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PASTORALBESUCH IN ÖSTERREICH

HL. MESSE FÜR DIE GLÄUBIGEN DER DIÖZESEN INNSBRUCK UND FELDKIRCH IM «BERGISEL STADION» 

PREDIGT VON JOHANNES PAUL II.

Innsbruck - Montag, 27. Juni 1988

 

Liebe Brüder und Schwestern in Herrn!

1. ”Bei dem Kreuz Jesu stand seine Mutter“. Ja, dort stand Maria mit den anderen Frauen; dort stand auch der Jünger Johannes. Das II. Vatikanische Konzil deutet diese ergreifende Geschehen beim Kreuzesopfer Christi und sagt: ”Die selige Jungfrau Maria ging den Pilgerweg des Glaubens und bewahrte ihre Einheit mit dem Sohn in Treue bis zum Kreuz, wo sie nicht ohne göttliche Absicht stand“. 

Die liebende Vorsehung Gottes hat Maria bis unter das Kreuz geführt, um ihren besonderen Platz im Geheimnis Christi und der Kirche voll zu offenbaren: Dort steht Maria mit Johannes und den anderen Frauen, um auch uns unter das Kreuz Christi zu rufen, damit auch wir aus diesen Quellen der Erlösung schöpfen. Die ganze Kirche ist eingeladen, sich unter Anleitung der Enzyklika ”Redemptoris Mater“ im jetzigen Marianischen Jahr nach diesem Wort des Konzils zu erneuern, indem sie Maria auf dem ”Pilgerweg des Glaubens“ nachfolgt, der seinen entscheidenden Höhepunkt gerade in ihrer erschütternden Erfahrung zu Füßen des Kreuzes erreicht.

2. Hier sind wir nun gegen Ende meines Pastoralbesuches zusammen mit Maria unter dem Kreuz ihres geliebten Sohnes versammelt, um Eucharistie zu feiern. Aus allen Teilen Tirols und Vorarlbergs seid ihr hierher gekommen, um an dieser denkwürdigen Stätte ein Bekenntnis eures Glaubens abzulegen. Jesus Christus, der war, der ist und der kommen wird, ist in unserer Mitte, er, der von sich sagen konnte: ”Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. 

Ihr seid gekommen mit euren Bischöfen und Priestern, mit Vertretern der verschiedenen kirchlichen Vereinigungen in euren Diözesen Innsbruck und Feldkirch und darüber hinaus. Besonders grüße ich mit euch meine Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, darunter vor allem die beiden verehrten Oberhirten Bischof Reinhold Stecher, glücklich genesen von schwerer Krankheit, und Bischof Bruno Wechner. Ich grüße die werten Vertreter aus dem zivilen und staatlichen Bereich, unter ihnen besonders den Herrn Bundespräsidenten und die beiden Landeshauptmänner dieses westlichen Teils. Wir alle wollen hier miteinander unseren gemeinsamen Glauben bekennen und Gott in Gebet und Opfer preisen.

3. Dabei werden unsere Sinne tief berührt von diesem schönen und geschichtsreichen Ort unserer Begegnung: hoch über der vieltürmigen Stadt mit ihrem grandiosen Kranz von Bergen, in einem breiten Flußtal mit wichtigen Verkehrswegen; und hier der Bergisel, gleichsam der Schicksalsberg eurer Heimat. Er hat die römischen Legionen gesehen, welche diese Gegend in das damalige Großreich einbanden. Mit ihnen sind die ersten Christen, Kaufleute und Soldaten, hierher gekommen. Vor 850 Jahren haben die Söhne des heiligen Norbert die Abtei Wilten zu Füßen dieses Berges gegründet, von der kraftvolle Impulse für das kirchliche Leben dieser Gegend ausgegangen sind. Durch diesen Berg, an dem schon zweimal das olympische Feuer entzündet worden ist, führen heute Autobahnen und Schienenstränge von europäischer Bedeutung, welche die Völker miteinander verbinden, zugleich aber auch wachsende Umweltbelastungen für euch mit sich bringen. Auf diesem Bergisel ist das Kreuz Christi aufgerichtet; hier steht ein Bildnis der Hohen Frau von Tirol. So erklingt auch an diesem Ort die tiefe Botschaft von Golgota: ”Bei dem Kreuz Jesu stand seine Mutter“.

