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DIKASTERIUM FÜR DIE GLAUBENSLEHRE
5. Juli 2024
Brief an den Bischof von Brescia
über die Verehrung von Maria Rosa Mistica (Montichiari)
Exzellenz, sehr geehrter Herr Bischof,
in Anbetracht der neuen
Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher
übernatürlicher Phänomene, die von diesem Dikasterium am 17. Mai dieses
Jahres erlassen wurden, komme ich auf das umfangreiche Dossier zurück, das Sie
uns bezüglich der mutmaßlichen Marienerscheinungen in der Ortschaft Fontanelle
di Montichiari (BS) zugesandt haben.
Wie nun bekannt ist, legen die
Normen fest, dass der Hauptzweck der
Unterscheidung bezüglich der besagten Phänomene nicht mehr darin besteht, ihre
eventuelle Übernatürlichkeit festzustellen, sondern eine doktrinär-pastorale
Bewertung dessen vorzunehmen, was ihre Verbreitung bewirkt. In diesem Sinne
übermittle ich Ihnen das lehrmäßige Urteil dieses Dikasteriums über die von
Pierina Gilli verbreiteten Botschaften als Unterstützung für die Unterscheidung,
die Sie schon seit langem vornehmen und die nun endlich zum Abschluss kommen
kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen zunächst mitteilen, dass das Dikasterium
für die Glaubenslehre in den von Pierina Gilli verbreiteten Botschaften keine
Elemente gefunden hat, die der Lehre der katholischen Kirche über Glauben und
Moral direkt widersprechen. Auch lassen sich in den Tatsachen, die mit dieser
spirituellen Erfahrung verbunden sind, keine negativen moralischen Aspekte oder
andere Kritikpunkte finden. Vielmehr kann man mehrere positive Aspekte
entdecken, die in den Botschaften insgesamt hervorstechen, und andere, die
dagegen einer Klärung bedürfen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Positive Aspekte
In den Tagebüchern von Pierina Gilli (Mailand, 2016) gibt es einen Aspekt von
großem Wert, den es hervorzuheben gilt. Pierinas Schriften drücken ein demütiges
und vollkommenes Vertrauen in das mütterliche Wirken Mariens aus, und aus diesem
Grund finden wir in ihr keine Haltungen von Geltungssucht, Selbstgenügsamkeit
oder Eitelkeit, sondern vielmehr das Bewusstsein, durch die Nähe der schönen
Frau, der mystischen Rose, ungeschuldet gesegnet worden zu sein.
So finden wir in den Tagebüchern mehrere Texte, in denen Maria, die Rose,
gepriesen wird, indem ihre mit Güte verbundene Schönheit
hervorgehoben wird, zusammen mit den Wirkungen, die diejenigen erfahren, die ihr
begegnen: ein Gefühl der Unzulänglichkeit, verbunden mit einer Erfahrung von
Liebe und großer Freude:
„Ich wünschte, ich hätte in dieser meiner armseligen Schrift geeignete und
genaue Worte, um Maria in ihrer ganzen Wirklichkeit, in ihrer ganzen Schönheit
des Paradieses, mit der sie bekleidet ist, beschreiben zu können. In meiner
Kleinheit und Unzulänglichkeit kann ich keine vollständige und angemessene
Beschreibung geben: Es würde der Engel des Himmels bedürfen, um Marias Güte und
Schönheit genau zu beschreiben. Gut!... Schön!... aber von welcher Schönheit?
Von einer Schönheit, die so viel Güte und Liebe verkörperte! Es scheint auch,
dass alles, was uns umgibt, gut wird, das heißt, man spürt in der Seele, dass
man mit einer Liebe in Berührung ist, von der man sich nicht mehr lösen kann,
weil ihre Schönheit so rein, so erhaben ist, dass sie einen dazu bringt, sich
daran zu erfreuen, so viel Freude zu besitzen, und der Mensch selbst fühlt sich
leicht, leicht, das heißt, er hat die Verbindung, das Bedürfnis, sich einfach an
dieser durchdringenden Güte und Schönheit zu erfreuen“ (Einleitung zu den
Vier Notizbüchern [1946–1983], S. 97).
