BENEDIKT XVI.
GENERALAUDIENZ
Audienzhalle
Mittwoch, 29. Dezember 2010
Liebe Brüder und Schwestern!
Kürzlich habe ich in einer Katechese über die hl. Katharina von Siena gesprochen. Heute möchte ich euch eine andere, weniger bekannte Heilige vorstellen, die denselben Namen trägt: die hl. Katharina von Bologna, eine Frau mit weitreichender Bildung, die jedoch sehr demütig war. Sie widmete sich dem Gebet, war aber stets bereit zu dienen; sie brachte großherzig Opfer dar und nahm voll Freude mit Christus das Kreuz an.
Sie wird am 8. September 1413 in Bologna geboren, als erstes Kind von Benvenuta Mammolini und Giovanni de’ Vigri, einem reichen und gebildeten Adligen aus Ferrara, Doktor der Rechtswissenschaften und öffentlicher Dozent in Padua, wo er für Nikolaus III. d’Este, dem Markgrafen von Ferrara, im diplomatischen Dienst stand. Über Katharinas Kindheit und Jugend gibt es nur wenige Nachrichten, und nicht alle von ihnen sind gesichert. Als Kind lebt sie in Bologna, im Haus der Großeltern; hier wird sie von den Angehörigen erzogen, vor allem von ihrer Mutter, einer sehr gläubigen Frau. Im Alter von etwa zehn Jahren zieht sie mit ihr nach Ferrara an den Hof von Nikolaus III. d’Este als Hofdame für Margherita, eine uneheliche Tochter von Nikolaus. Der Markgraf macht Ferrara zu einer prächtigen Stadt, in die er Künstler und Literaten aus verschiedenen Ländern ruft. Er fördert die Kultur, und obgleich er kein vorbildliches Privatleben führt, trägt er große Sorge für das geistliche Wohl, das sittliche Verhalten und die Erziehung und Bildung der Untertanen.
In Ferrara leidet Katharina nicht unter den negativen Aspekten, die das Leben am Hof oft mit sich bringt; sie genießt Margheritas Freundschaft und wird ihre Vertraute; sie bereichert ihre Kultur. Sie studiert Musik, Malerei und Tanz; sie lernt, Gedichte zu schreiben, literarische Texte zu verfassen, Bratsche zu spielen; sie gewinnt Erfahrungen in der Kunst der Miniatur und der Handschriften; sie vervollkommnet das Studium der lateinischen Sprache. Später im Klosterleben wird sie aus dem kulturellen und künstlerischen Reichtum, den sie in diesen Jahren erwirbt, großen Nutzen ziehen. Das Lernen fällt ihr leicht, sie lernt mit Leidenschaft und Beharrlichkeit; sie zeigt große Klugheit, und ihr Verhalten ist von einzigartiger Bescheidenheit, Anmut und Freundlichkeit geprägt. Ein Zug jedoch zeichnet sie besonders deutlich aus: ihr stets den himmlischen Dingen zugewandter Geist. 1427, mit nur 14 Jahren, entschließt sich Katharina, auch infolge einiger familiärer Ereignisse, den Hof zu verlassen, um sich einer Gruppe junger Frauen aus adligen Familien anzuschließen, die ein gemeinsames Leben führen, und sich Gott zu weihen. Ihre gläubige Mutter stimmt zu, obgleich sie andere Pläne für sie hatte.
