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DICASTERIUM
PRO DOCTRINA FIDEI
311/15
„APPUNTO“
FÜR DIE AUDIENZ BEIM HEIIGEN VATER
Antwort auf einige Fragen bezüglich der Spendung der Eucharistie an Geschiedene,
die in neuen Verbindungen leben, vorgelegt durch
S. Em. Dominik Kard. Duka OP
Am 13. Juli 2023, gelangte eine Anfrage seitens Seiner Eminenz Dominik Kard.
Duka OP, em. Erzbischof von Prag, im Namen der Tschechischen
Bischofskonferenz an dieses Dikasterium, in dem er eine Reihe von Fragen
bezüglich der Spendung der Eucharistie an Geschiedene, die in neuen Verbindungen
leben, vorlegt.
Obwohl einige der Fragen nicht eindeutig genug formuliert sind und daher einige
Ungenauigkeiten vorankündigen könnten, beabsichtigt dieses Dikasterium, diese zu
beantworten, um zur Klärung der aufgeworfenen Ungewissheiten beizutragen.
1. Ist es möglich, dass eine Diözese, wenn auch Mitglied der
Bischofskonferenz, völlig unabhängig Entscheidungen trifft unter Bezugnahme auf
die in den Fragen zwei und drei genannten Fakten?
Die Apostolische Exhortation
Amoris laetitia, ein Dokument des
ordentlichen päpstlichen Lehramtes, gegenüber dem alle zur Zustimmung des Verstandes und des Willens aufgerufen (cf. can. 752 CIC) sind, besagt: „Die Priester haben die Aufgabe, ,die betroffenen Menschen entsprechend der Lehre
der Kirche und den Richtlinien des Bischofs auf dem Weg der Unterscheidung zu
begleiten‘“[1]. In diesem Sinne ist es möglich, ja sogar wünschenswert, dass der Ordinarius
einer Diözese bestimmte Kriterien festlegt, die den Priestern in Übereinstimmung
mit der kirchlichen Lehre bei der Begleitung und Unterscheidung von Geschiedenen
in einer neuen Verbindung helfen können.
2. Kann die Antwort von Papst Franziskus auf die Anfrage der
Pastoralregion Buenos Aires[2] als eine Bestätigung des ordentlichen Lehramtes der Kirche angesehen werden, da
der Text in den Acta Apostolicae Sedis veröffentlicht wurde?
Wie im die beiden Dokumente abschließenden Reskript in den Acta Apostolicae
Sedis angegeben, sind diese veröffentlicht „velut Magisterium authenticum“,
also gleichsam dem authentischen Lehramt.
3. Handelt es sich um eine Entscheidung des ordentlichen
Lehramtes der Kirche, die auf dem Dokument
Amoris laetitia gründet?
Wie der Heilige Vater in seinem Brief an den Delegaten der Pastoralregion in
Erinnerung ruft[3], ist
Amoris
laetitia das Resultat der Arbeit und des Gebetes der ganzen
Kirche mittels zweier Synoden und des Papstes. Dieses Dokument gründet im
Magisterium der voraufgehenden Päpste, die bereits die Möglichkeit eines
Zutritts für Geschiedene in neuen Verbindungen zur Eucharistie für möglich
hielten unter der Voraussetzung, dass „sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, das heißt, sich der Akte zu
enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind“[4], wie dies von Johannes Paul vorgeschlagen wurde, oder wenn sie sich bemühen „ihre
Beziehung ….. als Freunde zu leben“[5], wie von Benedikt XVI vorgeschlagen. Franziskus hält den Vorschlag der völligen Enthaltsamkeit für die
geschiedenen Wiederverheirateten in einer neuen Verbindung aufrecht, aber er
räumt ein, dass es Schwierigkeiten geben kann, diese umzusetzen[6]und ermöglicht somit in gewissen Fällen, nach einem angemessenen
Unterscheidungsprozess, die Spendung des Sakramentes der Wiederversöhnung,
auch wenn es nicht gelingt, gegenüber dem Bewahren der Kontinenz treu zu sein
wie vorgeschlagen durch die Kirche[7].
4. Ist es die Absicht von
Amoris laetitia, diese Lösung durch
eine offizielle Erlaubnis oder Entscheidung für einzelne Paare zu
institutionalisieren?
In Punkt 1 des Dokuments Criterios básicos para la aplicación del capítulo
VIII de Amoris laetitia heißt es ausdrücklich: „no conviene hablar de
‘permisos’ para acceder a los sacramentos, sino de un proceso de discernimiento
acompañado por un pastor. Es un discernimiento ‘personal y pastoral’ (AL 300)“[8]. Es handelt sich also um eine pastorale Begleitung als Ausübung der „via caritatis”, die nichts anderes ist als eine Einladung, den Weg „Jesu: der Weg der Barmherzigkeit und der Eingliederung“[9] zu gehen.
