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PÄPSTLICHE KAPELLE ZUR SELIGSPRECHUNG VON 233 DIENERN GOTTES

PREDIGT VON JOHANNES PAUL II. 

Sonntag, 11. März 2001


Liebe Brüder und Schwestern! 

1. »Jesus Christus, der Herr, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes …« (vgl. Phil 3,21). Diese in der zweiten Lesung der heutigen Liturgie erklungenen Worte des hl. Paulus erinnern uns daran, daß der Himmel unsere wahre Heimat ist und Jesus unseren sterblichen Leib in einen verherrlichten wie den seinen verwandeln wird. So kommentiert der Apostel das Geheimnis der Verklärung des Herrn, das die Kirche an diesem zweiten Sonntag der Fastenzeit verkündet. Jesus wollte uns ein Zeichen und eine Prophezeiung seiner glorreichen Auferstehung geben, an der auch wir teilhaben sollen. Das, was sich in Jesus, unserem Haupt, verwirklicht hat, muß sich in uns, seinem Leib, vervollständigen. 

Dies ist das große Mysterium für das Leben der Kirche, denn die Verklärung vollzieht sich keineswegs allein im Jenseits, nach dem Tod. Das Leben der Heiligen und das Zeugnis der Märtyrer lehren uns, daß sich zwar die Verklärung des Leibes am Ende der Zeiten mit der Auferstehung des Fleisches verwirklicht, die Verklärung des Herzens findet dank der Gnade jedoch jetzt, auf dieser Erde, statt. 

Wir werden uns die Frage stellen: Wer sind diese »verklärten« Männer und Frauen? Die wunderbare Antwort lautet: Es sind diejenigen, die Christus in seinem Leben und Tod nachfolgen, sich an ihm orientieren und sich von jener Gnade erfüllen lassen, die er uns schenkt; es sind jene, die sich durch die Erfüllung des göttlichen Willens stärken; jene, die sich vom Heiligen Geist führen lassen; jene, die dem Reich Christi nichts vorziehen; jene, die andere so sehr lieben, daß sie ihr Blut für sie hingeben; jene, die bereit sind, alles zu geben, ohne etwas dafür zu verlangen; kurz gesagt, all diejenigen, die im Leben lieben und im Tod verzeihen. 

2. So lebten und starben José Aparicio Sanz und zweihundertzweiunddreißig Gefährten, Opfer der grausamen Verfolgung der Katholiken, von der Spanien in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts heimgesucht war. Es waren Männer und Frauen jedweden Alters und jedweder Herkunft: Diözesangeistliche, Ordensmänner und -frauen, Familienväter und -mütter, Jugendliche. Sie wurden ermordet, weil sie Christen waren, weil sie an Christus glaubten, weil sie aktive Glieder der Kirche waren. Aus den Seligsprechungsprozessen, die sie zu Märtyrern erklären, geht hervor, daß alle vor dem Tod ihren Peinigern aus tiefem Herzen vergeben hatten. 

Lang ist die Liste derer, die heute seliggesprochen werden, weil sie ihren Glauben bekannt und ihr Leben für ihn hingegeben haben: achtunddreißig Priester der Erzdiözese Valencia zusammen mit zahlreichen Männern und Frauen der Katholischen Aktion von Valencia; achtzehn Dominikaner und zwei Geistliche der Erzdiözese Saragoza; vier Franziskaner und sechs Minoriten; dreizehn Kapuziner, vier Kapuzinerinnen und eine Unbeschuhte Augustinerin; elf Jesuiten und ein junger Laie; zweiunddreißig Salesianer und zwei Töchter Mariens der Hilfe der Christen; neunzehn Kapuzinerterziaren von der schmerzhaften Jungfrau und eine Mitarbeiterin im Laienstand; ein Dehonianer; der Kaplan des Internats »La Salle de la Bonanova« in Barcelona zusammen mit fünf Christlichen Schulbrüdern; vierundzwanzig Karmelitinnen von der Nächstenliebe; eine Servitin; sechs Ordensschwestern des Instituts der Piaristen mit zwei Laienhelferinnen aus Uruguay, den ersten Seligen dieses lateinamerikanischen Landes; zwei Schwestern der Kongregation »de los Ancianos Desamparados«; drei Kapuzinerterziarinnen von der Heiligen Familie; eine Klarissin; und schließlich der junge Francisco Castelló y Aleu von der Katholischen Aktion Lleida. 