„[...] Ein heller Lichtschein erschien vor meinen Augen. In diesem Augenblick
erschien mir eine große, ganz weiße Treppe, etwa fünfzehn Meter lang und etwa
fünf Meter breit. Die Seiten waren mit weißen, roten und gelben Rosen
geschmückt, die gleichsam ein Geländer bildeten. Am oberen Ende der Treppe,
inmitten eines Gartens, übersät mit üppigen Rosen, in einer Nische, ebenfalls
aus Rosen und in denselben Farben, mit den Füßen auf dem Teppich ruhend, weiß
gekleidet und mit gefalteten Händen, stand leuchtend die Muttergottes ,Mystische
Rose‘“ (8. Dezember 1947, S. 84).
„Der Grund, warum ich nicht vollständig beschreiben kann, was meine Augen sahen,
ist, dass auch meine Seele mit einer solchen Kraft ausgestattet war, dass in
dieser übermenschlichen Schönheit auch der Ausdruck edler Tugenden war, die die
Gottesmutter durch ihre Schönheit zum Ausdruck bringt. Ihr Gesicht war zart,
bekleidet mit einer unvergleichlichen Unschuld, einer jungfräulichen
Makellosigkeit, so gänzlich zart und liebenswert, dass auch meine Seele sich von
dieser Makellosigkeit engelhafter Atmosphäre erfüllt fühlte. Ich erkannte ihre
majestätische, übermenschliche Gestalt, sowohl durch die Haltung ihrer Person
als auch durch ihr Kleid, das von Licht und unbeschreiblicher Schönheit erfüllt
war, und dies ließ mich an eine unbestimmte Krone stark leuchtender Tugenden
denken, die der Mutter Gottes würdig sind. Ihre Art zu sprechen war so
durchdringend, dass erst als sie sagte: „Ich bin die Mutter Jesu und die Mutter
von euch allen“, diese Worte mit einer solchen Feinheit tiefer mütterlicher
Liebe ausgesprochen wurden, dass ich mich in diesem Augenblick als die
glücklichste, wahre Tochter Mariens fühlte. Während sie dies sagte, öffnete die
Gottesmutter ihre Arme, die sie bis dahin geschlossen hatte. Welch eine Geste
von erlesener Liebenswürdigkeit, von mütterlicher Güte begleitete ihre Liebe zu
uns. Jedes ihrer Worte, jede ihrer Haltungen berauschte mich und trieb mich zu
einer so erhabenen Liebe, dass ich spürte, dass ich nun das Ziel erreicht hatte,
das wir, arme Seelen dieser Erde, im Himmel zu erreichen wünschen, wo Gott ist,
die Muttergottes, das Paradies“ (13. Juli 1947, S. 106–107).
Es ist gut, sich hier daran zu erinnern, dass der hl. Johannes Paul II. bereits
erklärt hat, dass das, was er über Maria vorlegte, nicht als Hindernis für
unsere persönliche Begegnung mit dem Herrn zu verstehen ist, sondern als
„Verehrung der Mutter Gottes, [die] […] das Konzil aufgezeigt hat: eine
Frömmigkeitsform, die sich am christologischen Zentrum des christlichen Glaubens
orientiert“ (Ap. Schr.
Rosarium Virginis Mariae [16. Oktober 2002], Nr.
4). Folglich muss man bei der Verehrung der Jungfrau dem Grundsatz folgen, den
das Zweite Vatikanische Konzil klarstellt, „dass in der Ehrung der Mutter der
Sohn [...] richtig erkannt, geliebt, verherrlicht wird“ (LG, 66). Aus diesem
Grund ist es wichtig zu bemerken, dass Pierina, während sie diese Schönheit
Marias mit all ihrer Zuneigung und Bewunderung preist, klar anerkennt, dass
alles, was Maria in uns bewirkt, uns immer auf Jesus Christus hinordnet:
„Sie, die sich mit so viel Liebe zu unserem Wohl gezeigt hatte, die wünschte,
wir wären besser, um uns und ihren Göttlichen
Sohn Jesus eins zu machen!“ (13. Juli 1947, S. 111).
