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ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN DIE NEUERNANNTEN BISCHÖFE, DIE AN DEM VON DER KONGREGATION FÜR DIE BISCHÖFE VERANSTALTETEN KONGRESS TEILGENOMMEN HABEN 

Saal der Schweizergarde im Apostolischen Palast von Castel Gandolfo
Montag, 13. September 2010

     

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit großer Freude treffe ich mit euch zusammen, den neuernannten Bischöfen aus verschiedenen Ländern der Welt, die ihr in Rom zum jährlich von der Kongregation für die Bischöfe veranstalteten Kongreß versammelt seid. Ich danke Kardinal Marc Ouellet für die freundlichen Worte, die er im Namen von euch allen an mich gerichtet hat; an ihn möchte ich meine besonderen guten Wünsche zum Beginn seines Dienstes als Präfekt dieses Dikasteriums richten: ich freue mich, verehrter Bruder, daß Sie ihn mit dieser schönen Erfahrung der kirchlichen Gemeinschaft unter den neuen Hirten der verschiedenen Teilkirchen beginnen. Herzlich grüße ich auch Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, und danke allen, die an der Organisation dieser Begegnung mitwirken.

Einem sehr bedeutungsvollen Brauch entsprechend seid ihr zunächst zum Grab des Apostels Petrus gepilgert, der Christus, dem Meister und Hirten, gleichförmig geworden ist bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. In diesem Zusammenhang sind einige Worte des hl. Thomas von Aquin sehr erhellend, die ein regelrechtes Lebensprogramm für jeden Bischof bilden können. In seinem Kommentar zu den im Johannesevangelium überlieferten Worten Jesu: »Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe«, bemerkt der hl. Thomas: »Er weiht ihnen seine Person in der Übung der Autorität und der Liebe. Denn beides wird verlangt: daß sie ihm gehorsam sind und daß er sie liebt. Das erste ohne das zweite genügt nicht« (Expositio in Evangelium secundum Ioannem 10,3). Die Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium erläutert: »Der Bischof, der vom Hausvater gesandt ist, seine Familie zu lenken, soll sich das Beispiel des guten Hirten vor Augen halten, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen (vgl. Mt 20,28; Mk 10,45) und sein Leben für seine Schafe hinzugeben (vgl. Joh 10,11). Aus den Menschen genommen und mit Schwachheit behaftet, kann er mitleiden mit denen, die in Unwissenheit und Irrtum sind (vgl. Hebr 5,1–2). Er soll sich nicht weigern, seine Untergebenen zu hören, die er wie wirkliche Söhne umsorgt und zu eifriger Mitarbeit mahnt. Da er für ihre Seelen Gott wird Rechenschaft ablegen müssen (vgl. Hebr 13,17), soll er für sie durch Gebet, Predigt und jederlei Liebeswerk Sorge tragen, desgleichen für jene, die noch nicht von der einen Herde sind und die er doch im Herrn als ihm anempfohlen betrachten soll. Denn er ist wie der Apostel Paulus allen Schuldner« (Nr. 27).

Die Sendung des Bischofs kann mit der Mentalität der Leistungsfähigkeit und Effizienz, bei der die Aufmerksamkeit vor allem dem gilt, was zu tun ist, nicht verstanden werden. Es muß immer die ontologische Dimension berücksichtigt werden, die die Grundlage der funktionalen Dimension ist. Denn der Bischof, der mit der Autorität Christi selbst ausgerüstet ist, wenn er von der Kathedra aus spricht, steht »über« der Gemeinde und ihr »gegenüber«, insofern er »für« die Gemeinde da ist, der er seine pastorale Sorge zuwendet (vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores gregis, 29). Die Pastoralregel des heiligen Papstes Gregor der Große, die man als das erste »Direktorium« für Bischöfe in der Kirchengeschichte betrachten könnte, bezeichnet die Seelsorge als »Kunst der Künste« (I,1.4), und erläutert, daß derjenige die Amtsgewalt »gut ausübt, der sich mit ihr gegen die Sünden wendet und mit ihr den anderen gleich zu sein versteht … und mehr über die Laster herrscht als über die Brüder« (II,6).

