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HEILIGE MESSE AM HOCHFEST DER GOTTESMUTTER MARIA
44. WELTFRIEDENSTAG

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Petersdom
1. Januar 20
11

(Video)

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir sind noch eingetaucht in die geistliche Atmosphäre des Weihnachtsfestes, in der wir das Geheimnis der Geburt Christi betrachtet haben. Mit denselben Empfindungen feiern wir heute die Jungfrau Maria, die die Kirche als Mutter Gottes verehrt, da sie dem Sohn des ewigen Vaters einen menschlichen Leib geschenkt hat. Die biblischen Lesungen dieses Hochfestes stellen vor allem die Menschwerdung des Gottessohnes und den »Namen« des Herrn heraus. Die erste Lesung erinnert uns heute an den feierlichen Segen, den die Priester an den großen religiösen Festen über die Israeliten aussprachen: mehrmals taucht der Name des Herrn auf, der insgesamt dreimal wiederholt wird, gleichsam um die Fülle und die Kraft auszudrücken, die einer solchen Anrufung entspringt. Der Text dieses liturgischen Segens spielt in der Tat auf den Reichtum der Gnade und des Friedens an, den Gott dem Menschen schenkt, mit einer wohlwollenden Haltung ihm gegenüber, und der sich im »Leuchten« des göttlichen Angesichts und seiner »Zuwendung« zu uns zeigt.

Die Kirche hört heute erneut diese Worte, während sie den Herrn bittet, das gerade begonnene neue Jahr zu segnen – im Bewußtsein, daß angesichts der tragischen Ereignisse, die die Geschichte kennzeichnen, und angesichts der Logik des Krieges, die leider noch nicht ganz überwunden ist, nur Gott das menschliche Herz im Innersten berühren und der Menschheit Hoffnung und Frieden gewährleisten kann. Daher ist es mittlerweile eine feste Tradition, daß die Kirche in der ganzen Welt am ersten Tag des neuen Jahres ein einstimmiges Gebet erhebt, um den Frieden zu erflehen. Es ist gut, sich zu Beginn eines neuen Wegabschnitts mit Entschiedenheit auf den Weg des Friedens zu begeben. Heute wollen wir den Schrei so vieler Männer, Frauen, Kinder und alter Menschen aufnehmen, die Opfer des Krieges sind, der entsetzlichsten und gewaltsamsten Seite der Geschichte. Wir beten heute, daß der Friede, den die Engel den Hirten in der Weihnachtsnacht verkündeten, überallhin gelangen kann: »super terram pax in hominibus bonae voluntatis « (Lk 2,14). Daher wollen wir besonders mit unserem Gebet allen Menschen und Völkern – vor allem denen, die Regierungsverantwortung tragen – helfen, immer entschiedener den Weg des Friedens zu gehen.

In der zweiten Lesung faßt der hl. Paulus in der Erlangung der Sohnschaft das von Christus vollendete Heilswerk zusammen, in das die Gestalt Mariens gleichsam eingefügt ist. Dank ihr konnte der Sohn Gottes, »geboren von einer Frau« (Gal 4,4), in der Fülle der Zeit als wahrer Mensch in die Welt kommen. Diese Erfüllung, diese Fülle bezieht sich auf die Vergangenheit und die messianischen Erwartungen, die Wirklichkeit werden, aber zugleich auch auf die Fülle im absoluten Sinn: im Fleisch gewordenen Wort Gottes hat Gott sein letztes und endgültiges Wort gesprochen. An der Schwelle eines neuen Jahrs erklingt so die Einladung, freudig dem »aufstrahlenden Licht aus der Höhe« (Lk 1,78) entgegenzugehen, weil aus christlicher Sicht die gesamte Zeit von Gott bewohnt ist, es gibt keine Zukunft, die nicht auf Christus ausgerichtet wäre, und es existiert keine Fülle außerhalb der Fülle Christi.

