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APOSTOLISCHE REISE NACH MEXIKO UND IN DIE REPUBLIK KUBA
(23.-29. MÄRZ 2012)

VESPERFEIER MIT DEN BISCHÖFEN
MEXIKOS UND LATEINAMERIKAS

ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

Kathedrale Unsere Liebe Frau vom Licht, León
Sonntag, 25. März 2012

[Video]

 

Meine Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

Es ist mir eine große Freude, mit euch allen in dieser Kathedrale von Léon zu beten, die Unserer Lieben Frau vom Licht geweiht ist. Auf dem schönen Bild, das in diesem Gotteshaus verehrt wird, hält die Heilige Jungfrau ihren Sohn mit großer Zärtlichkeit in der einen Hand, während sie die andere ausstreckt, um den Sündern zu helfen. So sieht die Kirche aller Zeiten Maria; sie preist sie, weil sie uns den Erlöser geschenkt hat, und vertraut sich ihr an, weil sie die Mutter ist, die ihr göttlicher Sohn uns vom Kreuz aus übergeben hat. Darum rufen wir sie oft als „unsere Hoffnung“ an, weil sie uns Jesus gezeigt hat und die Wunder, die Gott für die Menschheit vollbracht hat und vollbringt, in einfacher Weise übermittelt hat, als würde sie diese den Kleinen im Haus erklären.

Ein entscheidendes Zeichen dieser Wunder bietet uns die Kurzlesung, die in dieser Vesper vorgetragen wurde. Die Einwohner von Jerusalem und ihre Führer haben Christus nicht erkannt, doch indem sie ihn zum Tode verurteilten, haben sie in Wirklichkeit die Worte der Propheten erfüllt (vgl. Apg 13,27). Ja, die Niedertracht und die Unwissenheit der Menschen vermag den göttlichen Heilsplan, die Erlösung, nicht aufzuhalten. Das Böse kann nicht viel ausrichten.

An ein anderes Wunder Gottes erinnert uns der zweite Psalm, den wir eben gebetet haben: Der „Fels“ wird zur „Wasserflut“ und „Kieselgestein zu quellendem Wasser“ (Ps 114,8). Was ein Stein sein könnte, an dem man anstößt und zu Fall kommt, hat sich mit dem Triumph Christi über den Tod in einen Eckstein verwandelt: „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (Ps 118,23). Es gibt also keine Gründe, sich der Macht des Bösen zu beugen. Und bitten wir den auferstandenen Herrn, daß er seine Kraft in unseren Schwächen und Fehlern erweist.

Diese Begegnung mit euch Hirten der pilgernden Kirche Christi in Mexiko und in den verschiedenen Ländern dieses großen Kontinents habe ich sehnlich erwartet als eine Gelegenheit, gemeinsam auf Christus zu schauen, der euch die wunderbare Aufgabe anvertraut hat, das Evangelium in diesen Ländern starker katholischer Tradition zu verkünden. Die augenblickliche Situation eurer Diözesen weist sicherlich Herausforderungen und Schwierigkeiten verschiedenster Herkunft auf. Doch da wir wissen, daß der Herr auferstanden ist, können wir zuversichtlich voranschreiten, in der Überzeugung, daß das Böse in der Geschichte nicht das letzte Wort hat und daß Gott einer Hoffnung, die nicht zugrunde gehen läßt (vgl. Röm 5,5), neuen Raum geben kann.

Ich danke für den freundlichen Gruß, den der Erzbischof von Tlalnepantla, Präsident der Mexikanischen Bischofskonferenz und des Lateinamerikanischen Bischofsrats, im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich bitte euch Hirten der verschiedenen Teilkirchen, bei der Heimkehr in eure Diözesen euren Gläubigen die tiefempfundene Liebe des Papstes zu überbringen, der all ihre Leiden und Erwartungen in seinem Herzen trägt.

Wenn ich sehe, wie sich in euren Gesichtern die Sorgen um die Herde widerspiegeln, um die ihr euch kümmert, kommen mir die Versammlungen der Bischofssynode in den Sinn, in denen die Teilnehmer applaudieren, wenn diejenigen das Wort ergreifen, die ihren Dienst in Situationen versehen, die für das Leben und die Sendung der Kirche besonders schmerzlich sind. Diese Geste entspringt aus dem Glauben an den Herrn und bedeutet Brüderlichkeit im apostolischen Einsatz sowie Dankbarkeit und Bewunderung für die, welche das Evangelium unter Dornen in Form von Verfolgungen, Ausgrenzung oder Verachtung aussäen. Auch fehlt es nicht an Sorgen wegen mangelnder Mittel und menschlicher Ressourcen oder wegen der Einschränkungen der Freiheit der Kirche in der Erfüllung ihrer Sendung.

Der Nachfolger Petri teilt diese Gefühle und dankt für euren geduldigen und demütigen pastoralen Eifer. Ihr seid nicht allein in den Schwierigkeiten, und seid es auch nicht in den Erfolgen der Evangelisierung. In den Leiden und im Trost sind wir alle miteinander vereint (vgl. 2 Kor 1,5). Ihr sollt wissen, daß ihr im Gebet dessen, der von Christus die Aufgabe empfangen hat, seine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), einen besonderen Platz habt. Er ermutigt seine Brüder auch, sich nicht von Widrigkeiten abschrecken zu lassen, sondern dafür zu sorgen, daß in diesen Ländern immer mehr Menschen unseren Herrn Jesus Christus kennen, ihn lieben und ihm folgen.

