ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE DRITTE GRUPPE FRANZÖSISCHER BISCHÖFE
ANLÄßLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES
Donnerstag, 18. Dezember 2003
Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt!
1. In dieser Zeit des Advents, in der die Kirche hoffnungsvoll das Kommen des Erlösers erwartet, ist es mir eine Freude, euch, die Bischöfe und den Diözesanadministrator aus der Kirchenprovinz Marseille, sowie den Erzbischof von Monaco zu empfangen. Euch allen gilt mein herzlicher Gruß. Wie der Apostel Paulus seid auch ihr gekommen, um »Kephas kennenzulernen« (vgl. Gal 1,18). Ihr wollt die Bande der Gemeinschaft mit ihm festigen und ihm vom Leben in euren Diözesen berichten, die durch den Glauben und die missionarische Kühnheit der Zeugen der ersten Jahrhunderte evangelisiert wurden. Ich danke Kardinal Bernard Panafieu, dem Erzbischof von Marseille, für seine Worte. Durch seine Erläuterung der pastoralen Gegebenheiten in eurer Kirchenprovinz, ihrer vielfältigen Hoffnungen und ihrer seelsorglichen Dynamik, aber auch eurer Fragen und Sorgen als Hirten hat er euren gemeinsamen Wunsch zum Ausdruck gebracht, die apostolische Tätigkeit in einer immer tieferen Annahme der Gnade Gottes und in einer immer innigeren Verbindung mit Christus zu verankern – im Dienst am euch anvertrauten Gottesvolk. Mein Wunsch ist, daß eure Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel und eure Begegnungen mit den verschiedenen Dikasterien der Kurie es euch ermöglichen, mit dem gefestigten Wunsch nach einer freudigen Fortführung eures apostolischen Auftrags in eure Heimat zurückzukehren.
2. Zum Abschluß des Großen Jubiläums der Menschwerdung ermutigte ich die ganze Kirche, mit dem Elan des Pfingstfestes und mit neuer Begeisterung wieder neu anzufangen bei Christus. Ich rief jedes ihrer Glieder auf, durch ein intensives Gebetsleben und das aufmerksame und liebevolle Hören des Gotteswortes immer zielstrebiger den Weg der Heiligkeit einzuschlagen. Aus der Erneuerung des spirituellen Lebens der Hirten, der Gläubigen und der Gemeinden in ihrer Gesamtheit wird ein stärkerer seelsorglicher und missionarischer Impuls hervorgehen. Auf diesem Gebiet – und darüber möchte ich heute zu euch sprechen – haben die Personen des geweihten Lebens eine vorrangige Rolle zu spielen. Das geweihte Leben in allen seinen alten und neuen Formen ist ein Geschenk Gottes an die Kirche. Wir müssen den Herrn unablässig bitten, Männer und Frauen zu berufen, die ihm in einem Leben vollkommener Hingabe nachfolgen. Eure Fünfjahresberichte zeigen die hochherzige Aufmerksamkeit eurer Diözesankirchen für das geweihte Leben. Darüber freue ich mich sehr. In der Dynamik jenes Gnadenereignisses, das die Synode über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt gewesen ist, und auf der Grundlage des Apostolischen Schreibens Vita consecrata, in dem die Früchte der Synode zusammengefaßt sind, möchte ich erneut mit Nachdruck und aus voller Überzeugung die Notwendigkeit des geweihten Lebens für die Kirche und die Welt betonen. In der Tat würde eine Diözese ohne Ordensgemeinschaften »nicht nur vieler geistlicher Gaben, geeigneter Orte für die Suche nach Gott, spezifischer apostolischer Aktivitäten und pastoraler Methoden verlustig gehen, sondern sie würde darüber hinaus Gefahr laufen, in hohem Maße in jenem missionarischen Geist geschwächt zu werden, der der Mehrheit der Institute eigen ist« (Vita consecrata, 48). Daher bitte ich euch, allen religiösen Instituten und Kongregationen die aufrichtige Wertschätzung und die herzlichen Grüße des Nachfolgers Petri zu übermitteln, sie meines Gebets zu versichern und sie aufzufordern, nicht am Herrn zu zweifeln, denn er verläßt sein Volk nie.