4. Liebe Mitchristen, mit Maria schauen wir auf ihn, ”den sie durchbohrt haben“.  Warum gerade mit Maria? Weil sie wie kein anderer Mensch ihr eigenes Leben mit dem Weg und Heilswerk Jesu verbunden hat. Nach Ihrem ersten Jawort bei der Ankündigung ihrer Empfängnis führte sie die liebende Vorsehung des Vaters immer tiefer in das Lebensopfer des Sohnes hinein, bis zu ihrem Mit-Leiden auf Golgota. Hier erreichte ihr Jawort seine größte Dichte: Mit der ganzen Kraft ihres Mutterherzens durchlitt sie den Todeskampf ihres Sohnes und stimmte seiner Hingabe an den Vater zu, damit die Welt durch ihn ihre Erlösung finde. ”Stabat Mater dolorosa“ – ”In Schmerzen stand die Mutter“ unter dem Kreuz.

Diese erschütternde Erfahrung, die bis an die Wurzeln ihres eigenen Lebens ging, öffnet Maria den Blick für die befreiende Botschaft, die vom Kreuz Jesu ausgeht. Vordergründig betrachtet, schien Jesus vom ”glühenden Zorn“ Gottes  getroffen, als er im Gehorsam die ganz ”Sunde der Welt“ auf sich nahm. Maria aber schaute tiefer: Nein, es war nicht die ”Hitze des Zornes“, die ihren Sohn zu vernichten drohte; es war vielmehr die Glut der Liebe Gottes, die das Opferlamm verzehrte und so die Annahme seines Lebensopfers bestätigte. Diese radikale Bereitschaft zur Hingabe für uns kam nicht aus dem engen und schwachen Herzen eines bloßen Menschen; es ist vielmehr ”der Heilige“, ”der Sohn Gottes“ selbst, für den Maria auf das Wort des Engels hin Mutter geworden ist. Er ist es, der am Kreuz sein irdisches Leben dahingibt, um die Sündenschuld seiner Brüder und Schwestern aller Zeiten zu tilgen.

5. Maria erkennt im eigenen, vom ”Schwert“ durchbohrten Herzen das sterbende Herz des Sohnes und die Glut seiner göttlichen Liebe; nun weiß sie, was Johannes uns in seinem Evangelium mit den folgenden Worten verkünden wird: ”Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat; ...nicht..., damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“. 

Auf diese Weise erfährt Maria unter dem Kreuz, daß Gottes Handeln unsere begrenzten Vorstellungen von Gerechtigkeit unendlich übersteigt. Sie versteht, was der Prophet Hosea uns heute in der 1. Lesung des Wortes Gottes verkündet hat: “ Ich bin Gott, nicht ein Mensch, der heilige Gott in deiner Mitte. Darum komme ich nicht in der Hitze des Zornes“.  Er ist wahrhaft ”ein Gott voller Erbarmen“, wie wir eben in der 2. Lesung aus dem Epheserbrief gehört haben. 

Wir alle erkennen wie Maria im Glauben: Der dort am Kreuze leidet und sein Leben aufopfert, ist selbst ”der heilige Gott in deiner Mitte“; in deiner Mitte, Jerusalem;/ in deiner Mitte, du Volk des lebendigen Gottes;/ in eurer Mitte, ihr Menschen aller Zeiten;/ der heilige Gott in deiner Mitte, du Welt von heute.

6. Hier, mitten in unserer Welt, steht das Kreuz, an dem Jesus sein letztes Wort gesprochen hat: ”Es ist vollbracht!“.  Vollbracht ist das große Werk unserer Erlösung. Oder sagen wir es mit den Worten der heutigen Liturgie aus dem Epheserbrief: ”Gott aber, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe... zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht“.  Ihm verdanken wir unser eigentliches, inneres Leben; in ihm sind wir, ”dazu geschaffen, ...gute Werke zu tun“,  in dieser Welt von heute.

