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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 29. September 2004

 

Lesung: Psalm 45,2–10

2 Mein Herz fließt über von froher Kunde, / ich weihe mein Lied dem König. Meine Zunge gleicht dem Griffel des flinken Schreibers.
3 Du bist der Schönste von allen Menschen, / Anmut ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich für immer gesegnet.
4 Gürte, du Held, dein Schwert um die Hüfte, kleide dich in Hoheit und Herrlichkeit!
5 Zieh aus mit Glück, kämpfe für Wahrheit und Recht! Furchtgebietende Taten soll dein rechter Arm dich lehren.
6 Deine Pfeile sind scharf, dir unterliegen die Völker, die Feinde des Königs verlieren den Mut.
7 Dein Thron, du Göttlicher, steht für immer und ewig; das Zepter deiner Herrschaft ist ein gerechtes Zepter.
8 Du liebst das Recht und haßt das Unrecht, / darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit dem Öl der Freude wie keinen deiner Gefährten.
9 Von Myrrhe, Aloe und Kassia duften all deine Gewänder, aus Elfenbeinhallen erfreut dich Saitenspiel.
10 Königstöchter gehen dir entgegen, die Braut steht dir zur Rechten im Schmuck von Ofirgold.

1. »Ich weihe mein Lied dem König.« Diese an den Anfang von Psalm 45 gestellten Worte informieren den Leser über die grundlegende Art dieses Hymnus. Der Hofschreiber, der ihn verfaßt hat, berichtet uns sogleich, daß es sich um ein Lied zu Ehren des jüdischen Herrschers handelt. Ja, beim Durchsehen der Verse dieser Komposition stellen wir fest, daß wir ein Epithalamion, das heißt ein Hochzeitslied, vor uns haben.

Die Experten bemühten sich, die geschichtlichen Daten des Psalms auf Grund irgendwelcher Anzeichen herauszufinden, wie etwa der Verbindung der Königin mit der phönizischen Stadt Tyrus (vgl. V. 13), aber es gelang ihnen nicht, das Königspaar genau zu identifizieren. Wichtig ist, daß es hier um einen jüdischen König geht, was der jüdischen Tradition erlaubt hat, den Text in ein Lied für den messianischen König zu verwandeln. Ebenso konnte die christliche Tradition den Psalm unter christologischem Aspekt und wegen des Auftretens der Königin auch in mariologischer Sicht entschlüsseln.

2. Die Liturgie der Vesper läßt uns diesen Psalm als Gebet benutzen, wobei er in zwei Teile untergliedert ist. Wir haben jetzt den ersten Teil gehört (vgl. V. 2–10), wo nach der genannten Einleitung des Autors und Schreibers des Textes (vgl. V. 2) ein wunderbares Bild von dem König, der seine Hochzeit feiern will, geboten wird.

Deshalb hat das Judentum in Psalm 45 ein Hochzeitslied gesehen, das die Schönheit und Intensität des Geschenkes der Liebe zwischen den Eheleuten hervorhebt. Vor allem die Frau kann mit dem Hohelied der Liebe sprechen: »Der Geliebte ist mein, und ich bin sein« (2,16). »Meinem Geliebten gehöre ich, und mir gehört der Geliebte« (6,3).

3. Das Profil des königlichen Bräutigams wird in erhabener Weise gezeichnet unter Zuhilfenahme der ganzen Begriffswelt der höfischen Szenerie. Er trägt die militärischen Ehrenzeichen (Ps 45,4–6), zu denen kostbare, parfümierte Gewänder kommen, während im Hintergrund aus den Elfenbeinhallen der glänzenden Paläste Musik erklingt (vgl. V. 9–10). In der Mitte erhebt sich der Thron, und das Zepter wird erwähnt, zwei Zeichen der Macht und der Königswürde (vgl. V. 7–8).

An dieser Stelle möchten wir zwei Elemente hervorheben. Zunächst die Schönheit des Bräutigams, Zeichen eines inneren Glanzes und des göttlichen Segens: »Du bist der Schönste von allen Menschen« (V. 3). Die christliche Tradition hat gerade aufgrund dieses Verses Christus als vollkommenen und faszinierenden Mann dargestellt. In einer oft von Häßlichkeiten und Schandtaten gezeichneten Welt ist dieses Bild eine Einladung, die »via pulchritudinis« im Glauben, in der Theologie und im gesellschaftlichen Leben wiederzufinden, um zur göttlichen Schönheit aufzusteigen.