Der Abschnitt des heutigen Evangeliums schließt mit der Namensgebung Jesu, während Maria in Stille und innerer Betrachtung am Geheimnis ihres Sohnes teilnimmt, der in ganz einzigartiger Weise Gabe Gottes ist. Die Evangelienperikope, die wir gehört haben, stellt besonders die Hirten in den Vordergrund, die zurückkehrten und »Gott rühmten und priesen für das, was sie gehört und gesehen hatten« (Lk 2,20). Der Engel hatte ihnen verkündet, daß in der Stadt Davids, das heißt in Betlehem, der Retter geboren wurde und daß sie »das Zeichen« finden würden: ein Kind, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt (vgl. Lk 2,11–12). Sie waren eilig aufgebrochen und hatten Maria und Josef und das Kind gefunden. Wir sehen, daß der Evangelist ausgehend vom Sohn, von jenem »Kind, das in Windeln gewickelt ist«, über die Mutterschaft Mariens spricht, weil er – das Wort Gottes (Joh 1,14) – der Bezugspunkt, der Mittelpunkt des Ereignisses ist, das gerade geschieht, und weil wegen ihm die Mutterschaft Mariens als »göttlich« bezeichnet wird.

Die vorwiegende Aufmerksamkeit der heutigen Lesungen, die auf den »Sohn«, auf Jesus gerichtet ist, mindert keineswegs die Rolle der Mutter, sondern rückt sie vielmehr ins rechte Licht: Denn Maria ist die wahre Mutter Gottes gerade durch ihr vollständiges Bezogensein auf Christus. Deshalb ehrt man die Mutter, wenn man den Sohn preist, und wenn man die Mutter preist, ehrt man den Sohn. Der Titel »Mutter Gottes«, den die Liturgie heute hervorhebt, unterstreicht die einzigartige Sendung der allerseligsten Jungfrau Maria in der Heilsgeschichte: eine Sendung, die der Frömmigkeit und der Verehrung zugrunde liegt, die die Gläubigen ihr erweisen. Denn Maria hat die Gabe Gottes nicht nur für sich selbst empfangen, sondern damit sie sie der Welt bringe: durch ihre fruchtbare Jungfräulichkeit hat Gott der Menschheit das ewige Heil geschenkt (vgl. Tagesgebet). Und Maria bietet dem Volk Gottes, das in der Geschichte zur Ewigkeit pilgert, stets ihre Fürsprache und Mittlerschaft an, so wie sie das bei den Hirten von Betlehem getan hat. Sie, die dem Sohn Gottes das irdische Leben geschenkt hat, schenkt den Menschen weiterhin das göttliche Leben: Jesus selbst und seinen Heiligen Geist. Deshalb wird sie als Mutter jedes Menschen betrachtet, der zur göttlichen Gnade geboren wird, und wird zugleich als Mutter der Kirche angerufen.

Im Namen Mariens, der Mutter Gottes und der Menschen, wird seit dem 1. Januar 1968 in der ganzen Welt der Weltfriedenstag begangen. Der Friede ist eine Gabe Gottes, wie wir in der ersten Lesung gehört haben: »Der Herr … schenke dir Heil« (Num 6,26), den Frieden. Er ist das messianische Geschenk schlechthin, die erste Frucht der Liebe, die Jesus uns geschenkt hat, er ist unsere Versöhnung mit Gott, die den Frieden wiederherstellt. Der Friede ist auch ein menschlicher Wert, der im gesellschaftlichen und politischen Bereich verwirklicht werden muß, seine Wurzeln aber im Geheimnis Christi hat (vgl. II. Vat. Konzil, Konstitution Gaudium et spes, 77–90).

