Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - FR  - IT  - PT ]

ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN EINE GRUPPE FRANZÖSISCHER BISCHÖFE ZU DEREN
BESUCH "AD LIMINA APOSTOLORUM"

Apostolischer Palast in Castel Gandolfo, Schweizersaal
Freitag, 21. September 2012

 

 

Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Danke, Eminenz, für Ihre Worte. Es ist das erste Mal, daß wir seit meiner Apostolischen Reise im Jahr 2008 in euer schönes Land, das mir sehr am Herzen liegt, wieder zusammentreffen. Mir war es damals wichtig, die christlichen Wurzeln Frankreichs zu betonen, das von seinen Anfängen an die Botschaft des Evangeliums angenommen hat. Dieses alte Erbe bildet ein solides Fundament, auf das ihr eure Bemühungen stützen könnt, weiterhin unermüdlich das Wort Gottes zu verkünden in dem Geist, der die Neuevangelisierung  beseelt, die Thema der kommenden Synodenversammlung sein wird. Frankreich besitzt eine sehr lange spirituelle und missionarische Tradition, so daß es vom sel. Johannes Paul II. als »Lehrerin der Völker« (Predigt, Le Bourget, 30. Juni 1980) bezeichnet werden konnte. Die Herausforderungen einer großenteils säkularisierten Gesellschaft laden nunmehr ein, mutig und optimistisch eine Antwort zu suchen, indem man mit Kühnheit und Einfallsreichtum die beständige Neuheit des Evangeliums darlegt. Unter dieser Perspektive, nämlich um die Gläubigen der ganzen Welt anzuspornen, habe ich das Jahr des Glaubens ausgerufen, um so auch den 50. Jahrestag der Eröffnung der Arbeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils zu unterstreichen.

»Das Jahr des Glaubens [ist] eine Aufforderung zu einer echten und erneuerten Umkehr zum Herrn, dem einzigen Retter der Welt« (Porta fidei, 6). Der Gute Hirte, der seine Schafe kennt, sich auf die Suche nach dem verlorenen Schaf macht und diese liebt bis zur Hingabe seines Lebens für sie, ist eine der eindrücklichsten Gestalten des Evangeliums (vgl. Joh 10). Diese läßt sich vor allem auf die Bischöfe übertragen in ihrer Sorge für alle Gläubigen, aber ebenso auf die Priester, ihre Mitarbeiter. Die überreiche Arbeit, die auf euren Priestern lastet, verpflichtet euch noch mehr dazu, »auf ihr leibliches Wohl bedacht [zu sein], und vor allem [auf] ihr geistliches Wohl« (Presbyterorum ordinis, 7), denn euch wurde die Verantwortung für die Heiligung eurer Priester übertragen, wohl wissend, daß »ihr geistliches Leben […] das Fundament ihres Apostolats« ist, wie ich es euch in Lourdes gesagt habe, und folglich ist es die Garantie für die Fruchtbarkeit ihres gesamten Dienstes. Der Diözesanbischof ist daher aufgerufen, die Priester mit besonderer Fürsorge zu begleiten (vgl. CIC, can. 384), insbesondere diejenigen, die erst kürzlich geweiht worden sind, die in Not oder betagt sind. Ich kann eure Bemühungen nur ermutigen, sie anzunehmen, ohne dessen müde zu werden, um ihnen gegenüber mit dem Herzen eines Vaters und einer Mutter zu handeln und sie als »Söhne und Freunde an[zu]sehen« (Lumen gentium, 28). Es soll euch ein Herzensanliegen sein, ihnen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie zur Pflege ihres geistlichen und intellektuellen Lebens brauchen, und auch um die Stütze des brüderlichen Lebens zu finden. Ich begrüße die Initiativen, die ihr in diesem Sinne unternommen habt und die sich als Fortführung des Priesterjahres sehen lassen, das unter dem Schutz des heiligen Pfarrers von Ars stand. Es war eine günstige Gelegenheit, um dazu beizutragen, diesen geistlichen Aspekt des priesterlichen Lebens zu entwickeln. In dieser Richtung fortzufahren wird sich sicherlich auf die Heiligung des gesamten Gottesvolkes positiv auswirken. In unseren Tagen sind die Arbeiter des Evangeliums zweifellos zahlenmäßig gering. Es ist deshalb dringend erforderlich, den Vater zu bitten, Arbeiter in seine Ernte zu senden (vgl. Lk 10,2). Man muß in diesem Anliegen beten und beten lassen, und ich ermutige euch, die Ausbildung der Seminaristen mit der größten Aufmerksamkeit zu begleiten.