„Hier sagte ich zu ihm: ,Oh, Jesus, wie gut bist du!‘ Sie antwortete mir und
wiederholte zweimal: ,Liebe mich, Tochter‘. [...] ,Also, Tochter, liebe mich für
die, die mich nicht lieben‘. (Ich antwortete mit Ja: und dann sagte ich zu ihm
[!]: Lieber Jesus, gib uns allen, dass wir immer mehr deiner Gnade entsprechen“
(15. Oktober 1948, S. 162–163).
„[Maria sagte:] ,Mein Göttlicher Sohn Jesus Christus ist ganz Barmherzigkeit, er
ist unendlich in der Liebe zu allen seinen Kindern‘“ (27. April 1965, S. 307).
„[Maria sagte:] ,Ich bin nach Montichiari gekommen, um von der Liebe zum Herrn
zu sprechen, um die Seelen zur Liebe, zur Nächstenliebe aufzurufen, das ist die
Botschaft des flehenden Rufes der Mutter des Herrn“ (4. März 1972, S. 355).
„[Maria sagte:] ,In dieser Zeit brauchen wir [...] viel Großzügigkeit der Liebe,
wie eine Quelle, die immer gibt und nie versiegt!... Das ist es, was ich von
meinen frommen Kindern wünsche!… Liebt den Herrn, denn nur aus dieser Seinen
unendlichen Liebe werden Gnaden fließen!... [...] Nur im Herrn, in Ihm werdet
ihr die Kraft, das Vertrauen, die Hilfe finden, um wirklich ein Leben als
Christen zu führen, die die Liebe und den Frieden verwirklichen und verbreiten!“
(31. Oktober 1976, S. 391).
In der Tat gibt es eine Manifestation von Christus selbst, die in
Pierina ein tiefes Vertrauen in ihn weckte:
„Ich sah eine majestätische Person vor mir, von der ich spontan den Eindruck
hatte, dass dies der Herr war. Ich konnte mich nicht irren. Groß, schön,
majestätisch, aber streng. Er war weiß gekleidet und auch sein fußlanges Gewand
war lichtdurchflutet. Sein kastanienblondes, schulterlanges, gewelltes Haar war
auf der Stirn gescheitelt. Sobald ich Ihn vor mir sah, zeigte seine Haltung, wie
gesagt, Strenge, und ich konnte seinem Blick nicht standhalten, denn meine Seele
lag mit all ihren Sünden vor Ihm. Ich sah mein ganzes Leben vorbeiziehen, und
zitternd spürte ich, wie Sein Blick mein ganzes Inneres prüfte. Ich durchlebte
schmerzhafte Momente, denn die Sünden, die ich begangen hatte, bedeckten mich
mit Scham, weil ich den Herrn beleidigt hatte. Unter dem starken Eindruck des
Urteils konnte ich vor lauter Verwirrung keine Worte mehr stammeln. Er war es,
der mich aus dieser demütigenden Niedergeschlagenheit herausholte, und sein
erstes Wort, von so viel Süße und Liebe erfüllt, befreite mich von aller Angst
und Verwirrung. Sobald er das erste Wort – Tochter – aussprach, wie viel Frieden
und Glück überkamen meine Seele! Dann konnte ich meine Augen erheben und ihn mit
Freude ansehen. Ich spürte, dass ich in seiner Liebe und Barmherzigkeit war. Von
dem strengen Urteil war nicht einmal mehr ein Schatten zu sehen, es war spurlos
verschwunden. Als ich ihn ansah, fühlte ich mich stark zu ihm hingezogen, um ihn
zu lieben: wie gut, wie schön, wie barmherzig er war! Ich finde keine Worte, um
auszudrücken, was meine Seele zu Ihm entrückte! [...] [der Herr sagte:] ‚Halte
immer deinen Blick auf Mich gerichtet, um zu prüfen und zu erraten, was Ich von
dir will, das heißt, Ich wünsche, deine Fähigkeiten ganz in Besitz zu nehmen,
damit du immer von Meiner Liebe inspirierte Handlungen ausführen kannst‘“ (27.
