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  PONTIFICIUM CONSILIUM PRO DIALOGO INTER RELIGIONES

BOTSCHAFT ZUM ENDE DES FASTENMONATS RAMADAN  
‘ID AL-FITR 1422 EGIRA / 2001 A. D. 

IM ZEITALTER DER TECHNOLOGIEN 
DIE MENSCHLICHEN WERTE FÖRDERN
  

 

Liebe muslimische Freunde, 

1. In diesem Jahr schreibe ich Euch erneut zum Ende des Ramadan, um Euch wissen zu lassen, daß ich Eure Freude über die Beendigung des Fastenmonats und die Feier des ‘Id-al-Fitr mit Euch teile. Ich richte diese Botschaft an Euch als Zeichen der Wertschätzung und Freundschaft von seiten der katholischen Kirche. Es gibt zahlreiche Muslime, die uns auf diese alljährliche Botschaft zurückschreiben, um uns ihre Dankbarkeit auszusprechen, aber auch um ihren Standpunkt zu den darin vorgestellten Betrachtungen zu äußern. Wir sind sicher, daß die positiven Reaktionen sich nicht nur auf die beschränken, die an uns geschickt werden, sondern daß sie auch in vielen lokalen Situationen zu finden sind, in denen Muslime und Christen zusammenleben und -arbeiten. 

Ich wende mich an Euch in dem Augenblick, da Ihr jene Zeit abschließt, in der Ihr Euch durch eine besondere religiöse Praxis dem Allerhöchsten nähert. Dabei kann ich vor allem die dramatischen Ereignisse nicht vergessen, die unsere Welt gegenwärtig durchlebt und die die Herzen der Gläubigen der monotheistischen Religionen ganz besonders betreffen. Die Gläubigen, die den einen Gott anbeten, sind dazu berufen, in der Welt als Erbauer einer Zivilisation zu wirken, die auf den unvergänglichen Werten des Friedens und der Gerechtigkeit, der Einheit und der Liebe, des Dialogs und der Freiheit, der Zusammenarbeit und der Brüderlichkeit zwischen Personen und Völkern gründet. Die Gesten der Solidarität und Brüderlichkeit zwischen den Gläubigen und den Menschen guten Willens mögen die Gesellschaft auf neue Wege führen, auf denen die menschlichen Werte geachtet und gefördert werden! 

2. In diesem Jahr ist es das Thema der menschlichen Werte und ihrer Förderung in einem von bedeutenden technologischen Fortschritten geprägten Zeitalter, über das ich mit Euch nachdenken möchte. 

In der Tat leben wir in einem Zeitalter der Technologie, und dies in allen Bereichen: Transportwesen, Kommunikation, Information, Medizin, Genetik usw. Die technologischen Entwicklungen verwandeln das Antlitz der Erde immer mehr und ermöglichen es dem Menschen, sich zur Eroberung des Weltraums aufzumachen. Der interessanteste und gleichzeitig auch umstrittenste Bereich der Technologie ist allerdings jener, der den Menschen betrifft, wenn die Menschen sich nämlich mit seiner Hilfe darum bemühen, alle Geheimnisse zu ergründen, besonders im genetischen Bereich, wobei man riskiert, das menschliche Leben selbst und die ihm gebührende Achtung in Gefahr zu bringen. 

3. Ein weiterer Bereich ist die Technologie der Informatik, die eine weitreichende und schnelle Kommunikation durch das Internet ermöglicht. Wir schulden dem Schöpfer unser Lob für den menschlichen Genius, der diese Informations-, Erkenntnis-und Kommunikationsmittel hervorgebracht hat. Doch auch hier hängt es viel davon ab, wie der Mensch diese Mittel verwendet. 

4. Die Bibel spricht vom Menschen als einem Wesen, das die Erfahrung von Versuchung und Sünde macht. Sein Herz neigt zu Hochmut, Härte, Zwiespältigkeit (vgl. Spr 21, 4; Ijob 41, 16; Ps 12, 3). Die Beziehungen zwischen den Menschen können unter einer solchen Situation nur leiden. Die Überlegungen des Korans über den Menschen erinnern uns gleichermaßen daran, daß er immer versucht ist, sich in den Mittelpunkt zu stellen und denjenigen, der ihn erschaffen hat, zu vergessen. Der Mensch läßt sich zu Ungerechtigkeit und Unglauben verleiten (vgl. Koran 14, 34), obwohl sein Heil in der Unterwerfung unter den Willen Gottes liegt. 

Angesichts der Lichter und Schatten unserer Welt, wozu auch die technologischen Herausforderungen gehören, betont das II. Vatikanische Konzil: »Unter diesen Umständen zeigt sich die moderne Welt zugleich stark und schwach, in der Lage, das Beste oder das Schlimmste zu tun; für sie ist der Weg offen zu Freiheit oder Knechtschaft, Fortschritt oder Rückschritt, Brüderlichkeit oder Haß. Zudem wird nun der Mensch sich dessen bewußt, daß es seine eigene Aufgabe ist, jene Kräfte, die er selbst geweckt hat und die ihn zermalmen oder ihm dienen können, richtig zu lenken« (Gaudium et spes, 9). 

5. Was können wir Christen und Muslime gemeinsam mit den Gläubigen der anderen Religionen und den Menschen guten Willens tun, um eine sinnvolle Nutzung der neuen Möglichkeiten zu gewährleisten? 

Können wir nicht zusammenarbeiten, um die hohen menschlichen Werte zu schützen, die von einer sich ständig verändernden Welt bedroht sind? Es handelt sich hier zunächst um das Recht auf Leben, das von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu verteidigen ist. Das Leben kommt nämlich von Gott, und zu ihm muß es zurückkehren, wann Er es will. Es ist ein wertvolles Geschenk Gottes, die Voraussetzung für die weiteren Gaben Gottes. Außerdem geht es um die Würde des Menschen und um die damit zusammenhängenden Rechte, die wir zugunsten aller Menschen fördern müssen. Soziale Gerechtigkeit, Friede und Freiheit sind ebenfalls vorrangige Werte, die unerläßlich sind für ein Menschenleben in Würde, ein Leben, das dem Gott, der es geschaffen hat, zur Ehre gereicht. 

6. Wie können wir in einem Zeitalter der Technologie diese Werte gemeinsam schützen und fördern? In erster Linie durch den Dialog, der vor allem in einem offenen und freundschaftlichen Austausch besteht. Dieser Dialog, der sich insbesondere mit den ethischen Aspekten der neuen Entdeckungen befassen sollte, würde natürlich auch zu einer Zusammenarbeit in den oben angesprochenen Bereichen führen. Unser Dialog und unsere Zusammenarbeit müssen daher auf allen Ebenen durchgeführt werden:auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene. Alle sind aufgerufen, hierzu beizutragen, ein jeder entsprechend seiner Verantwortung und seinen Fähigkeiten. Das gemeinsame Handeln, zu dem wir aufgerufen sind, betrifft die gesamte Menschheit, die als große Familie angesehen wird und die in Gott ihren Ursprung und ihr Ziel hat. Daher sind die Bezugnahme auf Gott und die ständige Suche nach seinem Willen in unseren Bemühungen zur Förderung der menschlichen Werte von grundlegender Bedeutung. 

Mit meinen besten Wünschen für ein friedvolles und glückliches Leben. 

 

Francis Cardinale Arinze
Präsident
des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog

 

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