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 GEDENKMESSE FÜR DIE VERSTORBENEN PÄPSTE 
PAUL VI. UND JOHANNES PAUL I.

PREDIGT VON KARD. ANGELO SODANO

Samstag, 28. September 2002

 

In jeder Eucharistiefeier lädt uns die Liturgie der Kirche ein, unserer lieben Verstorbenen zu gedenken. Es ist das bekannte »Memento« für »die, die uns vorangegangen sind, bezeichnet mit dem Siegel des Glaubens, und die nun ruhen in Frieden« (vgl. Römischer Kanon). Es handelt sich um eine alte Tradition, die auf die ersten eucharistischen Gebete zurückgeht, ja nach dem hl. Johannes Chrysostomus sogar bis in die Zeit der Apostel (In Phil., hom 3, 4: PG 62, 204). 

In diesem Moment ergriffener innerer Sammlung gehen wir in Gedanken zu denen zurück, die »uns vorangegangen sind« auf dem Pilgerweg zur himmlischen Heimat, wir erinnern an ihr tugendhaftes Beispiel und beten für sie um den Frieden im Haus des Vaters. Genau darauf deuten die Worte hin, die wir in vielen Inschriften lesen können, die auch hier im Vatikan erhalten sind, so etwa in der Inschriftengalerie in der ersten Loggia des Apostolischen Palastes: »Praecessit fidelis in paceÂ…«, »Praecessit nos in paceÂ…«, »Praecessit in somno pacisÂ…. « 

Im Laufe der Jahrhunderte wollte die Kirche immer, daß sich die Gläubigen durch das trostreiche Band der Gemeinschaft der Heiligen verbunden fühlen. Und deshalb folgt auf das »Memento« für die Lebenden jenes für die Toten, bei dem wir Gott all jene anvertrauen, die diese Welt verlassen haben, sowohl diejenigen, die noch der Läuterung bedürfen, als auch jene, die schon das ungetrübte Glück im Paradies genießen. 

1. Das »Memento« für zwei große Päpste 

1. In diesem Sinne gedenken wir heute der beiden zuletzt verstorbenen Päpste, Paul VI. und Johannes Paul I., die vor 24 Jahren in der Hoffnung auf die Auferstehung entschlafen sind. 

Es war am 6. August 1978, dem Fest der Verklärung des Herrn, als der Engel des Herrn den verehrten und unvergessenen Papst Paul VI., den Diener Gottes Giovanni Battista Montini, der sich zu dieser Zeit in Castelgandolfo befand, zu sich rief. Nachdem er die Krankensalbung und die Eucharistie empfangen hatte, betete er mit den Anwesenden bis zum Schluß, bis zum Tod, der ihn schnell und in tiefer Gelassenheit ereilte. In den folgenden Tagen schienen unzählige Menschen, bekannte Persönlichkeiten und einfache Bürger, allesamt erfaßt von einem Gefühl der Betroffenheit über das Hinscheiden dieses herausragenden Hirten, der die Kirche während des II. Vatikanischen Konzils und in der schwierigen nachkonziliären Zeit geführt hatte. Überall herrschte tiefe Trauer. Dem Gedächtnis eingeprägt bleiben die Bilder seines Sarges, der in größter Schlichtheit während der Begräbnisfeier im Zentrum des Platzes vor der Basilika aufgestellt war, während ab und zu ein Windstoß die eine oder andere Seite des Evangeliars umblätterte, das auf dem Sarg lag. 

Die Gedanken gehen außerdem zu jenem 28. September desselben Jahres zurück, als der Herr seinen treuen und eifrigen Diener Johannes Paul I. zu sich rufen wollte, Papst Albino Luciani, nach nur 33 Tagen Pontifikat. Die Nachricht seines Todes traf unerwartet am Morgen des 29. September ein; sie überraschte alle und erfüllte unzählige Menschen mit Bestürzung. Das Herz des Papstes hatte versagt. Viele Menschen aus allen Nationen kamen nach Rom, um einem Papst die Ehre zu erweisen, der in nur einem Monat die Welt mit seinem einfachen und väterlichen Lächeln erobert hatte. 

2. Die Stunde des Gebetes 

Heute sind wir in dieser Basilika versammelt, die den beiden so am Herzen lag, um an sie zu erinnern und unser Gebet für sie zu Gott zu erheben. Geleitet von der Liturgie wiederholen wir in gläubiger Gesinnung: »Memento, Domine, famulorum tuorum Pauli Papae VI et Joannis Pauli Papae IÂ…«

»Memento«, das heißt »gedenke«! Sicher hat der Herr sie nie vergessen, aber zu Recht gedenkt die ganze Kirche, für die diese Päpste so viel gearbeitet und gelitten haben, ihrer in besonderer Weise, um den himmlischen Vater zu bitten, daß er ihnen den Lohn schenke, der den treuen Dienern des Evangeliums vorbehalten ist. 

