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PASTORALBESUCH IN LIECHTENSTEIN

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II. 

Eschen-Mauren (Liechtenstein)
Sonntag, 8. September 1985

 

Durchlauchter Landesfürst!

1. Von Herzen danke ich Ihnen für den ehrenvollen Willkommensgruß, den Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes ”oben am jungen Rhein“ soeben in Ihrem eigenen Namen, im Namen der Fürstlichen Familie sowie im Namen der Behörden und der Bevölkerung von Liechtenstein an mich und meine Begleiter gerichtet haben. Mit aufrichtiger Zuneigung erwidere ich diesen Gruß und wünsche Ihnen allen, die Sie sich hier zum Empfang eingefunden haben und die Sie auf meine Ankunft zu den verschiedenen Begegnungen des heutigen Tages warten, den Frieden Christi, als dessen Zeuge und Diener ich heute, am Fest Mariä Geburt, in dieses geschätzte Fürstentum im Herzen Europas gekommen bin. Ich grüße die Fürstliche Familie, die Mitglieder des liechtensteinischen Landtages und der Regierung, die Vertreter der Behörden aus Staat und Gemeinden und alle Bürger dieses Landes. Einen besonders herzlichen Gruß richte ich an den verehrten Oberhirten der Diözese Chur, zu deren Territorium dieses Gebiet seit ältester Zeit gehört, Bischof Johannes Vonderach, sowie an den Klerus im Dekanat Liechtenstein. Ich grüße sodann alle geistlichen und weltlichen Gäste aus dem Ausland, die heute hier weilen, um mir bei diesem Pastoralbesuch nahe zu sein, und schließlich alle, die über die Medien an den Ereignissen dieses Tages teilnehmen. Allen im Lande, ob an den Orten der Begegnung oder daheim, und allen außerhalb der Grenzen des Landes Liechtenstein sage ich ein frohes ”Grüß Gott“!

2. Wie bei meinen anderen Pastoralreisen in die verschiedenen Kontinente habe ich vorhin auch hier den Heimatboden der Liechtensteiner geküßt und so meine Wertschätzung gegenüber diesem Land und seinen Bürgern und Bürgerinnen zum Ausdruck gebracht. Diese Geste der Zuneigung verstehe ich als Zeichen meiner Achtung vor der von Gott geschaffenen Welt und meiner Ehrfurcht gegenüber dem Schöpfer selbst, dem wir Menschen unsere Existenz und alles, was diese enthält, verdanken. Zugleich erinnert sie an jenen ”heiligen Kuß“, von dem der Völkerapostel sagt, daß wir damit alle Brüder begrüßen sollen . Er ist ein Zeichen der Liebe Christi selbst, die mich, seinen demütigen Stellvertreter auf Erden, drängt, den großen und kleinen Völkern an Ort und Stelle zu begegnen und ihnen die Frohbotschaft des Friedens und der Versöhnung, des Heils und der Erlösung zu bringen.

Viele Bewohner dieses Landes haben im außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung 1983 zusammen mit ihrem Bischof und ihren Seelsorgern sowie mit den staatlichen und kommunalen Autoritäten eine unvergeßliche Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus unternommen. Damals haben Sie, Durchlaucht, im Einvernehmen mit dem Ortsbischof und im Namen von Kirche und Volk dieses Landes, mich bei der Sonderaudienz am 14. Oktober 1983 zu einem Pastoralbesuch im Fürstentum Liechtenstein eingeladen. Heute bin ich hier als Gast und Pilger bei dieser Volksgemeinschaft, von der ich damals sagte, und ich wiederhole es heute: ”Die Geschichte und das Brauchtum Ihres Landes sind geprägt vom Geist des Christentums und geben dem Fürstentum Liechtenstein durch die Ehrbarkeit und den Fleiß seiner Bürger einen ehrenvollen Platz in der Gemeinschaft der Völker “.

3. Liebe Liechtensteiner, erringt diesen Platz immer aufs neue! Ruht nicht aus auf dem bisherigen Erreichten! Seid stets bereit, das Vorhandene zu vervollkommnen und zu veredeln! Eure Vorfahren sind durch alle Jahrhunderte hindurch dem katholischen Glauben treu geblieben. Viele Zeugnisse in Wort und Schrift, in Kunst und Kultur verbürgen diese Tatsache. Belebt eure Verbundenheit mit der Kirche und mit dem Bischof von Rom, der jener Kirche vorsteht, von welcher der heilige Ignatius von Antiochien schreibt, daß sie ”den Vorsitz in der Liebe führt“! Seit Beginn meines Pontifikates bin ich unterwegs, um von dieser Liebe zu künden, die auf dem Fundament der Wahrheit steht und zur Einheit verpflichtet. Als dieser Verkünder komme ich heute auch zu euch; ich möchte euch davon überzeugen, daß euer Gemeinwesen sich nur aufgrund einer inneren religiös-sittlichen Erneuerung des einzelnen Menschen und der christlichen Familie erneuern kann. Davon müßt ihr ausgehen, wenn ihr im Anschluß an meinen Pastoralbesuch in diesem eurem Heimatland eine Volksmission unter dem Motto ”Aufbruch zum Leben“ durchführen werdet.

4. Der materielle Wohlstand, der sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hier auf ungeahnte Weise einstellte und euch einen hohen Lebensstandard sichert, zeugt von der Tüchtigkeit der Bürger dieses Landes. Er verlangt jedoch zugleich eine ebenso hohe sittliche Reife und Verantwortung. Sonst verleitet er nur allzuleicht zu Bequemlichkeit, zur Befriedigung egoistischer Bedürfnisse und zur Rücksichtslosigkeit gegenüber den Mitmenschen. Er macht anfällig für Denk- und Verhaltensveisen, die mit dem Anspruch des christlichen Ethos, der auf dem Gesetz der Gottes- und Nächstenliebe gründet, nicht vereinbar sind. Bei aller Anhäufung der materiellen Guter besteht die Gefahr, den Wert und die Würde des menschlichen Lebens in seiner Ganzheit aus dem Auge zu verlieren oder gar zu mißachten. Wenn ihr wirklich zum Leben in Christus aufbrechen wollt, müßt ihr ausbrechen aus der selbstsüchtigen Welt von Habgier und bloßem genießen und euch auf jenen schmalen, aber verheißungsvollen Weg begeben, der zum eigentlichen Gipfel des Lebens führt - zur Vollendung in Gottes Ewigkeit.

Tragt aus derselben christlichen Verantwortung auch Sorge für euer liebes Heimatland und das Wohl aller Bürger. Euer schönes Land ist immer auch Nachbarland. Bei der Kleinräumigkeit der Verhältnisse wird euch die täglich bewußt. Pflegt weiter herzliche Nachbarschaft und führt den Dialog fort, den ihr schon seit langem aufgenommen habt. Bewahrt dabei eure Identität, ja lernt sie dadurch selber noch besser kennen! Mir, dem es die göttliche Vorsehung ermöglicht hat, heute in dieses Land zu kommen, ist es ein Herzensanliegen, euch auch für euren Auftrag in dieser Welt zu segnen und dem mütterlichen Schutz Mariens zu empfehlen.

 

© Copyright 1985 - Libreria Editrice Vaticana

 



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