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JOHANNES PAUL II. 

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 9. Oktober 2002

 

Lesung: Psalm 67, 2-4. 7-8 

1 Dank für den Segen Gottes [Für den Chormeister. Mit Saitenspiel. Ein Psalm. Ein Lied.] 
2 Gott sei uns gnädig und segne uns. Er lasse über uns sein Angesicht leuchten, [Sela] 
3 damit auf Erden sein Weg erkannt wird und unter allen Völkern sein Heil. 
4 Die Völker sollen dir danken, o Gott, danken sollen dir die Völker alle. 
5 Die Nationen sollen sich freuen und jubeln. Denn du richtest den Erdkreis gerecht. Du richtest die Völker nach Recht und regierst die Nationen auf Erden. [Sela] 
6 Die Völker sollen dir danken, o Gott, danken sollen dir die Völker alle. 
7 Das Land gab seinen Ertrag. Es segne uns Gott, unser Gott. 
8 Es segne uns Gott. Alle Welt fürchte und ehre ihn. 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Soeben erklang das Wort des Psalmisten, der ein frohes Danklied an Gott gerichtet hat. Es ist ein kurzer, nüchterner Text, der aber einen weiten Horizont umfaßt und ideell alle Völker der Erde miteinbezieht. 

Diese universale Öffnung spiegelt wahrscheinlich den prophetischen Geist der Epoche wider, die auf das babylonische Exil folgte. Damals hoffte man, daß Gott auch die Fremden auf seinen heiligen Berg führen werde, um sie mit Freude zu erfüllen. Ihre Brand- und Schlachtopfer waren willkommen, denn der Tempel des Herrn sollte das »Haus des Gebets für alle Völker« werden 
(Jes 56, 7). 

Auch in unserem Psalm 67 wird der universale Chor der Völker dazu eingeladen, in den Lobpreis einzustimmen, den Israel im Tempel von Zion zu Gott erhebt. Zweimal erklingt diese Antiphon: »Die Völker sollen dir danken, o Gott, danken sollen dir die Völker alle« (V. 4 und 6). 

2. Auch diejenigen, die nicht zu der von Gott auserwählten Gemeinschaft gehören, erhalten von ihm einen Auftrag: Sie sind nämlich dazu berufen, den »Weg« zu erkennen, der Israel geoffenbart wurde. Der »Weg« ist der göttliche Heilsplan, das Reich des Lichtes und des Friedens, in dessen Verwirklichung auch die Heiden einbezogen sind, die eingeladen werden, Jahwes Spruch zu hören (vgl. V. 3). Ergebnis dieses gehorsamen Hörens ist die Furcht des Herrn in »aller Welt« (V. 8), die nicht so sehr Angst, sondern respektvolle Anbetung des transzendenten und glorreichen Geheimnisses Gottes zum Ausdruck bringen soll. 

3. Zur Eröffnung und zum Abschluß des Psalms wird das ständige Verlangen nach dem göttlichen Segen ausgedrückt: »Gott sei uns gnädig und segne uns. Er lasse über uns sein Angesicht leuchten …Es segne uns Gott, unser Gott. Es segne uns Gott« (V. 2. 7–8). 

In diesen Worten ist leicht das Echo des bekannten priesterlichen Segens zu erkennen, den Mose im Namen Gottes Aronne und die Nachkommen des Priesterstammes gelehrt hat. »Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil« (Num 6, 24–26). 

Nach den Worten des Psalmisten wird dieser über Israel ausgegossene Segen gleichsam ein Samen der Gnade und des Heils sein, der in das Erdreich der ganzen Welt und Geschichte mit der Bereitschaft eingesenkt wird, zu sprießen und ein üppiger Baum zu werden. 

Wir denken auch an die Verheißung des Herrn an Abraham am Tag seiner Erwählung: »Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein … Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen« (Gen 12, 2–3). 

4. In der biblischen Tradition ist das Geschenk des Lebens, der Fruchtbarkeit und Ertragsfähigkeit eine der spürbaren Auswirkungen des göttlichen Segens. 