Der katholische Glaube hat das Leben, die Gebräuche und die Geschichte dieses Kontinents, in dem viele seiner Nationen gerade das zweihundertjährige Jubiläum ihrer Unabhängigkeit feiern, deutlich geprägt. Es ist ein historischer Moment, in dem der Name Christi, der durch hervorragende und großherzige Missionare hierher gelangte, weiter seine Strahlkraft bewahrt. Sie verkündeten diesen Namen mit Mut und mit Weisheit; sie gaben alles für Christus hin und zeigten so, daß der Mensch in ihm seinen Halt und die nötige Kraft findet für ein erfülltes Leben und den Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft, so wie sein Schöpfer es gewollt hat. Das Ideal, nichts dem Herrn vorzuziehen und unter Nutzung der charakteristischen Eigenschaften und der besten Traditionen der Bevölkerungen das Wort Gottes in die Herzen aller eindringen zu lassen, ist nach wie vor eine wertvolle Orientierungshilfe für die Hirten von heute.

Die Initiativen, die wegen des Jahres des Glaubens durchgeführt werden, müssen darauf ausgerichtet sein, die Menschen zu Christus zu führen, dessen Gnade ihnen ermöglichen wird, sich aus den Ketten der Sünde, die sie versklavt, zu befreien und auf eine authentische und verantwortungsvolle Freiheit zuzugehen. Eine Hilfe leistet dazu auch die in Aparecida geförderte Misión continental, die in den Teilkirchen Lateinamerikas und der Karibik bereits viele Früchte kirchlicher Erneuerung erntet. Unter anderem das Studium, die Verbreitung und die Meditation der Heiligen Schrift, welche die Liebe Gottes und unser Heil verkündet. In diesem Sinn rufe ich euch auf, weiterhin die Schätze des Evangeliums zu erschließen, damit sie sich in eine Kraft der Hoffnung, der Freiheit und des Heils für alle Menschen verwandeln (vgl. Röm 1,16). Und seid auch treue Zeugen und Ausleger des Wortes des menschgewordenen Sohnes, der lebte, um den Willen des Vaters zu erfüllen und der sich als Mensch unter den Menschen für sie aufopferte bis zum Tod.

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, aus pastoraler Sicht und im Hinblick auf die Evangelisierung, die vor uns liegt, ist es von grundlegender Bedeutung, sich mit großer Aufmerksamkeit um die Seminaristen zu kümmern und sie darin zu ermutigen, sich nicht zu rühmen, etwas anderes zu wissen „außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten“ (1 Kor 2,2). Nicht weniger grundlegend ist die Nähe zu den Priestern, denen nie das Verständnis und die Ermutigung ihres Bischof und, falls nötig, auch die väterliche Ermahnung in bezug auf unangebrachtes Verhalten fehlen darf. Sie sind in der sakramentalen Gemeinschaft des Priestertums eure ersten Mitarbeiter, denen ihr beständig und in bevorzugter Weise nahe sein müßt. Dasselbe gilt für die verschiedenen Formen geweihten Lebens, deren Charismen dankbar geschätzt und mit Verantwortung und Achtung gegenüber der erhaltenen Gabe begleitet werden müssen. Und in zunehmendem Maß muß den Laien besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, die zumeist in der Katechese, in der liturgischen Gestaltung oder in karitativer Tätigkeit und sozialem Engagement beschäftigt sind. Ihre Bildung im Glauben ist ausschlaggebend, um das Evangelium in der Gesellschaft von heute gegenwärtig und fruchtbar werden zu lassen. Es ist nicht recht, daß sie das Gefühl haben, als Menschen von geringer Bedeutung in der Kirche angesehen zu werden, trotz des Eifers, mit dem sie entsprechend ihrer persönlichen Berufung in ihr arbeiten, und des großen Opfers, das dieser Einsatz manchmal verlangt. Bei alledem ist es für die Hirten besonders wichtig, daß unter den Priestern, Ordensleuten und Laien ein Gemeinschaftsgeist herrscht und unnütze Spaltungen, Kritiken und schädliches Mißtrauen vermieden werden.

Mit diesem innigen Wunsch lade ich euch ein, Wächter zu sein, die Tag und Nacht die Herrlichkeit Gottes verkünden, die das Leben des Menschen ist. Steht auf der Seite derer, die ausgegrenzt sind durch Gewalt, Macht oder einen Reichtum, der diejenigen ignoriert, denen es nahezu an allem fehlt. Die Kirche kann das Lob Gottes nicht vom Dienst an den Menschen trennen. Der eine Gott und Schöpfer ist es, der uns zu Geschwistern gemacht hat: Mensch zu sein bedeutet, Bruder und Hüter des Nächsten zu sein. Auf diesem Weg muß die Kirche in Einheit mit der gesamten Menschheit das nachleben und vergegenwärtigen, was Jesus war: der Barmherzige Samariter, der, aus der Ferne kommend, sich in die Geschichte der Menschen eingefügt hat, uns aufgerichtet und sich für unsere Heilung aufgeopfert hat.

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, die Kirche in Lateinamerika, die sich viele Male mit Jesus Christus in seiner Passion verbunden hat, muß weiterhin ein Same der Hoffnung sein, der allen die Möglichkeit gibt zu sehen, wie die Früchte der Auferstehung diese Länder erreichen und bereichern.

Möge die Muttergottes, die unter dem Titel der Jungfrau Maria vom Licht angerufen wird, die Finsternis unserer Welt vertreiben und unseren Weg erleuchten, damit wir das lateinamerikanische Volk in seinen Mühen und Hoffnungen im Glauben stärken können, mit Festigkeit, Mut und dem unerschütterlichen Glauben an den, der alles vermag und alle bis zum Äußersten liebt. Amen

 

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