3. Aus den Fünfjahresberichten der Diözesen Frankreichs wird die Krise des Ordenslebens in eurem Land ersichtlich, die – besonders in den apostolischen Kongregationen – von einer fortschreitenden, stetigen Abnahme der Mitgliederzahl der verschiedenen in eurem Land vertretenen Institute und von wenigen Eintritten ins Noviziat geprägt ist. Diese Krise wirkt sich auch auf das Erscheinungsbild einer großen Zahl von Gemeinschaften aus, deren Mitglieder immer älter werden – mit unvermeidlichen Folgen für das Fortbestehen der Institute, für ihr Zeugnis, für ihre Leitung und auch für die Entscheidungen hinsichtlich ihres Auftrags und der Verwendung ihrer Ressourcen. Einige Institute sind zudem gezwungen, sich zu Verbänden zusammenzuschließen, um weiter existieren zu können. Dies ist jedoch nicht immer einfach zu bewerkstelligen, da die Gemeinschaften ja auf verschiedene Entwicklungen zurückblicken. Damit solche Zusammenschlüsse wirklich Erfolg haben können, ist es angebracht, sich auf die Gründungscharismen zu besinnen und sich daran zu erinnern, daß das Ordensleben dem Sendungsauftrag der Kirche dient und auf Christus gründet. Er selbst ruft auf, sich ihm ganz hinzugeben in der vom hl. Paulus aufgezeigten Perspektive: Es ist Gott, der alle Vorhaben wachsen läßt (vgl. 1 Kor 3,7). Um auf mögliche Veränderungen zu reagieren, müssen die Verantwortlichen der Institute des geweihten Lebens ihre Aufmerksamkeit heute mehr denn je der Weiterbildung ihrer Mitglieder schenken, insbesondere auf theologischer und spiritueller Ebene.
Eine große Zahl traditionsreicher Kongregationen hat die Arbeit zur Vertiefung ihres Charismas und zur Erneuerung ihrer Tätigkeiten mutig in Angriff genommen. Sie bemühen sich vor allem darum, die neuen Aufrufe des Geistes bereitwillig zu hören und im Zusammenwirken mit den Diözesen die geistigen und missionarischen Prioritäten der Gegenwart zu erkennen. Wir können glücklicherweise feststellen, daß die Charismen der Institute, deren Mitglieder in Europa immer älter werden, den tiefen Erwartungen vieler junger Menschen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika, die sich großherzig dem Herrn weihen wollen, weiterhin entsprechen. Auch freue ich mich zu sehen, daß einige Kongregationen versuchen, ihr Charisma den Laien aller Altersgruppen und Lebensbereiche vorzuschlagen und sie an ihrer Sendung Anteil haben zu lassen. Auf diese Weise geben sie den Laien die Möglichkeit, ihr christliches Leben auf eine spezifische, solide Spiritualität zu gründen und sich noch mehr in den Dienst an den Brüdern und Schwestern zu stellen. Ein solches Vorgehen wird sich mit Sicherheit auch auf das Leben der Institute selbst positiv auswirken.
4. Daher ermutige ich euch, keine Mühe zu scheuen, um »die besondere Berufung und Sendung des geweihten Lebens, das ständig und fest zum Leben und zur Heiligkeit der Kirche gehört, … zu fördern« (Pastores gregis, 50). Durch ihr beredtes Zeugnis als Geweihte in der Nachfolge des keuschen, armen und dienstbereiten Christus, inmitten ihrer jeweiligen menschlichen Gegebenheiten, bleiben die Mitglieder der Institute geweihten Lebens prophetische Zeichen für die Welt und die Kirche. Durch ihr Dasein offenbaren sie die Liebe Gottes zu jedem Menschen, und sie halten in der Kirche die Forderung lebendig, in den Gesichtern der Armen das Antlitz Christi zu erkennen. Außerdem spornen sie die diözesanen Gemeinschaften an, sich des universalen Charakters der kirchlichen Sendung immer besser bewußt zu werden, und erinnern sie an die dringende Notwendigkeit, zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit sowie eine immer tiefere Brüderlichkeit unter den Menschen zu suchen.