Februar 1952, S. 229–230).
Gleichzeitig lädt die Jungfrau Maria laut Pierina auch dazu ein, in der Liebe
zum Herrn zu wachsen:
[„Maria sagte:] ,[Jesus] will von dir eine große Liebe, die wahre Liebe, dass du
die Liebe in allen Dingen siehst, und mit dieser Liebe musst du Jesus folgen, in
die Höhe steigen, auf den Gipfel der Heiligkeit, und nicht unten im Tal unter
den Christen bleiben, die an geistlicher Langeweile und Trägheit sterben, weil
sie das Leben der Gnade nicht leben und auskosten wollen, das der Herr ihren
Seelen schenken will und das er jeder einzelnen [Seele] schenkt‘“ (31. Dezember
1952, S. 251).
„Maria sagte: ,Der Gedanke an die Heilige Kommunion sollte dich von einer
Heiligen Kommunion zur nächsten begleiten. Die innige Vereinigung mit dem Herrn
sollte all deine Minuten in Anspruch nehmen. Das wäre ein sehr wirksames
Mittel, um dich zu heiligen; du würdest wie ein irdisches Paradies werden. Mit
dem Austausch der Liebe würde dir alles leicht werden und du würdest in jeder
Prüfung Großzügigkeit gewinnen“ (7. Juli 1947, S. 57).
Hinzu kommt der zweite Name Marias als „Mutter der Kirche“, der verhindert, dass
sich diese Verehrung in einer individualistischen Erfahrung schließt, und alle
Gläubigen auffordert, den gemeinschaftlichen Aspekt der Botschaft des
Evangeliums zu entwickeln, als Brüder und Schwestern im Volk Gottes zu wandeln,
das dient, die frohe Botschaft verkündet, Fürsprache einlegt und seine
brüderliche Pilgerreise in der Welt vollzieht. Es gibt auch Botschaften, die
einen starken Sinn für die kirchliche Gemeinschaft zum Ausdruck bringen, wie die
folgende:
„,Hört zu, meine liebe Frau, seitdem das Konzil die neue Liturgie gemacht hat,
ist sie so schön, weil wir gemeinsam beten‘. [...] [Maria fuhr mit der Erklärung
der Symbole fort, die in der Erscheinung erschienen]: ‚Diese Bälle [sie bezieht
sich auf Lichtkugeln], die ich in den Händen halte, sollen der ganzen Welt das
Symbol des Ökumenischen Konzils zeigen und wie sehr es dem Herrn gefallen hat‘“
(27. April 1965, S. 307).
An dieser Stelle muss jedoch eingeräumt werden, dass es in den Tagebüchern
von Pierina Gilli Ausdrücke gibt, die nicht immer angemessen sind und die einer
Interpretation bedürfen, um sie im Sinne der lebendigen Botschaft des
Evangeliums zu erklären. Es ist daher wichtig, dass diese zweite Reihe von
Pierinas Texten zusammen mit den bisher zitierten gelesen wird.
Einige Texte, die einer Klärung bedürfen
So kommt es, dass man bei Pierina Gilli einige Texte voller Zuneigung und
Verehrung für Maria findet, in denen der Heiligen Jungfrau gegenüber Christus
Funktionen zugeschrieben werden, die leicht in irreführender Weise interpretiert
werden können:
„[Maria sagte:] ,Ich habe mich als Mittlerin zwischen den Menschen, besonders
den religiösen Seelen, und meinem Göttlichen Sohn gestellt, der, ermüdet von den
ständigen Beleidigungen, seine Gerechtigkeit ausüben wollte‘“ (6. August 1966,
S. 123).
„[Maria sagte:] ,Nachdem ich in den Himmel aufgenommen worden war, habe ich mich
immer als Mutter-Mittlerin zwischen meinen Göttlichen Sohn Jesus Christus und
die ganze Menschheit gestellt!‘“ (S. 322).
