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KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

 

BRIEF AN GYÖRGY BULÁNYI *

 

Hochwürdiger Pater,

im Juni 1984 hat diese Kongregation gemäß ihrer Gepflogenheit einige Ihnen zugeschriebene (maschinengeschriebene) Hefte, die in bestimmten Bereichen Ungarns unter den sogenannten "Basisgemeinden" verbreitet sind, zusammen mit anderen Dokumenten, die Ihre Lehrposition betreffen, untersucht.

In dieser Untersuchung sind einige unvertretbare Lehrtendenzen deutlich geworden, die zu einem Widerspruch mit offenbarten, vom kirchlichen Lehramt autoritativ erklärten Wahrheiten führen können. Ausdruck dieser Lehrtendenzen sind einige in Bezug auf die Natur der Offenbarung festgestellte Zweideutigkeiten, ein gewisser Relativismus in der Bewertung der heiligen Bücher des Neuen Testaments und einige inkorrekte Interpretationen über den Wert des Lehramtes der Kirche und der dogmatischen Formeln, über die Autorität der Hierarchie der Kirche an sich und die Weise der Ausübung dieser Autorität im Bereich der Seelsorge.

Um die Bedeutung dieser Zweideutigkeiten der Lehre zu klären und um sicherzustellen, dass diese wirklich Ihnen zuzuschreiben sind, wollte diese Kongregation unter Berücksichtigung Ihrer besonderen Situation Ihnen durch einen besonderen ausdrücklich dazu ernannten Beauftragten, der persönlich mit Ihnen sprechen könnte, die Gelegenheit zu einem klärenden Dialog geben. Die Unterredung fand zwischen Ende Juni und Anfang Juli 1985 in Budapest statt. Im Hinblick darauf hatte dieses Dikasterium eine Liste von zwölf Thesen der Lehre vorbereitet, die aus den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils abgeleitet waren und die Lehre des Lehramtes der Kirche über wesentliche Aspekte des Glaubens enthielten, die in Ihren Gedanken zweideutig und unklar erschienen waren.

Diese Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden Ihnen vorgelegt und vom Beauftragten dieser Kongregation erklärt, der sie Ihnen dann überlassen hat, damit Sie über deren Inhalt nachdenken könnten, bevor Sie darauf endgültig antworten.

Am 3. Juli 1985 haben Sie diese lehramtlichen Texte unterschrieben und deren Inhalt mit der folgenden feierlichen Eidesformel angenommen: "Haec omnia spondeo me fideliter, integre, sincereque servaturum et inviolabiliter custoditurum, nusquam ab iis sive in docendo sive quomodolibet verbis scriptisque deflectendo (cf. DS 3550)". Im Text des Protokolls, das Ihren unterschriebenen Eid enthält, wollten Sie an die Kongregation für die Glaubenslehre und an Ihren Präfekten Kardinal Joseph Ratzinger einige Worte des Dankes dafür richten, dass sie Ihnen die Gelegenheit gegeben haben, persönlich mit dem Beauftragten zu sprechen.

Trotz dieses von Ihnen unterschriebenen beeideten Glaubensbekenntnisses muss diese Kongregation dennoch festhalten, dass sich nicht alle Zweifel über Ihre eindeutige und vollständige Zustimmung zum Lehramt der Kirche zerstreut haben. Denn in der Unterredung mit dem oben erwähnten Beauftragten haben Sie verlangt, dass zu den zwölf Thesen, die aus der in einigen Textes des Zweiten Vatikanischen Konzils dargelegten Lehre des kirchlichen Lehramtes extrahiert wurden, folgende These, die unter Rückgriff auf einige Abschnitte der Erklärung Dignitatis Humanae über die Religionsfreiheit ausgearbeitet wurde, als 13. These angefügt würde: "Dictamina vero legis divinae homo percipit ... mediante conscientia sua; quam tenetur fideliter sequi ... ut ad Deum ... perveniat. Non est ergo cogendus, ut contra conscientiam suam agat (DH n. 3) ... et in tantum teneatur conscientiae suae obedire (DH n. 11; cf. etiam numeros 2 ac 13)".

