salesianischen Familie darstellt. Allen und einem jeden einzelnen sendet er seinen Segen, während er euch für die Gefühle der Ergebenheit und Treue dankt, die ihr auch bei diesem Anlaß erneut bewiesen habt.

Wir sind hier um den Altar vereint, um dem Herrn durch die Hände Mariens – wir feiern die heilige Messe zu Ehren Mariens, Hilfe der Christen – euren Dank für die in diesen hundert Jahren gereiften guten Früchte darzubringen. Gleichzeitig wollt ihr, da ihr mutig auf die Zukunft ausgerichtet seid, ihm die Absichten eröffnen, die euch bei der Durchführung eurer vielfältigen Tätigkeit beseelen, die sich am erzieherischen Erbe des hl. Johannes Bosco und der hl. Maria Domenica Mazzarello inspiriert, um sie in einem gemeinsamen Anwendungshorizont in unserer heutigen Zeit zu verkörpern.

Hundert Jahre leidenschaftlichen und großzügigen Wirkens sind schon ein glücklich erreichtes Ziel! Daher wolltet ihr mit Recht dieses freudige Jubiläum feierlich und mit angemessenen geistlichen Initiativen und Erinnerungen aus der Vergangenheit begehen und dadurch eurer Verpflichtung zur Teilnahme an der Sendung der Salesianer in der Welt neue Impulse geben. Auch ich schließe mich gern eurer Freude und eurem Dankgebet und Lobpreis an. Ich tue es mit den Worten des Psalms, den wir vorhin gehört haben: Laßt uns den Herrn lobpreisen mit Freudengesängen.

Ja! Liebe Brüder und Schwestern, wir preisen Gott für das Gute, das er durch euren verdienstvollen Verband in verschiedenen Teilen der Welt gewirkt hat. Und wir bitten ihn, euch weiterhin mit der Kraft seines Geistes beizustehen, damit ihr das Motto, das ihr während des ganzen Jubiläumsjahres so oft wiederholt habt, voll Enthusiasmus tätig umsetzen könnt: »Die Hände in der Welt, die Wurzeln im Herzen.« Wir wollen gemeinsam versuchen, einige Aspekte dieses Themas zu vertiefen, indem wir uns von dem Wort Gottes, das verkündet wurde, leiten lassen.

»Die Hände in der Welt, die Wurzeln im Herzen.« Die Hände sind eure Hände, die sich ausstrecken, um jene, die in Not sind – vor allem hungernde, mißbrauchte, schutzlose Kinder –, zu umarmen und ihnen zu dienen; Hände, die sich in einer ununterbrochenen Kette von Solidarität und Liebe zur Verteidigung der Rechte zusammenschließen.

Hände, die, gedrängt von einem in den Wurzeln der salesianisch-mornesischen Spiritualität verankerten Herzen, bereit sind, die anderen mit einer vertrauenserweckenden inneren Offenheit aufzunehmen.

Ein Herz, das die Mäßigkeit und Einfachheit als Lebensstil gewählt hat, das in Verbundenheit mit Gott lebt und die Freude, Frucht seiner Gegenwart in uns, an die anderen weitergibt. Ein Herz, das jeden an der Liebenswürdigkeit des himmlischen Vaters teilhaben lassen kann, so wie Jesus sie uns hat erfahren lassen.

Dieses Lebensprogramm wird uns heute von dem Abschnitt aus dem Johannesevangelium erhellt, den wir eben gehört haben und der allen gut bekannt ist: die Erzählung von der Hochzeit in Kana.

Nach dem hl. Johannes beginnt das öffentliche Leben Jesu mit einem Fest, einer Hochzeit, an der er zusammen mit seinen Jüngern teilnimmt und bei der auch seine Mutter zugegen ist. Wie ihr wißt, verläuft alles ruhig, bis der Wein ausgeht. Es ist Maria, die das in ihrer diskreten und aufmerksamen Anwesenheit rechtzeitig bemerkt und die Unannehmlichkeit erkennt, die daraus entstehen kann. Wie kann man die aufgetretene Schwierigkeit beheben, um nicht die Freude der Brautleute zu trüben?

Die Jungfrau wendet sich an Jesus und macht ihn auf die Situation aufmerksam. Seine geheimnisvolle Antwort – »Meine Stunde ist noch nicht gekommen« – erwidert sie nicht, sondern sagt zu den Dienern: »Was er euch sagt, das tut!« Und diese füllen auf Jesu Geheiß die sechs steinernen Wasserkrüge, wie sie für die Reinigung der Juden benützt wurden, bis zum Rande mit Wasser; und das Wasser wird zu Wein, worüber alle staunen, besonders der für das Festmahl Verantwortliche, der nicht wußte, woher jener Wein kam. So war das Fest gerettet, und alle beglückwünschen verwundert den Bräutigam dazu, daß er gegen alle Gepflogenheit den guten Wein bis zuletzt zurückgehalten hat.