Gestattet mir, die unvergleichliche Arbeit der Ordensleute zu würdigen, sowohl in Frankreich als auch in den ärmsten Ländern unserer Erde – besonders in Afrika, einem Erdteil, mit dem eure Region verständlicherweise eng verbunden ist, wie ihr selbst vor kurzem hervorgehoben habt. Ich denke dabei an die Werke der Solidarität gegenüber den Ausgegrenzten, den Kindern, die nicht lesen und schreiben können, den Straßenkindern, den Menschen, die die dramatische Erfahrung der Ungewißheit oder der Armut durchleben, den AIDS-Kranken oder von anderen Epidemien Betroffenen wie auch den Immigranten, Flüchtlingen und Ausgewiesenen. Ich vergesse auch nicht all jene geweihten Menschen, die im Rahmen eines sozialen Dienstes – im Bereich des Gesundheits- und Erziehungswesens – im eigenen Land oder anderswo auf der Welt tätig sind. Man kann die Verantwortlichen der Kongregationen nicht genug ermutigen, diese bedeutsamen Einrichtungen nicht zu vernachlässigen oder allzu schnell aufzugeben, denn in ihnen werden die grundlegenden menschlichen Werte und das Evangelium vermittelt. Zudem wird durch sie der Ruf zur Nachfolge Christi und zur Mitwirkung am kirchlichen Leben hörbar. Obwohl die Gemeinschaften heutzutage weniger wahrgenommen werden, setzen sie ihren Auftrag trotzdem mutig fort, indem sie sich in das soziale Gefüge einbringen und sich an Werken der Solidarität beteiligen oder auch als aktive Förderer des interreligiösen Dialogs auftreten, dem ihr eure besondere Aufmerksamkeit schenkt. Ich weiß, mit wieviel Geduld die Ordensleute sich im Namen ihrer Weihe dem Herrn schenken, indem sie sich vor allem um die Armen und Ausgegrenzten kümmern in einer Gesellschaft, die diese Menschen allzuoft vergißt. Dank ihrer täglichen Solidarität mit den vom Leben Gezeichneten sind sie die unersetzlichen Hauptpersonen in der Übung jener Nächstenliebe, zu der ich am Ende des Großen Jubiläumsjahres alle christlichen Gemeinschaften aufgefordert habe. Diese Dimension der Liebe zu den Armen und Geringsten ist ein Beweis der Glaubwürdigkeit der gesamten Kirche: Die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaft, aber auch die Glaubwürdigkeit jener Menschen, die von Christus erfaßt wurden, die ihn betrachten und dadurch fähig werden, ihn auf dem Antlitz derjenigen zu erkennen, mit denen er selbst sich hat identifizieren wollen, und die das Mitleid Christi gegenüber jedem Menschen zum Ausdruck bringen (vgl. Novo Millennio ineunte, 49).
Die jungen Generationen, die nach dem Absoluten dürsten, brauchen mutige Zeugen, die sie dazu anleiten, gemäß dem Evangelium zu leben und sich hochherzig in den Dienst ihrer Brüder und Schwestern zu stellen. Ich lade euch ein, die Erfahrung und das prophetische Charisma der geweihten Menschen nie unberücksichtigt zu lassen, denn sie sind Wächter der Hoffnung sowie Zeugen des Absoluten und der Freude über die vollkommene Selbsthingabe. Der Geist führt sie dazu, sich an die Seite der Ausgegrenzten unserer Gesellschaften zu stellen und sich zu bemühen, den gebeugten Menschen wieder aufzurichten, um auf diese Weise zur Entfaltung der Liebe in jeder Teilkirche beizutragen. Fruchtbringender Austausch
5. Um die Seelsorge noch harmonischer zu gestalten, ist es auch angezeigt, daß der Dialog mit den Instituten geweihten Lebens – sowohl auf nationaler Ebene zwischen der Französischen Bischofskonferenz und den zwei Konferenzen der Ordensoberen als auch auf Diözesanebene zwischen dem Bischof oder seinem Delegierten und den örtlichen Verantwortlichen der Kongregationen – eine echte gegenseitige Absprache und einen fruchtbringenden Austausch ermöglicht. So wird jedes Institut geweihten Lebens zwar die spezifischen Eigenheiten seines Charismas, seiner Lebensform und seiner besonderen Prioritäten bewahren können, gleichzeitig wird es jedoch immer besser in die Diözesankirche eingegliedert. Dies ist von grundlegender Bedeutung in einer Zeit, in der eure Diözesankirchen wichtige Entwicklungen und Veränderungen in der Seelsorge erleben, die mit den neuen Gegebenheiten im Sendungsauftrag und mit dem kulturellen Wandel zusammenhängen.