Amoris
laetitia eröffnet die Möglichkeit des Zugangs zu
den Sakramenten der Versöhnung und der Eucharistie[10], wenn in einem bestimmten Fall Einschränkungen bestehen, die die
Verantwortung und die Schuldfähigkeit mildern[11]. Andererseits endet dieser Prozess der Begleitung nicht notwendigerweise mit
den Sakramenten, sondern kann auf andere Formen der Integration in das
kirchliche Leben ausgerichtet sein: eine stärkere Präsenz in der Gemeinde, die
Teilnahme an Gebets- oder Reflexionsgruppen oder die Beteiligung an
verschiedenen Diensten in der Kirche[12].
5. Wem käme es zu, die Situation der betreffenden Paare zu
beurteilen, dem Beichtvater, dem Ortspfarrer, dem Dekan, einem Bischofsvikar
oder einem Pönitentiar?
Es geht darum, einen Weg pastoraler Begleitung für die Unterscheidung einer
jeden einzelnen Person zu beginnen.
Amoris
laetitia betont, dass alle
Priester die Verantwortung haben, die betroffenen Personen auf dem Weg der
Unterscheidung zu begleiten[13]. Es ist der jeweilige Priester, der sich dem Menschen zuwendet, ihm aufmerksam
zuhört und ihm das mütterliche Antlitz der Kirche zeigt, indem er seine rechte
Absicht und seinen guten Vorsatz begrüßt, sein ganzes Leben in das Licht des
Evangeliums zu stellen und die Nächstenliebe zu üben. Aber es ist jeder
Einzelne, der aufgerufen ist, vor Gott zu treten und sein Gewissen mit seinen
Möglichkeiten und Grenzen zu offenbaren. Dieses Gewissen, von einem Priester
begleitet und durch die Orientierungslinien der Kirche erleuchtet, ist
aufgerufen, sich zu bilden, um zu bewerten und ein genügendes Urteil zu fällen,
um über die Möglichkeit des Zugangs zu den Sakramenten zu entscheiden.
6. Wäre es angebracht, dass diese Fälle vom zuständigen
kirchlichen Gericht behandelt werden?
In den Fällen, in denen es möglich ist, dass eine Nichtigkeit festgestellt
werden kann, wird die Anrufung des Kirchengerichts Teil des
Entscheidungsprozesses sein[14]. Der Heilige Vater wollte diese Prozesse durch das Motu proprio
Mitis iudex
vereinfachen[15]. Das Problem stellt sich in komplexeren Situationen, in denen es nicht möglich
ist, eine Nichtigkeitserklärung zu erwirken. In diesen Fällen kann auch ein Weg
der Unterscheidung möglich sein, der eine persönliche Begegnung mit Jesus
Christus auch in den Sakramenten[16] anregt oder erneuert.
7. Kann dieser Grundsatz auf beide Parteien einer
zivilrechtlich geschiedenen Ehe angewandt werden, oder ist nach dem Grad der
Schuld zu unterscheiden und entsprechend zu verfahren?
Der hl. Johannes Paulus II sagte bereits: „Es ist offensichtlich, dass das Urteil über den Gnadenstand nur dem Betroffenen
zukommt, denn es handelt sich um ein Urteil des Gewissens“[17]. Daher handelt es sich um einen individuellen Unterscheidungsprozess in dem „die wiederverheirateten Geschiedenen sich fragen sollten, wie sie sich ihren
Kindern gegenüber verhalten haben, seit ihre eheliche Verbindung in die Krise
geriet; ob es Versöhnungsversuche gegeben hat; wie die Lage des verlassenen
Partners ist; welche Folgen die neue Beziehung auf den Rest der Familie und die
Gemeinschaft der Gläubigen hat; welches Beispiel sie den jungen Menschen gibt,
die sich auf die Ehe vorbereiten. Ein ernsthaftes Nachdenken kann das Vertrauen
auf die Barmherzigkeit Gottes stärken, die niemandem verwehrt wird“[18].
8. Im Falle dieser einmaligen Erlaubnis ist es so zu
verstehen, dass das Eheleben (der sexuelle Aspekt) im Sakrament der Versöhnung
nicht erwähnt werden soll?
Auch im Sakrament der Ehe ist das sexuelle Leben der Ehegatten Gegenstand der
Gewissenserforschung im Hinblick darauf, dass es ein wahrer Ausdruck der Liebe
ist und zur Entwicklung der Liebe beitrage. Alle Aspekte des Lebens müssen vor Gott gebracht werden.
