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BOTSCHAFT VON PAPST LEO XIV.
AN DIE TEILNEHMER DER ZWEITEN JAHRESKONFERENZ
ÜBER KÜNSTLICHE INTELLIGENZ, ETHIK UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG
[Palazzo Piacentini (via Veneto, am Sitz des Ministeriums für Unternehmen (Mimit), und in der Sala Regia des Apostolischen Palasts im Vatikan, 19.-20. Juni 2025]
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Anlässlich dieser zweiten Jahrestagung über künstliche Intelligenz in Rom möchte ich den Teilnehmern meine mit dem Gebet verbundenen guten Wünsche übermitteln. Ihre Anwesenheit zeigt, dass ein gründliches Nachdenken und eine fortlaufende Diskussion über den inhärent ethischen Aspekt der künstlichen Intelligenz und verantwortungsvolle Standards für deren Einsatz dringend notwendig sind. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass der zweite Tag der Konferenz im Apostolischen Palast stattfinden wird, ein klares Zeichen für den Wunsch der Kirche, sich an diesen Diskussionen zu beteiligen, die Gegenwart und Zukunft unserer Menschheitsfamilie unmittelbar betreffen.
Gleichzeitig mit ihrem außerordentlichen Potential zum Nutzen der Menschheitsfamilie wirft die schnelle Entwicklung der künstlichen Intelligenz aber auch tiefere Fragen auf, die den richtigen Einsatz einer solchen Technologie im Hinblick auf die Schaffung einer wahrhaft gerechteren und menschlicheren globalen Gesellschaft betreffen. In dieser Hinsicht ist künstliche Intelligenz zweifellos ein außerordentliches Produkt des menschlichen Genius, aber »im Wesentlichen ein Werkzeug« (Papst Franziskus, Ansprache beim G7-Gipfel über künstliche Intelligenz , 14. Juni 2024). Definitionsgemäß verweisen Werkzeuge auf die menschliche Intelligenz, die sie erschaffen hat, und schöpfen viel von ihrer ethischen Stärke aus den Absichten der Individuen, die sie benutzen. In manchen Fällen wurde künstliche Intelligenz auf positive, in der Tat edle Weise genutzt, um größere Gleichheit zu fördern, aber es besteht genauso die Möglichkeit ihres Missbrauchs für eigennützige Zwecke zum Schaden anderer oder schlimmer noch, um Konflikte und Aggression zu schüren.
Die Kirche möchte ihrerseits zu einer unaufgeregten, fundierten Diskussion dieser dringenden Fragen beitragen, indem sie vor allem die Notwendigkeit unterstreicht, die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz im Licht einer »Entwicklung […], die auf den Dienst am Menschen und am Gemeinwohl ausgerichtet ist« (Note Antiqua et nova , 6). Das bedeutet, nicht nur das materielle Wohlergehen der menschlichen Person, sondern auch ihr intellektuelles und geistliches Wohl zu berücksichtigen. Es bedeutet, die unverletzliche Würde jedes Menschen zu schützen und den kulturellen und spirituellen Reichtum und die Verschiedenheit der Völker dieser Welt zu achten. Letztlich müssen die Vorteile oder Risiken der künstlichen Intelligenz nach diesem übergeordneten ethischen Kriterium bewertet werden.
Wie der verstorbene Papst Franziskus feststellte, erleben unsere Gesellschaften heute leider einen gewissen »Verlust oder zumindest eine Verdunkelung des Sinns für das Menschliche«, und das wiederum fordert uns alle heraus, tiefer über die wahre Natur und Einzigartigkeit der uns gemeinsamen Menschenwürde nachzudenken (Ansprache beim G7-Gipfel über künstliche Intelligenz , 14. Juni 2024). Die künstliche Intelligenz, insbesondere die generative künstliche Intelligenz, hat auf vielen unterschiedlichen Ebenen neue Horizonte eröffnet, unter anderem eine verbesserte Forschung im Bereich der Gesundheitsfürsorge und wissenschaftliche Entdeckungen; sie wirft aber auch beunruhigende Fragen auf zu ihren möglichen Auswirkungen auf die Offenheit der Menschheit für Wahrheit und Schönheit, zu unserer unverwechselbaren Fähigkeit, die Realität zu erfassen und zu verarbeiten. Die Anerkennung und Achtung dessen, was die menschliche Person in einzigartiger Weise auszeichnet, ist in der Debatte über einen angemessenen ethischen Rahmen für die Steuerung der künstlichen Intelligenz von wesentlicher Bedeutung.
Ich bin sicher, dass wir uns alle Sorgen machen um Kinder und junge Menschen und die möglichen Konsequenzen der Nutzung von künstlicher Intelligenz auf ihre intellektuelle und neurologische Entwicklung. Unsere Jugend muss auf ihrem Weg zu Reife und echter Verantwortung unterstützt und darf nicht behindert werden. Sie sind unsere Hoffnung für die Zukunft, und das Wohlergehen der Gesellschaft hängt davon ab, dass sie die Möglichkeit haben, die ihnen von Gott geschenkten Gaben und Fähigkeiten zu entwickeln und auf die Anforderungen der heutigen Zeit und die Bedürfnisse anderer mit einem freien und großherzigen Geist zu antworten. Noch nie hatte eine Generation einen so schnellen Zugang zu der Menge an Informationen, die heute durch die künstliche Intelligenz zur Verfügung steht. Aber auch hier gilt, dass der Zugang zu Daten – wie umfangreich auch immer – nicht mit Intelligenz verwechselt werden darf, die notwendigerweise »die Offenheit des Menschen für die letzten Fragen des Lebens impliziert und eine Ausrichtung auf das Wahre und Gute widerspiegelt« (Note Antiqua et nova , 29). Letztlich hat echte Weisheit mehr mit dem Erkennen des wahren Sinns des Lebens zu tun als mit der Verfügbarkeit von Daten.
In diesem Sinne, liebe Freunde, wünsche ich, dass Sie bei Ihren Überlegungen die künstliche Intelligenz auch im Rahmen des notwendigen generationenübergreifenden Lernens berücksichtigen mögen, denn dies ermöglicht den jungen Menschen, die Wahrheit in ihr moralisches und geistliches Leben zu integrieren, die so ihre reifen Entscheidungen lenkt und den Weg zu einer Welt größerer Solidarität und Einheit eröffnet (vgl. ebd ., 28). Die Aufgabe, vor der Sie stehen, ist nicht leicht, aber sie ist von entscheidender Bedeutung. Während ich Ihnen für Ihre aktuellen und zukünftigen Bemühungen danke, rufe ich auf Sie und Ihre Familien den göttlichen Segen der Weisheit, der Freude und des Friedens herab.
Aus dem Vatikan, 17. Juni 2025
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