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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE BISCHÖFE AUS PUERTO RICO
ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 30. Juni 2007

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

1. Mit großer Freude empfange ich euch, die Hirten der Kirche Gottes, die sich in Puerto Rico auf dem irdischen Pilgerweg befindet. Ihr seid zum »Ad-limina«-Besuch nach Rom gekommen, um die engen Bande zu festigen, die euch mit dem Apostolischen Stuhl verbinden. Durch jeden einzelnen von euch richte ich meinen herzlichen Gruß an die Priester, die Ordensgemeinschaften und die Laien eurer jeweiligen Teilkirchen und bringe ihnen meine Zuneigung und meine Wertschätzung zum Ausdruck.

Ich danke für die freundlichen Worte, die der Erzbischof von San Juan de Puerto Rico und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Roberto Octavio González Nieves, im Namen aller an mich gerichtet hat. In ihnen hat er die Sorgen und Hoffnungen eures Hirtendienstes zum Ausdruck gebracht, der darauf ausgerichtet ist, das Gottesvolk auf dem Weg des Heiles zu leiten und mit Nachdruck den katholischen Glauben zu verkündigen, damit die Gläubigen besser ausgebildet werden.

2. Aus den Fünfjahresberichten geht die Sorge um die Herausforderungen und Schwierigkeiten, denen ihr in diesem Augenblick der Geschichte gegenübersteht, deutlich hervor. Tatsächlich hat sich im sozialen, wirtschaftlichen und auch im religiösen Bereich in den letzten Jahren vieles gewandelt. Das hat manchmal zu einer religiösen Gleichgültigkeit und zu einem gewissen moralischen Relativismus geführt, die die christliche Praxis beeinflussen und sich indirekt auch auf das Gesellschaftsgefüge auswirken. Diese religiöse Situation ist eine Herausforderung für euch als Hirten. Sie verlangt eure Einheit, um die Gegenwart des Herrn bei den Menschen spürbarer zu machen durch gemeinsame pastorale Initiativen, die den neuen Realitäten besser entsprechen.

Es ist grundlegend, das Geschenk der Einheit, um das Jesus den Vater für seine Jünger gebeten hat (vgl. Joh 17,11), zu wahren und wachsen zu lassen. In eurer eigenen Diözese seid ihr berufen, die Einheit zu leben und zu bezeugen, die Christus für seine Kirche gewollt hat. Andererseits tragen eventuelle Unterschiede in den örtlichen Sitten und Gebräuchen – weit davon entfernt, eine Bedrohung für diese Einheit darzustellen – dazu bei, die Kirche aus dem gemeinsamen Glauben heraus zu bereichern. Und ihr als Nachfolger der Apostel sollt euch bemühen, »die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden« (Eph 4,3). Daher möchte ich daran erinnern, daß ihr alle, besonders die Bischöfe und Priester, zu einer unverzichtbaren Sendung berufen seid, die euch zutiefst verpflichtet: dafür zu sorgen, daß die Kirche ein Ort sei, an dem das Geheimnis der göttlichen Liebe gelehrt und gelebt wird. Das wird nur dann möglich sein, wenn man von einer echten Spiritualität der Gemeinschaft ausgeht, die in der Zusammenarbeit und im brüderlichen Leben sichtbar wird.

3. Eure vorrangige Aufmerksamkeit als Hirten muß den Priestern gelten. Sie stehen an den Vorposten der Evangelisierung und brauchen auf besondere Weise eure Fürsorge und pastorale Nähe. Eure Beziehung zu ihnen – als wahre Söhne, Freunde und Brüder – darf nicht nur institutioneller Art sein, sondern sie muß vor allem von der Liebe beseelt sein (vgl. 1 Petr 4,8). Sie soll die Vaterschaft des Bischofs zum Ausdruck bringen, die besonders den kranken und betagten Priestern gezeigt werden muß, sowie denen, die sich in schwierigen Situationen befinden.

