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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Drei Zeichen

Dienstag, 15. Dezember  2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 1, 8. Januar 2016

 

Welches sind die Charakteristika des Gottesvolkes? Wie soll die Kirche sein? Dies ist das Thema der Predigt, die Papst Franziskus während der Messe hielt, die er am Dienstag, 15. Dezember, in Santa Marta feierte und die vom Tagesevangelium ausging. Im Hinblick auf den Textabschnitt aus dem Matthäusevangelium (21,28-32), in dem Jesus den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes gegenüber bekräftigt: »Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr«, machte der Papst auf die »Energie« aufmerksam, mit der Jesus diejenigen getadelt hatte, die als die Meister »der Art zu Denken, zu urteilen und zu leben« gegolten hätten.

Auch der Prophet Zefanja »macht sich zum Sprachrohr Gottes und sagt: ›Weh der trotzigen, der schmutzigen, der gewalttätigen Stadt. Sie will nicht hören und nimmt sich keine Warnung zu Herzen. Sie verlässt sich nicht auf den Herrn und sucht nicht die Nähe ihres Gottes.‹« Das sei praktisch »haargenau der gleiche Tadel«, der an das »auserwählte Volk, an den Klerus jener Zeit« gerichtet worden sei. Und, so betonte der Papst, »zu einem Priester, zu einem Hohenpriester, zu sagen, dass eine Dirne im Reich Gottes heiliger sein  werde als er«, sei eine Anklage, die entschieden »schwer« sei.

Im Übrigen habe Jesus diesen Mut gehabt, die Wahrheit zu sagen«. Aber angesichts derartiger Vorwürfe, so fügte Franziskus hinzu, stelle man sich die Frage: »Wie soll die Kirche sein?« In der Tat seien die Menschen, von denen das Evangelium berichte, »Männer der Kirche« gewesen, sie seien »Kirchenführer« gewesen. Jesus sei gekommen, Johannes der Täufer sei gekommen, sie aber »hatten nicht zugehört«. Und in dem Textabschnitt aus dem Buch des Propheten [Zefanja] werde daran erinnert, dass obwohl Gott sein Volk auserwählt habe, »dieses Volk eine trotzige, eine schmutzige Stadt werde, die nicht akzeptiert, wie die Kirche sein soll bzw. wie das Volk Gottes sein soll«.

Aber angesichts dieser Zustände überbringe der Prophet Zefanja dem Volk eine Verheißung des Herrn: »Ich werde das Urteil über dich aufheben «. Das, so erläuterte der Papst, sei »der erste Schritt, damit das Volk Gottes, die Kirche, wir alle, getreu werden und fühlen, dass uns vergeben worden ist«. Und nach der Verheißung der Vergebung erfolge auch die Ausführung darüber, »wie die Kirche sein soll: ›Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn.‹ Das getreue Gottesvolk, so betonte Franziskus, müsse also diese drei Zeichen aufweisen: es muss demütig sein, arm, und voller Gottvertrauen«.

An diesem Punkt hielt der Papst ein, um jedes einzelne dieser drei Charakteristika zu analysieren. Die Kirche müsse in erster Linie »demütig« sein. Es müsse also eine Kirche sein, »die nicht mit ihrer Macht, mit ihrer Erhabenheit ein Rad schlage wie ein Pfau«. Aber Vorsicht, so warnte der Papst: »Demut ist nicht gleichzusetzen mit einer matten, schwachen Person«, die mit bescheidenem Gesichtsausdruck daherkomme, denn »das ist keine Demut, das ist Theater! Das heißt, dass man vorspiegelt, dass man demütig sei«. Die wahre Demut hingegen beginne »mit einem ersten Schritt: Ich bin ein Sünder«. Wenn du, so sagte Franziskus, »nicht dazu fähig bist, dir selbst einzugestehen, dass du ein Sünder bist und dass die anderen besser sind als du, dann bist du nicht demütig«. Also »besteht der erste Schritt in der demütigen Kirche darin, dass sie sich als Sünderin fühlt«, und dasselbe gelte für »uns alle«. Wenn jemand von uns dagegen »die Angewohnheit hat, auf die Fehler der anderen zu schauen und zu tratschen«, dann sei dieser Mensch mit Sicherheit nicht demütig, sondern »er hält sich für den Richter der anderen«. Der Prophet sage: »Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges Volk«. Und wir, so empfahl der Papst, »müssen um diese Gnade bitten, dass die Kirche demütig sei, dass ich demütig sei, dass ein jeder von uns demütig sei«.

An diesem Punkt gingen seine Überlegungen zum zweiten Zeichen über: das Volk Gottes »ist arm«. In diesem Zusammenhang erinnerte Franziskus daran, dass die Armut »die erste der Seligpreisungen« sei. Aber was heiße »selig, die arm sind vor Gott?« Es heiße, »dass man nur an den Schätzen Gottes hängt«. Das treffe mit Sicherheit nicht zu auf »eine Kirche, die am Geld klebt, die ans Geld denkt, die sich überlegt, wie sie Geld verdienen kann…«. So habe es beispielsweise Leute gegeben, so erläuterte der Papst, die »naiverweise« den Menschen gesagt hätten, dass man, um die Heilige Pforte durchschreiten zu können, »eine Spende machen müsse«: das, so versicherte der Papst klipp und klar, »ist nicht die Kirche Jesu, das ist die Kirche dieser Hohenpriester, eine Kirche, die am Geld hängt«.

Um seine Argumentation verständlicher zu machen, erinnerte Franziskus auch an die Geschichte des Diakons Laurentius, der »der Verwalter des Kirchenvermögens der Diözese war«, der, als der Kaiser ihm befahl, »die Schätze der Diözese herbeizuschaffen«, um irgendetwas zu bezahlen und zu vermeiden, dass er getötet werde, »mit den Armen« zurückgekommen sei. Und man könne auch »Bankbesitzer« sein, aber nur, wenn »dein Herz arm ist und nicht am Gelde hängt« und wenn man sich »in den Dienst« der anderen Menschen stelle. »Die Armut«, so fügte der Papst hinzu, zeichne sich gerade durch »diese Abkehr« aus, die uns dazu bringe, »den Bedürftigen zu dienen«. Und dieser Gedankengang endete mit einer Frage, die an jeden Einzelnen gerichtet war: »Bin ich arm, oder bin ich es nicht?« Schließlich dann das letzte Zeichen: Das Volk Gottes »vertraut auf den Namen des Herrn«. Auch hier wieder eine ganz direkte Frage: »Worauf setze ich mein Vertrauen? Auf die Macht, auf die Freunde, auf das Geld? Auf den Herrn?«

Das also sei »das Erbe, das uns der Herr verheißt: ›Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn.‹ Es ist demütig, weil es sich als Sünder fühlt; arm, weil sein Herz an den Reichtümern Gottes hängt, und wenn es Güter hat, sie nur dazu hat, sie zu verwalten; voller Gottvertrauen, weil es weiß, dass einzig und allein der Herr etwas garantieren kann, das ihm wohl tut«. Gerade aus diesem Grund musste Jesus den Hohenpriestern, die »diese Dinge nicht verstanden«, sagen, dass »Dirnen eher in das Reich Gottes gelangen als sie«. Und, so schloss der Papst, »in dieser Zeit der Erwartung des Herrn, von Weihnachten«, sollten wir darum bitten, dass er uns »ein demütiges Herz« schenke, ein »armes« Herz, und vor allem ein Herz, »das auf den Herrn vertraut«, denn »der Herr enttäuscht niemals«.

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