Im Zusammenhang Ihrer Erklärung ist die Bedeutung dieser Worte, die an sich völlig wahr sind, nicht klar. Sicherlich will Sie niemand dazu zwingen, gegen Ihr Gewissen zu handeln, dennoch lehrt das von Ihnen zitierte Dokument an einer anderen Stelle: "Christifideles autem in sua efformanda conscientia diligenter attendere debent ad sacram certamque Ecclesiae doctrinam. Christi enim voluntate Ecclesia catholica magistra est veritatis, eiusque munus est, ut Veritatem quae Christus est enuntiet atque authentice doceat, simulque principia ordinis moralis, ex ipsa humana natura profluentia, auctoritate sua declaret atque confirmet" (DH n. 14). Indem diese Kongregation nun aber von Ihnen die Zustimmung zu den Konzilstexten verlangt hat, wollte Sie Ihnen die Möglichkeit geben, öffentlich Ihre Annahme dieser Lehre kundzutun, die der Menschheit ein für alle Mal übergeben wurde und die, insofern sie einige Aspekte des offenbarten Geheimnisses ausdrückt, auch von keiner künftigen kirchlichen Ordnung geändert werden kann.

In diesem Zusammenhang erscheint das Zitat, das Sie aus Auszügen der Erklärung Dignitatis Humanae zusammengestellt haben, wie eine subjektive Bedingung, die Sie der vollen und objektiven Annahme der Lehre der Kirche stellen.

Am Ende dieser ersten Phase blieben also noch einige Zweifel über Ihre Position gegenüber der Lehre des Lehramtes der Kirche.

Inzwischen hat sich ein neuer Vorfall ereignet, der eine zweite und endgültige Phase eingeleitet hat. Denn im Verlaufe der Unterredung mit dem Beauftragten dieser Kongregation (2. Juli 1985) haben Sie zugegeben, der Autor des Heftes Egyhazrend (Ordo ecclesiasticus) zu sein und es geschrieben zu haben — das sind Ihre Worte — "post experientiam 35 annorum cum parvis cœtibus, et puto Ecclesiam in futuro habere posse aliam structuram quam nunc habet, et quidem super fundamentum communitatum de basi".

Eine detaillierte Untersuchung dieses Heftes führte in Bezug auf die von der Kirche über den Sinn der Offenbarung autoritativ vorgelegte Lehre leider zur Feststellung fehlerhafter, gefährlicher und zweideutiger Behauptungen über so wichtige Fragen wie die apostolische Sukzession, die hierarchische Struktur der Kirche und das Bischofsamt, die eindeutige Unterscheidung zwischen Priestern und Laien.

Besonders schwerwiegend erschien Ihre Meinung über die hierarchische Struktur der Kirche und die Weitergabe der priesterlichen Vollmachten innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften.

Deshalb hat es dieses Dikasterium nicht unterlassen, Ihnen in einem Brief vom vergangenen 31. Januar diese Vorbehalte zu unterbreiten, auf die Sie mit einem langen Brief vom vergangenen 28. März geantwortet haben.

Mit großer Aufmerksamkeit hat die Kongregation hat diesen Brief von Ihnen, in dem Sie im Zusammenhang der "Plagen", die der Kirche in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg auferlegt worden sind, die Geschichte Ihrer Leiden, Ihrer Seelsorgserfahrungen und Ihrer theologischen Reflexionen darlegen. Sie äußern dann eine sehr ernsthafte Kritik gegenüber der Geschichte und der gegenwärtigen Gepflogenheit dieses Dikasteriums. Die Interpretation Ihres Heftes Egyhazrend wird von Ihnen als grundlos (S. 40) und wissenschaftlich wenig seriös (S. 47) beurteilt. Sie fügen hinzu, dass es sich bei den Ihnen vorgeworfenen Punkten um noch nicht definierte Lehren, also um quaestiones disputatae, handeln könnte, bei denen kein Widerruf verlangt werden dürfte (S. 52).