Die uns überlieferten Zeugnisse berichten von aufrichtigen und beispielhaften Personen, deren Martyrium ein von Arbeit, Gebet und religiösem Einsatz geprägtes Leben in den jeweiligen Familien, Pfarreien und religiösen Kongregationen besiegelt hat. Viele von ihnen standen bereits zu Lebzeiten bei ihren Mitbürgern im Ruf der Heiligkeit. Ihr vorbildliches Verhalten war gewissermaßen eine Vorbereitung auf das höchste Bekenntnis des Glauben, nämlich das Martyrium. 

Tief bewegt hören wir die Berichte über ihr Martyrium. Im Alter von dreiundachtzig Jahren wurde Maria Teresa Ferragud zusammen mit vier weiteren kontemplativen Ordensschwestern verhaftet. Am 25. Oktober 1936, am Christkönigsfest, erlitt sie und ihre vier Mitschwestern das Martyrium; auf ihren Wunsch hin wurde sie als letzte hingerichtet, um die anderen ermutigen zu können, für den Glauben zu sterben. Zutiefst von ihrem Tod beeindruckt, riefen ihre Peiniger: »Das ist eine wahre Heilige.« Keineswegs weniger vorbildlich war das Zeugnis anderer Märtyrer, wie das des zweiundzwanzigjährigen Francisco Castelló y Aleu, der angesichts der schweren Stunden nicht gewillt war, sich zu verstecken, sondern der vielmehr seine Jugend als Beweis seiner Liebe zu Gott und zu den Brüdern opferte. Er hinterließ drei Briefe, Zeugnisse seiner beispielhaften Kraft und Großherzigkeit, seiner inneren Ruhe und seines Frohsinns, die er unmittelbar vor seinem Tod an seine Schwestern, seinen Beichtvater und seine Verlobte schrieb. Ebenso der neugeweihte Priester Germán Gozalbo, der, nachdem er unzählige Demütigungen und Mißhandlungen erduldet hatte, im Alter von dreiundzwanzig Jahren, zwei Monate nach seiner ersten Meßfeier, erschossen wurde. 

3. Wie viele Beispiele christlicher Gelassenheit und Hoffnung! All diese neuen Seligen und viele weitere unbekannte Märtyrer haben den durch die Verfolgung der Katholiken und den spanischen Bürgerkrieg – jene große Tragödie des 20. Jahrhunderts – ausgelösten Haß gegen den Glauben und die Kirche mit ihrem Blut bezahlt. In diesen furchtbaren Jahren wurden zahlreiche Priester, Ordensleute und Laien getötet, lediglich weil sie aktive Mitglieder der Kirche waren. Die heute Seliggesprochenen waren nicht in politische oder ideologische Auseinandersetzungen verwickelt; es lag ihnen fern, sich einzumischen. Viele von euch, die ihr als ihre Angehörigen heute voll Freude an dieser Seligsprechung teilnehmt, wissen, daß sie allein wegen ihrer religiösen Überzeugung gestorben sind. Mit dieser feierlichen Proklamation des Martyriums möchte die Kirche nun diese Männer und Frauen als gottbegnadete Beispiele des Mutes und standhaften Glaubens anerkennen. Für uns sind sie ein Vorbild der Treue gegenüber der von ihnen bezeugten Wahrheit und gleichzeitig eine Ehre für das spanische Volk und die Kirche. 

Möge ihr segensreiches Andenken für immer jede Form von Gewalt, Haß und Groll von Spanien fernhalten! Mögen alle, insbesondere die Jugend, den Segen des Friedens in Freiheit erfahren! Immerwährender Frieden mit allen und für alle! 

