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DICASTERIUM PRO DOCTRINA FIDEI

25. September 2023

 

Seiner Heiligkeit

Franziskus

 

Heiliger Vater,

nachdem ich von Ihnen eine Kopie Ihres Schreibens vom 11. Juli 2023 erhalten habe, in dem Sie auf fünf Dubia der Kardinäle Burke und Brandmüller antworten, bitte ich Sie um die Erlaubnis, dass das Dikasterium für die Glaubenslehre einige Absätze dieser Antworten berücksichtigen und möglicherweise zitieren darf im Hinblick auf die bessere Klärung der ihm vorgelegten Fragen.

+ Víctor Manuel Fernández
Präfekt

Ex audientia die – 25.09.2023
Franciscus

 

DUBIA

1. Dubium bezüglich der Behauptung, dass die göttliche Offenbarung angesichts der aktuellen kulturellen und anthropologischen Veränderungen neu interpretiert werden müsse.

Nach den Äußerungen einiger Bischöfe, die weder korrigiert noch zurückgenommen wurden, stellt sich die Frage, ob die göttliche Offenbarung in der Kirche gemäß den kulturellen Veränderungen unserer Zeit und gemäß der neuen anthropologischen Sichtweise, die diese Veränderungen fördern, neu interpretiert werden sollte; oder ob die göttliche Offenbarung für immer verbindlich und unveränderlich und ihr nicht zu widersprechen sei, gemäß der Weisung des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass Gott, der offenbart, „der Gehorsam des Glaubens“ gebührt (Dei Verbum 5); dass das, was zum Heil aller geoffenbart wird, „für immer unversehrt“ und lebendig bleiben und „allen Geschlechtern weitergegeben“ werden muss (7), und dass der Fortschritt im Verstehen keine Veränderung der Wahrheit der Dinge und Worte mit sich bringt, weil der Glaube „ein für alle Mal überliefert“ wurde (8), und das Lehramt dem Wort Gottes nicht übergeordnet ist, sondern nur das lehrt, was offenbart worden ist (10).

2. Dubium bezüglich der Behauptung, die weit verbreitete Praxis der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften stimme mit der Offenbarung und dem Lehramt überein (KKK 2357).

Gemäß der in der Heiligen Schrift bezeugten göttlichen Offenbarung, die die Kirche „im göttlichen Auftrag und mit Hilfe des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt“ (Dei Verbum 10): Gott erschuf „im Anfang“ den Menschen als sein Bild; männlich und weiblich erschuf er sie und er segnete sie, auf dass sie fruchtbar seien (vgl. Gen l, 27-28). Deshalb lehrt der Apostel Paulus, dass die Leugnung der geschlechtlichen Verschiedenheit eine Folge der Leugnung des Schöpfers ist (Röm l, 24-32). Deshalb die Frage: Kann die Kirche von diesem „Prinzip“ abweichen, indem sie es im Gegensatz zu dem, was Veritatis splendor 103 lehrt, als ein bloßes Ideal betrachtet und objektiv sündhafte Situationen wie gleichgeschlechtliche Partnerschaften als „mögliches Gut“ akzeptiert, ohne die geoffenbarte Lehre zu durchbrechen?

3. Dubium bezüglich der Behauptung, die Synodalität sei eine „konstitutive Dimension der Kirche“ (Const. Ap. Episcopalis Communio 6), so dass die Kirche von Natur aus synodal sei.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Bischofssynode nicht das Bischofskollegium vertritt, sondern lediglich ein beratendes Organ des Papstes ist, da die Bischöfe als Zeugen des Glaubens ihr Bekenntnis der Wahrheit nicht delegieren können, stellt sich die Frage, ob die Synodalität wirklich das oberste regulative Kriterium der ständigen Leitung der Kirche sein kann, ohne ihre von ihrem Gründer gewollte konstitutive Struktur zu verzerren, wonach die höchste und volle Autorität der Kirche sowohl vom Papst kraft seines Amtes als auch vom Bischofskollegium zusammen mit seinem Haupt, dem Papst, ausgeübt wird (Lumen Gentium 22).

4. Dubium bezüglich der Tatsache, dass Hirten und Theologen die These unterstützen, nach der „die Theologie der Kirche sich geändert hat“ und daher die Priesterweihe auch Frauen gespendet werden könne.