Ihr wünscht, daß die Zusammenlegung von Pfarreien, zu der ihr euch veranlaßt seht, die Qualität der Liturgiefeiern und eine reiche Erfahrung der Gemeinschaft ermöglicht, und dabei zugleich zu einer neuen Wertschätzung des Sonntags aufruft. Dies habt ihr in eurer Note über »Die Laien in der kirchlichen Sendung in Frankreich« hervorgehoben. Ich habe selbst mehrfach die Gelegenheit gehabt, diesen für jeden Getauften wesentlichen Punkt zu unterstreichen. Dennoch wird sich die Lösung der Pastoralfragen in der Diözese nicht auf den organisatorischen Aspekt beschränken, wie wichtig dieser auch immer sein mag. Es besteht die Gefahr, den Akzent mit einer Art »Bürokratisierung der Pastoral« auf das Bemühen um Effektivität zu setzen, indem man sich auf die Strukturen, die Organisation und die Programme konzentriert, die »autoreferentiell« werden können, das heißt zum exklusiven Gebrauch der Mitglieder dieser Strukturen. Diese werden dann nur wenig Einfluß haben auf das Leben der Christen, die der religiösen Praxis fernstehen.

Die Evangelisierung erfordert dagegen, von der Begegnung mit dem Herrn auszugehen, in einem im Gebet aufgenommenen Dialog, und sich dann auf das zu gebende Zeugnis zu konzentrieren, um unseren Zeitgenossen zu helfen, die Zeichen der Gegenwart Gottes zu erkennen und wiederzuentdecken. Ich weiß auch, daß in eurem Land an vielen Orten den Gläubigen Zeiten der Anbetung angeboten werden. Darüber freue ich mich sehr und ermutige euch, den in der Eucharistie gegenwärtigen Christus zur Quelle und zum Höhepunkt des christlichen Lebens zu machen (vgl. Lumen gentium, 11). Es ist daher notwendig, daß bei der pastoralen Neuorganisation die Funktion und das Amt des Priesters stets bestätigt werden, das, da es mit »dem Bischofsstand verbunden ist, […] an der Vollmacht teil[nimmt], mit der Christus selbst seinen Leib auferbaut, heiligt und leitet« (Presbyterorum ordinis, 2).

Ich begrüße die Großherzigkeit der Laien, die gerufen sind, Ämter und Aufgaben in der Kirche wahrzunehmen (vgl. CIC, can. 228 § 1), und die so eine Verfügbarkeit bezeugen, für die die Kirche zutiefst dankbar ist. Doch ist zum einen daran zu erinnern, daß es die spezifische Aufgabe der gläubigen Laien ist, die zeitlichen Wirklichkeiten mit christlichem Geist zu durchdringen, innerhalb derer sie in eigener Initiative und Verantwortung im Licht des Glaubens und der Lehre der Kirche handeln (vgl. Gaudium et spes, 43). Es ist daher notwendig, über die Achtung des Unterschiedes zwischen dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen und dem Amtspriestertum derer zu wachen, die zum Dienst an der Gemeinschaft geweiht worden sind, ein Unterschied nicht nur dem Grade, sondern dem Wesen nach (vgl. Lumen gentium, 10). Zum anderen muß man die Treue zum Glaubenserbe als ganzem wahren, so wie es vom authentischen Lehramt gelehrt und von der ganzen Kirche bekannt wird. Denn »das Bekenntnis des Glaubens selbst ist ein persönlicher und zugleich gemeinschaftlicher Akt. Der erste Träger des Glaubens ist nämlich die Kirche« (Porta Fidei, 10). Dieses Bekenntnis des Glaubens findet in der Liturgie seinen höchsten Ausdruck. Es ist wichtig, daß diese Zusammenarbeit stets im Rahmen der kirchlichen Gemeinschaft um den Bischof stattfindet, der deren Garant ist, eine Gemeinschaft, durch die sich die Kirche als die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche offenbart. Ihr feiert in diesem Jahr den 600. Geburtstag von Jeanne d’Arc. Ich habe in bezug auf sie folgendes betont: »Einer der ureigensten Aspekte der Heiligkeit dieses jungen Mädchens ist die Verbindung zwischen mystischer Erfahrung und politischer Sendung. Auf die Jahre des Lebens in der Verborgenheit und des inneren Heranreifens folgen die beiden kurzen, aber intensiven Jahre ihres öffentlichen Lebens: ein Jahr des ›Handelns‹ und ein Jahr des ›Leidens‹« (Generalaudienz, 26. Januar 2011; in O.R. dt., Nr. 5, 4.2.2011, S. 2). Ihr habt in ihr ein Vorbild für die Heiligkeit der Laien im Dienst am Gemeinwohl.