Katharinas geistlichen Weg vor dieser Entscheidung kennen wir nicht. In dritter Person sagt sie von sich, daß sie sich in den Dienst Gottes gestellt hat »erleuchtet von der göttlichen Gnade […] mit reinem Gewissen und großem Eifer«, Tag und Nacht dem heiligen Gebet gewidmet und bemüht, alle Tugenden zu erwerben, die sie bei anderen sah, »nicht aus Neid, sondern um Gott besser zu gefallen, dem sie ihre ganze Liebe geschenkt hatte« (Die sieben geistlichen Waffen, VII,8). In dieser neuen Phase ihres Lebens macht sie beachtliche geistliche Fortschritte, aber groß und schrecklich sind auch die Prüfungen, die inneren Leiden, vor allem die Versuchungen des Teufels. Sie macht eine tiefe geistliche Krise durch, die sie bis an den Rand der Verzweiflung bringt (vgl. ebd., VII). Sie erlebt eine geistliche Nacht, in der sie sogar von der Versuchung der Ungläubigkeit gegenüber der Eucharistie bedrängt ist. Nach so viel Leiden tröstet sie der Herr: In einer Vision schenkt er ihr die klare Erkenntnis der eucharistischen Realpräsenz, eine so leuchtende Erkenntnis, daß Katharina sie nicht in Worte fassen kann (vgl. ebd., VIII,2). Zur selben Zeit kommt eine schmerzliche Prüfung über die Gemeinschaft: Es entstehen Spannungen zwischen denen, die der augustinischen Spiritualität folgen wollen, und denen, die mehr auf die franziskanische Spiritualität ausgerichtet sind.
Zwischen 1429 und 1430 trifft die Verantwortliche der Gruppe, Lucia Mascheroni, die Entscheidung, ein Augustinerinnenkloster zu gründen. Katharina und andere dagegen entschließen sich, die Regel der hl. Klara von Assisi zu übernehmen. Es ist ein Geschenk der Vorsehung, denn die Gemeinschaft wohnt in der Nähe der Kirche »Santo Spirito« beim Konvent der Minderbrüder, die sich der Observanzbewegung angeschlossen haben. So können Katharina und ihre Gefährtinnen regelmäßig an den liturgischen Feiern teilnehmen und angemessenen geistlichen Beistand erhalten. Sie haben auch die Freude, Predigten des hl. Bernhardin von Siena zu hören (vgl. ebd., VII,62). Katharina berichtet, daß sie 1429 – im dritten Jahr ihrer Bekehrung – bei einem der von ihr sehr geschätzten Minderbrüder beichten geht, wo sie eine gute Beichte ablegt und den Herrn inständig bittet, all ihre Sünden zu vergeben und ihr die mit diesen verbundene Strafe zu erlassen. Gott offenbart ihr in einer Vision, daß er ihr alles vergeben hat. Es ist eine sehr starke Erfahrung der göttlichen Barmherzigkeit, die sie für immer prägt und ihr neuen Antrieb gibt, um großherzig auf die unendliche Liebe Gottes zu antworten (vgl. ebd., IX,2).
1431 hat sie eine Vision vom Endgericht. Der schreckliche Anblick der Verdammten drängt sie, Gebet und Buße für das Heil der Sünder zu vertiefen. Der Teufel sucht sie auch weiterhin heim, und sie vertraut sich immer vollkommener dem Herrn und der Jungfrau Maria an (vgl. ebd., X,3). In ihren Schriften hinterläßt uns Katharina einige wesentliche Hinweise über diesen geheimnisvollen Kampf, aus dem sie mit Gottes Gnade siegreich hervorgeht. Dies dient der Unterweisung ihrer Mitschwestern sowie jener, die sich auf den Weg der Vollkommenheit begeben wollen: Sie will vor den Versuchungen des Teufels warnen, der sich oft unter trügerischen Erscheinungsformen versteckt, um dann Glaubenszweifel, Unsicherheit über die Berufung oder Sinnlichkeit hervorzurufen.
