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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN EINE DELEGATION DER HOCHSCHULE FÜR
KATHOLISCHE KIRCHENMUSIK REGENSBURG

Saal der Schweizer, Castelgandolfo
Freitag, 28. September 2007

 

Verehrter, lieber Herr Prälat Hüttner!
Verehrter, lieber Herr Rektor!
Verehrte Professorinnen und Professoren, Dozentinnen und Dozenten,
Studentinnen und Studenten!
Meine Damen und Herren!

Es ist für mich eine große Freude, die Hochschule für Kirchenmusik Regensburg hier im ausgehenden Sommer in Castelgandolfo sozusagen als Abgesang der Ferien und als Ermutigung für die Rückkehr nach Rom empfangen zu dürfen und Sie herzlich zu begrüßen. Ich habe vor allen Dingen gleich zu danken: Sie haben mir mitgegeben, was ich zu Hause dann nachhören kann aus Ihrer Musik, und mich lebendig Musik erleben lassen. Die Auferstehungsfreude ist in dem Oratorium des Auferstehungstages lebendig geworden; es wurde sichtbar, wie uralte Musik frisch und neu ist, wenn sie wieder neu im Herzen geschaffen wird. Und ich durfte einer Uraufführung beiwohnen, für die ich sehr herzlich danke – das Wort »Ubi Caritas, ibi Deus« ist so in unseren Herzen lebendig geworden, Sie haben es zum Klingen gebracht und werden diese Botschaft auch weitertragen. Ich bin sicher, daß diese Motette vielen Chören eine Freude sein wird und daß sie so zu vielen Menschen die Botschaft von der Liebe Gottes tragen kann.

Sie, lieber Herr Prälat, haben auf die Ursprünge der Hochschule für Kirchenmusik hingewiesen. Ich war ja bei der 100-Jahr-Feier dabei und erinnere mich daran sehr gerne. Damals – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – ist Ihre Institution als meines Wissens erste Kirchenmusikschule dieser Art in der neueren Zeit entstanden, und auch das »Pontificio Istituto di Musica Sacra« hat sich daran inspiriert. Die Gründung geschah im Zusammenhang eines Neuaufbruchs der Kirchenmusik, einer Suche danach, sie neu zu verstehen und sie von ihrem Wesen her zu erneuern – ein Vorgang, der immer wieder nötig ist. Wir wissen ja, wie in den seither vergangenen rund 130 Jahren immer wieder nach dem Wesen der Kirchenmusik, nach ihrer rechten Verwirklichung gefragt werden mußte: daß das Vaticanum II einen neuen Anstoß gab und die Frage heute so lebendig ist wie damals.

Wenn man versucht, Kirchenmusik von ihrem Wesen her und auf ihr Wesen hin zu erneuern, stellt sich die Frage: Was ist das eigentlich, ihr Wesen – das Wesen von Kirchenmusik, die nicht bloß allgemein religiöse Musik, sondern Musik der Kirche darstellt; die nicht Zutat zur Liturgie, sondern selbst Liturgie ist, wie das Zweite Vaticanum betont? Bei dieser Frage, die entscheidend ist, damit wir den Weg der Erneuerung finden können, ist mir immer ein Satz das Leitwort, den aus den Psalmen heraus der hl. Benedikt in seiner Regel den Mönchen als Wegweisung für ihren Psalmengesang gegeben hat: »Coram angelis psallam tibi, domine – Im Angesicht der Engel will ich dir singen, o Gott.«

Da sind zwei Bezugspunkte angegeben. Der erste heißt »tibi« – wir singen »dir«. Es handelt sich um Begegnung mit dem lebendigen Gott. Wir singen nicht einfach für uns selber, führen etwas auf; wir singen auf ein Du hin. Wir singen, ihn vor Augen und um zu ihm vorzudringen. Wir singen für Gott – für den Gott, der kein Unbekannter für uns ist, sondern ein Gesicht hat, das Gesicht Jesu Christi. Für den Gott, der »Logos«, Wort, Vernunft und Liebe ist. Zu solcher Begegnung muß also gehören: Einerseits, daß es sich um Musik handelt, die sich dem Wort verpflichtet weiß, die von der Vernunft erleuchtet ist; andererseits daß es Musik ist, die aus dem Herzen kommt, die von der Liebe inspiriert wird.