Nachdenklich machen die ausdeutenden Worte, die in der Liturgie der Bischofsweihe beim Ritus der Übergabe des Ringes gesprochen werden: »Empfange den Ring, Zeichen der Treue, und bewahre in der Unversehrtheit des Glaubens und der Reinheit des Lebens die heilige Kirche, die Braut Christi.« Die Kirche ist die »Braut Christi«, und der Bischof ist der »Hüter« (episkopos) dieses Geheimnisses. Der Ring ist ein Zeichen der Treue: es geht um die Treue zur Kirche und ihrer Reinheit des Glaubens. Dem Bischof wird demnach ein Ehebund anvertraut: der der Kirche mit Christus. Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang die Worte, die wir im Johannesevangelium lesen: »Wer aber die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabei steht und ihn hört, freut sich über die Stimme des Bräutigams « (3,29). Der Begriff des »Hütens« bedeutet nicht nur, das, was bereits festgelegt ist, zu bewahren – auch wenn dieses Element nie fehlen darf –, sondern schließt wesentlich auch den dynamischen Aspekt ein, das heißt ein beständiges und konkretes Streben nach Vollkommenheit in voller Übereinstimmung und steter Anpassung an die neuen Bedürfnisse, die aus der Entwicklung und dem Fortschritt jenes lebendigen Organismus, der die Gemeinschaft ist, entstehen.

Groß sind die Verantwortlichkeiten eines Bischofs für das Wohl der Diözese, aber auch der Gesellschaft. Er ist gerufen, »stark und entschieden, gerecht und zuversichtlich« zu sein (Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe »Apostolorum successores«, 44), um eine weise Unterscheidungsgabe hinsichtlich der Personen, der Realität und der Ereignisse zu haben, was seine Aufgabe, »Vater, Sohn und Freund« (Ebd., 76–77) auf dem christlichen und menschlichen Weg zu sein, von ihm verlangt. Es handelt sich um eine tiefe Sichtweise des Glaubens und nicht eine Sicht rein menschlichen, verwaltungsmäßigen oder soziologischen Zuschnitts, in der das Amt des Bischofs gesehen werden muß, der weder nur ein Regierender, ein Bürokrat oder bloß Moderator und Organisator des diözesanen Lebens ist. Väterlichkeit und Brüderlichkeit in Christus sind es, die dem Vorgesetzten die Fähigkeit geben, eine Atmosphäre des Vertrauens, der Akzeptanz, der Zuneigung, aber auch der Offenheit und der Gerechtigkeit zu schaffen. Besonders erhellend sind in dieser Hinsicht die Worte eines alten Gebetes von Abt Aelred von Rievaulx: »Du, gütiger Herr, hast jemanden wie mich als Haupt deiner Familie eingesetzt, der Schafe deiner Weide (…), damit deine Barmherzigkeit und deine Weisheit offenbar werden. Es hat deiner Güte gefallen, deine Familie durch einen solchen Menschen gut zu leiten, so daß man die Erhabenheit deiner Macht erkenne, nicht die des Menschen, auf daß sich der Weise nicht seiner Weisheit, der Gerechte seiner Gerechtigkeit, noch der Starke seiner Stärke rühmen mögen: denn wenn diese dein Volk gut leiten, bist du es, der es trägt, und nicht sie. Und deshalb gebe nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern deinem Namen die Ehre« (Speculum caritatis, PL CXCV).

Indem ich euch, liebe Mitbrüder, diese kurzen Überlegungen anvertraue, rufe ich den mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria, »Regina Apostolorum«, auf euch herab und erteile von Herzen jedem von euch, euren Priestern, Ordensmännern und -frauen, den Seminaristen und den Gläubigen eurer Diözesen einen besonderen Apostolischen Segen.

 

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