In der autobiographischen und der Unterweisung dienenden Schrift Die sieben geistlichen Waffen unterbreitet Katharina in diesem Zusammenhang Lehren von großer Weisheit und tiefer Erkenntnis. Sie spricht in der dritten Person, wenn sie die außerordentlichen Gnaden beschreibt, die der Herr ihr schenkt, und in der ersten Person, wenn sie ihre eigenen Sünden beichtet. Ihre Schrift läßt die Reinheit ihres Glaubens an Gott, die tiefe Demut, die Schlichtheit des Herzens, den missionarischen Eifer, die Leidenschaft für das Heil der Seelen erkennen. Sie unterscheidet sieben Waffen beim Kampf gegen das Böse, gegen den Teufel: 1. eifrige Sorgfalt darauf zu verwenden, stets das Gute zu tun; 2. zu glauben, daß wir allein niemals etwas wirklich Gutes tun können; 3. auf Gott zu vertrauen und aus Liebe zu ihm niemals den Kampf gegen das Böse zu fürchten, weder in der Welt noch in uns selbst; 4. oft die Ereignisse und die Worte des Lebens Jesu zu betrachten, besonders sein Leiden und seinen Tod; 5. daran zu denken, daß wir sterben müssen; 6. sich die Güter des Paradieses im Geist fest einzuprägen; 7. mit der Heiligen Schrift vertraut zu sein und sie stets im Herzen zu tragen, damit sie allen Gedanken und allem Handeln Orientierung gibt – ein schönes geistliches Lebensprogramm auch heute, für jeden für uns!
Obgleich sie an den Hof von Ferrara gewöhnt ist, übernimmt Katharina im Kloster Aufgaben als Wäscherin, Näherin und Bäckerin und ist für die Versorgung der Tiere zuständig. Sie führt alles, auch die niedersten Dienste, mit Liebe und bereitwilligem Gehorsam aus und gibt so den Mitschwestern ein leuchtendes Zeugnis. Im Ungehorsam sieht sie nämlich jenen geistlichen Hochmut, der jede andere Tugend zerstört. Aus Gehorsam übernimmt sie das Amt der Novizenmeisterin, obgleich sie sich für unfähig hält, diese Aufgabe zu erfüllen, und Gott beseelt sie unablässig durch seine Gegenwart und seine Gaben; sie ist in der Tat eine weise und geschätzte Meisterin.
Danach wird ihr der Dienst im Sprechzimmer anvertraut. Es fällt ihr sehr schwer, oft das Gebet zu unterbrechen, um den Menschen zu antworten, die an das Klostergitter kommen, aber auch diesmal kommt der Herr zu ihr und steht ihr bei. Mit ihr ist das Kloster immer mehr ein Ort des Gebets, der Hingabe, des Schweigens, der Mühe und der Freude. Als die Äbtissin stirbt, denken die Oberen sofort an sie, aber Katharina drängt sie, sich an die Klarissen von Mantua zu wenden, die die Konstitutionen und die Ordensgebräuche besser kennen. Wenige Jahre später jedoch, 1456, wird ihr Kloster gebeten, eine Neugründung in Bologna zu errichten. Katharina würde ihre Tage lieber in Ferrara beenden, aber der Herr erscheint ihr und mahnt sie, den Willen Gottes zu tun, indem sie als Äbtissin nach Bologna geht. Sie bereitet sich auf die neue Aufgabe durch Fasten und Bußübungen vor. Zusammen mit 18 Mitschwestern begibt sie sich nach Bologna. Als Oberin ist sie die erste im Gebet und im Dienst; sie lebt in tiefer Demut und Armut. Als die drei Amtsjahre als Äbtissin enden, ist sie froh, ersetzt zu werden, aber ein Jahr später muß sie ihr Amt wieder aufnehmen, weil die Neugewählte erblindet ist. Obwohl sie leidet und von schweren Krankheiten geplagt wird, erfüllt sie ihren Dienst mit Großherzigkeit und Hingabe.
