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SCHREIBEN VON BENEDIKT XVI.
AN DEN PRÄSIDENTEN  DER REPUBLIK RUANDA
ANLÄSSLICH DES 13. JAHRESTAGES
DES BEGINNS DES VÖLKERMORDS*

 

An Seine Exzellenz Herrn Paul KAGAME
Präsident der Republik Ruanda

Der dreizehnte Jahrestag des Beginns des Völkermords in Ihrem lieben Land Ruanda, der am 7. April von einem Tag der nationalen Trauer geprägt sein wird, fällt nach dem Kalender der katholischen Kirche und anderer christlicher Konfessionen mit dem Karsamstag zusammen.

Für die Gläubigen ist dieser Samstag kein Samstag wie die anderen, sondern es handelt sich in liturgischer Hinsicht um einen der wichtigsten Tage: Nach der Tragödie von Golgota, wo die Heiden den Unschuldigen gekreuzigt haben, erwarten die Gläubigen die volle Verwirklichung des Wortes Christi, der gesagt hat: »Ich bin die Auferstehung und das Leben« (Joh 11,25).

Dieser Samstag wird auch für die Einwohner Ruandas ein sehr wichtiger Tag sein, der sich von den anderen unterscheidet, weil sie der Hunderttausenden unschuldiger Menschen gedenken werden, die vor dreizehn Jahren Opfer der schrecklichen Massaker des Völkermords geworden sind. Mitgerissen von der Flut des Hasses und der Rache, verloren auch viele Ordensleute und Priester ihr Leben.

Die Kirche kennt die Auswirkungen der »geheimen Macht der Gesetzwidrigkeit« (2 Thess 2,7), aber sie weiß auch, daß der Tod nicht das letzte Wort hat, weil er durch den siegreichen Tod des Gottessohnes überwunden worden ist, und daß jeder Mensch in sich ausreichende Fähigkeiten und Kräfte besitzt, um das Böse durch das Gute zu besiegen, besonders wenn sie von der Kraft des Erlösers Christus unterstützt werden.

Zum Zeichen der Nähe und Gemeinschaft mit ihren Mitbürgern haben die Bischöfe Ruandas beschlossen, die Feier bestimmter Sakramente der Kirche – Taufen und Hochzeiten – zu verschieben, weil eine solche Feier im allgemeinen mit Festlichkeiten in der Familie und mit Freunden einhergehen, die mit der nationalen Trauer unvereinbar sind.

Auch ich möchte mich Ihrer nationalen Trauer und besonders dem Gebet für alle Opfer dieses grauenhaften Gemetzels anschließen, ohne Unterschied des religiösen Glaubens oder der ethnischen und politischen Zugehörigkeit.

Ich wünsche inständig, daß alle Einwohner Ruandas unter der Leitung der zivilen und religiösen Obrigkeiten sich hochherziger und wirksamer für die nationale Aussöhnung und den Aufbau eines neuen Landes in Wahrheit und Gerechtigkeit, in brüderlicher Einheit und Frieden einsetzen mögen.

Die religiösen Beweggründe, die dem Engagement der Katholiken im alltäglichen Familien- und Gesellschaftsleben zugrunde liegen, und die moralischen Überzeugungen, die sich daraus ergeben, stellen einen Punkt der Begegnung zwischen den Christen und allen Menschen guten Willens dar (vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nr. 579).

Der christliche Glaube, der von der Mehrheit des ruandischen Volkes geteilt wird, stellt, wenn er konsequent und voll gelebt wird, eine wirksame Hilfe zur Überwindung einer Vergangenheit voller Irrtümer und Tod dar, deren Höhepunkt der Völkermord von 1994 war; gleichzeitig weckt dieser Glaube das Vertrauen in die Möglichkeit, die sich allen untereinander wieder versöhnten Einwohnern Ruandas bietet, nämlich gemeinsam eine bessere Zukunft aufzubauen, indem sie die Neuheit der Liebe wiederentdecken, die »die einzige Kraft ist, die die Person und die Gesellschaft zur Vollkommenheit und die Geschichte zum Guten führen kann« (ebd., Nr. 580).

Mit diesen Wünschen rufe ich auf Sie, Herr Präsident, und auf das ganze Volk von Ruanda den Segen des allmächtigen Gottes herab.

Aus dem Vatikan, am 3. April 2007

 

BENEDICTUS PP. XVI


*L'Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache n. 22 p. 11.

 

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