4. Liebe Brüder, ich habe verschiedentlich daran erinnert, wie notwendig es ist, das Andenken der Märtyrer zu wahren. Ihr Zeugnis darf nicht vergessen werden. Sie sind der vielsagendste Beweis für die Wahrheit des Glaubens, die selbst dem gewaltsamsten Tod ein menschliches Antlitz zu geben vermag und deren Schönheit auch angesichts furchtbaren Leids erstrahlt. Die Teilkirchen müssen unbedingt alles tun, um das Andenken der Märtyrer zu erhalten. 

Zu Beginn des dritten Jahrtausends ist die pilgernde Kirche in Spanien zu einem neuen Frühling des Christentums aufgerufen, denn sie wurde vom Blut zahlreicher Märtyrer getränkt und befruchtet. »Sanguis martyrum, semen christianorum!« – Das Blut der Märtyrer ist Same für neue Christen« (vgl. Tertullian, Apol. 50, 13; CCL 1, 171). Heute wird dieser während der Verfolgungen der ersten Jahrhunderte geprägte Ausspruch zur Quelle der Hoffnung für eure apostolischen Initiativen und euren pastoralen Einsatz im Hinblick auf die nicht immer einfache Aufgabe der Neuevangelisierung. Somit könnt ihr der einzigartigen Unterstützung durch eure Märtyrer gewiß sein. Erinnert euch an ihren Mut, »schaut auf das Ende ihres Lebens, und ahmt ihren Glauben nach! Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit« (Hebr 13,7 –8).  

5. Der Fürsprache der neuen Seligen möchte ich einen tief in euren Herzen verwurzelten Wunsch anvertrauen: das Ende des Terrorismus in Spanien. Seit mehreren Jahrzehnten werdet ihr von einer Reihe schrecklicher Gewalttaten und Morde heimgesucht, die zahlreiche Opfer gefordert und großes Leid verursacht haben. Ursprung dieser zutiefst beklagenswerten Situation ist eine entartete Logik, die scharf zu verurteilen ist. Terrorismus wird aus Haß geboren und durch Haß genährt, er ist von Grund auf ungerecht und verschärft die Situationen der Ungerechtigkeit, denn er verstößt zutiefst gegen Gott und die Würde und Rechte der Menschen. Terror macht den Menschen stets zum Verlierer! Kein Beweggrund, keine Sache oder Ideologie können ihn rechtfertigen. Allein durch Frieden kann ein Volk wachsen und sich entwickeln. Terror ist der Feind der Menschheit.  

6. Meine Lieben im Herrn, auch an euch richtet sich die Stimme des Vaters im heutigen Evangelium: »Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören« (Lk 9,35). Auf Jesus hören bedeutet ihm zu folgen und ihn nachzuahmen. Auf diesem Weg hat das Kreuz eine ganz besondere Bedeutung. Zwischen ihm und unserer Verklärung besteht eine direkte Verbindung. Christus im Tode gleichgestaltet zu sein ist der Weg, der zur Auferstehung der Toten – zu unserer Wandlung in ihm (vgl. Phil 3,10 –11) – führt. Nun, in dieser Eucharistiefeier, schenkt Jesus uns seinen Leib und sein Blut, damit wir gewissermaßen bereits hier auf Erden einen Vorgeschmack bekommen auf jenen letzten Zustand, wenn wir durch die Verklärung unseres sterblichen Leibes dem verherrlichten Leib Christi gleichgestaltet sein werden. 

Möge Maria, die Königin der Märtyrer, uns helfen, auf ihren Sohn zu hören und seinem Beispiel zu folgen. Sie, die ihren göttlichen Sohn in seinem irdischen Leben begleitet hat und am Fuß des Kreuzes treu geblieben ist, bitten wir, uns jene immerwährende Treue zu Christus zu lehren, die auch in Schwierigkeiten standhält. Sie möge uns die gleiche Kraft schenken, mit der die Märtyrer ihren Glauben bezeugt haben. 

Möge sie, unsere Mutter, allen Anwesenden und ihren Familien das Geschenk des Friedens, der Freude und der festen Hoffnung gewähren.

 



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