Noch ein Jahr lang mahnt sie die Mitschwestern zum Leben nach dem Evangelium, zur Geduld und zur Beständigkeit in den Prüfungen, zur brüderlichen Liebe, zur Vereinigung mit dem göttlichen Bräutigam, Jesus, um so ihre Mitgift für die himmlische Hochzeit zu bereiten. Diese Mitgift sieht Katharina darin, die Leiden Christi zu teilen und Schwierigkeiten, Sorgen, Verachtung, Unverständnis mit innerer Ruhe zu begegnen (vgl. Die sieben geistlichen Waffen, X,20). Anfang 1463 verschlimmern sich ihre Krankheiten; sie versammelt die Schwestern ein letztes Mal im Kapitel, um ihnen anzukündigen, daß sie sterben würde und ihnen die Beachtung der Regel ans Herz zu legen. Ende Februar kommen starke Leiden über sie, die nicht mehr von ihr weichen werden. Sie ist es jedoch, die die Mitschwestern im Schmerz tröstet und ihnen ihren Beistand zusichert, auch vom Himmel aus. Nachdem sie die letzten Sakramente empfangen hat, übergibt sie ihrem Beichtvater die Schrift Die sieben geistlichen Waffen und tritt in den Todeskampf ein; ihr Gesicht wird schön und leuchtend; noch einmal betrachtet sie liebevoll jene, die bei ihr sind, und haucht sanft ihren Geist aus, wobei sie dreimal den Namen Jesu ausspricht: Es ist der 9. März 1463 (vgl. I. Bembo, Specchio di illuminazione. Vita di S. Caterina a Bologna, Florenz 2001, Kap. III). Katharina wird am 22. Mai 1712 von Papst Clemens XI. heiliggesprochen. Die Stadt Bologna verwahrt ihren unversehrten Leib in der Kapelle des Klosters »Corpus Domini«.
Liebe Freunde, die hl. Katharina von Bologna ist durch ihre Worte und ihr Leben eine starke Einladung, uns stets von Gott leiten zu lassen, täglich seinen Willen zu tun, auch wenn er oft nicht unseren Plänen entspricht, auf seine Vorsehung zu vertrauen, die uns nie allein läßt. In dieser Hinsicht spricht die hl. Katharina mit uns; über die Entfernung vieler Jahrhunderte hinweg ist sie dennoch sehr modern und spricht zu unserem Leben. Wie wir erleidet sie Versuchung, erleidet sie Versuchungen der Ungläubigkeit, der Sinnlichkeit, eines schwierigen, geistlichen Kampfes. Sie fühlt sich von Gott verlassen, sie befindet sich im Dunkel des Glaubens. Aber in all diesen Situationen hält sie stets die Hand des Herrn, läßt ihn nicht los, verläßt ihn nicht. Und Hand in Hand mit dem Herrn geht sie auf dem richtigen Weg und findet den Weg des Lichts. So sagt sie auch zu uns: Nur Mut, auch in der Nacht des Glaubens, auch in vielen Zweifeln, die es geben kann, laß die Hand des Herrn nicht los, geh Hand in Hand mit ihm, glaube an die Güte Gottes; dann gehst du auf dem richtigen Weg! Und ich möchte noch einen weiteren Aspekt hervorheben: ihre große Demut. Sie ist eine Person, die nicht jemand oder etwas sein will; sie will sich nicht hervortun; sie will nicht herrschen. Sie will dienen, den Willen Gottes tun, im Dienst der anderen stehen. Und gerade deshalb war Katharina glaubwürdig in ihrer Autorität, denn man konnte sehen, daß die Autorität für sie bedeutete, den anderen zu dienen. Durch die Fürsprache unserer Heiligen bitten wir Gott, den Plan zu verwirklichen, den er mit uns hat, mit Mut und Großherzigkeit, damit nur er der feste Fels ist, auf den unser Leben gebaut wird. Danke.
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Mit Freude grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher, ganz besonders die Seminaristen des Collegium Orientale aus Eichstätt, und ich danke für den Gesang, den wir eben hören durften. Das Leben der heiligen Katharina von Bologna zeigt uns, daß Gott den Menschen auch in Schwierigkeiten nie allein läßt und daß er ihn in seinem Heilswillen zum Guten führt, daß er freilich von uns auch das Mitkämpfen erwartet, das Festhalten und die Treue zu ihm in den Schwierigkeiten. Euch und euren Familien wünsche ich ein gesegnetes neues Jahr.
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