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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER KONGREGATION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN
(FÜR DIE SEMINARE UND STUDIENEINRICHTUNGEN)

Montag, 21. Januar 2008

 

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Danke für euren Besuch, den ihr anläßlich der Vollversammlung der Kongregation für das katholische Bildungswesen abstattet: Jedem von euch entbiete ich meinen herzlichen Gruß. Ich grüße an erster Stelle den Präfekten eurer Kongregation, Herrn Kardinal Zenon Grocholewski, und mit ihm den neuen Sekretär und die übrigen Offiziale und Mitarbeiter. Ihnen, Herr Kardinal, danke ich besonders für die Worte, die Sie an mich gerichtet und mit denen Sie die verschiedenen Themen vorgestellt haben, über die die Kongregation in diesen Tagen nachdenken will. Es handelt sich um wichtige, aktuelle Fragen, auf die die Kirche in diesem geschichtlichen Augenblick ihre besondere Aufmerksamkeit richtet.

Der Bereich der Bildung liegt der Kirche schon immer am Herzen, denn sie ist berufen, sich die Sorge Christi zu eigen zu machen, der – so berichtet der Evangelist –, als er die vielen Menschen sah, »Mitleid mit ihnen hatte; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange« (Mk 6,34). Das griechische Wort, das verwendet wird, um diese Haltung des »Mitleids« auszudrücken, erinnert an das herzliche Erbarmen und verweist auf die tiefe Liebe, die der himmlische Vater für den Menschen empfindet. Die Tradition hat in Lehre und Bildung eine konkrete Manifestation der geistlichen Barmherzigkeit gesehen, die eines der ersten Liebeswerke ist, das die Kirche ihrer Sendung gemäß der Menschheit anbieten soll. Und es ist in unserer Zeit wirklich angebracht, daß man darüber nachdenkt, wie diese apostolische Aufgabe der kirchlichen Gemeinschaft, die den katholischen Universitäten und insbesondere den kirchlichen Fakultäten anvertraut ist, wirksam und zeitgemäß durchgeführt werden kann. Deshalb freue ich mich mit euch, für eure Vollversammlung eine so hochinteressante Thematik gewählt zu haben. Ich glaube, daß es auch nützlich sein wird, die Reformpläne aufmerksam zu prüfen, die eurem Dikasterium vorgelegt wurden und die die genannten katholischen Universitäten und kirchlichen Fakultäten betreffen.

An erster Stelle beziehe ich mich auf die Reform der kirchlichen Studien der Philosophie, ein Projekt, das bereits vollständig ausgearbeitet worden ist und in dem sicher auch die metaphysische sowie die Weisheitsdimension der Philosophie hervorgehoben wird, auf die Johannes Paul II. in der Enzyklika Fides et ratio hingewiesen hat (vgl. Nr. 81). Ebenso nützlich ist es, die Angemessenheit einer Reform der von meinem verehrungswürdigen Vorgänger 1979 gewollten Apostolischen Konstitution Sapientia christiana zu prüfen. Sie stellt die »Magna Charta« der kirchlichen Fakultäten dar und dient als Grundlage, um die Kriterien für die Bewertung der Qualität dieser Einrichtungen festzusetzen, eine Bewertung, die vom Prozeß von Bologna verlangt wird, dessen Mitglied der Heilige Stuhl seit dem Jahr 2003 ist. Die kirchlichen Disziplinen, vor allem die Theologie, werden heute neu hinterfragt; in einer Welt, die einerseits vom Rationalismus versucht wird, der einer in falscher Weise »freien« Rationalität folgt, losgelöst von jeder religiösen Beziehung, und anderseits von Fundamentalismen, die durch ihren Antrieb zu Gewalt und Fanatismus das wahre Wesen der Religion verfälschen.

Auch die Schule muß sich Fragen stellen hinsichtlich ihrer Sendung, die sie im heutigen sozialen Kontext durchzuführen hat, der von einer augenscheinlichen Erziehungs- und Bildungskrise gekennzeichnet ist. Die katholische Schule, die den erstrangigen Auftrag hat, den Schüler entsprechend einer ganzheitlichen anthropologischen Vision zu formen, wobei sie für alle offen ist und die Identität des einzelnen achtet, kann nicht umhin, ihre eigene menschliche und christliche Sicht der Erziehung und Bildung anzubieten. Daraus entsteht eine neue Herausforderung, die von der Globalisierung und dem wachsenden Pluralismus noch verstärkt wird: das heißt die Herausforderung der Begegnung der Kulturen und der Religionen in der gemeinsamen Suche nach der Wahrheit. Die Anerkennung der kulturellen Pluralität der Schüler und der Eltern muß notwendigerweise zwei Voraussetzungen erfüllen: Niemand darf aufgrund seiner kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit ausgeschlossen werden. Wenn diese kulturelle und religiöse Unterschiedlichkeit einmal anerkannt und angenommen ist, darf es andererseits nicht bei der reinen Feststellung bleiben. Das würde bedeuten zu verneinen, daß die Kulturen einander wirklich achten, wenn sie einander begegnen, denn alle echten Kulturen zielen auf die Wahrheit des Menschen und auf sein Wohl. Deshalb können die aus verschiedenen Kulturen stammenden Menschen über räumliche und zeitliche Entfernungen hinaus miteinander sprechen und einander verstehen, denn im Herzen jedes Menschen wohnt dasselbe tiefe Streben nach dem Guten, nach der Gerechtigkeit und Wahrheit, nach dem Leben und der Liebe.