Im Rahmen der Aktivitäten, die von den Instituten geweihten Lebens im gesellschaftlichen Leben durchgeführt werden, möchte ich ihren bedeutenden Anteil an der wissenschaftlichen Forschung in eurem Land herausstellen. Die Ordensleute waren in Frankreich oft wahre Glanzlichter auf den Gebieten der Philosophie und Theologie, besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wollten die Beweggründe herausstellen, die das Verhalten und Handeln unserer Zeitgenossen leiten sollen, und haben den Sinn des Daseins verdeutlicht. Durch ihren bedeutenden Beitrag zur Suche nach der Wahrheit können sie eine Erneuerung des intellektuellen Lebens fördern und fruchtbare Beziehungen zu den heutigen Denkern knüpfen, die sich mit den grundlegenden Fragen unserer Zeit beschäftigen oder in der Forschung tätig sind. Auch möchte ich die Institute und Kongregationen erwähnen, die in den Bereichen der Information, des Radios und des Fernsehens tätig sind. Durch ihre Beteiligung an der öffentlichen Diskussion leisten sie im Rahmen eines gesunden, notwendigen Austausches einen spezifisch christlichen Beitrag zu den großen Entscheidungen über die Gestaltung der Zukunft; zudem teilen sie den anderen ihre Glaubensüberzeugungen mit.
6. In euren Diözesen nimmt das geweihte Leben vielfältige Formen an; ältere Gemeinschaften leben Seite an Seite mit jüngeren. Die neuen Gemeinschaften verleihen – dank der Begeisterung der Anfänge – dem geweihten Leben und dem seelsorglichen Sendungsauftrag in den Diözesen zweifellos neuen Schwung. Sie beweisen eine Kühnheit, die den schon länger existierenden Instituten zuweilen fehlt. Außerdem begünstigen sie die Erneuerung des Gemeinschaftslebens, der Liturgie und des Einsatzes für die Evangelisierung in vielen Bereichen.
Eine solche Situation ist sicherlich vergleichbar mit der, die der hl. Dominikus oder der hl. Franziskus erlebten. Die neuen Ordensgemeinschaften stellen eine Chance für die Kirche dar. Mit Hilfe der Bischöfe, die stets wachsam bleiben sollen, müssen sie noch heranreifen, Wurzeln schlagen und sich mitunter gemäß den geltenden kanonischen Normen umsichtig strukturieren. Alle sollen daran denken, daß der Geist des Dialogs, der brüderlichen Zusammenarbeit im Dienst Christi und der Mission sich stets durchsetzen muß! Ohne Konkurrenzdenken oder Feindseligkeiten werden die traditionsreichen Ordensgemeinschaften so von ihrem eigenen Charisma angespornt, wohingegen die neuen Gemeinschaften sich daran erinnern sollen, daß sie »keine Alternativen zu den früheren Institutionen [sind], die weiter den hervorragenden Platz einnehmen, den die Überlieferung ihnen eingeräumt hat. […] Die alten Institute, von denen viele zwar härteste Prüfungen durchgemacht, aber sich Jahrhunderte lang tapfer gehalten haben, können eine Bereicherung erfahren, wenn sie mit den in unserer Zeit entstehenden Gründungen den Dialog aufnehmen und Gaben austauschen« (Vita consecrata, 62). Alle fordere ich dazu auf, ihre geschwisterliche Liebe zu zeigen und die nötigen Schritte zu unternehmen, daß alle Kräfte gemeinsam auf die Einheit des einzigen Leibes Christi und auf eine Mitwirkung aller am Sendungsauftrag hinarbeiten. Auswahl der Berufungen Die Verantwortlichen der neuen Gemeinschaften sollen ihrerseits auf menschlicher wie auch geistlicher Ebene große Sorgfalt bei der Auswahl der Berufungen walten lassen. Dabei wird es für sie hilfreich sein, sich auf Personen mit sicherer Erfahrung bei der Prüfung von Berufungen zu stützen, in den Instituten wie auch in den Ortskirchen. Gemäß der langjährigen, weisen Praxis der Kirche sollen sie außerdem die Elemente, die zum forum internum bzw. zum forum externum gehören, gewissenhaft auseinanderhalten. Unter Beachtung der Autonomie, die jeder religiösen Gemeinschaft eigen ist, bleibt es doch Aufgabe der Bischöfe, die Gesamtheit der in der Diözese vertretenen Institute nach Möglichkeit aufzunehmen, ihnen beizustehen und sie zu unterstützen, während die Institute selbst – jedes entsprechend seinem Charisma – am Auftrag der Diözesankirche mitarbeiten sollen. Zu jeder Zeit, besonders aber in schwierigen Stunden, sollen sich alle Gläubigen zum Aufbau der Kirche zusammentun, um in der Welt sichtbare Zeichen der Einheit des um seine Hirten versammelten Gottesvolkes zu sein. Die Sendung der Diözesankirche wird dadurch an Zusammenhalt und apostolischem Eifer gewinnen.
