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APOSTOLISCHE REISE
VON PAPST BENEDIKT XVI.
NACH KAMERUN UND ANGOLA
(17.-23. MÄRZ 2009)

EUCHARISTIEFEIER MIT DEN BISCHÖFEN,
PRIESTERN, ORDENSLEUTEN, DEN KIRCHLICHEN BEWEGUNGEN
UND KATECHETEN VON ANGOLA UND SÃO TOMÉ

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Kirche "São Paolo", Luanda
Samstag, 21. März 2009

 

Liebe Brüder und Schwestern,
liebe Arbeiter im Weinberg des Herrn!

Wir haben gehört, daß die Kinder Israels zueinander sagten: »Laßt uns streben nach der Erkenntnis des Herrn.« Sie machten sich mit diesen Worten wieder Mut, als die Not sie zu erdrücken schien. Diese war über sie gekommen – so erklärt der Prophet –, weil sie Gott nicht kannten; ihr Herz war arm an Liebe. Und der einzige Arzt, der es heilen konnte, war der Herr. Ja, er war es, der als guter Arzt die Wunde geöffnet hat, damit die Verletzung verheilt. Und das Volk beschließt: »Kommt, wir kehren zum Herrn zurück! Denn er hat (Wunden) gerissen, er wird uns auch heilen« (Hos 6,1). So konnten das menschliche Elend und die göttliche Barmherzigkeit, die nichts anderes wünscht als sich der Elenden anzunehmen, einander begegnen.

Das sehen wir im soeben verkündeten Abschnitt aus dem Evangelium: »Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten«; einer von ihnen »kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht« (Lk 18,10.14). Letzterer hatte Gott all seine Verdienste dargelegt und machte ihn so gleichsam zu seinem Schuldner. Im Grunde verspürte er kein Bedürfnis nach Gott, auch wenn er ihm dafür dankte, ihm gewährt zu haben, so vollkommen zu sein und nicht »wie dieser Zöllner dort«. Dennoch ist es der Zöllner, der als Gerechter nach Hause zurückkehrt. Im Bewußtsein seiner Sünden steht er mit gesenktem Haupt da – in Wirklichkeit ist er jedoch ganz dem Himmel zugewandt – und erhofft alles vom Herrn: »Gott, sei mir Sünder gnädig!« (Lk 18,13). Er klopft an die Tür der Barmherzigkeit, die sich öffnet und ihn gerecht macht, denn – so sagt Jesus zum Schluß – »wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden« (Lk 18,14).

Von diesem Gott, der voll Erbarmen ist, berichtet uns aus eigener Erfahrung der hl. Paulus, der Schutzpatron der Stadt Luanda und dieser wunderschönen Kirche, die vor fast 50 Jahren erbaut wurde. Den 2000. Jahrestag der Geburt des hl. Paulus wollte ich durch das Paulusjahr, in dem wir uns gegenwärtig befinden, besonders hervorheben, damit wir von ihm lernen können, Jesus Christus besser kennenzulernen. Dieses Zeugnis hat uns der Apostel hinterlassen: »Das Wort ist glaubwürdig und wert, daß man es beherzigt: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich der erste. Aber ich habe Erbarmen gefunden, damit Christus Jesus an mir als erstem seine ganze Langmut beweisen konnte, zum Vorbild für alle, die in Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen« (1 Tim 1,15–16). Und im Laufe der Jahrhunderte hat die Zahl derer, die Gnade erlangt haben, ständig zugenommen. Du und ich, wir gehören zu ihnen. Danken wir Gott, daß er uns berufen hat, in diese Aufeinanderfolge der Zeiten einzutreten, um uns auf die Zukunft hin auszurichten. Wenn wir jenen folgen, die Jesus gefolgt sind, dann folgen wir mit ihnen Christus selbst und treten so in das Licht ein.