Was die gegen Sie erhobenen Vorwürfe in Bezug auf die Lehre betrifft, behaupten Sie, nichts gegen die apostolische Sukzession zu haben (S. 53); sie seien nur der Meinung, noch keine hinreichend überzeugende Beweisführung seitens der Historiker gefunden zu haben, dass in apostolischer Zeit bei jeder Ordination einer der Zwölf zugegen gewesen sei. Andererseits bemerken Sie, dass es nicht nur diese Form der apostolischen Sukzession gebe: diejenigen, die zu Gemeindeleitern gewählt worden waren, konnten zu jener Zeit das Erbe Jesu durch die Zwölf auch auf andere Weise erlangen (S. 52).

Ferner schreiben Sie (S. 54), dass Ihr Heft die Wirklichkeit der gegenwärtig gültigen Unterscheidung zwischen Priestern und Laien nicht bestreitet, nach der nur die Priester und nicht die Laien die Messe feiern und die Sakramente spenden können. Und Sie fügen hinzu: "Ich verwische diese eindeutige Abgrenzung nicht einmal in meinen Träumen über die kirchliche Ordnung". Sie fahren dann fort und erklären, dass Sie überzeugt sind, dass die Kirche einerseits Jünger haben muss, die schon andere anleiten, andererseits solche, die vorerst nur angeleitet werden. Diese zweite Kategorie ist dazu berufen, sich in die erste zu entwickeln und folglich den Bischöfen vorgestellt zu werden, damit sie denen, die zu ihr gehören, die Hände auflegen.

Weiter unten, auf Seite 55, schreiben Sie noch, dass "niemand die Messe feiern kann, ohne die Handauflegung durch die Bischöfe erhalten zu haben" und dass deshalb die Praxis Ihrer Gemeinden "dieser Regel folgt".

Schließlich drücken Sie sich am Ende Ihres langen Schreibens so aus: "Meine letzte Antwort auf Ihre Aufforderung, meine in 'Ordo ecclesiasticus' aufgestellten Behauptungen zurückzuziehen, kann nur ein unmissverständliches 'nein' sein" (S. 78).

In Bezug auf diesen Brief möchte die Kongregation Sie vor allem daran erinnern, dass es nicht ihre Aufgabe ist, in eine theologische Diskussion einzutreten. Unter Beachtung ihrer eigenen Mission, den Glauben der Kirche zu schützen und zu fördern, hat sie Ihr Heft in streng auf die Lehre begrenzte Hinsicht untersucht und sich dabei auf die Punkte beschränkt, in denen Ihre Thesen sich als mit der authentischen Lehre der Kirche unvereinbar erweisen.

Folglich soll es auch in dieser endgültigen Antwort nicht um eine theologische Auseinandersetzung gehen, wie z. B. in der Diskussion Ihrer Interpretation des Kan. 6 des Konzils von Chalkedon, die im Übrigen keine historische Grundlage zu haben scheint, und auch nicht in der Diskussion über die vielfältigen historischen Aspekte der Entwicklung der Successio apostolica.

Indem sich diese Kongregation also auf die rein doktrinellen Aspekte beschränkt, nimmt sie einerseits die in Ihrem Brief enthaltenen Aussagen zur Kenntnis, auch wenn sich Ihre Gedanken in einer insgesamt wenig klaren Form darbieten; andererseits bestätigt sie ihr Urteil, dass sich in dem Heft Egyhazrend, das in den Gruppen, die sich auf Sie berufen, verbreitet ist, tatsächlich Sätze befinden, die sich so, wie sie formuliert sind, als fehlerhaft, gefährlich und zweideutig erweisen.

Denn will man nur das zentrale Thema ihres Heftes betrachten, liest man dort, dass es zwar wahr ist, dass das Zweite Vatikanische Konzil "die Aufteilung des Gottesvolkes in zwei Teile bestätigt, eine Aufteilung, die die Grundlage der gegenwärtigen kirchlichen Ordnung bildet", dass Ihr Aufsatz dagegen das Morgen vorbereiten will und folglich "die gegenwärtige kirchliche Ordnung und seine prinzipiellen Grundlagen in Frage stellen will" (2-2).