Viele Lehren können wir aus diesem symbolträchtigen Abschnitt des Evangeliums ziehen, der – besonders durch den Bezug auf die »Stunde« – eng mit dem Ostergeheimnis zusammenhängt, das heißt mit der Erfüllung der Heilssendung Jesu, mit der von Anfang an die mütterliche Sendung Mariens eng verbunden ist. Wenn wir innehalten, um die Jungfrau zu betrachten, berührt uns die Feinfühligkeit ihres mütterlichen Herzens, das sofort den vom Mangel an Wein hervorgerufenen Schaden erfaßt, so daß sie eingreift, noch ehe sie darum gebeten wird. Sie ergreift die Initiative, um den Brautleuten zu helfen, und verwendet sich für sie bei ihrem göttlichen Sohn mit der Macht, die ihr daraus erwächst, daß sie seine Mutter ist. Jesus vollbringt das Wunder, aber er vollbringt es dank Mariens und, so könnten wir sagen, durch Maria.

Den tiefen Sinn dieses »ersten Zeichens« – so nennt es der Evangelist – verstehen wir besser, wenn wir es an die Szene von Golgota heranrücken, wo der sterbende Christus mit seinem Blut das Herz der Menschheit reinigen wird.

Der Wein der Freude erinnert an das Blut Christi und an seine grenzenlose Liebe zur Menschheit. Wasser, Wein, Blut sind äußerst bedeutsame Elemente, die auf das Geheimnis des Heils hinweisen. Unsere Armseligkeit, die menschliche Wirklichkeit, die oft voller Schwierigkeiten und Sorgen ist, verwandelt sich durch das erlösende Blut Jesu in den Wein der Lebensfülle. Wenn wir mit Christus sterben – sagt der hl. Paulus –, werden wir auch mit ihm leben.

Unsere Hände öffnen sich wirklich nur dann für die Welt, wenn sich unser Herz in das Herz Christi versenkt und sich von seinem reinen Blut läutern und erneuern läßt.

In Kana wie auf Golgota steht an Jesu Seite seine Mutter Maria, schweigend und bereit, für uns einzutreten. Don Bosco hat uns gelehrt, auf sie als erhabenes Vorbild zu blicken, von dem wir uns in unserem Tun demütig inspirieren lassen, während wir voll und ganz bereit sind, den göttlichen Willen zu erfüllen und ohne jedes egoistische persönliche Interesse dem Nächsten zu dienen.

Das ist eine wirksame Möglichkeit, an der salesianischen Sendung teilzunehmen, die in dem vielgestaltigen Wirken der beiden Kongregationen – der Salesianer und der Töchter Mariä, Hilfe Gottes (Don-Bosco-Schwestern) –, die aus dem priesterlichen Herzen Don Boscos unter entscheidender Mitwirkung von Maria Domenica Mazzarello entstanden sind und die Erziehung zu ihrem Hauptanliegen gemacht haben. Inspiriert euch also weiterhin an den Werten, die die Gründer unserer geistlichen Familie mit heroischer Leidenschaft verkörpert haben.

Bemüht euch entsprechend dem Charisma, das uns kennzeichnet, besonders um die Verbreitung und das Zeugnis des Evangeliums, indem ihr den Einsatz für die Erziehung der Jugend teilt und ihm den Vorrang gebt. Die unumgängliche Notwendigkeit der Ausbildung der Jugendlichen erfordert, daß ihr eine vorrangige Aufmerksamkeit eingeräumt wird: durch geeignete Methoden und durch die erleuchtete und großzügige Hingabe, wie sie Don Bosco und der hl. Maria Domenica Mazzarello eigen war.

Heute sind die jungen Menschen Herausforderungen ausgesetzt, von denen frühere Epochen nichts wußten: Drogen, Gewalt, Terrorismus, die Unmoral vieler sozialer Kommunikationsmittel. Es handelt sich um Bereiche apostolischer Arbeit, in denen sich die ehemaligen Schüler und Schülerinnen entsprechend ihrer Kompetenz und der Bedarfssituation in den verschiedenen Regionen der Erde engagieren sollen.