Ich freue mich, im Rahmen dieses feierlichen Gottesdienstes und aus Anlaß des 44. Weltfriedenstages meinen ehrerbietigen Gruß an die verehrten Damen und Herren Botschafter beim Heiligen Stuhl zu richten, verbunden mit den besten Wünschen für ihre Mission. Ein herzlicher und brüderlicher Gruß gilt außerdem meinem Staatssekretär und den anderen Verantwortlichen der Dikasterien der Römischen Kurie, mit einem besonderen Gedanken an den Präsidenten des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden und seine Mitarbeiter. Ich möchte ihnen meinen aufrichtigen Dank und meine Anerkennung aussprechen für ihr tägliches Engagement zugunsten eines friedlichen Zusammenlebens der Völker und für die immer stärkere Ausbildung eines Friedensbewußtseins in der Kirche und in der Welt. In dieser Hinsicht setzt sich die kirchliche Gemeinschaft immer mehr dafür ein, entsprechend der Vorgaben des Lehramtes zu handeln, um bei der beständigen Suche nach Frieden ein zuverlässiges geistliches Erbe an Werten und Prinzipien anzubieten. Daran wollte ich in meiner Botschaft zum heutigen Weltfriedenstag erinnern, die den Titel »Religionsfreiheit, ein Weg zum Frieden« trägt: »Die Welt braucht Gott. Sie braucht ethische und geistliche Werte, die allgemein geteilt werden. Und die Religion kann bei dieser Suche einen wertvollen Beitrag für den Aufbau einer gerechten und friedlichen sozialen Ordnung auf nationaler und internationaler Ebene leisten« (Nr. 15). Ich habe daher betont, daß die Religionsfreiheit »ein unabdingbares Element eines Rechtsstaates [ist]; man kann sie nicht verweigern, ohne zugleich alle Grundrechte und -freiheiten zu verletzen, da sie deren Zusammenfassung und Gipfel ist« (Nr. 5).

Die Menschheit darf angesichts der negativen Kraft des Egoismus und der Gewalt nicht resignieren; sie darf sich nicht an die Konflikte gewöhnen, die Opfer fordern und die Zukunft der Völker aufs Spiel setzen. Angesichts der derzeitigen bedrohlichen Spannungen, vor allem angesichts der Diskriminierungen, Übergriffe und der religiösen Intoleranz, die heute vor allem die Christen erleiden (vgl. ebd., 1), fordere ich noch einmal eindringlich dazu auf, nicht der Entmutigung und der Resignation nachzugeben. Ich fordere alle auf, dafür zu beten, daß die von mehreren Seiten unternommenen Anstrengungen, in der Welt den Frieden zu fördern und zu schaffen, zu einem guten Ende geführt werden. Für diese schwierige Aufgabe reichen Worte allein nicht, es ist der konkrete und beständige Einsatz der Verantwortlichen der Nationen vonnöten, vor allem aber ist es notwendig, daß jeder vom echten Geist des Friedens beseelt ist, der immer neu im Gebet erfleht und in den täglichen Beziehungen in allen Bereichen gelebt werden muß. Bei dieser Eucharistiefeier haben wir das Bild der Muttergottes vom »Heiligen Berg« in Viggiano zur Verehrung vor Augen, das den Menschen der Basilikata so lieb ist. Die Jungfrau Maria schenkt uns ihren Sohn, sie zeigt uns das Antlitz ihres Sohnes, des Friedensfürsten: Sie möge uns helfen, im Licht dieses Angesichts zu bleiben, das über uns leuchtet (vgl. Num 6,25), um die Zärtlichkeit Gottvaters wiederzuentdecken; sie möge uns unterstützen in der Anrufung des Heiligen Geistes, auf daß er das Antlitz der Erde erneuere und die Herzen verwandle, indem er ihre Härte löst – im Anblick der entwaffnenden Güte des Kindes, das für uns geboren worden ist. Die Mutter Gottes begleite uns in diesem neuen Jahr; sie möge für uns und für die ganze Welt das ersehnte Geschenk des Friedens erwirken. Amen.

 

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