Außerdem möchte ich die gegenseitige Abhängigkeit unterstreichen, die besteht zwischen dem »Fortschritt der menschlichen Person« und dem »Wachsen der Gesellschaft als solcher« (Gaudium et spes, 25), da die Familie »das Fundament der Gesellschaft« ist (ebd., 52). Diese wird an vielen Stellen bedroht aufgrund einer Vorstellung von der menschlichen Natur, die sich als fehlerhaft erweist. Das Leben und die Familie in der Gesellschaft zu verteidigen ist keineswegs rückständig, sondern vielmehr prophetisch, denn das bedeutet, die Werte zu fördern, die die volle Entfaltung der menschlichen Person erlauben, die nach dem Bild Gottes und ihm ähnlich geschaffen ist (vgl. Gen 1,26). Wir stehen hier vor einer echten Herausforderung, die wir annehmen müssen. Denn »das Gute, das die Kirche und die ganze Gesellschaft von der Ehe und der auf sie gegründeten Familie erwarten, ist zu groß, um sich in diesem spezifischen pastoralen Bereich nicht bis zum Grunde einzusetzen. Ehe und Familie sind Einrichtungen, die gefördert und gegen jegliches Mißverständnis bezüglich ihrer Grundwahrheit verteidigt werden müssen, denn jeder Schaden, der ihnen zugefügt wird, ist in der Tat eine Verletzung, die dem menschlichen Zusammenleben als solchem beigebracht wird« (Sacramentum caritatis, 29).

Darüber hinaus hat der Diözesanbischof die Aufgabe, in dem Teil des Gottesvolkes, das ihm anvertraut ist, »die Einheit der Gesamtkirche [zu] wahren« (CIC, can. 392 § 1), wenn auch in ihrem Inneren zu Recht unterschiedliche Sensibilitäten zum Ausdruck kommen, die Gegenstand derselben pastoralen Sorge sein müssen. Die besonderen Erwartungen der jungen Generationen erfordern, daß ihnen eine geeignete Katechese angeboten wird, damit sie ihren vollen Platz in der Gemeinschaft der Gläubigen finden können. Ich habe mich gefreut, beim Weltjugendtag in Madrid einer beträchtlichen Zahl junger Franzosen zu begegnen, begleitet von vielen ihrer Hirten, das ist Zeichen einer neuen Dynamik des Glaubens, die zur Hoffnung einlädt. Ich ermutige euch trotz aller Schwierigkeiten dieses vielversprechende Engagement fortzuführen.

Abschließend möchte ich euch noch einmal Ermutigung aussprechen für eure Initiative »Diaconia 2013«, durch die ihr eure Diözesangemeinschaften und Ortskirchen ebenso wie jeden Gläubigen anspornen wollt, den Dienst am Nächsten, insbesondere den Schwächsten, in den Mittelpunkt der kirchlichen Dynamik zu stellen. Möge der in der Liebe Gottes verwurzelte Dienst am Nächsten in allen Gläubigen eurer Diözese den Wunsch erwecken, daß jeder mit seinen Mitteln dazu beizutrage, aus der Menschheit in Christus eine einzige brüderliche und solidarische Familie zu machen!

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ich kenne eure Liebe zur Kirche und euren Dienst an ihr, und ich danke Gott für die Anstrengungen, die ihr jeden Tag auf euch nehmt, um das lebendige Wort des Evangeliums in euren Gemeinschaften zu verkünden und wirksam werden zu lassen. Auf die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, der Patronin eures Landes, und der heiligen Mitpatroninnen Jeanne d’Arc und Therese von Lisieux, erbitte ich den Segen Gottes für euch und für Frankreich!

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana