CODEX DES KANONISCHEN RECHTES BUCH VI STRAFBESTIMMUNGEN IN DER KIRCHE TEIL I STRAFTATEN UND STRAFEN
IM ALLGEMEINEN TITEL III DAS DEN STRAFMITTELN UNTERWORFENE SUBJEKT (Cann. 1321 – 1330)
Can. 1321 - § 1. Jeder ist so lange als unschuldig anzusehen, bis das Gegenteil
bewiesen ist.
§ 2. Niemand wird bestraft, es sei denn, die von ihm begangene äußere Verletzung
von Gesetz oder Verwaltungsbefehl ist wegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit
schwerwiegend zurechenbar.
§ 3. Von einer durch Gesetz oder Verwaltungsbefehl festgesetzten Strafe wird
betroffen, wer das Gesetz oder den Verwaltungsbefehl überlegt verletzt hat; wer
dies aber aus Unterlassung der gebotenen Sorgfalt getan hat, wird nicht
bestraft, es sei denn, das Gesetz oder der Verwaltungsbefehl sehen anderes vor.
§ 4. Ist die äußere Verletzung des Gesetzes oder des Verwaltungsbefehls erfolgt,
so wird die Zurechenbarkeit vermutet, es sei denn, anderes ist offenkundig.
Can. 1322 - Wer dauernd ohne Vernunftgebrauch ist, gilt als deliktunfähig, auch wenn
er gesund schien, als er Gesetz oder Verwaltungsbefehl verletzte.
Can. 1323 - Keiner Strafe unterworfen ist, wer bei Übertretung eines Gesetzes oder
eines Verwaltungsbefehls:
1º das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat;
2º schuldlos nicht gewusst hat, ein Gesetz oder einen Verwaltungsbefehl zu
übertreten; der Unkenntnis werden Unachtsamkeit und Irrtum gleichgestellt;
3º gehandelt hat aufgrund physischer Gewalt oder aufgrund eines Zufalls, den er
nicht voraussehen oder, soweit vorhergesehen, nicht verhindern konnte;
4º aus schwerer Furcht, wenngleich nur relativ schwer, gezwungen oder aufgrund
einer Notlage oder erheblicher Beschwernis gehandelt hat, sofern jedoch die Tat
nicht in sich schlecht ist oder zum Schaden der Seelen gereicht;
5º aus Notwehr einen gegen sich oder einen anderen handelnden ungerechten
Angreifer unter Beachtung der gebotenen Verhältnismäßigkeit abgewehrt hat;
6º des Vernunftgebrauchs entbehrte, unter Beachtung der Vorschriften der cann.
1324 § 1, n. 2 und 1326 § 1, n. 4;
7º ohne Schuld geglaubt hat, einer der in den nn. 4 oder 5 aufgeführten Umstände
liege vor.
Can. 1324 - § 1. Der Urheber der Verletzung bleibt nicht straffrei, aber die im Gesetz
oder Verwaltungsbefehl festgesetzte Strafe muss gemildert werden oder an ihre
Stelle muss eine Buße treten, wenn die Straftat begangen worden ist:
1º von jemandem, der einen nur geminderten Vernunftgebrauch hatte;
2º von jemandem, der schuldhaft wegen Trunkenheit oder ähnlich gearteter
Geistestrübung ohne Vernunftgebrauch war, unter Beachtung der Vorschrift des
can. 1326 §1 n. 4;
3º aus schwerer Leidenschaft, die jedoch die Verstandesüberlegung und die
willentliche Zustimmung nicht gänzlich ausschaltete und behinderte, und nur wenn
die Leidenschaft selbst nicht willentlich hervorgerufen oder genährt wurde;
4º von einem Minderjährigen, der das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat;
5º von jemandem, der durch schwere Furcht, wenngleich nur relativ schwer,
gezwungen oder aufgrund einer Notlage oder erheblicher Beschwernis gehandelt
hat, wenn die Straftat in sich schlecht ist oder zum Schaden der Seelen
gereicht;
6º von jemandem, der aus gerechter Notwehr einen gegen sich oder einen anderen
handelnden ungerechten Angreifer abgewehrt und dabei nicht die gebotene
Verhältnismäßigkeit beachtet hat;
7º gegen einen, der schwer und ungerecht provoziert hat;
8º von jemandem, der irrtümlich, wenngleich schuldhaft, geglaubt hat, es läge
einer der in can. 1323, nn. 4 oder 5 genannten Umstände vor;
9º von jemandem, der ohne Schuld nicht gewusst hat, dass dem Gesetz oder dem
Verwaltungsbefehl eine Strafdrohung beigefügt ist;
10º von jemandem, der ohne volle Zurechenbarkeit eine Handlung vorgenommen hat,
sofern nur die Zurechenbarkeit schwerwiegend bleibt.
