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BESUCH IM ERDBEBENGEBIET IN DEN ABRUZZEN

BEGEGNUNG MIT DER BEVÖLKERUNG UND DEN HILFSKRÄFTEN

ANSPRACHE UND GEBET VON BENEDIKT XVI.

Schule der Finanzpolizei, Coppito - L'Aquila
Dienstag, 28. April 2009

 
 

Liebe Brüder und Schwestern!

Danke für euren Empfang, der mich tief bewegt. Ich umarme euch alle voll Zuneigung im Namen Christi, unserer unerschütterlichen Hoffnung. Ich grüße euren geschätzten Erzbischof Giuseppe Molinari, der als Hirt diese harte Prüfung mit euch geteilt hat und weiter teilt; an ihn geht mein Dank für die ergreifenden, von Glauben und Treue zum Evangelium erfüllten Worte, mit denen er eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich grüße den Bürgermeister von L’Aquila, Herrn Massimo Cialente, der sich mit großem Engagement für den Wiederaufbau dieser Stadt einsetzt, sowie auch den Präsidenten der Region, Herrn Gianni Chiodi. Ich danke beiden für ihre tief empfundenen Worte. Ich grüße die Finanzpolizei, die uns hier aufgenommen hat. Ich grüße die Pfarrer, die anderen Priester und die Ordensfrauen. Ich grüße die Bürgermeister der von diesem Unglück betroffenen Dörfer und alle zivilen und militärischen Autoritäten: den Zivilschutz, die Feuerwehr, das Rote Kreuz, die Hilfsmannschaften und die zahlreichen Freiwilligen so vieler verschiedener Organisationen. Sie alle beim Namen zu nennen, wäre für mich schwierig, doch möchte ich jedem Einzelnen ein besonderes Wort der Wertschätzung zukommen lassen. Danke für das, was ihr getan habt und vor allem für die Liebe, mit der ihr es getan habt! Danke für das Beispiel, das ihr gegeben habt! Geht vereint und gut aufeinander abgestimmt voran, damit so bald wie möglich wirksame Lösungen für die Menschen gefunden werden, die jetzt in Zeltstädten wohnen. Das wünsche ich von Herzen und bete dafür.

Ich habe meinen Besuch in dem vom Erdbeben so schwer getroffenen Onna begonnen, wobei ich auch der anderen erdbebengeschädigten Gemeinden gedachte. Ich trage alle Opfer dieser Katastrophe im Herzen: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, alte Menschen, seien sie Abruzzesen oder aus anderen Regionen Italiens oder auch aus anderen Nationen. Der kurze Aufenthalt in der Basilika von Collemaggio, um die sterblichen Überreste des heiligen Papstes Cölestin V. zu verehren, ließ mich das verwundete Herz dieser Stadt mit Händen greifen. Es sollte meinerseits ein Zeichen der Ehrerbietung gegenüber der Geschichte und dem Glauben eurer Stadt sein und gegenüber euch allen, die ihr euch mit diesem Heiligen identifiziert. An seiner Urne habe ich, wie Sie, Herr Bürgermeister, gesagt haben, als Zeichen meiner geistigen Anteilnahme das Pallium niedergelegt, das mir am Tag des Beginns meines Pontifikats übergeben worden war. Sehr ergreifend war es für mich zudem, vor dem Studentenheim zu beten, wo mehrere junge Menschenleben von der Gewalt des Erdbebens ausgelöscht worden sind. Während ich durch die Stadt fuhr, ist mir noch mehr bewußt geworden, wie schwer die Folgen des Erdbebens sind.

