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ORDENTLICHES ÖFFENTLICHES KONSISTORIUM
ZUR KREIERUNG NEUER KARDINÄLE

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Vatikanische Basilika
Samstag, 20. November 2010

(Video)
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Meine Herren Kardinäle,
verehrte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Der Herr gewährt mir die Freude, erneut diesen feierlichen Akt durchzuführen, durch den das Kardinalskollegium durch neue Mitglieder bereichert wird, die aus verschiedenen Teilen der Welt ernannt wurden. Es sind Hirten, die mit Eifer bedeutende Diözesangemeinschaften leiten, Bischöfe, die den Dikasterien der Römischen Kurie vorstehen oder die mit vorbildlicher Treue der Kirche und dem Heiligen Stuhl gedient haben. Ab heute gehören sie zu jenem »coetus peculiaris«, der unmittelbar und beständig mit dem Nachfolger Petri zusammenarbeitet und ihn bei der Ausübung seines universalen Dienstes unterstützt. An sie richte ich zunächst meinen herzlichen Gruß und bringe ihnen erneut meine Wertschätzung und meine aufrichtige Anerkennung zum Ausdruck für das Zeugnis, das sie der Kirche und der Welt geben. Insbesondere begrüße ich Erzbischof Angelo Amato und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Dann heiße ich die offiziellen Delegationen verschiedener Länder und die Vertreter zahlreicher Diözesen herzlich willkommen, sowie alle, die sich hier versammelt haben, um an diesem Ereignis teilzunehmen, bei dem diese verehrten und lieben Brüder das Zeichen der Kardinalswürde erhalten durch die Überreichung des Biretts und die Zuweisung einer Titelkirche in Rom.

Das Band der besonderen Gemeinschaft und Zuneigung, das diese neuen Kardinäle an den Papst bindet, macht sie zu einzigartigen und wertvollen Mitarbeitern der hohen Sendung, die Christus Petrus anvertraute, seine Schafe zu weiden (vgl. Joh 21,15–17), um die Völker in der Fürsorge der Liebe Christi zu vereinen. Aus eben dieser Liebe heraus ist die Kirche entstanden, die berufen ist, nach dem Gebot des Herrn, in dem das ganze Gesetz samt den Propheten zusammengefaßt ist, zu leben und zu wandeln. Mit Christus vereint zu sein im Glauben und in der Gemeinschaft mit ihm bedeutet, »in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet« (Eph 3,17) zu sein – das Gefüge, das alle Glieder des Leibes Christi vereint.

Das soeben verkündete Wort Gottes hilft uns, über diesen so grundlegenden Aspekt nachzudenken. Im Evangeliumsabschnitt (Mk 10,32 – 45) wird uns das Bild von Jesus als dem Messias vor Augen gestellt, der von Jesaja angekündigt wurde (vgl. Jes 53). Er ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen: Sein Lebensstil wird zur Grundlage der neuen Beziehungen innerhalb der christlichen Gemeinschaft und einer neuen Weise, Autorität auszuüben. Jesus ist unterwegs nach Jerusalem und kündigt zum dritten Mal den Weg an – er weist ihn den Jüngern –, auf dem er das Werk zur Vollendung bringen will, das der Vater ihm anvertraut hat: den Weg der demütigen Selbsthingabe bis hin zum Opfer des eigenen Lebens, den Weg des Leidens, den Weg des Kreuzes. Auch nach dieser Ankündigung, ebenso wie nach den vorhergehenden, zeigen die Jünger dennoch, daß sie Mühe haben zu verstehen und den notwendigen »Exodus« vorzunehmen, den Auszug aus einer weltlichen Denkweise heraus hin zu Gottes Denkweise. In diesem Fall sind es die beiden Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, die Jesus bitten, in der »Herrlichkeit« auf den ersten Plätzen neben ihm sitzen zu dürfen. Damit offenbaren sie Erwartungen und Pläne, bei denen es um weltliche Größe, Autorität und Ehre geht. Jesus, der das Herz des Menschen kennt, ist durch diese Bitte nicht erschüttert, sondern er macht sofort ihre große Tragweite deutlich: »Ihr wißt nicht, um was ihr bittet.« Dann führt er die beiden Brüder zum Verständnis dessen, was es bedeutet, ihm nachzufolgen.

Welchen Weg muß derjenige, der ein Jünger sein will, also gehen? Er muß den Weg des Meisters gehen, den Weg des völligen Gehorsams gegenüber Gott. Deshalb fragt Jesus Jakobus und Johannes: Seid ihr bereit, meine Entscheidung, den Willen des Vaters bis ins Letzte zu tun, mit mir zu teilen? Seid ihr bereit, diesen Weg zu gehen, der durch die Demütigung, das Leiden und den Tod aus Liebe führt? Mit ihrer sicheren Antwort – »wir können es« – zeigen die beiden Jünger erneut, daß sie den wirklichen Sinn dessen, was der Meister ihnen darlegt, nicht verstanden haben. Und Jesus läßt sie geduldig noch einen weiteren Schritt gehen: Nicht einmal die Erfahrung des Kelches des Leidens und der Taufe des Todes gibt Anrecht auf die ersten Plätze, denn das ist jenen vorbehalten, »für die diese Plätze bestimmt sind«, es liegt in den Händen des himmlischen Vaters. Der Mensch darf keine Berechnungen anstellen, sondern muß sich einfach Gott überlassen, ohne Ansprüche, und sich seinem Willen anpassen.

