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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 19. Mai 2004

 

Lesung: Psalm 32,1–2.5.10–11

1 Freude über die Vergebung
[Von David. Ein Weisheitslied.] Wohl dem, dessen Frevel vergeben und dessen Sünde bedeckt ist. 2 Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zur Last legt und dessen Herz keine Falschheit kennt.
5 Da bekannte ich dir meine Sünde und verbarg nicht länger meine Schuld vor dir. Ich sagte: Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen. Und du hast mir die Schuld vergeben. [Sela]
10 Der Frevler leidet viele Schmerzen, doch wer dem Herrn vertraut, den wird er mit seiner Huld umgeben.
11 Freut euch am Herrn und jauchzt, ihr Gerechten, jubelt alle, ihr Menschen mit redlichem Herzen!

1.. »Wohl dem, dessen Frevel vergeben und dessen Sünde bedeckt ist.« Diese Seligpreisung, mit welcher der soeben verkündete Psalm 32 beginnt, läßt uns sogleich verstehen, warum er von der christlichen Tradition unter die sieben Bußpsalmen eingereiht wurde. Nach der anfänglichen zweifachen Seligpreisung (vgl. V. 1–2) finden wir aber keine allgemeine Reflexion über Sünde und Vergebung, sondern das persönliche Zeugnis eines Bekehrten.

Die Gliederung des Psalms ist ziemlich komplex: Dem persönlichen Zeugnis (vgl. V. 3–5) folgen zwei Verse, in denen von Gefahr, Gebet und Rettung die Rede ist (vgl. V. 6–7), dann eine göttliche Verheißung und ein Rat (vgl. V. 8) sowie eine Ermahnung (vgl. V. 9); den Abschluß bilden ein antithetischer Weisheitsspruch (vgl. V. 10) und eine Einladung, sich am Herrn zu freuen (vgl. V. 11).

2. Wir betrachten jetzt nur einige Teile dieses Werkes. Der Betende beschreibt den traurigen Zustand seines Gewissens, als er »es verschwieg« (V. 3): Nachdem er schwere Schuld auf sich geladen hatte, fand er nicht den Mut, Gott seine Sünden zu bekennen. Es war eine schreckliche innere Qual, die in eindrucksvollen Bildern beschrieben wird. Die Glieder waren matt und ausgetrocknet vom hohen Fieber, dessen Glut die Lebenskraft schwächte; ununterbrochen mußte er stöhnen. Der Sünder spürte die göttliche Hand auf sich lasten, denn er wußte, daß Gott dem von seinem Geschöpf verübten Bösen nicht gleichgültig gegenübersteht, denn er ist der Hüter der Gerechtigkeit und Wahrheit.

3. Weil er es nicht mehr ertragen konnte, entschloß sich der Sünder, seine Schuld in einer mutigen Erklärung zu bekennen, die die Worte des verlorenen Sohnes aus dem Gleichnis Jesu (vgl. Lk 15,18) vorwegzunehmen scheint. In der Tat spricht er mit aufrichtigem Herzen: »Ich will dem Herrn meine Frevel bekennen.« Es sind wenige Worte, aber sie kommen aus dem Innersten: Gott antwortet sogleich mit einer großmütigen Vergebung (vgl. Ps 32,5).

Der Prophet Jeremia verkündete folgenden Aufruf Gottes: »Kehr zurück, Israel, du Abtrünnige – Spruch des Herrn! Ich schaue dich nicht mehr zornig an; denn ich bin gütig – Spruch des Herrn –, ich trage nicht ewig nach. Doch erkenne deine Schuld: Dem Herrn, deinem Gott, hast du die Treue gebrochen« (3,12–13).

So öffnet sich vor »jedem Frommen«, der bereut hat und dem vergeben wurde, ein Horizont der Sicherheit, der Zuversicht und des Friedens, trotz der Prüfungen im Leben (vgl. Ps 32,6–7). Die Zeit der Angst mag wiederkommen, aber die heranrückende Flut der Angst wird nicht mehr die Oberhand gewinnen, weil der Herr seinen Frommen an einen sicheren Ort führen wird: »Du bist mein Schutz, bewahrst mich vor Not; du rettest mich und hüllst mich in Jubel« (V. 7).

4. An dieser Stelle ergreift der Herr das Wort und verspricht, daß er von jetzt an den bekehrten Sünder führen wird. Denn es genügt nicht, rein geworden zu sein. Man muß danach den rechten Weg gehen. Wie im Buch des Jesaja (vgl. Jes 30,21) verspricht der Herr: »Ich unterweise dich und zeige dir den Weg, den du gehen sollst« (Ps 32,8), und er lädt zum Gehorsam ein. Die Weisung ist fürsorglich, ein wenig vermischt mit Ironie durch den drastischen Vergleich mit dem Maultier und dem Pferd, die Symbole des Starrsinns sind (vgl. V. 9). Denn die wahre Weisheit leitet zur Umkehr an, so daß man dem Laster und seiner gefährlichen Anziehungskraft den Rücken kehrt. Aber sie führt vor allem zum Genuß des Friedens, der aus der Befreiung und Vergebung erwächst.