Die Priester ihrerseits müssen daran denken, daß sie vor allem Männer Gottes sind und daher für ihr geistliches Leben und ihre ständige Weiterbildung Sorge tragen müssen. Ihr ganzer Dienst, all ihre Arbeit »muß in der Tat mit dem Gebet beginnen«, wie der hl. Albertus Magnus sagt (Kommentar zur mystischen Theologie, 15). Jeder Priester wird in dieser Begegnung mit Gott die Kraft finden, seinen Dienst mit mehr Einsatz und Hingabe zu leben und ein Vorbild der Verfügbarkeit und der Loslösung von überflüssigen Dingen zu sein.

4. Was zukünftige Priesteramtskandidaten und Kandidaten für das geweihte Leben betrifft, so muß hervorgehoben werden, wie wichtig es ist, den Herrn der Ernte ohne Unterlaß zu bitten (vgl. Mt 9,38), der Kirche in Puerto Rico viele und heilige Berufungen zu schenken. Das gilt besonders in der gegenwärtigen Situation, in der die jungen Menschen oftmals Schwierigkeiten haben, dem Ruf des Herrn zum priesterlichen oder zum geweihten Leben zu folgen. Daher muß eine besondere Berufungspastoral verstärkt werden, die die Verantwortlichen für die Jugendseelsorge anspornt, mutige Mittler für den Ruf des Herrn zu sein. Vor allem darf man keine Angst haben, es den jungen Menschen vorzuschlagen, und muß sie dann im menschlichen sowie im geistlichen Bereich ständig begleiten, damit sie die Art ihrer Berufung erkennen können.

Bezüglich der Ausbildung der Priesteramtskandidaten muß der Bischof höchste Sorgfalt darauf verwenden, die für diese Sendung am meisten geeigneten und am besten vorbereiteten Ausbilder zu wählen. Unter Berücksichtigung der konkreten Situation und der Zahl der Berufungen in Puerto Rico könnte man – in gemeinsamer Übereinkunft und im Geiste der Einheit bei der pastoralen Planung – in Erwägung ziehen, die Kräfte und Ressourcen zu vereinigen, mit dem Ziel, bessere und überzeugendere Resultate zu erzielen. Das würde eine vorteilhaftere Auswahl der Ausbilder und Professoren ermöglichen, die jedem Seminaristen helfen sollen, als »reife und ausgeglichene Persönlichkeiten« zu wachsen, die »im geistlichen Leben gefestigt sind und die die Kirche lieben« (Pastores gregis, 48). Bei dieser heiklen Arbeit müssen sich alle Priester mitverantwortlich fühlen und neue Berufungen fördern, vor allem durch das eigene Vorbild und durch die ständige Begleitung derer, die aus ihrer eigenen Pfarrgemeinde oder aus einer Bewegung hervorgegangen sind.

5. Im gesellschaftlichen Bereich breitet sich eine Mentalität aus, die an einem Laizismus orientiert ist, der nach und nach mehr oder weniger bewußt zur Verachtung oder zur Unkenntnis des Heiligen führt, wobei der Glaube in den rein privaten Bereich zurückgedrängt wird. Eine korrekte Auffassung der Religionsfreiheit ist in diesem Sinne nicht mit dieser Ideologie vereinbar, die sich manchmal als die einzige Stimme der Vernunft ausgibt.

Eine ständige Herausforderung für euch ist auch die Familie, die von vielen Verlockungen der modernen Welt umgeben ist – wie dem vorherrschenden Materialismus, der Suche nach momentanem Genuß sowie dem Mangel an Stabilität und Treue unter den Ehepaaren, die einer ständigen Beeinflussung durch die Medien ausgesetzt sind. Wenn die Ehe nicht auf dem Fels der wahren Liebe und der gegenseitigen Hingabe aufgebaut ist, dann wird sie leicht zum Opfer der Scheidungsmentalität, wobei auch der Wert des Lebens, vor allem des Lebens der Ungeborenen, außer acht gelassen wird. Dieses Panaroma zeigt die Notwendigkeit auf, eine wirksame Familienseelsorge zu verstärken – wie ihr es bereits tut –, die den christlichen Eheleuten hilft, die Grundwerte des Sakraments, das sie empfangen haben, anzunehmen. Daher sollt ihr durch euer Lehramt und mit Treue zur Lehre Christi gegenüber gewissen Tendenzen in der heutigen Gesellschaft, die den einzigartigen und unersetzlichen Wert der Ehe zwischen Mann und Frau verdunkeln oder undeutlich machen wollen, die Wahrheit der Familie als Hauskirche und Heiligtum des Lebens verkünden.