Die Empörung der anderen Jünger wird zur Gelegenheit, die Lehre auf die ganze Gemeinschaft auszuweiten. Zunächst »rief Jesus sie zu sich«: Durch die Geste der ursprünglichen Berufung lädt er sie ein, zu dieser zurückzukehren. Diese Bezugnahme auf das grundlegende Moment der Berufung der Zwölf, darauf, daß Jesus sie »bei sich haben« will, um sie dann auszusenden, ist sehr bedeutsam. Es ruft ganz klar in Erinnerung, daß jeder kirchliche Dienst stets eine Antwort auf den Ruf Gottes ist und niemals die Frucht eigener Pläne und Ambitionen. Vielmehr geht es darum, den eigenen Willen dem des Vaters im Himmel anzupassen, wie Christus im Garten Getsemani (vgl. Lk 22,42). In der Kirche ist niemand ein Herrscher, sondern alle sind berufen, alle sind gesandt, alle werden von der göttlichen Gnade erreicht und geleitet. Und das ist auch unsere Sicherheit! Nur wenn wir wieder auf das Wort Jesu hören, der uns bittet: »Komm her, folge mir nach«, nur wenn wir zur ursprünglichen Berufung zurückkehren, können wir unsere Gegenwart und unsere Sendung in der Kirche als echte Jünger verstehen.

Die Bitte von Jakobus und Johannes und die Empörung der »zehn anderen« Apostel werfen eine zentrale Frage auf, auf die Jesus antworten will: Wer ist groß, wer ist der »Erste« für Gott? Der Blick richtet sich zunächst auf das Verhalten, das »die, die als Herrscher gelten« Gefahr laufen anzunehmen: daß sie »ihre Völker unterdrücken« und »ihre Macht über die Menschen mißbrauchen«. Jesus zeigt den Jüngern eine ganz andere Lebensweise auf: »Bei euch aber soll es nicht so sein«. Seine Gemeinschaft folgt einer anderen Regel, einer anderen Logik, einem anderen Modell: »Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein«. Das Kriterium für Größe und Vorrangstellung, das Gott entspricht, ist nicht die Herrschaft, sondern der Dienst; die Diakonie ist das grundlegende Gesetz des Jüngers und der christlichen Gemeinschaft; es läßt uns etwas von der »Herrschaft Gottes« erahnen. Und Jesus nennt auch den Bezugspunkt: Es ist der Menschensohn, der gekommen ist, um zu dienen. Er faßt seine Sendung also unter der Kategorie des Dienstes zusammen – nicht im allgemeinen Sinn verstanden, sondern im konkreten Sinn des Kreuzes, der völligen Hingabe des Lebens als »Lösegeld«, als Erlösung für viele, und er verweist darauf als Bedingung für die Nachfolge. Diese Botschaft gilt für die Apostel, sie gilt für die ganze Kirche, und sie gilt vor allem für jene, die im Gottesvolk Leitungsaufgaben erfüllen. Nicht die Logik der Herrschaft, der Macht nach menschlichen Maßstäben, sondern die Logik des Sich-Hinabbeugens zur Fußwaschung, die Logik des Dienstes, die Logik des Kreuzes ist die Grundlage jeder Ausübung von Autorität. Zu jeder Zeit ist die Kirche darum bemüht, sich dieser Logik anzupassen und sie zu bezeugen, um die wahre »Herrschaft Gottes«, die Herrschaft der Liebe, aufscheinen zu lassen.

Verehrte zur Kardinalswürde erhobene Brüder, die Sendung, in die Gott euch heute beruft und die euch zu einem noch verantwortungsvolleren kirchlichen Dienst befähigt, erfordert einen immer größeren Willen, den Stil des Sohnes Gottes anzunehmen, der unter uns ist wie der, der dient (vgl. Lk 22,25–27). Es geht darum, ihm nachzufolgen in seiner demütigen und völligen  Hingabe aus Liebe an die Kirche, seine Braut, am Kreuz: An diesem Holz stirbt das Weizenkorn, das der Vater auf das Feld der Welt fallenließ, um zur reifen Frucht zu werden. Daher bedarf es einer noch tieferen und festeren Verwurzelung in Christus. Die innige Beziehung zu ihm, der das Leben immer mehr verwandelt, um mit dem hl. Paulus sagen zu können: »Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir« (Gal 2,20), ist das erste Erfordernis, damit wir unseren Dienst mit Frieden und Freude ausüben und er die Frucht tragen kann, die der Herr sich von uns erwartet.

Liebe Brüder und Schwestern, die ihr heute die neuen Kardinäle begleitet: Betet für sie! Morgen werde ich ihnen in dieser Basilika im Rahmen der gemeinsamen Eucharistiefeier am Christkönigssonntag den Ring übergeben. Dies wird eine weitere Gelegenheit sein, den Herrn zu loben, denn »er hält ewig die Treue« (Ps 146), wie wir im Antwortpsalm gesungen haben. Sein Geist stütze die neuen Purpurträger in ihrem Bemühen im Dienst an der Kirche, während sie dem gekreuzigten Christus nachfolgen, wenn nötig auch »usque ad effusionem sanguinis« und stets bereit – wie der hl. Petrus in der verkündeten Lesung gesagt hat –, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Maria, Mutter der Kirche, vertraue ich die neuen Kardinäle an, auf daß sie mit apostolischem Eifer allen Völkern die barmherzige Liebe Gottes verkündigen mögen. Amen.

 

 

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