Schauen wir also gemeinsam auf dieses unergründliche Geheimnis Gottes, der die Liebe selber ist: Die Glut seiner Liebe schafft neues Leben, damit die Welt umgestaltet werden und zur Vollendung gelangen kann. Diese Glut, das ist der Heilige Geist, er, der die Kirche durchglühen will und sie vorwärtsdrängt zur gottgewollten Bewältigung der Zukunft die vor uns liegt. Ihr möchtet diesen Weg im Licht des dreifachen Mottos gehen, das ihr für unsere heutige Glaubensfeier gewählt habt: Lebendiger Glaube – menschenwürdige Heimat – Mut zum Morgen.

7. ”Lebendiger Glaube“: So lautet der erste Programmpunkt auf eurem Weg in die Zukunft. Ihr müßt leider feststellen, daß euer in der Geschichte oftmals gerühmter Glaube heute, wie in manchen anderen Ländern Europas, ernsthaft gefährdet ist. Wachsende Sprachlosigkeit zwischen den Generationen, zahlreiche Ehescheidungen, Selbstmorde – auch unter Jugendlichen –, Kampf mit allen Mitteln unter Parteien und Politikern. Erbitterte Konfrontation unter den Christen selbst. Zynische Kirchenkritik sogar in kircheneigenen Publikationen: das sind einige Alarmzeichen dafür, daß Gottes Gebot und die Frohe Botschaft Christi für sehr viele nicht mehr die Grundlage ihres Verhaltens sind. Wie sollen die Bischöfe euren Gemeinden Seelsorger schicken, wenn ihr ihnen aus euren Familien, aus den Jugendgruppen, aus den Pfarreien viel zu wenig junge Männer für den priesterlichen Dienst zur Verfügung stellt? Wie sollen Ordensobere weiterhin Schwestern für euer Krankenhaus, für den Kindergarten im Ort bereitstellen, wenn eure Gemeinden so wenig junge Mädchen zur besonderen Nachfolge des Herrn ermutigen und begleiten? Woran liegt es, daß heute die Entscheidung für einen geistlichen Beruf so schwer geworden ist?

Ein Baum lebt, wenn seine Wurzeln tief in die Erde reichen, bis dorthin, wo das Grundwasser fließt. Der Glaube eines Menschen lebt, wenn seine Wurzeln bis zu den Quellen des wahren Lebens reichen, bis zum Geheimnis Gottes selbst. Und das geht nicht ohne Gebet und Meditation, ohne ein treues Mitleben mit der Kirche in allen Vollzügen ihres Glaubens das ganze Jahr hindurch. Ein lebendiger Baum bringt seine Früchte; und auch euer Glaube, wenn aus gesunden, tiefen Wurzeln genährt, wird sich im täglichen Leben auswirken und euren Lebensstil prägen in Familie und Nachbarschaft, in der Gemeinschaft der Mitchristen, in der Gesellschaft der Mitbürger.

8. Der erste Ort solcher Glaubenserfahrung ist und bleibt für die meisten die Familie: Dort öffnet sich ein junges Herz für die Schönheit eines Weges mit Gott und der Kirche oder es bleibt all dem verschlossen und gewöhnt sich an einen rein weltlichen Maßstab seines Lebens. Was aber in der Familie und vor allem durch die Eltern an Gottverbundenheit und liebevollem Umgang miteinander erlebt wird, das bleibt Fundament meist für das ganze Leben. Liebe Eltern laßt eure Kinder aus eurem Glauben erfahren, wie befreiend und heilend wahre Gottes- und Nächstenliebe sind. Wenn sie im Alltag ebenso wie an festlichen Tagen als Krönung all unserer anderen Fähigkeiten erlebt wird, kann sie zum belebenden Mittelpunkt unserer ganzen Person werden und auch auf unsere Umgebung wohltuend und ermutigend übergreifen. Wie erlösend kann es auch für Kinder sein, wenn sie spüren, daß Vergebung und Versöhnung stärker sind als Haß und Streit.