Nach den weder korrigierten noch zurückgenommenen Aussagen einiger hoher kirchlicher Würdenträger, mit dem II. Vatikanum gebe es eine andere Theologie der Kirche und eine andere Bedeutung der Messe, stellt sich die Frage, ob die Weisung des Zweiten Vatikanischen Konzils noch ihre Gültigkeit behält, wonach „das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das Priestertum des Dienstes, sich dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach unterscheiden“ (Lumen Gentium 10) und dass die Priester kraft der „heiligen Weihevollmacht zur Darbringung des Opfers und zur Nachlassung der Sünden“ (Presbyterorum Ordinis 2), im Namen und in der Person Christi, des Mittlers, handeln, durch den das geistliche Opfer der Gläubigen vervollkommnet wird? So fragen wir außerdem, ob die Lehre des Apostolischen Schreibens Ordinatio Sacerdotalis des heiligen Johannes Paul II., die als endgültig festzuhaltende Wahrheit lehrt, dass die Kirche keine Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, noch gültig ist, sodass diese Lehre nicht mehr einer Änderung oder freien Diskussion durch Hirten oder Theologen unterliegt.

5. Dubium bezüglich der Aussage „Vergebung ist ein Menschenrecht“ und des Beharrens des Heiligen Vaters auf der Verpflichtung, jedem und immer die Absolution zu erteilen, so dass die Reue keine notwendige Bedingung für die sakramentale Lossprechung wäre.

Gefragt wird, ob die Lehre des Konzils von Trient weiterhin in Kraft sei, nach der für die Gültigkeit der sakramentalen Beichte die Reue des Pönitenten notwendig ist, die darin besteht, die begangene Sünde zu verabscheuen und nicht mehr sündigen zu wollen (Sessio XIV, caput IV; DH 1676), so dass der Priester die Lossprechung aufschieben muss, wenn klar ist, dass diese Bedingung nicht erfüllt ist.

Vatikanstadt, den 10. Juli 2023

Walter Card. Brandmüller   Raymond Leo Card. Burke
Juan Card. Sandoval Íñiguez   Robert Card. Sarah
Joseph Card. Zen Ze-Kiun, S.D.B.    

 

Liebe Brüder,

obwohl es mir nicht immer ratsam erscheint, an mich gerichtete Fragen direkt zu beantworten, und es auch unmöglich wäre, sie alle zu beantworten, hielt ich es in diesem Fall angesichts der zeitlichen Nähe der Synode doch für angebracht, dies zu tun.

Frage 1

a) Die Antwort hängt von der Bedeutung ab, die Sie den Worten „reinterpretieren“ beilegen. Wenn es im Sinne von „besser auslegen“ verstanden wird, ist der Ausdruck gültig. In diesem Sinne hat das Zweite Vatikanische Konzil die Notwendigkeit bestätigt, dass durch den Auftrag der Exegeten – und ich möchte hinzufügen, der Theologen – „das Urteil der Kirche reift“ (II. Vat. Ökum. Konzil, Dogm. Konst.Dei Verbum, 12).

b) Wenn es also stimmt, dass die göttliche Offenbarung unveränderlich und immer verbindlich ist, muss die Kirche demütig sein und anerkennen, dass sie ihren unergründlichen Reichtum nie ausschöpft und in ihrem Verständnis weiterwachsen muss.

c) Folglich wächst sie auch in ihrem Verständnis dessen, was sie selbst in ihrem Lehramt bekräftigt hat.

d) Die kulturellen Veränderungen und die neuen Herausforderungen der Geschichte verändern die Offenbarung nicht, sondern können uns anregen, bestimmte Aspekte ihres überfließenden Reichtums, der immer mehr anbietet, besser auszudrücken.

e) Es ist unvermeidlich, dass dies zu einem besseren Ausdruck einiger früherer Aussagen des Lehramtes führen kann, und das ist so im Laufe der Geschichte auch geschehen.