9. Wäre es nicht angebracht, die ganze Angelegenheit im Text
Ihres zuständigen Dikasteriums besser zu erläutern?
Auf der Grundlage der Worte des Heiligen Vaters in seinem Antwortschreiben an
den Delegaten der Pastoralregion Buenos Aires, in dem festgehalten wird, dass es
keine anderen Interpretationen gibt[19], dürfte die Frage in dem oben genannten Dokument ausreichend erläutert worden
sein.
10. Wie ist vorzugehen, um die innere Einheit zu erreichen, aber auch, um das
ordentliche Lehramt der Kirche nicht zu stören?
Es wäre angebracht, dass sich die Bischofskonferenz auf bestimmte
Mindestkriterien im Hinblick auf die Umsetzung der Vorschläge von
Amoris
laetitia einigt, die den Priestern in den Prozessen der Begleitung und der
Unterscheidung hinsichtlich des möglichen Zugangs zu den Sakramenten für
bestimmte geschiedene Personen in einer neuen Verbindung helfen würden,
unbeschadet der legitimen Autorität, die jeder Bischof in seiner eigenen Diözese
hat.
+ Víctor Manuel Fernández
Präfekt
Ex Audientia Die 25.09.2023
Franciscus
[1] Franziskus, Apostolische Exhortation
Amoris
laetitia, über die Liebe in der
Familie, 19. März 2016, Nr. 300 (im Folgenden AL).
[2] Región Pastoral de Buenos Aires,
Criterios básicos para la aplicación del capítulo VIII de Amoris laetitia,
AAS 108 (2016), 1072-1074.
[3] Vgl. Franziskus, Carta
a Mons. Sergio Alfredo Fenoy, Delegado de la
Región Pastoral de Buenos Aires, AAS 108 (2016), 1071-1072.
[4] Johannes Paul II., Apostolische Exhortation
Familiaris consortio über die Aufgabe der
christlichen Familie in der Welt von heute, 22. November 1981, Nr. 84.
[5] Benedikt XVI., Apostolische Exhortation
Sacrametum caritatis über die Eucharistie,
Quelle und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche, 22. Februar 2007, Nr.
29.
[6] Vgl. AL, Fußnote 329.
[7] Vgl. AL, Fußnote 364. Papst Franziskus vertritt die Ansicht, dass wir von den
„Pönitenten nicht eine makellose Reue verlangen sollten, bei der die
Barmherzigkeit unter dem Streben nach einer hypothetisch reinen Gerechtigkeit
verblasst“ und erinnert an die Lehre Johannes Pauls II. in seinem Schreiben an
Kardinal W. Baum, wo er feststellt, dass auch die Vorhersehbarkeit eines neuen
Fallens „nicht die Echtheit der Absicht untergräbt“ (Johannes Paul II., Brief
an Card. William W. Baum und die Teilnehmer am Jahreskurs der Apostolischen
Pönitentiarie über das Forum internum [22. März 1996], 5: Insegnamenti XIX, 1 [1996], 589).
[8] Región Pastoral de Buenos Aires,
Criterios básicos …, op. cit., p. 1072: „Es ist nicht angebracht von
einer ‚Erlaubnis‘ für den Zugang zu den Sakramenten zu sprechen, sondern von
einem Unterscheidungsprozess, der von einem Seelsorger begleitet wird. Es
handelt sich um eine ‚persönliche und pastorale‘ Entscheidung (AL 300)“.
(Deutsche Arbeitsübersetzung des Dikasteriums).
[9] AL, Nr. 296.
[10] Vgl. AL, Fußnoten 336 und 351.
[11] Vgl. AL, Nrn. 301-302.
[12] Vgl. AL, Nr. 209.
[13] Vgl. AL, Nr. 300.
[14] „Wo berechtigte Zweifel an der Gültigkeit der sakramental geschlossenen Ehe
aufkommen, muss das Notwendige unternommen werden, um deren Fundierung zu
überprüfen“, in Benedikt XVI., Apostolische Exhortation
Sacramentum caritatis…, ebd., Nr. 29.
[15] Franziskus, Apostolisches Schreiben in Form eines „Motu proprio“
Mitis iudex Dominus
Iesus über die Reform des kanonischen Verfahrens für
Ehenichtigkeitserklärungen im Kodex des kanonischen Rechtes, AAS 107 (2015)
958-970.
[16] Vgl. AL, Nr. 58.
[17] Johannes Paul II., Enzyklika
Ecclesia de Eucharistia über die Eucharistie in ihrer
Beziehung zur Kirche, 17. April 2003, Nr. 37b.
[18] AL, Nr. 300.
[19] Cfr. Franziskus, Carta
a Mons. Sergio Alfredo Fenoy…, op. cit., p.1071.
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