4. Aber die Schönheit ist nicht Selbstzweck. Die zweite Bemerkung möchten wir gerade im Bezug auf das Zusammentreffen von Schönheit und Gerechtigkeit machen. In der Tat, der König »zieht aus mit Glück, kämpft für Wahrheit und Recht« (vgl. V. 5); er »liebt das Recht und haßt das Unrecht« (V. 8), und das Zepter seiner Herrschaft ist »ein gerechtes Zepter« (V. 7). Die Schönheit muß mit der Güte und Heiligkeit des Lebens verbunden sein, damit in der Welt das leuchtende Antlitz Gottes erstrahlt, der gut, wunderbar und gerecht ist.

Die Anrede »Göttlicher« in Vers 7 gilt nach Meinung der Experten dem König, weil er vom Herrn gesalbt ist und deshalb in gewisser Weise dem göttlichen Bereich angehört: »Dein Thron, du Göttlicher, steht für immer und ewig.« Es könnte jedoch eine Anrufung an den einen höchsten König sein, den Herrn, der sich zum messianischen König herabneigt. Fest steht, daß der Brief an die Hebräer, indem er den Psalm auf Christus anwendet, nicht zögert, dem in seine Herrlichkeit eingegangenen Sohn nicht nur die symbolische, sondern die volle Gottheit zuzuerkennen (vgl. Hebr 1,8-9).

5. Auf der Linie dieser christologischen Lektüre schließen wir, indem wir auf die Stimme der Kirchenväter verweisen, die jedem Vers noch weitere geistliche Bedeutung zuschreiben. Johannes Chrysostomus verstand die christologische Deutung des Psalmverses, in dem es heißt, daß Gott den messianischen König »für immer gesegnet« hat (vgl. Ps 45,3), so: »Der erste Adam wurde mit einem schweren Fluch, der zweite Adam hingegen mit reichem Segen bedacht. Jener hatte gehört: ›So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen‹ (Gen 3,17), und weiter: ›Verflucht, wer den Auftrag des Herrn lässig betreibt‹ (Jer 48,10), und ›Verflucht, wer nicht die Worte dieser Weisung stützt, indem er sie hält‹ (Dt 27,26), und ›ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter‹ (Dt 21,23). Siehst du, wie viele Verfluchungen? Von all diesen Verfluchungen hat dich Christus befreit, indem er zum Fluch geworden ist (vgl. Gal 3,13): Denn wie er sich erniedrigt hat, um dich zu erheben, und gestorben ist, um dich unsterblich zu machen, so ist er zum Fluch geworden, um dich mit Segen zu erfüllen. Was kannst du denn mit diesem Segen vergleichen, wenn er dir durch einen Fluch Segen schenkt? Er hatte in der Tat keinen Segen nötig, aber er schenkt ihn dir« (Expositio in Psalmum XLIV, 4: PG 55, S. 188–189).


Mit einem Lied zur Hochzeit des Königs preist der Psalmist seinen Herrn: „Du bist der Schönste von allen Menschen, Anmut ist ausgegossen über deine Lippen" (Ps 45, 3). Die Wohlgestalt des Bräutigams ist Ausdruck inneren Glanzes und göttlichen Segens. Psalm 45 hat daher die Darstellung Christi als vollkommenen, reinen Menschen inspiriert. Dieses Bild lädt uns ein, die „via pulchritudinis" im Glauben und im Leben neu zu entdecken, um zur göttlichen Schönheit vorzudringen.

Die Schönheit ist aber nicht Selbstzweck. Zu ihr müssen sich Gerechtigkeit, Güte und Heiligkeit des Lebens gesellen. Dann bringt sie in der Welt das Antlitz des guten und gerechten Gottes zum Strahlen. In Jesus Christus, dem wahren Mensch und wahren Gott, schauen wir den Abglanz der Herrlichkeit des Vaters.

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Sehr herzlich heiße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache willkommen. Einen besonderen Gruß richte ich an die Töchter der Heiligsten Herzen Jesu und Mariä. Verkündet mit eurem Leben die Freude und Schönheit des Glaubens! Gottes Liebe leite euch. Euch allen wünsche ich eine gesegnete Zeit hier in Rom!

 



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