f) Andererseits ist es wahr, dass das Lehramt dem Wort Gottes nicht übergeordnet ist; aber es ist gleichermaßen wahr, dass sowohl die Texte der Schrift als auch die Zeugnisse der Tradition einer Auslegung bedürfen, die es erlaubt, ihren bleibenden Gehalt von kulturellen Prägungen zu unterscheiden. Dies zeigt sich zum Beispiel in biblischen Texten (wie Ex 21,20-21) und in einigen lehramtlichen Stellungnahmen, die die Sklaverei tolerierten (vgl. Nikolaus V., Bulle Dum Diversas, 1452). Das ist kein nebensächliches Thema, da es in engem Zusammenhang mit der immerwährenden Wahrheit der unveräußerlichen Würde der menschlichen Person steht. Diese Texte bedürfen der Interpretation. Dasselbe gilt für einige neutestamentliche Erwägungen über die Frauen (1 Kor 11, 3-10; 1 Tim 2, 11-14) und andere Texte der Heiligen Schrift und Zeugnisse der Tradition, die heute nicht mehr wirklich wiederholt werden können.

g) Es ist wichtig zu betonen, dass das, was sich nicht ändern kann, das ist, was „zum Heil aller“ geoffenbart wurde (II. Vat. Ökum. Konzil, Dogm. Konst. Dei Verbum, 7). Aus diesem Grund muss die Kirche ständig unterscheiden, was für das Heil wesentlich ist und was hingegen sekundär oder weniger direkt mit diesem Ziel verbunden ist. Diesbezüglich möchte ich daran erinnern, was der heilige Thomas von Aquin sagte: „Es kommt also umso häufiger zu Fehlern, je mehr man in die spezifischen Einzelheiten absteigt (Summa Theologiae I-II, q. 94, art. 4).

h) Abschließend kann eine einzelne Formulierung einer Wahrheit niemals adäquat verstanden werden, wenn sie isoliert, losgelöst vom reichen und harmonischen Kontext der gesamten Offenbarung dargestellt wird. Die „Hierarchie der Wahrheiten“ impliziert auch, dass jede Wahrheit in angemessener Verbindung mit zentraleren Wahrheiten und mit der Lehre der Kirche als Ganzes gestellt wird. Dies kann schließlich zu verschiedenen Arten der Darlegung ein und derselben Lehre führen, auch wenn „denjenigen, die sich eine monolithische, von allen ohne Nuancierungen verteidigte Lehre erträumen, das als Unvollkommenheit und Zersplitterung erscheinen mag. Doch in Wirklichkeit hilft diese Vielfalt, die verschiedenen Aspekte des unerschöpflichen Reichtums des Evangeliums besser zu zeigen und zu entwickeln“ (Evangelii gaudium, 40). Jede theologische Strömung hat ihre Risiken, aber auch ihre Chancen.

Frage 2

a) Die Kirche hat eine sehr klare Vorstellung von der Ehe: eine ausschließliche, dauerhafte und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die von Natur aus offen ist für die Zeugung von Kindern. Nur diese Verbindung kann als „Ehe“ bezeichnet werden. Andere Formen der Verbindung verwirklichen sie nur „teilweise und in analoger Weise“ (Amoris laetitia 292), so dass sie streng genommen nicht als „Ehe“ bezeichnet werden können.

b) Es ist nicht nur eine Frage der Benennung, sondern die Wirklichkeit, die wir Ehe nennen, hat eine einzigartige wesentliche Beschaffenheit, die einen exklusiven Namen erfordert, der auf andere Wirklichkeiten nicht anwendbar ist. Sie ist zweifellos viel mehr als ein bloßes „Ideal“.

c) Aus diesem Grund vermeidet die Kirche jede Art von Ritus oder Sakramentale, die dieser Überzeugung widersprechen und den Anschein erwecken könnte, dass etwas, was nicht der Fall ist, als Ehe anerkannt wird.

d) Dennoch, in unserem Umgang mit den Menschen dürfen wir jedoch die pastorale Fürsorge nicht vernachlässigen, die alle unsere Entscheidungen und Haltungen durchdringen muss. Die Verteidigung der objektiven Wahrheit ist nicht der einzige Ausdruck dieser Fürsorge, die auch aus Aufmerksamkeit, Geduld, Verständnis, Zärtlichkeit und Ermutigung besteht. Deshalb dürfen wir keine Richter sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen.