Und so, vor dem Hintergrund der tröstlichen Lehre von der Gemeinschaft der Heiligen, öffnet dieses einstimmige und tiefempfundene Gebet unseren Geist für die hoffnungsvolle Erwartung, unsererseits auf ihre Fürbitte zählen zu können, wodurch unsere Verbundenheit mit den verstorbenen Päpsten spürbar wird. 

3. Die Treue zum Evangelium 

Brüder und Schwestern im Herrn, die Schriftlesungen des 26. Sonntags im Jahreskreis haben uns heute abend einen Abschnitt des Evangeliums zu Gehör gebracht, der die christliche Treue hervorhebt. Der Evangelist Matthäus sagt deutlich, daß von den beiden von Jesus als Beispiel vorgestellten Söhnen nicht der erste den Willen des Vaters erfüllt, der »ja« sagt und ihn dann nicht tut, sondern derjenige, der, nachdem er eine erste impulsive Ablehnung überwunden hat, dem erhaltenen Auftrag gemäß handelt (vgl. Mt 21, 28–31). 

Auf die Pflicht zur moralischen Treue, die heute mehr denn je auch für das Gewissen der Menschen unserer Zeit notwendig ist, haben beide Päpste viele Male hingewiesen. So zum Beispiel ermahnte Papst Paul VI. die Gläubigen: »Wir, die wir das Glück und die Verantwortung besitzen, getauft zu sein, werden aus dieser entscheidenden und großartigen Tatsache den Stil eines starken und neuen Lebens und die Kraft dazu zu gewinnen wissen. 

Der Ernst des Kreuzes soll uns nicht von einer mutigen christlichen Einsatzbereitschaft abbringen, sondern uns anziehen. Erziehen wir uns wieder zu dem geraden und mannhaften Charakter der Christusnachfolge in unserem Verhalten. So werden wir unserem christlichen Bekenntnis Glaubwürdigkeit und Lebenskraft verleihen und mit Gottes Hilfe die Fähigkeit erlangen, unserer Welt die erneuernde und beglückende Botschaft vom Reich Christi zu bringen« (Generalaudienz vom 19.9.1973, in: O.R. dt., Nr. 39, 28.9.1973, S. 2). 

Und in einer der vier von ihm gehaltenen Generalaudienzen sagte Johannes Paul I. in bezug auf den Glauben unter anderem jene Worte, die wie ein Echo des Evangeliums wirken, das wir soeben gehört haben: »Man darf also nicht sagen: ›Ja, aber Â…ja, aber später.‹ Man muß sagen: ›Ja, Herr, sofort!‹ Das ist Glaube: mit großmütiger Bereitschaft dem Herrn antworten. Aber wer sagt schon dieses Ja? Wer demütig ist und sich vollständig dem Herrn anvertraut« (Generalaudienz vom 13.9.1978, in: O.R. dt., Nr. 38, 22.9.1978, S. 2). 

4. Zeugen für Christus

Nur wer bis ins letzte diese Treue lebt, kann ein authentischer Zeuge Christi sein. Denn welchen Nutzen hätte es denn, sich Christ zu nennen, wenn man sich nicht anstrengt, es auch wirklich zu sein? Das war die Lehre und das Beispiel der Heiligen. Dies haben auch die beiden Päpste, an die wir heute erinnern, bei verschiedenen Gelegenheiten wiederholt. Wie könnte man zum Beispiel nicht den berühmten Abschnitt aus dem Apostolischen Schreiben »Evangelii nuntiandi« zitieren, in dem Paul VI. anmerkt, daß »der heutige Mensch lieber auf Zeugen als auf Gelehrte hört, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind« (Nr. 41)? 

Worte können sich als unwirksam erweisen, wenn das Zeugnis fehlt. Danken wir Gott, daß er in Papst Paul VI. und Papst Johannes Paul I. seiner Kirche nicht nur hervorragende Lehrmeister der katholischen Glaubenslehre geschenkt hat, sondern vor allem treue und mutige Zeugen des Evangeliums. Eben deshalb wird ihr Gedenken unaufhörlich Gefühle der Wertschätzung, der Zuneigung und der Verehrung im Volk Gottes hervorrufen. 

Unsererseits verpflichten wir uns, dieses Gedächtnis zu ehren, indem wir in kindlicher und wahrer Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater Johannes Paul II. weitergehen, der in geistiger Weise bei dieser Feier anwesend ist. 

Maria möge uns begleiten und uns beistehen. Ihrer mütterlichen Fürsprache vertrauen wir die auserwählten Seelen dieser beiden treuen Söhne an. Sie, die im Himmel die »Mittagssonne, die Liebe« ist, möge für uns Pilger in der Welt immer »der Hoffnung lebensvoller Quell« sein (Dante, Paradies XXXIII, 10–12). 

Amen!  

        

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