Liebe Brüder und Schwestern, es ist eine große Freude, heute bei euch zu sein. Ihr seid meine Mitarbeiter im Weinberg des Herrn; ihr nehmt euch tagtäglich seiner an, indem ihr den Wein der göttlichen Barmherzigkeit bereitet und ihn auf die Wunden eures Volkes gießt, das so schwere Not leidet. Erzbischof Mbilingi hat in dem freundlichen Willkommensgruß, den er an mich gerichtet hat, euren Hoffnungen und Mühen Ausdruck verliehen. Mit dankbarem und hoffnungsvollem Herzen grüße ich euch alle, Frauen und Männer, die ihr euch der Sache Christi widmet – die Anwesenden ebenso wie jene, die ihr vertretet: Bischöfe, Priester, geweihte Männer und Frauen, Seminaristen, Katecheten, Verantwortliche der verschiedensten Bewegungen und Vereinigungen dieser geliebten Kirche Gottes. Ich möchte an dieser Stelle auch die kontemplativen Ordensschwestern erwähnen, eine unsichtbare, aber für den Weg eines jeden von uns äußerst fruchtbare Präsenz. Abschließend sei mir ein besonderes Grußwort an die Salesianer und die Gläubigen dieser Pfarrei des hl. Paulus gestattet, die uns in ihrer Kirche aufnehmen und nicht gezögert haben, uns den Platz zu überlassen, den sie normalerweise in der liturgischen Versammlung einnehmen. Ich habe erfahren, daß sie auf dem angrenzenden Feld versammelt sind, und hoffe, daß ich sie nach dieser Eucharistiefeier sehen und segnen kann, aber bereits jetzt sage ich ihnen: »Vielen Dank! Gott möge unter euch und durch euch viele Apostel erwecken, die den Spuren eures Schutzpatrons folgen«.

Grundlegend im Leben des Paulus war seine Begegnung mit Jesus, als er sich auf dem Weg nach Damaskus befand: Christus erscheint ihm als strahlendes Licht, er spricht zu ihm, er erobert ihn. Der Apostel sah den auferstandenen Christus, also den Menschen in seiner vollkommenen Gestalt. Dadurch wird seine Sichtweise ins Gegenteil verkehrt; er sieht jetzt alles von dieser endgültigen Gestalt des Menschen in Jesus her. Was ihm vorher wesentlich und grundlegend erschien, ist ihm jetzt nur mehr »Unrat«; es ist nicht mehr »Gewinn«, sondern Verlust, weil jetzt nur das Leben in Christus zählt (vgl. Phil 3,7–8). Es handelt sich nicht einfach nur um ein Heranreifen des »Ich« des Paulus, sondern um das Für-Sich-Selbst-Sterben und die Auferstehung in Christus: In ihm ist eine Form der Existenz gestorben; eine neue Form ist mit dem auferstandenen Christus in ihm entstanden.

Meine Brüder und Freunde, »laßt uns streben nach der Erkenntnis des Herrn«, des auferstandenen Herrn! Wie ihr wißt, ist Jesus, der vollkommene Mensch, auch unser wahrer Gott. In ihm ist Gott für uns sichtbar geworden, um uns teilhaben zu lassen an seinem göttlichen Leben. Und so beginnt mit ihm eine neue Dimension des Seins, des Lebens, in die auch die Materie eingefügt wird und durch die eine neue Welt entsteht. Aber wie erreicht diese Verbesserung des Zustands der Weltgeschichte, die Jesus an unserer Stelle und für uns gewirkt hat, den Menschen konkret, so daß sie sein Leben durchdringt und es in die Höhe streben läßt? Sie erreicht einen jeden von uns durch den Glauben und die Taufe. Dieses Sakrament ist in der Tat Tod und Auferstehung, Verwandlung in ein neues Leben. Ja, der Getaufte kann sogar mit Paulus sagen: »Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir« (Gal 2,20). Ich lebe, aber nicht mehr ich. In gewisser Weise wird mir mein Ich genommen, um es in ein größeres Ich einzufügen; ich habe mein Ich noch, aber es ist verwandelt und offen gegenüber den anderen durch mein Eingefügtsein in den Anderen: In Christus bekomme ich meinen neuen Lebensraum. Was ist also mit uns geschehen? Paulus gibt uns die Antwort: Ihr seid »einer« geworden in Christus Jesus (vgl. Gal 3,28).