Auf diese Weise werdet auch ihr – wie einst Don Bosco und seine ersten Söhne und Töchter – durch das mit Eifer und apostolischem Herzen gelebte erzieherische Engagement eure persönliche Sendung verwirklichen; und gleichzeitig werdet ihr auf die Heiligkeit als konkretes Ziel seiner Pädagogik hinweisen können, wie es beim hl. Domenico Savio, bei der sel. Laura Vicuña und bei vielen anderen Männern und Frauen, Priestern, Brüdern, Ordensfrauen und Laien, die das salesianische Charisma konsequent verkörpert haben, auf geglückte Weise geschehen ist.

Da ihr in der Schule der präventiven Liebe Don Boscos erzogen worden seid, fühlt ihr euch – was ihr ja auch tatsächlich seid – als integrierender Teil der großen Salesianerfamilie. Die Zugehörigkeit zu ihr verbindet grundsätzlich die ehemaligen Schüler und Schülerinnen in einer Gemeinschaft, die von Leben, vom Teilen der apostolischen Ziele und von der Einheit im Engagement beseelt sein soll – wie es in den Satzungen eures Verbandes heißt – für »die Förderung und Erziehung der Frau, die Verteidigung des Lebens und der Familie«, um »durch die Förderung von Initiativen und Aktivitäten zugunsten der Jugendlichen, besonders derjenigen, die in schwierigen Situationen leben, eine konstruktive jugendliche Selbstdarstellung zu begünstigen« (Nr. 4.1).

Die Gemeinschaft bedeutet niemals Identitätsminderung der einzelnen oder der Gruppen, sondern ist der echteste Ausdruck der Authentizität ihres Ursprungs und ihrer Sendung.

Die Identität wird also an der Gemeinschaft gemessen, die sie durch den Reichtum des gegenseitigen Austausches und der Mitverantwortung wachsen läßt. Die echte Gemeinschaft hat ihren Ursprung in der Liebe und muß, um fruchtbar zu sein, immer auf sie Bezug nehmen.

Papst Benedikt XVI. schreibt in seiner jüngsten Enzyklika Caritas in Veritate: »Da die Liebe in der Wahrheit eine Gabe ist, die alle empfangen, stellt sie eine Kraft dar, die Gemeinschaft stiftet, die die Menschen auf eine Weise vereint, die keine Barrieren und Grenzen kennt. Die Gemeinschaft der Menschen kann von uns selbst gestiftet werden, aber sie wird allein aus eigener Kraft nie eine vollkommen brüderliche Gemeinschaft sein und jede Abgrenzung überwinden, das heißt, eine wirklich universale Gemeinschaft werden: die Einheit des Menschengeschlechts, eine brüderliche Gemeinschaft jenseits jedweder Teilung, wird aus dem zusammenrufenden Wort Gottes, der die Liebe ist, geboren« (Nr. 34).

Liebe Altschüler und liebe Altschülerinnen, ich möchte euch zum Abschluß einladen, den Blick auf Maria zu richten und von ihr zu lernen, immer hinzuhören und aufmerksam zu sein für die Nöte der anderen, bereit, für das Wohl der Seelen mit dem Herrn zusammenzuarbeiten. Von Maria lernen wir auch, beseelt von der aus dem Evangelium erwachsenen Hoffnung, uns in jeder Situation Christus anzuvertrauen.

Hoffnung haben bedeutet, sich der eigenen Probleme, der Schwierigkeiten, der Ursachen unserer Unannehmlichkeiten bewußt zu werden und zu begreifen, daß all dies nicht das letzte Wort ist, das den Menschen zur endgültigen Kapitulation zwingt, sondern daß es Einen gibt – unseren Erlöser –, der die Sackgassen und dunklen Wege unseres Alltags zu erleuchten vermag.

Nicht unsere Schwächen werden den Ausschlag geben, sondern siegen wird Gott, der mit der Allmacht seiner barmherzigen Liebe triumphiert. Von dieser sicheren Hoffnung beseelt, werdet auch ihr, liebe Freunde, nach dem Vorbild Mariens zu »Mittlern« und Werkzeugen in den Händen des Herrn werden, um beizutragen, das »Wasser« des in der Welt vorhandenen menschlichen und geistlichen Elends in den »Wein« der neuen Menschlichkeit, der Zivilisation der Liebe, zu verwandeln.

So hat es Don Bosco gemacht, so haben es Mutter Mazzarello und viele andere Männer und Frauen gemacht, die ihre Schüler waren und von denen wir einige bereits als Heilige und Selige verehren. Mögen diese heiligen Männer und Frauen aus unserer Ordensfamilie vom Paradies aus Fürsprache für uns halten und allen Mitgliedern eures Verbandes beistehen, damit ihr euren täglichen Weg mit »den Händen in der Welt, den Wurzeln im Herzen« fortsetzen könnt. Amen!

 

 

top