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KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

 

Note über die Moralität des Gebrauchs einiger Impfungen gegen Covid-19

 

Die Frage über den Gebrauch von Impfstoffen ist generell oft im Zentrum anhaltender Diskussionen der öffentlichen Meinung. In den letzten Monaten erhielt diese Kongregation mehrere Bitten um eine Weisung in Bezug auf den Gebrauch von Impfungen gegen das SARS-CoV-2 Virus, das Covid-19 verursacht, welche im Forschungs- und Produktionsverfahren Zelllinien benutzt haben, die aus Geweben stammen, die auf zwei Abtreibungen des vergangenen Jahrhunderts zurückgehen. In derselben Zeit haben diverse und manchmal sich widerstreitende Aussagen von Bischöfen, katholischen Vereinigungen und Fachleuten in den Massenmedien Fragen über die Sittlichkeit aufgeworfen, solche Impfstoffe zu gebrauchen.

Es gibt bereits eine wichtige Stellungnahme der Päpstlichen Akademie für das Leben in Bezug auf diese Frage, welche mit den Worten „Moralische Überlegungen zu Impfstoffen, die aus Zellen abgetriebener menschlicher Föten hergestellt werden“ überschrieben ist (5. Juni 2005). Darüber hinaus hat sich diese Kongregation mit der Instruktion Dignitas personae (8. September 2008, vgl. Nr. 34 und 35) über diesen Sachverhalt geäußert. 2017 behandelte die Päpstliche Akademie für das Leben dieses Thema wiederum in einer Note. Diese Dokumente bieten bereits einige allgemeine richtungweisende Kriterien.

Da die ersten Impfstoffe gegen Covid-19 in einigen Ländern schon zur Verteilung und zur entsprechenden Anwendung bereitstehen, möchte diese Kongregation einige Hinweise zur Klärung dieses Sachverhalts geben. Es ist nicht Absicht, über die Sicherheit und die Wirksamkeit dieser Impfstoffe zu urteilen – obwohl auch dies ethisch relevant und notwendig ist –, da diese Beurteilung in der Verantwortung der biomedizinischen Forschung und der Arzneimittelbehörden liegt. Ziel ist hier lediglich, die moralischen Aspekte in der Anwendung von Impfstoffen gegen Covid-19 zu bedenken, die aus Zelllinien aus Geweben entwickelt worden sind, die aus zwei Föten gewonnen wurden, die keine Fehlgeburt waren.

1. Wie die Instruktion Dignitas personae feststellt, gibt es in Fällen, in denen Zellen von abgetriebenen Föten zur Herstellung von Zelllinien für die wissenschaftliche Forschung verwendet werden, „differenzierte Verantwortlichkeiten“[1] bei der Mitwirkung am Bösen. Beispielsweise „tragen in Unternehmen, die Zelllinien ungerechten Ursprungs verwenden, jene, die keine Entscheidungsvollmacht haben, nicht dieselbe Verantwortung wie jene, die über die Ausrichtung der Produktion entscheiden“[2].

2. Wenn ethisch einwandfreie Covid-19-Impfstoffe nicht zur Verfügung stehen – zum Beispiel in Ländern, in denen ethisch unproblematische Impfstoffe den Ärzten oder Patienten nicht bereit gestellt werden, oder wo deren Verteilung sich aufgrund besonderer Aufbewahrungs- oder Transportbedingungen als schwieriger erweist, oder wenn im selben Land verschiedene Arten von Impfstoffen verteilt werden, aber die Gesundheitsbehörden die Bürger nicht entscheiden lassen, mit welchem Impfstoff sie geimpft werden – ist es daher sittlich erlaubt, Impfungen gegen Covid-19 zu empfangen, die in ihrer Entwicklung und Herstellung Zelllinien von abgetriebenen Föten verwendet haben.

3. Der Hauptgrund, die Anwendung dieser Impfstoffe als sittlich erlaubt zu betrachten, liegt darin, dass die Art der Mitwirkung am Übel (passive materielle Mitwirkung) der Abtreibung, von der diese Zelllinien stammen, seitens derjenigen, die die entstehenden Impfstoffe erhalten, eine entfernte Mitwirkung ist. Die moralische Pflicht, eine solche passive materielle Mitwirkung zu vermeiden, ist nicht bindend, wenn eine schwerwiegende Gefahr besteht, wie z. B. die ansonsten nicht eindämmbare Verbreitung eines schweren Krankheitserregers – in diesem Fall, die pandemische Ausbreitung des Covid-19 verursachenden SARS-CoV-2 Virus[3]. Es gilt also festzuhalten, dass alle Impfstoffe, die als klinisch sicher und wirksam anerkannt sind, in diesem Fall verwendet werden können, mit dem sicheren Gewissen, dass die Inanspruchnahme dieser Impfungen keine formale Mitwirkung an der Abtreibung, aus der die Zellen, mit denen die Impfstoffe hergestellt wurden stammen, bedeutet. Es ist allerdings zu unterstreichen, dass die moralisch zulässige Verwendung dieser Arten von Impfstoffen aufgrund der besonderen Bedingungen, die sie eben rechtfertigen, in sich keine (auch nicht indirekte) Legitimation für die Praxis der Abtreibung darstellen kann und die Missbilligung der Abtreibung seitens jener, die die Impfstoffe nutzen, voraussetzt.

