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HEILIGE KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

Pastorale Normen für die sakramentale Generalabsolution

 

Christus, der Herr, hat das Sakrament der Buße eingesetzt, damit die Gläubigen, die gesündigt haben, von der Barmherzigkeit Gottes die Vergebung für die Ihm zugefügte Beleidigung erhalten und sich zugleich wieder mit der Kirche versöhnen. [1] Dies hat der Herr verfügt, als er den Aposteln und ihren rechtmäßigen Nachfolgern die Vollmacht erteilte, Sünden zu vergeben. [2]

Das Konzil von Trient hat feierlich erklärt, dass vom Pönitenten für die Erlangung der vollen und vollkommenen Vergebung der Sünden drei Akte als Teile des Sakraments gefordert werden: die Reue, das Bekenntnis und die Genugtuung. Dasselbe Konzil hat auch erklärt, dass die vom Priester erteilte Absolution ein Akt richterlicher Natur ist und es nach göttlichem Recht notwendig ist, dem Priester nicht nur alle Todsünden einzeln zu beichten, sondern auch die Umstände, welche die Art der Sünden verändern, an die sich der Pönitent nach eingehender Gewissenserforschung erinnern kann. [3]

Wegen der Sorge über die Schwierigkeit, deretwegen es für die Gläubigen aufgrund des Priestermangels in manchen Regionen schwierig ist, zur individuellen Beichte zu gehen, sowie wegen der Sorge über einige irrige Theorien bezüglich der Lehre des Bußsakraments und die zunehmende, gewiss missbräuchliche Tendenz zur Generalabsolution von Gläubigen, die nur ein allgemeines Bekenntnis abgelegt haben, baten viele Ortsordinarien den Heiligen Stuhl, das christliche Volk gemäß dem eigentlichen Wesen des Bußsakraments an die Bedingungen zu erinnern, die für den rechten Gebrauch dieses Sakraments notwendig sind und diesbezüglich in den gegenwärtige Umständen einige Normen zu erlassen.

Nach eingehender Prüfung dieser Fragen sowie unter Berücksichtigung der Instruktion der Heiligen Apostolischen Pönitentierie vom 25. März 1944 erklärt diese Heilige Kongregation wie folgt:

I. Die Lehre des Konzils von Trient muss festgehalten und getreu in die Praxis umgesetzt werden. Deshalb muss die unlängst hier und da aufgekommene Gewohnheit zurückgewiesen werden, gemäß der man die Pflicht zum Bekenntnis der Todsünden zur sakramentalen Erlangung der Absolution auch durch ein allgemeines Bekenntnis oder eine sogenannte gemeinsame Bußfeier ersetzen könnte. Diese dringliche Pflicht ergibt sich nicht nur aus dem göttlichen Gebot, wie es vom Konzil von Trient erklärt wurde, sondern auch aus dem überaus großen Gut des Seelenheils, das gemäß einer jahrhundertelangen Erfahrung aus der individuellen Beichte kommt, wenn diese gut vollzogen und gut gespendet wird. Das individuelle und vollständige Bekenntnis mit der Absolution bleibt das einzige ordentliche Mittel, durch das sich die Gläubigen wieder mit Gott und mit der Kirche versöhnen, sofern sie nicht durch eine physische oder moralische Unmöglichkeit von einer solchen Beichte entschuldigt sind.

II. Es kann vorkommen, dass es unter besonderen Umständen erlaubt, ja sogar notwendig ist, mehreren Pönitenten ohne vorheriges Einzelbekenntnis die kollektive Absolution zu erteilen.

Das ist vor allem dann der Fall, wenn unmittelbare Todesgefahr besteht und zwar ein oder mehrere Priester anwesend sind, aber nicht genug Zeit bleibt, jedem Gläubigen einzeln die Beichte abzunehmen. In diesem Fall ist jedweder Priester befugt, mehreren Personen gleichzeitig die Absolution zu erteilen, vorausgesetzt – sofern zeitlich möglich – er mahnt die Gläubigen kurz daran, einen Akt der Reue zu erwecken.

III. Außer bei Todesgefahr kann mehreren Gläubigen, die nur ein allgemeines Bekenntnis abgelegt haben, aber in angemessener Weise zur Reue angehalten worden sind, auch dann die sakramentale Generalabsolution erteilt werden, wenn eine schwerwiegende Notwendigkeit besteht. Das ist der Fall, wenn in Anbetracht der großen Zahl der Pönitenten nicht genug Beichtväter zur Verfügung stehen, um den einzelnen Gläubigen in einer angemessenen Zeit die Beichte abzunehmen, wie es sich gehört, die Gläubigen also ohne eigene Schuld gezwungen wären, lange Zeit ohne die sakramentale Gnade oder die heilige Kommunion auszukommen. Das kann vor allem in Missionsländern der Fall sein, aber auch an anderen Orten und bei Gruppen von Personen, wo sich eine ähnliche Notwendigkeit ergibt.