e) Deshalb muss in pastoraler Klugheit eine angemessene Entscheidung getroffen werden, ob es Formen von Segnung gibt, die von einer oder mehreren Personen erbeten werden und die nicht eine falsche Vorstellung von der Ehe vermitteln. Denn wenn um einen Segen gebeten wird, drückt man eine Bitte um Gottes Hilfe aus, eine Bitte, besser leben zu können, das Vertrauen auf einen Vater, der uns helfen kann, besser zu leben.

f) Andererseits, auch wenn es Situationen gibt, die aus objektiver Sicht moralisch nicht akzeptiert werden können, verlangt andererseits dieselbe pastorale Fürsorge von uns, andere Menschen, deren Schuld oder Verantwortung durch verschiedene Faktoren, die die subjektive Schuldfähigkeit beeinflussen, gemildert werden kann, nicht einfach als „Sünder“ zu behandeln (vgl. Johannes Paul II., Reconciliatio et Poenitentia, 17).

g) Entscheidungen, die unter bestimmten Umständen Teil der pastoralen Klugheit sein können, müssen nicht notwendig zur Norm werden. Das heißt, es ist nicht angebracht, dass eine Diözese, eine Bischofskonferenz oder irgendeine andere kirchliche Struktur auf Dauer und offiziell Verfahren oder Riten für alle möglichen Angelegenheiten genehmigt, denn alles, „was Teil einer praktischen Unterscheidung angesichts einer bestimmten Situation ist, kann nicht zur Norm erhoben werden“, weil dies „zu einer unerträglichen Kasuistik“ Anlass gäbe (Amoris laetitia, 304). Das Kirchenrecht soll und kann nicht alles abdecken, und auch die Bischofskonferenzen mit ihren verschiedenen Dokumenten und Protokollen können dies nicht tun, da das Leben der Kirche durch viele Kanäle neben den normativen fließt.

3. Frage

a) Obwohl Sie anerkennen, dass die höchste und volle Autorität der Kirche sowohl vom Papst kraft seines Amtes als auch vom Bischofskollegium in Verbundenheit mit dessen Haupt, dem Papst, ausgeübt wird (vgl. II. Vat. Ökum. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, 22), bringen Sie selbst mit diesen Dubia Ihr Bedürfnis zur Beteiligung, Ihre Meinung frei zu äußern und mitzuarbeiten, zum Ausdruck, und mahnen so eine Form der „Synodalität“ bei der Ausübung meines Amtes an.

b) Die Kirche ist ein „Mysterium missionarischer Gemeinschaft“, aber diese Gemeinschaft ist nicht nur affektiv oder ätherisch, sondern impliziert notwendigerweise eine reale Beteiligung: Nicht nur die Hierarchie, aber auch das ganze Volk Gottes möge sich auf unterschiedliche Weise und auf verschiedenen Ebenen Gehör verschaffen und sich als Teil des Weges der Kirche fühlen. In diesem Sinne können wir sagen, dass die Synodalität als Stil und Dynamik eine wesentliche Dimension des Lebens der Kirche ist. Über diesen Punkt hat der heilige Johannes Paul II. in Novo millennio ineunte sehr schöne Worte gefunden.

c) Es ist etwas Anderes, eine bestimmte, nur einer Gruppe genehme synodale Methodologie zu sakralisieren oder aufzuzwingen, sie zur Norm und zum obligatorischen Weg für alle zu machen, da dies nur dazu führen würde, den synodalen Weg „einzufrieren“ und die unterschiedlichen Charakteristika der verschiedenen Teilkirchen und den vielfältigen Reichtum der Universalkirche zu ignorieren.

4. Frage

a) „Das allgemeine Priestertum der Gläubigen und das Amtspriestertum unterscheiden sich dem Wesen nach“ (II. Vat. Ökum. Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, 10). Es ist nicht angebracht, mit einem graduellen Unterschied zu argumentieren, denn das impliziert, dass das allgemeine Priestertum der Gläubigen als etwas „Zweitklassiges“ oder von geringerem Wert („ein niedrigerer Grad“) angesehen wird. Beide Formen des Priestertums erhellen und stützen sich gegenseitig.