Auch wenn Sie die Unterscheidung zwischen Priester und Nicht-Priestern behandeln, beschränken Sie sich in Wirklichkeit auf die Festlegung einer "Abgrenzung zwischen denen, die unterschiedliche Grade in der allgemeinen christlichen Berufung zum Priestertum erreicht haben" (2-1-3). Zur Erläuterung behaupten Sie, dass "derjenige, der eine Gemeinde führt, Priester ist", während "derjenige, der nur Mitglied einer Gemeinde ist, aber seinerseits noch keine Gemeinde aufgebaut hat, noch nicht Priester ist".

In dieser Darstellung des "Priesters" gibt es überhaupt keinen Hinweis auf die besonderen Vollmachten, die die Priester durch die Handauflegung durch die Bischöfe als Nachfolger der Apostel erhalten.

Im Gegensatz zur Lehre des Konzils erscheint der Unterschied zwischen allgemeinem Priestertum und Amtspriestertum nur als ein gradueller und nicht als ein wesentlicher Unterschied.

Wie Ihnen bereits in dem Brief vom vergangenen 31. Januar in Erinnerung gerufen wurde, hat sich das Lehramt der Kirche zu diesen Themen im Konzil von Trient (vgl. besonders DS 1710, 1771, 1773, 1776) und im Zweiten Vatikanischen Konzil maßgeblich geäußert (vgl. LG 10; 18-29; PO 2). An diese Lehre erinnerte diese Kongregation auch jüngst in dem an die Bischöfe der katholischen Kirche gerichteten Schreiben Sacerdotium ministeriale vom 6. August 1983 (vgl. AAS 75 [1983], 1001-1009).

Ferner muss hervorgehoben werden, dass Ihr Vorschlag, auch die Frauen zum Priestertum zuzulassen (vgl. 2-2-1; 2-3) gegen die traditionelle Lehre der Kirche verstößt, die von dieser Kongregation mit der Erklärung Inter Insigniores vom 15.10.1976 (vgl. AAS 69 [1977], 98-116) bekräftigt wurde.

Im Hinblick auf diese maßgeblichen Aussagen handelt es sich also nicht mehr um Fragen, die einer freien theologischen Diskussion offenstehen.

Im Einklang mit den Behauptungen Ihres Briefes, die offenbar keine Erneuerung gegenüber der katholischen Lehre auf der Ebene der bereits autoritativ entschiedenen dogmatischen Grundsätze darstellen wollen, bittet dieses Dikasterium Sie daher zum Wohl der Gläubigen und besonders derer, bei denen Ihr Heft verbreitet ist, öffentlich Ihre Zustimmung zur Lehre der Kirche, wie sie in den oben zitierten Dokumenten ausgedrückt ist, kundzutun.

Dieses Dikasterium bestätigt andererseits, dass dieser Brief auf jeden Fall veröffentlicht wird, und so Gott will, wird Ihr Akt der Zustimmung zur Lehre der Kirche beigefügt.

Wenn Sie, wie es zu wünschen wäre, öffentlich Ihre Zustimmung zum Lehramt der Kirche über die oben erwähnten Punkte kundtun, wird auch ihre kanonische Position neu bewertet werden.

Indem diese Kongregation Ihnen den vorliegenden Brief übermittelt, der die in einer ordentlichen Versammlung getroffenen und vom Heiligen Vater bestätigten Entscheidungen widerspiegelt, übersieht sie nicht die Leiden, die Sie in der Absicht erdulden, dem Evangelium Christi und den Brüdern zu dienen. Gerade deshalb und im Vertrauen darauf, dass Sie als Priester und Ordensmann der authentischen Wahrheit des Glaubens der Kirche zuzustimmen verstehen, damit Ihr apostolischer Einsatz nicht vergeblich ist (vgl. Gal 2,2), erwartet sie von Ihnen eine Antwort, die eines Dieners des Evangeliums und eines Amtsträgers der katholischen Kirche würdig ist.

Hochachtungsvoll

 

+ Joseph Card. Ratzinger,
Präfekt

+ Alberto Bovone,
Sekretär

 

 

* Magyar Kurir, 11. Juni 1987, 313-318 (ungarische Übs.).

 

 

 

 

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