Wie vorbildhafte Eltern und Geschwister in der Familie, so können auch die Heiligen und Seligen der Kirche in euch die Begeisterung für den Glauben wecken. Männer und Frauen, die in verworrener Zeit die Botschaft des Evangeliums klar und überzeugend gelebt haben und ihrem vom Geist Gottes geformten Gewissen gefolgt sind, treten heute wieder mehr in das Bewußtsein von Kirche und Gesellschaft und geben Orientierung für diese unsere Zeit. Schwester Edith Stein, die große Gottsucherin unseres Jahrhunderts, Pater Rupert Mayer, der Jesuit mit dem festen Gewissensurteil, Marcel Callo, der junge Arbeiter, der in Mauthausen sterben mußte, weil er den Mächtigen zu katholisch war; sie wurden im vergangenen Jahr unter die Seligen der Kirche aufgenommen.

Ganz nahe von hier hat Pfarrer Otto Neururer gewirkt. Sein klares Wort zur christlichen Ehe und die Spendung der Taufe an einen Mithäftling im KZ haben ihn zum Märtyrer werden lassen. Noch heute soll hier in der Stadt Innsbruck und in der ganzen Umgebung der Name des ”Bruders von Tirol“ gerühmt werden, des Paters Thomas von Bergamo, dessen Grab sich im hiesigen Kapuzinerkloster befindet und der im 17. Jahrhundert Bauern und Fürsten im Glauben bestärkt hat.

9. Ein zweiter Ort gelebten Glaubens kann und soll die Pfarrgemeinde sein. Die Seelsorger und ihre Mitarbeiter tragen gemeinsam die Verantwortung, daß die Gemeinde als ganze wie in ihren Gruppen der Raum ist, in dem der Geist Christi immer wieder erbeten wird und wirken kann. Hier sollten die vielen, die allein oder vereinsamt oder gescheitert sind, die vielen, die Sinn und Orientierung suchen, die notwendige Annahme finden, um vielleicht sogar neue Kraft zur Selbsthilfe zu schöpfen. Das Wort des Herrn ”Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“,  könnte so seine konkrete Gültigkeit erweisen.

Für den Umgang miteinander erinnert euch an die Mahnung des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom – und an jede Pfarrgemeinde: ”Wir müssen als die Starken die Schwäche deren tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben. Jeder von uns soll Rücksicht auf den Nächsten nehmen, um Gutes zu tun und (die Gemeinde) aufzubauen“.  Wie aktuell ist auch das folgende Wort des Völkerapostels an die Gemeinde zu Ephesus: ”Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt und dem, der es hört, Nutzen bringt. Beleidigt nicht den Heiligen Geist, dessen Siegel ihr tragt... Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung verbannt aus eurer Mitte! Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat“ . 

10. Liebe Brüder und Schwerstern! Als zweites Anliegen für euren Weg in die Zukunft habt ihr eine ”menschenwürdige Heimat“ gewählt. Dieses Thema hat durch die vielleicht allzu starke Ausrichtung eurer Lebensbereiche auf den Tourismus und zugleich durch die ungeheuren Verkehrsströme in diesem europäischen Erholungs- und Durchgangsland eine brennende Aktualität erhalten. An dieser fühlbaren Bedrohung von Natur und Umwelt darf niemand, der in diesem Land gesellschaftliche Verantwortung trägt, vorbeigehen.