b) Als der heilige Johannes Paul II. lehrte, es müsse „endgültig“ festgestellt werden, dass es unmöglich sei, Frauen die Priesterweihe zu erteilen, hat er keineswegs Frauen herabgewürdigt und die höchste Macht den Männern verliehen. Johannes Paul II. hat nämlich auch andere Dinge bekräftigt. Zum Beispiel, dass wir, wenn wir von priesterlicher Vollmacht sprechen, uns in der Sphäre der Funktion befinden, nicht in der der Würde und der Heiligkeit (vgl. Johannes Paul II., Christifideles Laici, 51). Das sind Worte, die wir noch nicht ausreichend verinnerlicht haben. Er hat auch klar daran festgehalten, dass, obwohl nur der Priester der Eucharistie vorsteht, die Aufgaben „nicht zu einer Überlegenheit der einen über die anderen führen“ (Johannes Paul II., Christifideles laici, Fußnote 190; vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Inter Insigniores, VI). Zugleich bekräftigte er, dass die priesterliche Funktion, auch wenn sie „hierarchisch“ ist, sich nicht als eine Form der Beherrschung verstehen darf, sondern „ganz auf die Heiligkeit der Glieder Christi ausgerichtet ist“ (Johannes Paul II., Mulieris dignitatem, 27). Wenn dies nicht verstanden wird und daraus nicht die praktischen Konsequenzen dieser Unterscheidungen gezogen werden, wird es schwer zu akzeptieren sein, dass das Priestertum nur Männern vorbehalten ist, und wir werden nicht in der Lage sein, die Rechte der Frauen oder die Notwendigkeit anzuerkennen, dass sie, auf unterschiedliche Weise, an der Leitung der Kirche teilnehmen.

c) Andererseits, um streng zu sein, erkennen wir an, dass noch keine klare und autoritative Lehre über das genaue Wesen einer „definitiven Erklärung“ in erschöpfender Weise entwickelt worden ist. Es handelt sich nicht um eine dogmatische Definition, obgleich sie (i.e. das Schreiben Johannes Pauls II) von allen akzeptiert werden muss. Niemand darf ihr öffentlich widersprechen, und doch kann sie Gegenstand von Untersuchungen sein, wie es der Fall der Gültigkeit der Weihen in der Anglikanischen Gemeinschaft.

5. Frage

a) Die Reue ist notwendig für die Gültigkeit der sakramentalen Lossprechung und setzt die Absicht voraus, nicht wieder zu sündigen. Aber hier kann keine Mathematik angewendet werden, und ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass der Beichtstuhl nicht mit dem Zoll verwechselt werden darf. Wir sind nicht Herren, sondern demütige Verwalter der Sakramente, die die Gläubigen nähren, denn diese Gaben des Herrn sind mehr als zu bewahrende Reliquien, denn sie sind Hilfen des Heiligen Geistes für das Leben der Menschen.

b) Es gibt viele Möglichkeiten, Reue auszudrücken. Oft ist es so, dass für Menschen mit einem sehr verletzten Selbstwertgefühl das Schuldbekenntnis oft eine grausame Folter ist, aber der bloße Akt, sich der Beichte zu nähern, ist ein symbolischer Ausdruck der Reue und der Bitte um göttliche Hilfe.

c) Auch möchte ich daran erinnern, dass „Manchmal es uns schwer fällt, der bedingungslosen Liebe in der Seelsorge Raum zu geben.“ (Amoris laetitia, 311), aber es gilt, das zu lernen. Johannes Paul II. folgend, vertrete ich die Ansicht, dass wir von den Gläubigen keine übermäßig präzisen und selbstgewissen Besserungsvorsätze verlangen sollten, die letztendlich abstrakt oder sogar selbstverherrlichend enden, und dass die Vorhersehbarkeit eines neuen Fallens „untergräbt nicht die Echtheit des Vorsatzes“ (Johannes Paul II., Brief an Card. William W. Baum und die Teilnehmer am Jahreskurs der Apostolischen Pönitentiarie, 22. März 1996, 5).

d) Und zum Schluss, es muss klar bleiben, dass alle Bedingungen, die üblicherweise im Zusammenhang mit der Beichte gelten, im Allgemeinen nicht anwendbar sind, wenn sich die Person in einer extrem quälenden Situation befindet oder wenn ihre geistigen und psychischen Fähigkeiten sehr eingeschränkt sind.

Franziskus