Dies ist jedoch nicht erlaubt, wenn Beichtväter zur Verfügung stehen, aber der Zustrom von Pönitenten sehr groß ist, wie es zum Beispiel bei einem großen Fest oder einer Wallfahrt der Fall sein kann.[4]

IV. Die Ortsordinarien und, sofern es sie betrifft, auch die Priester haben die Gewissenspflicht, dafür zu sorgen, dass die Zahl der Beichtväter nicht deshalb unzureichend wird, weil einige Priester diese noble Aufgabe vernachlässigen [5] und sich stattdessen weltlichen Beschäftigungen oder anderen nicht ebenso wichtigen Aufgaben widmen. Das gilt vor allem dann, wenn diese Aufgaben auch von Diakonen oder geeigneten Laien übernommen werden können.

V. Dem Ortsordinarius obliegt es, nach Rücksprache mit den anderen Mitgliedern der Bischofskonferenz darüber zu urteilen, ob die oben genannten Bedingungen vorliegen, [6] und in der Folge festzulegen, wann es erlaubt ist, die sakramentale Absolution in kollektiver Form zu erteilen.

Sollte sich über die vom Ortsordinarius festgelegten Fälle hinaus eine schwerwiegende Notwendigkeit ergeben, mehreren Personen die sakramentale Generalabsolution  zu erteilen, ist der Priester gehalten, sich, wann immer ihm dies möglich ist, zuvor an den Ordinarius zu wenden, um die Absolution erlaubt erteilen zu können. Sollte dies nicht geschehen sein, muss er den Ordinarius so schnell wie möglich von dem eingetretenen Fall der Notwendigkeit und von der von ihm erteilten Absolution in Kenntnis setzen.

VI. Damit die Gläubigen die mehreren Personen gleichzeitig erteilte sakramentale Absolution empfangen können, ist es unbedingt erforderlich, dass sie recht disponiert sind, dass also ein jeder von ihnen die begangenen Sünden bereut; sich vornimmt, sie nicht mehr zu begehen; die Absicht zeigt, den eventuell angerichteten Schaden und Anstoß wiedergutzumachen; und die Bereitschaft hat, das Bekenntnis seiner schweren Sünden, das im Moment nicht erfolgen kann, zu gegebener Zeit nachzuholen. Über diese Dispositionen und Bedingungen, die für die Gültigkeit des Sakraments erforderlich sind, müssen die Gläubigen von den Priestern genau unterrichtet werden.

VII. All jene, denen schwere Sünden durch Generalabsolution vergeben wurden, müssen eine Ohrenbeichte ablegen, bevor sie erneut eine solche Absolution erhalten, es sei denn, sie werden aus einem gerechter Grund daran gehindert. Sie sind jedoch streng dazu verpflichtet, innerhalb eines Jahres ihren Beichtvater aufzusuchen, ausgenommen im Fall einer moralischen Unmöglichkeit. Auch für sie bleibt nämlich die Vorschrift bindend, nach der jeder Gläubige gehalten ist, wenigstens einmal im Jahr einem Priester die schweren Sünden zu beichten, die er noch nicht individuell gebeichtet hat. [7]

VIII. Die Priester sollen die Gläubigen darüber belehren, dass es für jene, die sich bewusst sind, eine Todsünde begangen zu haben, verboten ist, ihrer Verpflichtung zur Einzelbeichte wissentlich oder durch Unterlassung nicht nachzukommen, wenn ihnen ein Beichtvater zur Verfügung steht, und stattdessen auf die Gelegenheit zu warten, mit mehreren Personen gemeinsam die Generalabsolution zu erhalten. [8]

IX. Damit die Gläubigen ihrer Verpflichtung zur Einzelbeichte leicht nachkommen können, soll dafür gesorgt werden, dass an Tagen und zu Zeiten, die für die Gläubigen günstig sind, in den Kirchen Beichtväter zur Verfügung stehen.