6. Die bereits erwähnte religiöse Gleichgültigkeit, die Versuchung einer leichtfertigen moralischen Permissivität sowie die Unkenntnis der christlichen Tradition mit ihrem reichen geistlichen Erbe beeinflussen die jungen Generationen sehr stark. Die Kinder und Jugendlichen haben ein Recht darauf, vom Anbeginn ihrer Unterweisung an im Glauben und zu einem gesunden Lebenswandel erzogen zu werden. Daher kann die ganzheitliche Erziehung der Kinder auch nicht vom Religionsunterricht an den Schulen absehen. Eine solide religiöse Bildung ist darüber hinaus auch ein wirksamer Schutz angesichts des Vormarsches der Sekten oder anderer religiöser Gruppierungen, die gegenwärtig weit verbreitet sind.

7. Die katholischen Gläubigen, die berufen sind, für die zeitlichen Dinge Sorge zu tragen, um sie dem göttlichen Willen gemäß zu ordnen, müssen wertvolle Zeugen ihres Glaubens in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens sein. Ihre Teilnahme am kirchlichen Leben ist darüber hinaus grundlegend, und manchmal würde ohne ihre Mitarbeit euer Apostolat als Hirten nicht »alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde« erreichen (Lumen gentium, 33).

In diesem Zusammenhang möchte ich einige wichtige Worte in Erinnerung rufen, die mein Vorgänger Johannes Paul II. auf seiner Pastoralreise nach Puerto Rico ausgesprochen hat: »Wenn ihr bei der Ausübung eures Dienstes Fragen gegenübersteht, die konkrete Optionen mit politischem Charakter betreffen, dann unterlaßt es nicht, die moralischen Grundsätze zu verkünden, die die Grundlage jeder menschlichen Aktivität darstellen. Überlaßt jedoch den Laien mit gut ausgebildetem moralischen Gewissen die Ordnung der zeitlichen Dinge gemäß dem Plan Gottes. Ihr sollt Schöpfer der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit sein, niemals der Trennung im Namen von Optionen, die das gläubige Volk rechtmäßig in seinen verschiedenen Formen wählen kann« (Ansprache an den Klerus im Sportpalast der Universität von Puerto Rico, 12.10.1984, 3).

8. Einige Teile eurer Gesellschaft leben im Überfluß, während andere großen Mangel leiden, der nicht selten in Armut übergeht. In diesem Zusammenhang ist die Großherzigkeit der Puertoricaner bekannt, die auf Hilfsappelle bei gewissen schweren Tragödien in der Welt solidarisch antworten. Es ist zu hoffen, daß dieselbe Großherzigkeit, koordiniert durch die Dienste der »Caritas« von Puerto Rico, auch angesichts jener Situationen wachsen möge, in denen Menschengruppen, Personen oder Familien vor Ort wirkliche Hilfe benötigen.

9. Liebe Brüder, die Evangelisierung und die Glaubenspraxis in Puerto Rico waren stets mit einer kindlichen Liebe zur Jungfrau Maria verbunden. Das bezeugen die Kirchen, Heiligtümer und Monumente ebenso wie die Frömmigkeitspraktiken und die volkstümlichen Feste zu Ehren der Mutter Gottes. Ihr vertraue ich eure pastoralen Pläne und Arbeiten an. Unter ihren mütterlichen Schutz stelle ich alle Priester und Ordensgemeinschaften, ebenso wie die Familien, die jungen Menschen, die Kranken und besonders die Notleidenden. Bringt allen den Gruß und die tiefe Zuneigung des Papstes, verbunden mit dem Apostolischen Segen.

 

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