In unserem Psalm wird ausdrücklich auf diese konkrete Wirklichkeit hingewiesen, die für das Dasein wertvoll ist: »Das Land gab seinen Ertrag« (V. 7). Diese Feststellung zwang die Wissenschaftler dazu, den Psalm mit dem Ritus der Danksagung für eine reiche Ernte zu verbinden, die das Zeichen der göttlichen Gunst und das Zeugnis der Nähe des Herrn zu Israel gegenüber den anderen Völkern war. 

Derselbe Satz zog die Aufmerksamkeit der Kirchenväter auf sich, die von der landwirtschaftlichen Sichtweise auf die symbolische Ebene übergegangen sind. So hat Origenes den Vers auf die Jungfrau Maria und auf die Eucharistie bezogen, das heißt auf Christus, der aus der Blüte der Jungfrau hervorgeht und Frucht wird, damit er gegessen werden kann. Demnach »ist die Erde die heilige Maria, die von unserer Erde, aus unserem Samen, aus diesem Schlamm, aus diesem Lehm, von Adam stammt«. Diese Erde brachte ihre Frucht hervor: Das, was sie im Paradies verloren hatte, hat sie im Sohn wiedergefunden. »Die Erde gab ihre Frucht: Zuerst brachte sie eine Blume hervor …, diese Blume wurde dann zur Frucht, damit wir sie essen können, damit wir ihr Fleisch essen. Wollt ihr wissen, was diese Frucht ist? Es ist der Jungfräuliche aus der Jungfrau, der Herr aus der Magd, Gott aus dem Menschen, der Sohn aus der Mutter, die Frucht aus der Erde« 
(74 Omelie sul libro dei Salmi, Milano 1993, S. 141). 

5. Wir schließen mit den Worten des hl. Augustinus aus seinem Kommentar zu diesem Psalm. Er identifiziert die auf Erden keimende Frucht mit der Neuheit, die durch das Kommen Christi in den Menschen entsteht, eine Neuheit der Umkehr und eine Frucht des Gotteslobes.

In der Tat sagt Augustinus: »Erde war sie; voll Dornen war sie, da nahte des Rodenden Hand, nahte der Ruf Seiner Majestät und Erbarmung, die Erde begann zu bekennen. Jetzt gibt die Erde ihre Frucht.« Gewiß gäbe sie ihre Frucht nicht, »wenn sie nicht zuvor [vom Regen] getränkt worden wäre, wenn nicht zuvor Gottes Erbarmen aus der Höhe gekommen wäre«. Aber nunmehr haben wir eine reiche Frucht in der Kirche, dank der Verkündigung der Apostel: »Indem er durch seine Wolken den Regen sandte, das heißt durch die Apostel, die die Wahrheit verkündeten, ›gab die Erde ihre Frucht‹; und diese Ernte hat bereits die ganze Erde erfüllt« (Über die Psalmen, Johannes Verlag Einsiedeln, 1983. ) 


Gottes Heilsplan umfaßt alle Menschen und Nationen. Über das alttestamentliche Israel hinaus will der Herr sein Reich des Friedens und des Lichtes in allen Teilen der Erde errichten. Psalm 67 antwortet auf Gottes ausgestreckte Segenshand: „Die Völker sollen dir danken, o Gott, danken sollen dir die Völker alle!" (Ps 67, 4). 

Alles hängt von Gottes gnädigem Willen ab: Das Leben, unser Bestehen und Wohlergehen, der Friede in der Welt. Deshalb bitten wir täglich um den Segen: „Es segne uns Gott, unser Gott! Alle Welt fürchte und ehre ihn!" (Ps 67, 7-8). Der Herr behüte uns, er wende uns sein Angesicht zu und schenke uns das Heil! (vgl. Num 6, 24-26). 

***

Von Herzen heiße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern willkommen. Besonders begrüße ich heute die Schwestern vom göttlichen Erlöser sowie die Rom–Wallfahrer aus Anlaß der Priesterweihe des „Collegium Germanicum et Ungaricum". Euch alle bitte ich: Strebt nach Heiligkeit und werdet ein Segen für die Menschen, damit sie durch euch Gottes Heilsplan erfahren!

  



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