An entlegenen und schwer zugänglichen Orten, die der Priester nur selten während des Jahres aufsucht, soll die Planung so sein, dass der Priester, soweit möglich, bei jedem seiner Besuche einem Teil der Pönitenten die sakramentale Beichte abnimmt. Die Erteilung der Generalabsolution für die anderen Pönitenten soll – vorausgesetzt, es liegen die oben genannten Bedingungen vor [9] – so erfolgen, dass alle Gläubigen wenigstens einmal im Jahr eine individuelle Beichte ablegen können.

X. Den Gläubigen muss mit Nachdruck klargemacht werden, dass gemeinsame liturgische Feiern und gemeinsame Bußriten der Vorbereitung auf eine fruchtbare Beichte der Sünden und der Besserung des Lebens sehr zuträglich sind. Es ist allerdings zu vermeiden, dass solche Feiern oder Riten mit der sakramentalen Beichte und mit der Lossprechung verwechselt werden.

Wenn die Pönitenten im Laufe solcher Feiern die Einzelbeichte abgelegt haben, soll jeder von ihnen einzeln die Absolution von dem Beichtvater erhalten, an den er sich gewandt hat. Im Fall der mehreren Personen zusammen erteilten sakramentalen Absolution muss diese stets nach dem besonderen Ritus erteilt werden, den die Heilige Kongregation für den Gottesdienst festgelegt hat. Die Feier dieses Ritus muss von der Feier der heiligen Messe deutlich getrennt sein.

XI. Wer sich in einer Situation befindet, die das Ärgernis der Gläubigen erweckt, kann ohne weiteres gemeinsam mit anderen die sakramentale Absolution erhalten, wenn er ehrliche Reue und die Bereitschaft zeigt, das Ärgernis zu beseitigen. Er soll die heilige Kommunion jedoch erst dann empfangen, wenn er das Ärgernis gemäß dem Urteil des Beichtvaters, an den er sich zuerst persönlich wenden muss, beseitigt hat.

Bezüglich der Lossprechung von den vorbehaltenen Zensuren sind die Normen des geltenden Rechtes zu beachten, wobei die Frist für den Rekurs ab der nächsten Einzelbeichte beginnt.

XII. Die Priester dürfen den Gläubigen nicht von der Praxis der häufigen Beichte oder »Andachtsbeichte« abraten. Im Gegenteil: Sie sollen ausdrücklich auf die reichen Früchte hinweisen, die diese Praxis im christlichen Leben bringt. [10] Die Priester sollen stets bereit sein, diese Beichten zu hören, wenn die Gläubigen vernünftig darum bitten. Es muss absolut vermieden werden, dass die Einzelbeichte nur schweren Sünden vorbehalten ist; das würde die Gläubigen des großen Nutzens der Beichte berauben und dem guten Namen jener schaden, die dieses Sakrament individuell empfangen wollen.

XIII. Sakramentale Absolutionen, die in kollektiver Form erteilt und bei denen die oben genannten Normen außer Acht gelassen werden, sind als schwere Missbräuche zu betrachten. Alle Hirten sind gerufen, derartige Missbräuche sorgsam zu vermeiden und sich ihrer Verantwortung für das Wohl der Seelen und die Würde des Bußsakraments bewusst zu sein.

Papst Paul VI. hat diese Normen bei der Audienz, die er dem unterzeichneten Kardinalpräfekten der Heiligen Kongregation am 16. Juni 1972 gewährt hat, in besonderer Form approbiert und ihre Promulgation angeordnet.

Rom, aus dem Palast der Kongregation für die Glaubenslehre, 16. Juni 1972.

 

Franjo Card. Šeper
Präfekt

Mons. Paul Philippe
Sekretär

 

 

[1] Vgl. Lumen gentium, Nr. 11.

[2] Vgl. Joh 20, 22 f.

[3] Vgl. Sess. XIV, Canones de sacramento paenitentiae 4, 6-9: DS 1704, 1706-1709.

[4] Vgl. Prop. 59, ex damnatis ab Innocentio XI die 2 Martii 1679: DS 2159.

[5] Vgl. Presbiterorum Ordinis, Nr. 5, 13; Christus Dominus, Nr. 30.

[6] Nr. III.

[7] Vgl. Concilium Lateranense IV, c. 21, cum Concilium Trid., Doctrina de Sacramento Paenitentiae, c. 5 De confessione et can. 7-8: DS 812; 1679-1683 et 1707-1708; vgl. auch Prop. 11 damnata a S. C. S. Officii in Decr. 24 Sept. 1665: DS 2031.

[8] Vgl. Instructio S. Paenit. Apost. diei 25 Martii 1944.

[9] Vgl. Nr. III.

[10] Vgl. Mystici Corporis, AAS 35 (1943), 235.