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    JOHANNES PAUL II. 

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 2. Juli 2003

   

Lesung: Psalm 146, 1-8

1 Preislied auf Gott, den Herrn und Helfer Israels
Halleluja! Lobe den Herrn, meine Seele!
2 Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin.
3 Verlaßt euch nicht auf Fürsten, auf Menschen, bei denen es doch keine Hilfe gibt.
4 Haucht der Mensch sein Leben aus / und kehrt er zurück zur Erde, dann ist es aus mit all seinen Plänen.
5 Wohl dem, dessen Halt der Gott Jakobs ist und der seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott, setzt.
6 Der Herr hat Himmel und Erde gemacht, / das Meer und alle Geschöpfe; er hält ewig die Treue. 7 Recht verschafft er den Unterdrückten, / den Hungernden gibt er Brot; der Herr befreit die Gefangenen.
8 Der Herr öffnet den Blinden die Augen, er richtet die Gebeugten auf.

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Der Psalm 146, den wir soeben gehört haben, ist ein »Halleluja«, das erste der fünf, die die ganze Psaltersammlung abschließen. Schon die jüdische liturgische Tradition hat diesen Hymnus als Morgenlob verwandt. Er gipfelt in der Kundgabe der Herrschaft Gottes über die menschliche Geschichte. In der Tat wird am Schluß des Psalms bekräftigt: »Der Herr ist König auf ewig« (V. 10).

Daraus folgt eine tröstliche Wahrheit: Wir sind nicht uns selbst überlassen, unser Lebenslauf wird nicht vom Chaos oder vom blinden Schicksal bestimmt; die Ereignisse sind kein reines Aufeinanderfolgen von Tatsachen ohne Sinn und Ziel. Aus dieser Überzeugung erwächst ein wahres und echtes Bekenntnis des Glaubens an Gott, ausgedrückt in einer Art Litanei, in der seine Eigenschaften, die Liebe und die Treue, verkündet werden (vgl. V. 6–9).

2. Gott ist Schöpfer des Himmels und der Erde, er hält dem Bund, der ihn an sein Volk bindet, die Treue; er verschafft Recht den Unterdrückten, den Hungernden gibt er Brot und befreit die Gefangenen. Er ist es, der den Blinden die Augen öffnet, die Gebeugten aufrichtet, die Gerechten liebt, die Fremden beschützt, den Waisen und Witwen zu ihrem Recht verhilft. Er ist es, der die Schritte der Frevler in die Irre leitet; er ist König und herrscht über alle Lebewesen und alle Zeiten.

Es handelt sich um zwölf theologische Aussagen, die durch ihre vollendete Zahl die Fülle und Vollkommenheit des göttlichen Handelns zum Ausdruck bringen wollen. Der Herr ist kein Herrscher, der seinen Geschöpfen fernsteht, sondern er ist in ihre Geschichte eingebunden als derjenige, der die Gerechtigkeit verteidigt, indem er sich auf die Seite der Geringsten, der Opfer, der Unterdrückten, der Unglücklichen stellt.

3. Der Mensch steht also vor einer Grundsatzentscheidung zwischen zwei gegensätzlichen Möglichkeiten: Auf der einen Seite besteht die Versuchung, »sich auf Fürsten zu verlassen« (vgl. V. 3), indem er deren Kriterien annimmt, die sich an der Bosheit, dem Egoismus und dem Hochmut inspirieren. In Wirklichkeit sind das aber schlüpfrige Wege in den Niedergang, »Pfade, die krumm verlaufen, und Straßen, die in die Irre führen« (Spr 2,15), die in der Verzweiflung enden.

In der Tat erinnert der Psalmist daran, daß der Mensch ein schwaches und sterbliches Lebewesen ist, wie schon das Wort ’adam anzeigt, das sich im Hebräischen von Erde, Materie, Staub ableitet. Der Mensch – so wiederholt die Bibel oft – gleicht einem Haus, das zerbröckelt (vgl. Koh 12, 1–7), einem Spinngewebe, das der Wind zerfetzt (vgl. Ijob 8,14), dem Gras, das am Morgen grünt und am Abend welkt (vgl. Ps 89,5–6; 102,15–16). Wenn der Tod über ihn kommt, werden alle seine Pläne zunichte, und er kehrt zum Staub zurück: »Haucht der Mensch sein Leben aus und kehrt er zurück zur Erde, dann ist es aus mit all seinen Plänen« (Ps 146,4).

4. Es gibt aber für den Menschen auch eine andere Möglichkeit, und die wird vom Psalmisten seliggepriesen: »Wohl dem, dessen Halt der Gott Jakobs ist und der seine Hoffnung auf den Herrn, seinen Gott, setzt« (V. 5). Das ist der Weg des Vertrauens auf den Gott, der ewig und treu ist. Das Amen, das das hebräische Wort des Glaubens ist, bedeutet, sich auf die unerschütterliche Stärke des Herrn zu stützen, auf seine Ewigkeit, auf seine unendliche Macht. Aber es bedeutet vor allem, seine Entscheidungen zu teilen, die von dem zuvor beschriebenen Bekenntnis des Glaubens und des Lobes ins Licht gerückt wurden.

Es ist notwendig, in Zustimmung zum göttlichen Willen zu leben, den Hungernden das Brot zu reichen, die Gefangenen zu besuchen, die Kranken zu stützen und zu ermutigen, die Fremden zu schützen und aufzunehmen, sich der Armen und Leidenden anzunehmen. Es ist praktisch derselbe Geist der Seligpreisungen; es ist die Entscheidung für das Liebesangebot, das uns schon in diesem Leben rettet und das dann Gegenstand unserer Prüfung sein wird beim Jüngsten Gericht, das die Geschichte besiegeln wird. Dann werden wir nach den Entscheidungen gerichtet, Christus zu dienen im Hungrigen, im Durstigen, im Fremden, im Nackten, im Kranken, im Gefangenen. »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan« (Mt 25,40), wird der Herr sagen.

5. Wir beenden unsere Meditation über den Psalm 146 mit einem Denkanstoß, der uns von der späteren christlichen Tradition angeboten wird.

Als der große Schriftsteller des 3. Jahrhunderts, Origines, den Vers 7 dieses Psalms kommentieren will – »den Hungernden gibt er Brot; der Herr befreit die Gefangenen«, faßt er es als eine deutliche Einladung im Bezug auf die Eucharistie auf: »Wir hungern nach Christus, und er selbst wird uns das Brot des Himmels geben. ›Gib uns unser tägliches Brot.‹ Die so sprechen, sind Hungernde, die das Brot brauchen, die hungern.« Und dieser Hunger wird vollständig gesättigt durch das eucharistische Sakrament, in dem der Mensch sich vom Leib und vom Blut Christi nährt (vgl. Origines-Hieronymus, 74 omelie sul libro dei Salmi, Milano 1993, SS. 526–527).


Psalm 146 ist ein Loblied auf Gottes Güte und Treue: Der Schöpfer trägt und erhält unser Leben. Menschliche Macht schwindet. Auf Gott aber ist immer Verlaß. Er ist gerecht und tritt für die Bedürftigen und Unglücklichen ein. „Den Hungernden gibt er Brot" (Ps 146, 7). In Christus hat sich diese Verheißung erfüllt: Er ist das Brot des Lebens und das Heil der Welt.

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Freudig heiße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Besonders grüße ich heute die Teilnehmer an der Diözesanwallfahrt des Bistums Münster. Macht euch Gottes Barmherzigkeit zu eigen: Tut allen Gutes, denn ihr selbst lebt von der Güte des Herrn! Der Friede Christi begleite euch!

    



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