In seinem Brief an die Römer bezieht sich der Apostel Paulus ausdrücklich auf den Anfang unseres Psalms, um die befreiende Gnade Christi zu preisen (vgl. Röm 4,6–8). Wir könnten ihn auf das Sakrament der Versöhnung anwenden. In ihm spürt man im Licht des Psalms das Bewußtsein von der Sünde, das in unseren Tagen oft getrübt ist, und zugleich die Freude über die Vergebung. Das Wortpaar »Sünde und Strafe« wird durch das Wortpaar »Sünde und Vergebung« ersetzt, weil der Herr ein Gott ist, »der Tausenden Huld bewahrt, Schuld, Sünde und Frevel hinwegnimmt« (Ex 34,7).

5. Der hl. Cyrill von Jerusalem (4. Jh.) verwendet Psalm 32, um den Katechumenen die tiefgehende Erneuerung durch die Taufe, die radikale Reinigung von jeder Sünde, zu erklären (Procatechesi Nr. 15). Auch er lobt, mit den Worten des Psalmisten, das göttliche Erbarmen. Mit seinen Worten wollen wir unsere Katechese beenden: »Gott ist barmherzig und spart nicht mit seiner Vergebung … Alle deine angehäuften Sünden übersteigen nicht die Größe der Barmherzigkeit Gottes: Die Schwere deiner Wunden übersteigt nicht die Fähigkeit des höchsten Arztes, denn du überläßt dich ihm voll Vertrauen. Offenbare dem Arzt dein Böses, und sprich zu ihm mit den Worten Davids: ›Herr, meine Sünden stehen mir immer vor Augen.‹ Dann wirst du sehen, daß sich auch folgende Worte erfüllen: ›Du hast die Gottlosigkeit meines Herzens vergeben‹« (Le Catechesi, Roma 1993, S. 52–53).


Schuld und Sünde bedrücken den Menschen. Solange er sein Versagen verschweigt, quält ihn eine innere Unruhe. Nicht nur sein Gewissen leidet, auch sein ganzes Handeln und Tun werden in Mitleidenschaft gezogen. Erst ein aufrichtiges und mutiges Bekenntnis vor Gott schenkt Befreiung. All dies enthält die Seligpreisung zu Beginn von Psalm 32: „Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zur Last legt und dessen Herz keine Falschheit kennt" (V. 2).

Im Sakrament der Buße und der Versöhnung erfahren wir Gottes Barmherzigkeit. Die Freude über die Vergebung der Sünden durch den Herrn gibt uns neue Zuversicht in den Prüfungen des Lebens. Reue und Umkehr allein genügen aber nicht. Wir müssen den Weisungen Gottes folgen und auf seinen Wegen gehen. So führt uns Gott zu Frieden und Heil.

Von Herzen heiße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen. Besonders grüße ich die Delegation der Stadt Schleswig und die Pfarrei St. Ansgar. Vertraut stets auf Gottes Barmherzigkeit! Der Herr begleite euch mit seiner verzeihenden Gnade!

Sehr herzlich grüße ich die vielen Pilger, die sich in einer großen „Wallfahrt der Völker" in Mariazell zum Gebet für Europa vereinen: Pilger aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Österreich, Polen, aus der Slowakei, aus Slowenien, Tschechien, Ungarn und aus anderen Ländern. Euch allen bin ich geistlich ganz nahe. Einen besonderen Gruß entbiete ich auch den Staatsoberhäuptern, Kardinälen, Bischöfen und Priestern, die an der festlichen Liturgie in Mariazell teilnehmen. Mit Euch und für Euch bete ich um eine gesegnete Zeit, in der alle Menschen in Frieden und Wohlergehen zusammenleben können. Die Werte, die unser heiliger christlicher Glaube vorgibt, sind dafür die beste Basis.

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Liebe Pilger! Als meinen persönlichen Legaten sende ich Euch meinen engsten Mitarbeiter, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano. Am hohen Gnadenort der Magna Mater Austriae, Magna Domina Hungarorum, Alma Mater Gentium Slavorum möge er Euer Beten und Singen leiten. Es geht um kein geringes Anliegen: Die Zukunft des Menschen auf diesem Kontinent! Ich danke Euch allen für Euer Engagement, besonders für Euer Gebet und Opfer. Gottes Heil sei Euer Lohn. Sein Segen begleite Euch!

    



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