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EUCHARISTIEFEIER AM HOCHFEST DER ERSCHEINUNG DES HERRN

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Petersdom
Sonntag, 6. Januar

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir feiern heute Christus, das Licht der Welt, und seine Erscheinung vor den Völkern. Am Weihnachtstag klang die Botschaft der Liturgie so: »Hodie descendit lux magna super terram – Ein großes Licht ist heute auf Erden erschienen« (Missale Romanum). In Betlehem erschien dieses »große Licht« einer kleinen Gruppe von Menschen, einem winzigen »Rest Israels«: der Jungfrau Maria, ihrem Bräutigam Josef und einigen Hirten. Ein demütiges Licht, wie es dem Stil des wahren Gottes entspricht; eine kleine Flamme, die in der Nacht brennt: ein zartes Neugeborenes, das in der Stille der Welt wimmert… Jene verborgene und unbekannte Geburt jedoch wurde vom Loblied der himmlischen Heerscharen begleitet, die Herrlichkeit und Frieden besangen (vgl. Lk 2,13–14).

So strahlte dieses bei seiner Erscheinung auf Erden eher bescheidene Licht machtvoll in den Himmel aus: die Geburt des Königs der Juden war vom Aufgehen eines Sternes angekündigt worden, der aus großer Ferne sichtbar war. Dies war das Zeugnis »einiger Sterndeuter«, die bald nach der Geburt Jesu zur Zeit des König Herodes aus dem Osten nach Jerusalem gekommen waren (vgl. Mt 2,1–2). Ein weiteres Mal rufen und antworten einander der Himmel und die Erde, der Kosmos und die Geschichte. Die alten Prophezeiungen finden Bestätigung in der Sprache der Sterne. »Ein Stern geht in Jakob auf, / ein Zepter erhebt sich in Israel« (Num 24,17), so hatte der heidnische Seher Bileam verkündet, als er dazu gerufen wurde, das Volk Israel zu verwünschen, und das er stattdessen segnete, da – so offenbarte ihm Gott – »jenes Volk gesegnet ist« (Num 22,12). Chromatius von Aquileia setzt in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium Bileam mit den Sterndeutern in Beziehung und schreibt: »Jener prophezeite, daß Christus kommen würde; diese erblickten ihn mit den Augen des Glaubens. « Und er fügte eine wichtige Beobachtung hinzu: »Alle erblickten den Stern, nicht alle aber verstanden dessen Sinn. Gleicherweise ist unser Herr und Heiland für alle geboren worden, nicht alle aber haben ihn aufgenommen« (a.a.O., 4,1–2). Hier erscheint in der geschichtlichen Perspektive die Bedeutung des Symbols des Lichtes, das für die Geburt Christi verwendet wird: es bringt den besonderen Segen Gottes für das Geschlecht Abrahams zum Ausdruck, der dazu bestimmt ist, allen Völkern der Welt zuteil zu werden.

Das Ereignis des Evangeliums, dessen wir am Tag der Erscheinung des Herrn – der Besuch der Sterndeuter beim Jesuskind in Betlehem – gedenken, verweist uns so auf die Ursprünge der Geschichte des Volkes Gottes, das heißt auf die Berufung Abrahams. Wir befinden uns im 12. Kapitel des Buches Genesis. Die ersten elf Kapitel gleichen großen Fresken, die eine Antwort auf einige der grundlegenden Fragen der Menschheit darstellen: Was ist der Ursprung des Universums und des Menschengeschlechts? Woher kommt das Böse? Warum gibt es verschiedene Sprachen und Kulturen? Unter den anfänglichen Erzählungen der Bibel kommt ein erster »Bund« zum Vorschein, den Gott mit Noach nach der Sintflut geschlossen hat. Es handelt sich um einen universalen Bund, der die ganze Menschheit betrifft: der neue Bund mit der Familie des Noach ist gleichzeitig Bund mit »allen Wesen aus Fleisch«. Vor der Berufung des Abraham findet sich dann ein weiteres großes Fresko, das sehr wichtig ist, um den Sinn der Erscheinung des Herrn zu verstehen: das des Turms von Babel. Der heilige Text sagt, daß am Anfang »alle Menschen die gleiche Sprache [hatten] und die gleichen Worte [gebrauchten]« (Gen 11,1). Dann sagten die Menschen: »Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel und machen wir uns damit einen Namen, dann werden wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen« (Gen 11,4). Die Folge dieser Schuld des Stolzes, die der Schuld von Adam und Eva gleicht, war die Verwirrung der Sprachen und die Zerstreuung der Menschheit über die ganze Erde (vgl. Gen 11,7–8). Das ist die Bedeutung von »Babel«, und es war dies eine Art der Verfluchung, ähnlich jener der Vertreibung aus dem irdischen Paradies.