7. Viele von euch betonen die bedeutende Rolle der Gemeinschaften kontemplativen Lebens in euren Bistümern hinsichtlich des Lebenszeugnisses und des Gebets, denn diese Gemeinschaften erheben die Welt zu Gott und wirken im Geheimnis Christi und der Kirche nach dem Beispiel der hl. Therese von Lisieux an der Mission der Kirche mit. Diese privilegierten Orte der Ausstrahlung und Aufnahme tragen zur apostolischen Fruchtbarkeit von Pfarreien, Bewegungen und anderen Einrichtungen bei. Für viele Jugendliche und Erwachsene sind sie Bezugspunkte und Stätten, an denen sie solide Grundlagen für die Entwicklung und Festigung ihres menschlichen und geistigen Lebens sowie für eine tiefe Erfahrung mit der Absolutheit Gottes finden können; zugleich stellen sie Oasen des Friedens und der Stille in einer hektischen Gesellschaft dar. Viele junge Menschen haben in den Klöstern Zeit gefunden, auf Gottes Ruf zu hören und sich auf eine Antwort vorzubereiten. Außerdem spielen die Klöster eine wichtige Rolle für die Bischöfe und Priester, die dort ihre spirituellen Kräfte regenerieren und ein vertrautes Umfeld finden können. Ich weiß, daß diese Gemeinschaften gut in die Diözesen integriert sind, insbesondere durch die Aufnahme – neben den Teilnehmern an Einkehrtagen – von zahlreichen Gruppen junger Menschen, die dorthin kommen, um über ihren Glauben nachzudenken, beten zu lernen oder sich auf den Empfang eines Sakraments der Kirche vorzubereiten. Vor diesem Hintergrund rufe ich die monastischen Gemeinschaften auf, der Nachfrage nach spiritueller Unterweisung von seiten der Männer und Frauen unserer Zeit, und insbesondere der Jugendlichen, ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Es freut mich zu wissen, daß trotz der Beibehaltung der Klausur die Mönche und Nonnen in vielen Klöstern darum bemüht sind, den Menschen, die an die Tür ihrer Häuser klopfen, eine geistige Führung zu geben. Mein Wunsch ist, daß die betenden und kontemplativen Menschen ihr Zeugnis in den Diözesen fortsetzen und dadurch die Gläubigen anregen, ihr Leben und Tun im Gebet zu verankern, das die Quelle allen missionarischen Handelns ist. Hingabe an Christus .
8. Ich weiß um die Großherzigkeit vieler Jugendlicher eurer Diözesen und bin sicher, daß der Herr weiterhin ihre Herzen formt, auf daß sie bereitwillig auf seinen besonderen Ruf antworten können. Heute möchte ich sie ermutigen, keine Angst davor zu haben, sich im geweihten Leben dem armen, keuschen und gehorsamen Christus hinzuschenken, denn dieses Leben ist ein Weg wahrer Freude und Freiheit. Ich möchte ihnen erneut mit Nachdruck und aus voller Überzeugung zurufen: »Wenn ihr den Ruf des Herrn vernehmt, weist ihn nicht zurück! Fügt euch vielmehr mutig ein in die großen Richtungswege der Heiligkeit, die herausragende heilige Männer und Frauen in der Nachfolge Christi angebahnt haben. Pflegt eure altersspezifischen Sehnsüchte, aber folgt bereitwillig dem Vorhaben, das Gott mit euch plant, wenn er euch einlädt, die Heiligkeit im geweihten Leben zu suchen« (Vita consecrata, 106). Mögen die Diözesen ihrerseits nie aufhören, zum geweihten Leben aufzurufen!
