ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER DER REPUBLIK MOLDAWIEN BEIM HL. STUHL, HERRN VALERIU BOBUŢAC*
Clementina-Saal
Donnerstag, 18. Mai 2006
Herr Botschafter!
Mit Freude heiße ich Sie im Vatikan willkommen und nehme das Beglaubigungsschreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Moldawien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für Ihre Worte und die Grüße, die Sie mir von Präsident Wladimir Woronin überbracht haben. Bitte übermitteln Sie ihm meine aufrichtigen guten Wünsche und versichern Sie ihn meines beständigen Gebets für das Wohl Ihrer Nation.
Die diplomatischen Beziehungen zu Ihrem Land, die aufgenommen wurden kurz nachdem Moldawien im Jahr 1991 die Unabhängigkeit erlangt hatte, schätzt der Heilige Stuhl sehr hoch und freut sich, in Zukunft weiterhin auf die herzlichen Beziehungen zu bauen, die sich seit jener Zeit entwickelt haben. Eingedenk der Herausforderungen, die die Verwirklichung eines reibungslosen Übergangs zur Demokratie und die Etablierung des erst seit kurzer Zeit unabhängigen Staates innerhalb der internationalen Gemeinschaft mit sich bringen, bietet der Heilige Stuhl weiterhin jede in seinen Möglichkeiten stehende Unterstützung an. Obwohl die Katholiken nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ausmachen, sind sie doch stolz auf das reiche kulturelle Erbe ihrer Heimat und bemüht, ihren Teil zum Leben der Nation beizutragen, insbesondere im Bereich des Sozialwesens. Es sollte betont werden, daß eine solche Aktivität dem Wesen und der Mission der Kirche entspringt, die die Verpflichtung einschließen, die Würde der menschlichen Person zu fördern und jenen beizustehen, die in irgendeiner Form Not leiden. Die Kirche setzt sich für die volle Achtung der Gewissensfreiheit ein und bestärkt daher die Regierungen, Schritte zu unternehmen, um diese wertvolle Freiheit all ihren Bürgern zu garantieren. Höchst erfreulich ist die Zusicherung, die Sie in Verbindung mit der Haltung Ihrer eigenen Regierung in bezug auf diese Frage geben. Durch Sie, Herr Botschafter, möchte ich die gesamte Bevölkerung Moldawiens grüßen, insbesondere die katholische Gemeinschaft unter der Führung des Bischofs von Chişinău, Anton Coşa.
Angesichts ihrer Sorge für Frieden und Gerechtigkeit liegt der Kirche natürlich die Debatte über den Status der Dnjestr-Region sehr am Herzen. Während ich mir der Vielschichtigkeit der Frage bewußt bin, möchte ich Ihre Regierung dringend bitten, sich weiterhin um eine friedliche Lösung zu bemühen und mit den Einrichtungen der Europäischen Union, dem Europarat und anderen internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten, um die Kontroverse zu beenden. Möge Ihr Land weiterhin Fortschritte machen auf dem Weg zum edlen Ziel des Friedens, das der tiefsten Sehnsucht und der Hoffnung aller Menschen entspricht.
Das von Ihrer Regierung gezeigte Interesse an einem Dialog mit allen europäischen Staaten begrüßt der Heilige Stuhl als ein Zeichen der Hoffnung für den Kontinent. Zu lange hat Moldawien unter dem Zwang der totalitären Utopie einer »Gerechtigkeit ohne Freiheit« gelitten. Der Westen hingegen ist weiterhin der Gefahr einer anderen Utopie ausgesetzt, der Utopie der »Freiheit ohne Wahrheit«, die mit einer falschen Auffassung von »Toleranz« einhergeht. Wenn dem Gemeinwohl der Bürger Europas wirklich gedient werden soll, müssen vor allem diese beiden gefährlichen einseitigen Sichtweisen vermieden und muß jene wahre Freiheit neu entdeckt werden, die von unserem gemeinsamen Erbe des Glaubens an Jesus Christus ausgeht, der in seiner Kirche lebt, Quelle der Hoffnung für Europa (vgl. Ecclesia in Europa, 98). Die Stimme und die Erfahrung Ihres Volkes muß in der europäischen Debatte Gehör finden, damit aus den jüngsten Erfahrungen gelernt werden kann. So kann eine bessere Zukunft aufgebaut werden, die auf der Verpflichtung zur Wahrheit gründet, und das ist, wie ich in meiner Ansprache an das Diplomatische Korps am Anfang dieses Jahres (9. Januar 2006) betont habe, die Seele der Gerechtigkeit. Das ist es, was dem Recht auf Freiheit das Fundament gibt, ihm Kraft verleiht und den Weg zu Vergebung und Versöhnung öffnet (vgl. Ansprache an das Diplomatische Korps; in O.R. dt., Nr. 3, 20.1.2006, S. 7).
Exzellenz, ich bin zuversichtlich, daß die diplomatische Mission, die Sie heute beginnen, die guten Beziehungen zwischen der Republik Moldawien und dem Heiligen Stuhl festigen wird. Mit meinen besten Wünschen für die kommenden Jahre möchte ich Ihnen versichern, daß die verschiedenen Einrichtungen der Römischen Kurie Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben gerne Hilfe und Unterstützung leisten werden. Auf Sie, Ihre Familie und das ganze Volk Moldawiens rufe ich von Herzen Gottes reichen Segen herab.
*L'Osservatore Romano n. 29 p. 9.
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