Ein weiteres Thema, mit dem sich eure Vollversammlung befaßt, ist die Frage der Reform der »Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis« für die Priesterseminare. Das 1970 erlassene grundlegende Dokument wurde 1985 vor allem infolge der Promulgation des Codex des kanonischen Rechtes von 1983 verbessert. In den folgenden Jahrzehnten wurden mehrere bedeutsame Texte erlassen, in erster Linie das nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis (1992). Heute hat sich das Klima in der Gesellschaft durch den nachhaltigen Einfluß der Medien und das verbreitete Phänomen der Globalisierung tiefgehend verändert. Es ist deshalb notwendig, über eine angemessene Reform der »Ratio fundamentalis« nachzudenken, die die Wichtigkeit einer korrekten Gliederung der einzelnen Dimensionen der Priesterbildung im Hinblick auf die Kirche als Gemeinschaft gemäß den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils unterstreichen muß. Das setzt eine solide Bildung im Glauben der Kirche voraus, eine echte Vertrautheit mit dem offenbarten Wort, das Gott seiner Kirche geschenkt hat. Die Ausbildung der zukünftigen Priester wird außerdem Orientierungen und Zielsetzungen anbieten müssen, die für einen Dialog mit den zeitgenössischen Kulturen nützlich sind. Die menschliche und kulturelle Bildung ist deshalb wesentlich zu verstärken und zu unterstützen, auch mit Hilfe der modernen Wissenschaften, weil manche destabilisierende soziale Faktoren in der Welt von heute (z. B. die Situation vieler zerrütteter Familien, die Erziehungs- und Bildungskrise, die verbreitete Gewalt usw.) die jungen Generationen schwächen. Zugleich ist eine angemessene Hinführung zum geistlichen Leben erforderlich, die den christlichen Gemeinschaften, vor allem den Pfarrgemeinden, ihre Berufung stärker bewußt macht und sie befähigt, die Suche nach Spiritualität, insbesondere der Jugendlichen, in entsprechender Weise zu beantworten. Das erfordert, daß es in der Kirche nicht an qualifizierten und verantwortlichen Aposteln und Verkündern des Evangeliums fehlt. Daraus ergibt sich die Frage der Berufungen, vor allem zum Priestertum und zum geweihten Leben. Während in manchen Teilen der Welt ein Erblühen von Berufungen zu beobachten ist, verringert sich ihre Zahl an anderen Orten, vor allem im Westen. Die Sorge um die Berufungen bezieht die ganze kirchliche Gemeinschaft mit ein: die Bischöfe, die Priester, die geweihten Personen, aber auch die Familien und die Pfarreien. Hilfreich für euer pastorales Wirken in diesem Bereich wird auch die Veröffentlichung des Dokuments über die Berufung zum Priesteramt sein, das ihr zur Zeit vorbereitet.

Liebe Brüder und Schwestern! Ich erinnerte zuvor daran, daß das Lehren Ausdruck der Liebe Christi ist und das erste unter den Werken der geistlichen Barmherzigkeit, welche die Kirche zu vollbringen berufen ist. Wer den Sitz der Kongregation für das katholische Bildungswesen betritt, wird von einer Ikone empfangen, die Jesus zeigt, der seinen Jüngern beim Letzten Abendmahl die Füße wäscht. Er, der »seine Liebe bis zur Vollendung« bewiesen hat (Joh 13,1), segne eure Arbeit im Dienst des Bildungswesens und mache sie durch die Kraft seines Geistes wirksam. Ich meinerseits danke euch für das, was ihr täglich mit Kompetenz und Hingabe tut. Während ich euch dem mütterlichen Schutz Marias, der weisen Jungfrau und Mutter der Liebe, anvertraue, erteile ich allen von Herzen den Apostolischen Segen.

 



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