4. Der erlaubte Gebrauch solcher Impfstoffe bedeutet nämlich nicht und darf in keiner Weise eine moralische Billigung der Benutzung von Zelllinien, die von abgetriebenen Föten stammen, bedeuten [4]. Deshalb sind sowohl pharmazeutische Unternehmen wie auch die staatlichen Gesundheitsbehörden aufgerufen, ethisch vertretbare Impfstoffe herzustellen, zu genehmigen, zu verteilen und anzubieten, die weder dem medizinischen Personal noch den zu Impfenden selbst Gewissensprobleme verursachen.

5. Gleichzeitig ist der praktischen Vernunft offensichtlich, dass in der Regel die Impfung keine moralische Pflicht darstellt, und dass sie deshalb freiwillig sein muss. Aus ethischer Sicht hängt die Sittlichkeit der Impfung jedenfalls nicht nur von der Pflicht zur Bewahrung der eigenen Gesundheit ab, sondern auch von der Pflicht, das Gemeinwohl zu verfolgen. In Ermangelung anderer Mittel, um die Epidemie aufzuhalten oder ihr vorzubeugen, kann die Impfung empfohlen sein, vor allem, um die Schwächsten und am meisten Gefährdeten zu schützen. Jene aber, die aus Gewissensgründen Impfstoffe, die aus von abgetriebenen Föten stammenden Zelllinien hergestellt worden sind, ablehnen, müssen sich bemühen, durch andere prophylaktische Mittel und angemessenes Verhalten zu vermeiden, dass sie selbst Überträger des ansteckenden Erregers werden. Insbesondere müssen sie jegliches Risiko für die Gesundheit jener vermeiden, die aus medizinischen oder anderen Gründen nicht geimpft werden können und am gefährdetsten sind.

6. Zuletzt besteht auch ein moralischer Imperativ für die pharmazeutische Industrie, für die Regierungen und die internationalen Organisationen zu garantieren, dass medizinisch wirksame und sichere, wie auch ethisch vertretbare Impfstoffe auch für die ärmsten Länder und ohne überzogene Kosten für sie zugänglich sein. Ein mangelnder Zugang zu Impfungen würde sonst zu einem zusätzlichen Motiv für Diskriminierung und Ungerechtigkeit werden und arme Länder zu anhaltender gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Benachteiligung verdammen [5].

Papst Franziskus hat in der dem unterzeichneten Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre am 17. Dezember 2020 gewährten Audienz die vorliegende Note geprüft und deren Veröffentlichung genehmigt.

Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 21. Dezember 2020, dem liturgischen Gedenktag des hl. Petrus Canisius.


 
Luis F. Kardinal Ladaria, S.I.       + S.E. Mons. Giacomo Morandi
Präfekt Titularerzbischof von Cerveteri
  Sekretär

 


[1] Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Dignitas personae (8. Dezember 2008), Nr. 35: AAS (100), 884.

[2] Ebd., 885.

[3] Vgl. Päpstliche Akademie für das Leben, „Moralische Überlegungen zu Impfstoffen, die aus Zellen abgetriebener menschlicher Föten hergestellt werden“, 5. Juni 2005.

[4] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Dignitas personae, Nr. 35: „Wenn das, was unerlaubt ist, durch Gesetze abgestützt wird, die das gesundheitliche und wissenschaftliche System regeln, muss man sich von den ungerechten Aspekten dieses Systems distanzieren, um nicht den Eindruck einer gewissen Toleranz oder stillschweigenden Akzeptanz von schwer ungerechten Handlungen zu geben. Dies würde nämlich dazu beitragen, die Gleichgültigkeit, wenn nicht sogar die Zustimmung zu verstärken, mit der einige medizinische und politische Kreise diese Handlungen betrachten“.

[5] Vgl. Franziskus, Ansprache an Freiwillige und Freunde des „Banco Farmaceutico“, 19. September 2020.