„[Maria sagte:] ,Viel Gebet, viel Buße, viele Opfer sind nötig, um die göttliche
Gerechtigkeit durch die Barmherzigkeit Marias, Maria der Gnade, aufzuhalten‘“
(19. Februar 1954, S. 275).
„[Maria sagte:] ,Durch die Gebete, durch die Opfer so vieler hochherziger
Seelen, die für ihre sündigen Brüder und Schwestern geopfert haben... Ich,
Mutter-Mittlerin, wie viele Gnaden habe Ich vom Herrn, Meinem Göttlichen Sohn
Jesus Christus, über die Menschheit erlangt, indem Ich der Welt schreckliche
Strafen erspart habe, mit denen sie getroffen werden sollte‘“ (1. Januar 1978,
S. 408).
„[Maria sagte:] ,Ich bin als Mittlerin gekommen und habe die große Strafe, die
mein Göttlicher Sohn Jesus über die ganze Welt bringen sollte, aufgehalten. Die
Barmherzigkeit Gottes wird triumphieren‘“ (22. November – 8. Dezember 1947, S.
450).
Die Gesamtheit der Botschaften macht deutlich, dass keinesfalls ein von Distanz
und Unbarmherzigkeit geprägtes Bild von Gott bzw. Christus vermittelt werden
soll, die durch eine „Vermittlung“ Mariens „aufgehalten“ werden müssen, wie das
folgende Zitat bestätigt:
„[Maria sagte:] ,Mein Göttlicher Sohn ist immer bereit, die Gnade seiner
Barmherzigkeit auf die Welt herabzubringen‘“ (5. April 1960, S. 303).
In einigen der Texte wird die gute Absicht Pierinas deutlich, die mütterliche
Fürsprache Marias zu verherrlichen, wie eine der Botschaften deutlich macht:
„[Maria sagte:] ,Der Herr, Gott der Vater, hat der Menschheit eine Mutter
gegeben! (Pause) und nun nehme Ich, Mutter Maria, die Gebete... die Leiden so
vieler hochherziger Seelen an, und, vereint mit Meiner mütterlichen Liebe [,]
bringe ich alles dem Herrn dar‘“ (7. Juni 1978, S. 414).
Dieses Bild von Maria als „Blitzableiter“-Mittlerin, das in anderen Zeiten oft
verwendet und auch von Pierina ererbt wurde, muss jedenfalls vermieden
werden. In diesem Fall – wie die
Normen für das
Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene
nahelegen – ist zu bedenken, dass echte Früchte des Heiligen Geistes „manchmal
mit konfusen menschlichen Erfahrungen, theologisch ungenauen Äußerungen“ (Nr.
14) oder mit „rein menschlichen Elementen“ (Art. 15, § 2) verbunden erscheinen.
Andererseits, nach der Anerkennung des Ausdrucks „Rose“ vor allem als
Darstellung der einzigartigen Schönheit Marias, die unter allen Frauen gesegnet
ist, könnte das Vorhandensein von drei Rosen, die mit „Gebet – Opfer – Buße“
identifiziert werden, verkürzt erscheinen, wenn man es als einen für alle
Gläubigen gültigen Vorschlag interpretiert. Man muss bedenken, dass bei vielen
Gelegenheiten bestimmte spirituelle Botschaften eine Bedeutung haben, die
demjenigen, der sie empfängt, angemessen ist, aber sie können nicht unbedingt
als an alle Gläubigen gerichtet angesehen werden. Im konkreten Fall des Gebets,
der Buße und des Opfers handelt es sich um drei Handlungen von großem Wert, die
uns sicherlich mit Maria in ihrem fürbittenden Handeln für die Menschheit
vereinen und die wichtige Elemente in der geistlichen Erfahrung von Pierina
waren, die diese Aspekte des Evangeliums intensiv gelebt hat. Wenn wir anderen
diesen Vorschlag unterbreiten, müssen wir jedoch vermeiden, ihn so darzustellen,
als sei er der Kern, das Zentrum oder die Synthese des Evangeliums, was nur die
Nächstenliebe sein kann, wie uns das Neue Testament an mehreren Stellen in
Erinnerung ruft:
„Das ganze Gesetz ist in dem einen Wort zusammengefasst: ,Du sollst
deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘“ (Gal 5,14).
„Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir
die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod“ (1Joh 3,14).
„Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander
liebt“ (Joh 13,35).
Schließlich tauchen in den Tagebüchern einige Ausdrücke auf, die Pierina
nicht erklärt: so gibt es „Maria Erlösung“, „Maria der Gnade“, „Maria Mittlerin“
und dergleichen. In Anbetracht der Tatsache, dass solche Ausdrücke oft nicht in
geeigneter Weise interpretiert werden, muss man bedenken, dass Jesus Christus
unser einziger Erlöser ist, weil nur seine Menschheit, die hypostatisch mit der
Person des Wortes vereint ist, dem Vater das Opfer darbringen kann, das für uns
das Heil erwirkt: Das „Kreuzesopfer [bietet] die ob der Sünden des
Menschengeschlechtes geschuldete Genugtuung in überreichem und unendlichem Maße“
(Pius XII.,
Haurietis Aquas [15. Mai 1956], Nr. 26). Das geoffenbarte
Wort trägt: „Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen:
der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1Tim
2,5).
Gleichzeitig muss man sagen, dass nur der Herr in den Herzen der
Menschen wirken kann, indem er die heiligmachende Gnade schenkt, die erhebt und
verwandelt, denn die heiligmachende Gnade ist „in erster Linie die Gabe des
Heiligen Geistes, der uns rechtfertigt und heiligt“ (KKK, Nr. 2003), sie besteht darin, „daß uns Gott ungeschuldet sein Leben schenkt.
Er gießt es durch den Heiligen Geist in unsere Seele ein“ (KKK, Nr.
1999). Bei dieser Handlung, die nur Gott in der Tiefe tun kann, ohne unsere
Freiheit zu übergehen, ist keine andere Vermittlung möglich, auch nicht die der
allerseligsten Jungfrau Maria. Ihre Mitwirkung muss immer im Sinne ihrer mütterlichen
Fürsprache und im Zusammenhang mit ihrer Hilfe zur Schaffung von Voraussetzungen verstanden
werden, damit wir uns dem Wirken der heiligmachenden Gnade öffnen können. Das
Zweite Vatikanische Konzil hat erklärt, dass Gott „im geschöpflichen Bereich
eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung […]
erweckt“, weshalb „die Kirche nicht [zögert]“, „eine solche untergeordnete
Aufgabe Marias zu bekennen“ (LG, 62).
Hochwürdigste Exzellenz, wenn wir es im Lichte des Gesagte auslegen,
können wir bestätigen, dass das spirituelle Angebot, das sich aus den von
Pierina Gilli geschilderten Erfahrungen in Bezug auf „Maria Rosa Mistica“
ergibt, keine theologischen oder moralischen Elemente enthält, die der Lehre der
Kirche widersprechen.
Unter Berücksichtigung der anderen von Ihnen in dem oben erwähnten Dossier
vorgeschlagenen Beurteilungselemente, wie die vielfältigen und reichen
spirituellen und pastoralen Früchte dieser Verehrung, glauben wir, dass Sie
leicht zum Abschluss Ihrer Unterscheidung kommen können, gemäß den obengenannten
Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene.
Indem ich Ihnen dies mitteile, nutze ich die Gelegenheit, Ihnen
meine respektvollen Grüße zu übermitteln,
Víctor Manuel Card. FERNÁNDEZ
Präfekt
EX AUDIENTIA DIEI 05.07.2024
Franciscus
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