An diesem Punkt beginnt mit der Berufung Abrahams die Geschichte des Segens: Es beginnt der große Plan Gottes, aus der Menschheit eine Familie zu machen, durch den Bund mit einem neuen von ihm auserwählten Volk, damit es unter allen Völkern ein Segen sei (vgl. Gen 12,1–3). Dieser göttliche Plan dauert nach wie vor an und hat seinen Höhepunkt im Geheimnis Christi gefunden. Von da an haben die »letzten Zeiten« begonnen, in dem Sinne, daß der Plan in Christus voll offenbart und verwirklicht worden ist, aber in die menschliche Geschichte aufgenommen werden muß, die stets die Geschichte der Treue Gottes und leider auch der Untreue von uns Menschen bleibt. Die Kirche selbst, die Hüterin des Segens ist, ist heilig und ist aus Sündern zusammengesetzt, gezeichnet von der Spannung zwischen dem »Schon« und dem »Noch-nicht«. In der Fülle der Zeiten ist Jesus Christus gekommen, um den Bund zur Erfüllung zu bringen: Er selbst, wahrer Gott und wahrer Mensch, ist das Sakrament der Treue Gottes zu seinem Heilsplan für die ganze Menschheit, für uns alle.

Die Ankunft der Sterndeuter, die aus dem Osten nach Betlehem kommen, um den neugeborenen Messias anzubeten, ist das Zeichen des Offenbarwerdens des universalen Königs vor den Völkern und vor allen Menschen, die die Wahrheit suchen. Es ist dies der Anfang einer Bewegung, die Babel entgegengesetzt ist: von der Verwirrung zum Verstehen, von der Zerstreuung zur Versöhnung. Wir erkennen einen Zusammenhang zwischen der Erscheinung des Herrn und Pfingsten: Ist das Geburtsfest Christi, der das Haupt ist, auch das Geburtsfest der Kirche, seines Leibes, so sehen wir in den Sterndeutern die Völker, die sich dem Rest Israels anschließen und das große Zeichen der »vielsprachigen Kirche« ankündigen, das vom Heiligen Geist fünfzig Tage nach Ostern verwirklicht wird. Die treue und beharrliche Liebe Gottes, die sich von Generation zu Generation seinem Bund nie entsagt. Das ist das »Geheimnis «, von dem der hl. Paulus in seinen Briefen spricht, auch im Abschnitt des Epheserbriefes, der gerade gelesen wurde. Der Apostel sagt: »Durch eine Offenbarung wurde mir das Geheimnis mitgeteilt« (Eph 3,3), und es wurde ihm aufgetragen, es bekannt zu machen.

Dieses »Geheimnis« der Treue Gottes bildet die Hoffnung der Geschichte. Gewiß, es wird von Kräften der Spaltung und des Machtmißbrauchs behindert, die die Menschheit aufgrund der Sünde und des Konflikts der Egoismen zerreißen. Die Kirche steht in der Geschichte im Dienst dieses »Geheimnisses« des Segens für die ganze Menschheit. In diesem Geheimnis der Treue Gottes erfüllt die Kirche nur dann vollkommen ihre Sendung, wenn in ihr selbst das Licht Christi, des Herrn, widerscheint, und so ist sie für die Völker der Welt eine Hilfe auf dem Weg des Friedens und des wahren Fortschritts. Denn das Wort Gottes, das durch den Propheten Jesaja offenbart wurde, bleibt immer gültig: »… Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir« (Jes 60,2). Was der Prophet Jerusalem verkündet, erfüllt sich in der Kirche Christi: »Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz« (Jes 60,3).

Mit Jesus Christus weitete sich der Segen des Abraham auf alle Völker aus, auf die universale Kirche als dem neuen Israel, das in seinen Schoß die ganze Menschheit aufnimmt. Dennoch bleibt auch heute das wahr, was der Prophet sagte: »Dunkel [bedeckt] die Völker und unsere Geschichte. « Man kann in der Tat nicht sagen, daß die Globalisierung ein Synonym für Weltordnung ist, mitnichten. Die Konflikte um die wirtschaftliche Vorherrschaft und das An-Sich-Reißen der Energie-, Wasser- und Rohstoffressourcen erschweren die Arbeit all derer, die sich auf allen Ebenen darum mühen, eine gerechte und solidarische Welt aufzubauen. Es bedarf einer größeren Hoffung, die es gestattet, das Gemeinwohl aller dem Luxus weniger und dem Elend vieler vorzuziehen. »Diese große Hoffnung kann nur Gott sein… Nicht irgendein Gott, sondern der Gott, der ein menschliches Angesicht hat« (Spe salvi, 31): Der Gott, der sich im Kind von Bethlehem und im Gekreuzigten und Auferstandenen offenbart hat. Gibt es eine große Hoffnung, so kann man in der Nüchternheit beharren. Fehlt die wahre Hoffnung, so sucht man das Glück in der Trunkenheit, im Überflüssigen, in den Ausschweifungen und richtet so sich selbst und die Welt zugrunde. Die Mäßigung ist darum nicht nur eine asketische Regel, sondern auch ein Weg des Heils für die Menschheit. Es ist nunmehr offensichtlich, daß nur dann, wenn ein nüchterner Lebensstil angenommen wird, der vom ernsthaften Einsatz für eine gerechte Verteilung der Reichtümer begleitet ist, es möglich sein wird, eine Ordnung der gerechten und nachhaltigen Entwicklung zu errichten. Deshalb bedarf es Menschen, die eine große Hoffnung hegen und daher viel Mut haben. Den Mut der Sterndeuter, die einem Stern folgend eine lange Reise unternahmen und es verstanden, vor einem Kind in die Knie zu fallen und ihm ihre wertvollen Gaben anzubieten. Wir alle brauchen diesen Mut, der in einer festen Hoffnung verwurzelt ist. Maria möge ihn uns erwirken und uns auf unserer irdischen Pilgerschaft mit ihrem mütterlichen Schutz begleiten. Amen.

 

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