Der zweite Gesichtspunkt lautet: »coram angelis « – vor den Engeln singen wir. Benedikt wollte sicher den Mönchen sagen, sie sollten bedenken, daß bei ihrem Chor im stillen die Engel anwesend sind, daß sie zuhören und der Gesang so sein soll, daß die Engel ihn hören können. Aber es ist mehr – es ist nicht nur, daß die Engel da sind und zuhören. Sondern wir singen mit ihnen. Wir sollten also das »Ohr des Herzens« so weit öffnen, daß wir sozusagen den Gesang der Engel innen verstehen und in ihn einstimmen, mit ihnen mitsingen können. Gemeint sind natürlich dann bei diesem Mitsingen nicht nur die Engel, sondern die ganze Gemeinschaft der Heiligen aller Orte und Zeiten.

Wir singen zuerst für dieses Du – für den Einen. Aber singen und spielen (»psallere« ist an sich ein instrumentenbegleitetes Singen), nicht nur als Individuen, sondern im Einklang mit dem großen Gesang von Himmel und Erde, mit dem Gesang aller Zeiten. Das bedeutet dann für die Kirchenmusik, so wie sie sich an diesem Gott, der Logos und Liebe ist, orientiert und von ihm inspirieren und berühren läßt, daß sie sich auch hineingenommen weiß in das große Singen der Jahrhunderte, in das Singen der vergangenen Chöre wie der künftigen, auf die sie sich ausspannt. Daraus ergibt sich, wie mir scheint, sowohl die Bindung wie die Freiheit der Kirchenmusik: Die Bindung besteht nicht so sehr in äußeren Rechtsvorschriften als darin, daß wir uns diesem Du zuwenden, von ihm uns formen, reinigen und erleuchten lassen, und uns damit zugleich in die große Symphonie des Wir hineingeben und in ihr versuchen, keine Mißtöne zu bringen, sondern zu bereichern und auszuweiten. Diese Bindung ist zugleich Freiheit, denn wir singen nicht nur mit der Kirche der Vergangenheit, sondern auch mit der Kirche der Zukunft. Deswegen ist das Schöpferische und Weite immer wieder angefragt. Die Wegweisung, die es vom Du Gottes und vom Wir der Gemeinschaft der Heiligen her empfängt, verengt nicht, sondern gibt die Inspiration, die zu wahrer Kreativität nötig ist.

Die Hochschule für Kirchenmusik Regensburg hat sich immer diesem Programm verpflichtet gewußt. Sicher – wenn wir heute zurückschauen, würden wir sagen, daß es am Anfang auch Einseitigkeiten oder Verengungen gegeben hat. Dennoch war immer der große Auftrag im Blick, dieser Weise des weitergehenden Singens und Spielens vor Gott zu dienen. Immer ging es darum, Kirchenmusik zu realisieren, die Musik für Gott und gerade darum wirkliche Musik ist. Sie dürfte nicht Kirchenmusik heißen, wenn sie nicht auch wahrhaft zur großen Realität der Musik dieser Welt gehören würde.

So bleibt mir am Schluß, Dank zu sagen: Ihnen, Herr Prälat, für das, was Sie gesagt haben; Ihnen, Herr Rektor, für Ihre humorvollen und freundlichen Worte, für die schönen Erinnerungen, die Sie aufgeweckt haben; Dank zu sagen für die Gaben – die lebendige Gabe des Gesangs wie die Gabe, die ich dann nach Hause trage, um weiter die Kirchenmusikhochschule Regensburg zu hören; und zu danken für Ihre Arbeit. Der Kirchenmusikschule ist es ja aufgetragen, jungen Menschen die Freude am Musizieren in der Kirche und für Gott zu geben; ihnen das Können zu geben, das dazu nötig ist, damit sie wirkliche Musiker sind, Meister ihres Fachs; zugleich aber zu helfen, daß sie nicht nur Könner des Musizierens sind, sondern von innen auch Mitträger des liturgischen Geschehens, des Singens vor Gott und für Gott.

Ihnen allen danke ich von Herzen für diesen Dienst. Der Kirchenmusikhochschule Regensburg wünsche ich, besonders den jungen Menschen, für die Zukunft viel Freude und viel Segen von Gott her.

In diesem Sinn darf ich Ihnen jetzt den päpstlichen Segen erteilen.

 

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