§ 2. Dasselbe kann der Richter tun, wenn ein anderer Umstand gegeben ist, der
die Schwere der Straftat mindert.
§ 3. Unter den in § 1 genannten Umständen trifft den Täter keine Tatstrafe; es
können gegen ihn aber leichtere Strafen verhängt oder ihm Bußen auferlegt
werden, mit dem Ziel seiner Besserung oder der Beseitigung des Ärgernisses.
Can. 1325 - Grob fahrlässige oder sorglose oder gewollte Unkenntnis kann bei der
Anwendung der Vorschriften der cann. 1323 und 1324 niemals in Betracht gezogen
werden.
Can. 1326 - § 1. Der Richter muss härter als Gesetz oder Verwaltungsbefehl es
bestimmen, bestrafen:
1º denjenigen, der nach der Verhängung oder Feststellung einer Strafe weiterhin
in seinem strafwürdigen Verhalten verharrt, sodass aus den Umständen
vernünftiger Weise auf sein Verharren im schlechten Wollen geschlossen werden
kann;
2º denjenigen, der sich in einer höheren Würde befindet oder der seine Autorität
oder sein Amt zum Begehen einer Straftat missbraucht hat;
3º denjenigen, der, obwohl eine Strafe für eine schuldhafte Straftat festgesetzt
ist, den Ausgang vorhergesehen hat und gleichwohl Vorsichtsmaßnahmen zu ihrer
Vermeidung unterlassen hat, die jeder Gewissenhafte angewendet hätte;
4º denjenigen, der eine Straftat in Trunkenheit oder anderer Geistestrübungen
begangen hat, wenn diese mit Absicht herbeigeführt wurden, um eine Straftat zu
begehen oder zu entschuldigen, sowie mit Leidenschaft, die willentlich
herbeigeführt oder genährt wurde.
§ 2. In den in § 1 vorgesehenen Fällen kann, wenn eine Tatstrafe festgesetzt
ist, eine andere Strafe oder Buße hinzugefügt werden.
§ 3. In den gleichen Fällen wird die Strafe, wenn sie als fakultativ festgelegt
ist, verpflichtend.
Can. 1327 - Das Partikulargesetz kann außer den in den cann. 1323-1326 vorgesehenen
Fällen andere Strafe ausschließende, mildernde oder erschwerende Umstände
festlegen, sei es durch allgemeine Norm, sei es für einzelne Straftaten. Ebenso
können in einem Strafbefehl Umstände festgelegt werden, die von der im
Strafbefehl festgesetzten Strafe befreien, sie mildern oder verschärfen.
Can. 1328 - § 1. Wer zum Begehen einer Straftat etwas getan oder unterlassen und
trotzdem unabhängig von seinem Willen die Straftat nicht vollendet hat, zieht
sich nicht die für die vollendete Straftat vorgesehene Strafe zu, es sei denn,
Gesetz oder Verwaltungsbefehl sehen anderes vor.
§ 2. Wenn Handlungen oder Unterlassungen ihrer Natur nach zur Ausführung einer
Straftat führen, kann der Täter einer Buße oder einem Strafsicherungsmittel
unterworfen werden, wenn er nicht von sich aus von der begonnenen Ausführung der
Straftat zurückgetreten ist. Ist aber Ärgernis oder anderer schwerer Schaden
oder Gefahr entstanden, so kann der Täter, auch wenn er von sich aus von der Tat
ablässt, mit einer gerechten Strafe belegt werden, die aber geringer sein muss
als die, welche für die vollendete Straftat festgelegt ist.
Can. 1329 - § 1. Diejenigen, die durch gemeinsame Planung einer Straftat mitwirken und
im Gesetz oder im Verwaltungsbefehl nicht ausdrücklich genannt sind, werden,
wenn gegen den Haupttäter Spruchstrafen festgesetzt sind, den gleichen oder
anderen Strafen derselben oder geringerer Schwere unterworfen.
§ 2. Die Mittäter, die im Gesetz oder im Verwaltungsbefehl nicht genannt werden,
ziehen sich die für eine Straftat angedrohte Tatstrafe zu, wenn ohne ihr Handeln
die Straftat nicht begangen worden wäre und die Strafe derart ist, dass sie sie
selbst treffen kann; andernfalls können sie mit Spruchstrafen belegt werden.
Can. 1330 - Eine Straftat, die in einer Erklärung oder in einer anderen Äußerung des
Willens, der Lehre oder des Wissens besteht, ist als unvollendet zu werten, wenn
niemand diese Erklärung oder Äußerung wahrnimmt. |