Menschenwürdige Heimat bedeutet jedoch wesentlich mehr als saubere Luft, klares Wasser und gesunden Boden. Heimat, nach der sich jeder von uns sehnt, wächst dort, wo Menschen einander gut sind und füreinander eintreten, wo sie einander ertragen auch in ihren Schwächen, wo man Zeit hat für ein vertrauensvolles Gespräch, wo man bereit ist zu vergeben. Heimat bedeutet verantwortungsbewußte Gestaltung der Wohngemeinde und der Arbeitsstätte, bedeutet die aufmerksame Sorge für Sonn- und Feiertage, bedeutet die Pflege der Gastfreundschaft, der Nachbarschaftshilfe, der politischen Kultur. Solche Erfahrung von Heimat kann unter gläubigen Menschen sogar schon zur Vorahnung unserer ewigen Heimat werden. So tief verstandene Heimat umfaßt auch die Achtung vor der Menschenwürde aller. Sie beginnt bei der unbedingten Werstschätzung des menschlichen Lebens, und zwar von seiner Empfängnis an. Wenn eine Gesellschaft als ganze nicht mehr die Kraft und die geistige Klarheit dafür aufbringt, dann wird es eine vorrangige Aufgabe gläubiger Christen, im Namen Gottes und der Menschenwürde das Lebensrecht der Ungeborenen zu verteidigen. Am anderen Ende unserer irdischen Weges ist die Würde der Alten, der Kranken und Sterbenden unser aller Schutz und Verantwortung anvertraut. Aber auch Gastarbeiter und Ausländer, Behinderte und Randexistenzen, Gestrauchelte und Sünder haben Anspruch auf Anerkennung ihrer grundlegenden, bleibenden Würde. Schließlich muß das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit auch unter dem Gesichtspunkt einer ”menschenwürdigen Heimat“ gesehen werden und sollte die Solidarität der bessergestellten Mitmenschen erwarten dürfen.

11. Eure dritte Zielsetzung lautet ”Mut zum Morgen“. Eine gute Bewältigung der beiden ersten Aufgaben – lebendiger Glaube und menschenwürdige Heimat – führt bereits zu einer mutigen und überlegten Bereitschaft, mit Zuversicht in die Zukunft aufzubrechen. In den vergangenen Jahren hat sich bei vielen eine Grundstimmung der Angst festgesetzt, die ständig von politischen Erdbeben, von Umweltbedrohungen, von Erfahrungen scheinbarer Sinnlosigkeit bei euch und in aller Welt genährt wird. Der allzu naive Fortschrittglaube vergangener Jahrzehnte ist den meisten unter Schmerzen vergangen. Manche hat diese neue Stimmung gelähmt: andere leben darum nur dem gegenwärtigen Augenblick, ohne an morgen zu denken.

In dieser Lage sind die Christen aufgerufen, die zukunftsgestaltenden Kräfte unseres Glaubens verstärkt wahrzunehmen und konkrete Folgerungen für unseren gemeinsamen Weg daraus zu ziehen Wahrhaftig, vieles auf unserer Erde bedarf der Erneuerung: das Verhältnis der politischen Kräfte zueinander, die Weltwirtschaftsordnung, die Verwirklichung von Religions- und Gewissensfreiheit, aber auch das Miteinander im persönlichen Bereich. Für die Zukunft der Welt – und auch eurer Heimat – ist es entscheidend, von welcher Kraft und in welchem Geist eine solche Erneuerung der Herzen und der Strukturen angestrebt wird: in irgendeinem modischen Zeitgeist oder in Gottes heiligem Geist.

Wer sich Gottes Geist öffnet, wird am ehesten fähig sein zu ”Liebe, Freude und Friede, zu Langmut und Freundlichkeit, zu Güte und Treue, zu Sanftmut und Selbstbeherrschung“,  wie Paulus schreibt. Hier ist die klare Quelle, aus der wir den Mut zum Morgen schöpfen dürfen. Der Geist Jesu Christi ist die Kraft und der Weg, um eine neue Zivilisation der Liebe zu errichten, die ein menschenwürdiges Leben möglichst vieler auf dieser Erde sichern kann.

12. Liebe Brüder und Schwestern! Das heutige Festevangelium hat unseren Blick mit Maria auf das geöffnete Herz des Erlösers gelenkt. Wahrhaftig: ”Aus seinem Innern werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben“. 

Als Gottes Geist am Pfingstfest über die versammelte Kirche von Jerusalem herabkam, war in ihrer Mitte auch Maria, die Mutter Jesu. Bis heute ist sie uns das Urbild christlichen Glaubens. In ihr hat der Glaube sein schönstes Antlitz gefunden, sein innigstes Lied. Mit ihr zusammen soll auch unser Leben zu einem stetigen Lobpreis Gottes werden: ”Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“. Amen.

 

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