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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Jünger Christi, nicht der Ideologie

Donnerstag, 17. Oktober 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 43, 25. Oktober 2013

 

»Wenn ein Christ zum Jünger einer Ideologie wird, dann hat er den Glauben verloren und ist kein Jünger Jesu mehr.« Und das einzige Heilmittel hierfür ist das Gebet. Das ist die Botschaft, die Papst Franziskus den Schriftlesungen der Messe entnommen hat, die er am Donnerstag, 17. Oktober, in Santa Marta feierte.

Der Papst legte den Schwerpunkt seiner Predigt auf die Passage aus dem Lukasevangelium (11, 47–54), die die Warnung Jesu an die Gesetzeslehrer wiedergibt – »Weh euch Gesetzeslehrern! Ihr habt den Schlüssel (der Tür) der Erkenntnis weggenommen. Ihr selbst seid nicht hineingegangen, und die, die hineingehen wollten, habt ihr daran gehindert« –, und brachte dies das in Verbindung mit dem Bild einer »verschlossenen Kirche«, in die »die Menschen, die vorübergehen, nicht eintreten können« und aus der »der Herr, der in ihr ist, nicht herauskommen kann.« Daraus leitet sich die Ermahnung ab an jene »Christen, die den Schlüssel in der Hand haben und ihn forttragen, die die Tür nicht öffnen«; oder, schlimmer noch, »die an der Türe stehenbleiben « und »niemanden eintreten lassen.«

Aber was ist der Grund hierfür? Der Heilige Vater identifiziert ihn mit einem »Mangel an christlichen Zeugnissen«, was noch schwerwiegender erscheint, wenn der Christ, um den es geht, »ein Priester, ein Bischof, ein Papst ist«. Im Übrigen ist Christus ganz deutlich, wenn er sagt: »Geht zu allen Völkern. Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Tauft sie, geht an die Straßenkreuzungen und bringt alle herein, die Guten wie die Bösen. So sagt Jesus. Alle herein!« Im Christen, der »dieses Verhalten dessen, der ›"den Schlüssel in der Tasche und die Tür verschlossen‹ hat«, annimmt, erfolgt dem Papst zufolge »ein ganzer spiritueller und mentaler Prozess «, der dazu führt, dass er den Glauben »durch einen Destillierapparat« laufen lässt und ihn so in eine »Ideologie« verwandelt. Aber »die Ideologie «, so warnte er, »versammelt die Menschen nicht«. In den Ideologien ist Jesus nicht enthalten. Jesus ist Zärtlichkeit, Liebe, Sanftmut, wogegen die Ideologien jedweder Einfärbung immer doktrinär sind.« So sehr, dass sie die Gefahr mit sich bringen, den Christen »zum Jünger dieser Denkart « statt zum »Jünger Jesu« zu machen. Aus diesem Grunde ist der Tadel Jesu nach wie vor aktuell: »Ihr habt den Schlüssel (der Tür) der Erkenntnis weggenommen«, denn »die Kenntnis Jesu wird in ein ideologisches und moralisches Wissen umgewandelt«, analog zum Verhalten der Gesetzeslehrer, die »die Tür mit vielen Vorschriften verschlossen.«

Im Hinblick darauf erinnerte der Papst an eine andere Ermahnung Christi – diejenige aus Kapitel 23 des Matthäusevangeliums – gegen die Schriftgelehrten und die Pharisäer, die »schwere Lasten zusammenschnüren und sie den Menschen auf die Schultern legen.« Und tatsächlich lösen sie gerade durch diese Verhaltensweisen einen Prozess aus, durch den »der Glaube Ideologie wird, und die Ideologie schreckt ab! Die Ideologie verjagt die Menschen und entfernt die Kirche von den Menschen.« Papst Franziskus bezeichnete »die Krankheit der ideologischen Christen als sehr schwer«; er sagte aber auch, dass er sich dessen bewusst sei, dass es sich »um eine Krankheit handelt, die keineswegs neu ist.« Bereits der Apostel Johannes sprach in seinem ersten Brief über sie, wo er die »Christen« beschrieb, »die ihren Glauben verlieren und die Ideologien vorziehen«: ihr »Verhalten besteht darin, doktrinär, Moralisten, Moralapostel zu werden, aber der Güte zu ermangeln.«

Daher müsse man sich die Frage stellen, was »im Herzen dieses Christen, dieses Priesters, dieses Bischofs, oder dieses Papstes« ein derartiges Verhalten auslöse. Für Papst Franziskus ist die Antwort ganz leicht: »Dieser Christ betet nicht. Und wenn nicht gebetet wird«, dann werde die Tür verschlossen. Folglich »ist das Gebet der Schlüssel, der die Türe des Glaubens öffnet.« Denn »wenn ein Christ nicht betet, dann ist sein Zeugnis hochmütig.« Und er selbst ist »hochmütig, ist stolz, ist seiner selbst sicher, ist nicht demütig. Er sucht den eigenen Aufstieg. Wenn hingegen ein Christ betet, dann entfernt er sich nicht vom Glauben: er spricht mit Jesus.« Der Heilige Vater präzisierte hierzu, dass das Verb »beten« keineswegs »Gebete sagen« bedeute, denn auch die Gesetzeslehrer »sagten viele Gebete«, aber nur, »um sich zur Schau zu stellen.«

In der Tat »ist es eines, zu beten, und ein anderes, Gebete zu sagen.« Im letzteren Falle lässt man den Glauben im Stich, indem man ihn eben gerade »in eine moralistische Ideologie« verwandelt, »ohne Jesus«. Die, die so beten wie die Gesetzeslehrer, reagieren dem Papst zufolge genauso »wenn ein Prophet oder ein guter Christ sie tadelt«, wobei sie dieselbe Methode anwenden, die gegen Jesus angewandt wurde: »Als Jesus das Haus verlassen hatte, begannen die Schriftgelehrten und die Pharisäer, ihn mit vielerlei Fragen hartnäckig zu bedrängen«, sagte er, indem er die Worte der Schriftlesung wiederholte, »und sie versuchten, ihm eine Falle zu stellen, damit er sich in seinen eigenen Worten verfange.« Um ihn mit einem Wort eine Falle zu stellen, das »seinen eigenen Worten entnommen war.« Denn so kommentierte er, »diese Ideologieanhänger sind feindselig eingestellt und gefährlich! Sie sind nicht transparent! Und die Ärmsten sind Leute, die sich mit Hochmut beschmutzt haben!« Hieraus leitete er die abschließende Aufforderung ab, den Herrn um die Gnade zu bitten, nie damit aufzuhören, »zu beten, um nicht den Glauben zu verlieren« und »demütig zu bleiben«, um nicht zu verschlossenen Menschen zu werden, »die den Weg zum Herrn versperren.«



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