Daher lade ich euch ein, stets mit wachsamem Blick und verstärkter Aufmerksamkeit die jungen Menschen zu begleiten, die sich zum Ordensleben berufen fühlen. Ihre kirchliche Erfahrung ist noch recht jung. Deshalb ist es wichtig, ihnen eine solide menschliche, intellektuelle, sittliche, spirituelle, gemeinschaftliche und seelsorgliche Unterweisung zu geben, die sie darauf vorbereitet, sich in der Nachfolge Christi vollkommen Gott zu weihen. In dieser Hinsicht ermöglichen die sogenannten »Internoviziate« die Ausbildung einer größeren Anzahl von Jugendlichen; sie geben ihrem Entwicklungsprozeß klare Impulse und ermöglichen es den jungen Menschen, einander kennenzulernen und sich in der gemeinsamen Lebensentscheidung zu bestärken. Viele Kongregationen haben auch junge Ausländer aus Afrika, Asien oder Lateinamerika aufgenommen. Dies ist ein klares Zeichen des universalen Charakters der Kirche. Ihr seid euch jedoch auch der Schwierigkeiten, die dies mit sich bringen kann, sehr wohl bewußt, insbesondere hinsichtlich der Attraktivität des »westlichen« Lebens, das der Mission in ihren Ortskirchen zum Schaden gereichen kann. Ich kann die Kongregationen nicht oft genug auffordern, Ausbildungszentren in den Ländern mit zahlreichen Berufungen einzurichten, um die jungen Menschen nicht allzu drastisch von ihrem kulturellen Umfeld abzutrennen und sie für die Sendung in ihren Ländern auszubilden, die ihrer Hilfe so sehr bedürfen.
9. Zum Schluß unserer Begegnung, liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt, möchte ich euch ermutigen, euren begeisternden Auftrag zur Leitung des Volkes, das Gott euch anvertraut hat, beherzt und tatkräftig fortzusetzen. Die Kirche braucht heute mehr denn je echte Zeugen, um zu zeigen, daß die Radikalität des Evangeliums Freude und Freiheit bringt. Übermittelt den Priestern, den Diakonen und allen Laien eurer Diözesen meine herzlichen Grüße. Versichert sie meines Gebetsgedenkens, meines Vertrauens und meiner Ermutigung für ihre Arbeit im Dienst an der Kirche. Ich wiederhole meine herzlichen Grüße an alle gottgeweihten Menschen: die Kontemplativen, die Mitglieder der Kongregationen und der Institute apostolischen Lebens, der Säkularinstitute, der Gesellschaften apostolischen Lebens und der neuen Gemeinschaften. Ich erneuere ihnen meine Anerkennung für das unersetzliche Zeugnis der Selbstlosigkeit, Brüderlichkeit und Hoffnung, das sie nicht nur der Kirche, sondern der ganzen Gesellschaft geben, indem sie als prophetische Zeichen des Herrn auftreten, der das Herz des Menschen zu verwandeln vermag, um es seiner Berufung immer mehr anzugleichen. Auch die alten oder kranken Ordensmänner und Ordensfrauen versichere ich meiner geistigen Nähe. Durch ihr Zeugnis der Heiligkeit und des Gebets, aber auch durch ihre Erfahrung und Weisheit haben sie bedeutenden Anteil an der missionarischen Fruchtbarkeit ihrer Institute und der Gesamtkirche. Maria, die Christus in Liebe und vollkommener Hingabe an den Willen des Vaters angenommen hat, unterstütze euch mit ihrer mütterlichen Fürsorge! Meine Gedanken tiefer Verbundenheit gelten auch allen Menschen, die in den vergangenen Wochen von den schweren Überschwemmungen in Südfrankreich betroffen waren. Ich bitte euch, ihnen mein Gebet und meine spirituelle Nähe zuzusichern. Euch und allen Gläubigen eurer Diözesen erteile ich von ganzem Herzen den Apostolischen Segen.
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