Und durch unsere Gleichförmigkeit mit Christus durch das Wirken und die Gnade des Geistes Gottes wird die Herausbildung des Leibes Christi entlang der Geschichte Schritt für Schritt vervollständigt. In diesem Augenblick möchte ich in Gedanken 500 Jahre zurückgehen, in das Jahr 1506 und die darauffolgenden Jahre, als in diesem Territorium, das damals von den Portugiesen besucht wurde, das erste christliche Reich südlich der Sahara entstand, dank des Glaubens und der Entschlossenheit von König Afonso I. Mbemba-a-Nzinga, der vom erwähnten Jahr 1506 bis zu seinem Tod im Jahre 1543 regierte; das Reich war vom 17. bis zum 19. Jahrhundert offiziell katholisch und hatte einen Botschafter in Rom. Ihr seht also, daß zwei sehr verschiedene Ethnien – die der Bantu und die der Lusitaner – in der christlichen Religion eine Basis für die Verständigung finden konnten, daß sie sich um eine dauerhafte Verständigung bemühten und darum, daß Unstimmigkeiten – die es gab und die schwerwiegend waren – die beiden Reiche nicht entzweiten! Durch die Taufe sind nämlich alle Gläubigen »einer« in Christus.

Heute ist es an euch, Brüder und Schwestern, auf den Spuren dieser heroischen und heiligen Boten Gottes den auferstandenen Christus zu euren Mitbürgern zu bringen. Viele von ihnen leben in Furcht vor Geistern, vor unheilvollen Mächten, von denen sie sich bedroht glauben; in ihrer Orientierungslosigkeit verstoßen sie Straßenkinder und sogar alte Menschen, weil sie angeblich Hexen oder Hexenmeister sind. Wer kann zu ihnen gehen, um ihnen zu verkünden, daß Christus den Tod und all jene finsteren Mächte überwunden hat (vgl. Eph 1,19–23; 6,10–12)? Einige sagen dagegen: »Warum lassen wir sie nicht in Frieden? Sie haben ihre Wahrheit, wir haben unsere. Laßt uns in Frieden miteinander leben, und lassen wir einen jeden so sein wie er ist, damit er die eigene Identität so gut wie möglich verwirklichen kann«. Aber wenn wir überzeugt sind und die Erfahrung gemacht haben, daß das Leben ohne Christus unvollständig ist, daß eine Wirklichkeit – und zwar die grundlegende Wirklichkeit – fehlt, dann müssen wir auch davon überzeugt sein, daß wir niemandem Unrecht tun, wenn wir ihm Christus bringen und ihm die Möglichkeit anbieten, auf diese Weise auch seine wahre Identität zu finden, die Freude, das Leben gefunden zu haben. Ja, wir müssen es sogar tun; es ist unsere Pflicht, allen diese Möglichkeit anzubieten, das ewige Leben zu erlangen.

Verehrte und liebe Brüder und Schwestern, sagen wir zu ihnen wie das Volk Israel: »Kommt, wir kehren zum Herrn zurück! Denn er hat (Wunden) gerissen, er wird uns auch heilen«. Tragen wir dazu bei, daß das menschliche Elend der göttlichen Barmherzigkeit begegnen kann. Der Herr macht uns zu seinen Freunden, er überantwortet sich uns, er schenkt uns seinen Leib in der Eucharistie, er vertraut uns seine Kirche an. Wir müssen daher wirklich seine Freunde sein, mit ihm eines Sinnes sein, das wollen, was er will, und das nicht wollen, was er nicht will. Jesus selbst hat gesagt: »Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage« (Joh 15,14). Das sei unser gemeinsamer Vorsatz: alle zusammen seinen heiligen Willen zu tun: »Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!« (Mk 16,15). Nehmen wir seinen Willen an, wie der hl. Paulus es getan hat: »Ein Zwang liegt auf mir, [das Evangelium zu verkünden]: Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9,16).

 

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