Nun bin ich hier auf diesem Platz, an dem die Schule der Finanzpolizei liegt, die praktisch vom ersten Augenblick an als Hauptquartier der gesamten Hilfsmaßnahmen dient. Dieser Ort, der vom Gebet und von den Tränen um die Opfer geweiht ist, stellt gleichsam das Symbol für euren beharrlichen Willen dar, euch nicht entmutigen zu lassen. »Nec recisa recedit«: Der Leitspruch des Korps der Finanzpolizei, den wir an der Fassade des Baus bewundern können, scheint mir gut das auszudrücken, was der Bürgermeister als die feste Absicht bezeichnet hat, mit der euch Abruzzesen eigenen festen Entschlossenheit die Stadt wiederaufzubauen. Dieser große Platz, der bei der von Kardinal Tarcisio Bertone, meinem Staatssekretär, geleiteten Trauermesse die Särge der vielen Opfer aufgenommen hatte, versammelt heute die Kräfte, die sich engagiert dafür einsetzen, L’Aquila und den Abruzzen zu helfen, aus den Trümmern des Erdbebens bald wiederzuerstehen. Wie der Erzbischof gesagt hat, will mein Besuch bei euch, der von mir vom ersten Augenblick an gewünscht war, ein Zeichen meiner Nähe zu jedem von euch und der brüderlichen Solidarität der ganzen Kirche sein. Als christliche Gemeinschaft bilden wir in der Tat einen einzigen geistlichen Leib, und wenn ein Teil leidet, leiden alle anderen Teile mit ihm; und wenn ein Teil sich anstrengt, sich wieder aufzurichten, nehmen alle an seiner Anstrengung teil. Ich muß euch sagen, daß mich Solidaritätsbekundungen für euch aus allen Teilen der Welt erreicht haben. Zahlreiche hochrangige Persönlichkeiten der orthodoxen Kirchen haben mir geschrieben, um mich ihres Gebets und ihrer geistlichen Nähe zu versichern, während sie gleichzeitig auch finanzielle Hilfen angeboten haben.

Ich möchte den Wert und die Bedeutung der Solidarität hervorheben, die, wenngleich sie sich besonders in Krisenzeiten zeigt, wie ein unter der Asche verborgenes Feuer ist. Die Solidarität ist ein höchst ziviles und christliches Gefühl, an dem sich die Reife einer Gesellschaft ermessen läßt. Sie zeigt sich in der tätigen Hilfeleistung, ist aber keineswegs nur eine funktionstüchtige Organisationsmaschinerie: Da ist eine Seele vorhanden, da gibt es eine Leidenschaft, die eben aus der großen bürgerlichen und christlichen Geschichte unseres Volkes stammt – und das gilt sowohl für den Einsatz in den institutionellen Formen wie im ehrenamtlichen Dienst. Und auch diesem möchte ich heute Anerkennung zollen.

Das tragische Ereignis des Erdbebens fordert die Zivilgesellschaft und die Kirche zu einem vertieften Nachdenken auf. Als Christen müssen wir uns fragen: »Was will uns der Herr durch dieses traurige Geschehen sagen?« Wir haben Ostern erlebt, während wir uns mit diesem Trauma auseinandersetzten, das Wort des Herrn befragten und von der Kreuzigung und Auferstehung des Herrn neues Licht empfingen. Wir haben den Tod und die Auferstehung Christi gefeiert, während wir im Geist und im Herzen euren Schmerz trugen und dafür beteten, daß in den so schwer heimgesuchten Menschen das Gottvertrauen und die Hoffnung nicht nachlassen mögen. Aber auch als Zivilgesellschaft gilt es, eine ernsthafte Gewissensprüfung vorzunehmen, damit das Verantwortungsbewußtsein keinen Augenblick nachlasse. Unter dieser Bedingung wird L’Aquila – »der Adler« –, auch wenn er verwundet ist, wieder fliegen können.

Ich lade euch, liebe Brüder und Schwestern, jetzt ein, den Blick auf die Statue der Gottesmutter von Roio zu richten, die in einem Heiligtum verehrt wird, das euch sehr teuer ist: Ihr, Unserer Lieben Frau vom Kreuz, vertrauen wir diese Stadt und alle anderen vom Erdbeben betroffenen Ortschaften an. Ihr schenke ich eine Goldene Rose als Zeichen meines Gebets für euch, während ich alle betroffenen Orte ihrem mütterlichen und himmlischen Schutz empfehle.

Und nun laßt uns beten:

O Maria, unsere geliebte Mutter!
Du, die du nahe bei unseren Kreuzen bist,
wie du neben dem Kreuz Jesu ausgeharrt hast,
stärke unseren Glauben, damit wir, wenngleich niedergeschlagen vom Schmerz,
immer den Blick auf das Antlitz Christi richten,
in dem sich im äußersten Leiden am Kreuz
die unendliche und reine Liebe Gottes gezeigt hat.
Mutter unserer Hoffnung, schenke uns deine Augen,
damit wir neben Leid und Tod das Licht der Auferstehung sehen;
schenke uns dein Herz,
damit wir auch in der Prüfung weiter lieben und dienen können.
O Maria, Gottesmutter von Roio,
Unsere Liebe Frau vom Kreuz, bitte für uns!

Regina Caeli…

  

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