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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Von der Schlange verzaubert

Montag, 25. Mai 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 23, 5. Juni 2015

 

Eine Illusion von Glück und Macht, ein Mangel an Horizonten und an Hoffnung. Das schwierige Verhältnis des Menschen zum Reichtum stand im Mittelpunkt der Reflexionen, die Papst Franziskus bei der Messe anstellte, die er am Montag, 25. Mai, in Santa Marta feierte.

Die Tagesliturgie sah als Evangelientext einen Abschnitt aus dem Markusevangelium vor (10,17-27), wo von dem reichen jungen Mann die Rede ist: eine Geschichte, die, wie der Papst sagte, überschrieben werden könnte mit: »Der Weg von der Freude und der Hoffnung zur Traurigkeit und zum Sich-in-sich-selbst-Verschließen«. Tatsächlich habe dieser junge Mann »Jesus nachfolgen wollen, und er sah ihn und lief ihm begeistert entgegen, um ihm die Frage zu stellen: ›Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?‹« Da halte ihn der Herr, nachdem er ihn dazu aufgefordert hatte, die Gebote zu befolgen, an: »Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben.«

Und der junge Mann »war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.« Von der Begeisterung zur Traurigkeit: »Er wollte mit Jesus gehen, und schlug dann einen anderen Weg ein.« Der Grund dafür? »Er hing an seinem Geld. Er hatte sehr viele Besitztümer. Und als er eines gegen das andere abwog, trugen die Besitztümer den Sieg davon.«

Franziskus betonte die klare Haltung, die Jesus angesichts dieser Reaktion einnimmt: »Er sagte seinen Jüngern voller Überzeugung: ›Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!‹« In der Tat, so erläuterte er, »steckt ein Geheimnis hinter dem Besitz von Reichtümern. Die Reichtümer sind dazu imstande, zu verführen, uns zu verführen und uns glauben zu machen, dass wir in einem irdischen Paradies leben.« Dafür führte der Papst auch ein Beispiel an: »Ich erinnere mich, dass ich in den 70er Jahren erstmals ein Stadtviertel gesehen habe, zu dem der Zutritt verwehrt war, ein Viertel für Reiche. Es war verschlossen, um sich vor Dieben zu schützen, um Sicherheit zu gewährleisten.« Es habe dort auch gute Leute gegeben, aber sie hätten sich in dieser Art von »irdischem Paradies« verbarrikadiert. Das geschehe dann, so sagte er, »wenn man sich verschließt, um seinen Besitz zu schützen«: man verliere »den Horizont«. Und »ein Leben ohne Horizont ist traurig«.

An diesem Punkt hakte der Papst noch tiefer nach: Man müsse in Betracht ziehen, so erinnerte er, dass »die Dinge schlecht werden, dass sie verderben. Am Reichtum zu hängen sei überall der Anfang einer jeden Art von Korruption: Der persönlichen Korruption, der Korruption in der Geschäftswelt, auch die kleine Korruption im Handel« – so wie die jener Menschen, so erläuterte der Papst, die dem korrekten Gewicht einer Ware ein paar hundert Gramm entzögen –, »die Korruption in der Politik, die Korruption in der Erziehung…«

Wie viele Menschen »leben, indem sie sich an ihre Macht klammern, an ihren Reichtum, sie wähnen sich im Paradies. Sie verschließen sich, haben keinen Horizont, haben keine Hoffnung. Und am Ende müssen sie alles zurücklassen.« Um diese Vorstellung besser zu verdeutlichen, erinnerte der Papst an das Gleichnis, in dem Jesus von jenem Mann spricht, der sich, hochelegant gekleidet, »noble Bankette gönnte«: Er »war so in sich selbst verschlossen, dass er nicht über seine eigene Nasenspitze hinaussah. Er sah nicht, dass direkt vor seiner Tür ein Mann saß, der Hunger litt und auch krank war, der von Wunden übersät war.« Dasselbe geschehe auch uns: »Wir hängen so am Reichtum, dass wir meinen, alles wäre gut, dass es ein irdisches Paradies gäbe, das beraubt uns aber der Hoffnung und beraubt uns des Horizontes. Und ein Leben ohne Horizont ist ein steriles Leben, ein Leben ohne Hoffnung ist ein trauriges Leben.«

Aber es lag Franziskus daran, zu präzisieren, dass hier »das am Reichtum Hängen« kritisiert werde, nicht aber »die gute Verwaltung der Reichtümer«. In der Tat seien die Reichtümer »für das Gemeinwohl da, für alle Menschen«, und wenn der Herr sie jemandem gewähre, so geschehe dies »zum Wohle aller, nicht für einen selbst, nicht dazu, dass er sie in seinem Herzen verschließe, das dann korrupt und traurig wird«. Jesus gebrauche hierfür eine eindringliche Formulierung: »Wie schwer ist es für Menschen, die vielbesitzen, in das Reich Gottes zu kommen!« Die Reichtümer, so sagte der Papst, »sind wie die Schlange im irdischen Paradies, sie betören, sie verzaubern, sie bringen uns dazu, zu meinen, dass wir mächtig wären wie Gott. Und am Ende berauben sie uns des Besten, was wir haben, der Hoffnung, und sie stoßen uns in etwas Schlimmes, in die Korruption«. Aus diesem Grunde bekräftige Jesus: »Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr,als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.«

Daraus lasse sich ein Rat ableiten, der für jedermann geeignet sei: Wer Reichtümer besitze, müsse sich »an die erste Seligpreisung« halten: ›Selig, die arm sind vor Gott‹: Man soll sich also von dieser Einstellung freimachen und dafür sorgen, dass die Reichtümer, die der Herr einem gegeben hat, für das Gemeinwohl gespendet werden «. Die »einzige Art und Weise«, wie man vorgehen solle, bestehe darin, »die Hand zu öffnen, das Herz zu öffnen, seinen Horizont zu öffnen«. Wenn »du hingegen eine verschlossene Hand hast, ein verschlossenes Herz wie jener Mann, der sich die Bankette gönnte und luxuriöse Gewänder trug, dann hast du keine Horizonte, dann siehst du die anderen Menschen nicht, die Not leiden, und dann endest du wie jener Mann: fern von Gott«. Dasselbe sei dem reichen jungen Mann widerfahren: »Der Weg zum Glück stand ihm offen, er suchte nach ihm und … er verlor alles«. Da er an seinen Reichtümern hänge, »endet er als Verlierer«.

Folglich, so schloss der Papst, müssten wir Jesus um die Gnade bitten, »nicht am Reichtum zu hängen«, um nicht Gefahr zu laufen, »dass sich unser Herz verschließt, dass wir korrupt und steril werden«.



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