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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER PILGERFAHRT
DER PATER-PIO-GEBETSGRUPPEN

Petersplatz
Samstag, 14. Oktober 2006

 

Meine Herren Kardinäle,
verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude begegne ich euch auf diesem Platz, auf dem in den Jahren 1999 und 2002 die denkwürdigen Feiern der Selig- und der Heiligsprechung von Pater Pio von Pietrelcina stattgefunden haben. Heute seid ihr zahlreich hier zusammengekommen aus Anlaß des 50. Jahrestages eines beachtlichen und wesentlichen Teils seines Werkes: der »Casa Sollievo della Sofferenza«. Ich empfange euch herzlich und grüße jeden von euch mit Zuneigung: Erzbischof Umberto D’Ambrosio, dem ich für seine freundlichen Worte danke; die Kapuziner des Heiligtums und der Provinz; die Leiter, die Ärzte, die Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie das Personal des Krankenhauses; die Mitglieder der Gebetsgruppen, die aus allen Teilen Italiens und auch aus anderen Ländern kommen; und die Pilger aus der Diözese Manfredonia-Vieste-San Giovanni Rotondo. Ihr bildet alle zusammen eine große geistliche Familie, weil ihr euch als Söhne und Töchter von Pater Pio betrachtet, eines einfachen Mannes, eines »armen Ordensbruders«, wie er selbst sagte, dem Gott die ewige Botschaft seiner gekreuzigten Liebe zur ganzen Menschheit anvertraut hat.

Als Haupterben seines Zeugnisses hütet ihr, liebe Kapuziner, das Heiligtum »Santa Maria delle Grazie« und die neue große Kirche, die nach dem hl. Pio von Pietrelcina benannt ist. In erster Linie seid ihr es, die jene Gnadenstätten beleben, die jedes Jahr das Ziel von Millionen von Pilgern sind. Durch das Vorbild von Pater Pio und seine Fürsprache angespornt und getragen, sollt ihr euch bemühen, ihn nachzuahmen, um allen Menschen zu helfen, eine tiefe geistliche Erfahrung zu leben, die ihren Mittelpunkt in der Betrachtung des gekreuzigten Christus besitzt, des Verkünders und Mittlers der barmherzigen Liebe des himmlischen Vaters.

Dem von Nächstenliebe brennenden Herzen von Pater Pio entsprang die »Casa Sollievo della Sofferenza«, die bereits in ihrem Namen die zugrunde liegende Idee offenbart, aus der heraus sie entstanden ist, sowie das Programm, das zu verwirklichen ihr Ziel ist. Pater Pio wollte sie »Casa« – »Haus« oder »Zuhause« – nennen, weil die Kranken, besonders die Armen, sich dort wohlfühlen sollten, aufgehoben in familiärer Atmosphäre, und sie in diesem Haus »Sollievo« –»Linderung« – ihres Leidens finden sollten, eine Linderung, die zwei sich überschneidenden Kräften zu verdanken ist: dem Gebet und der Wissenschaft. Das war die Idee des Gründers, die man immer vor Augen haben sollte und die sich alle, die in dem Krankenhaus arbeiten, zu eigen machen müssen. Der Glaube an Gott und die wissenschaftliche Forschung wirken zusammen mit demselben Ziel, das sich am besten mit den Worten Jesu selbst ausdrücken läßt: »damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Joh 10,10). Ja, Gott ist Leben und will, daß der Mensch von jedem leiblichen und geistlichen Leiden geheilt werde. Daher kümmerte sich Jesus unermüdlich um die Kranken und kündigte durch ihre Heilung das schon nahe Reich Gottes an. Aus demselben Grund hat die Kirche dank der Charismen vieler heiliger Männer und Frauen diesen prophetischen Dienst Christi durch unzählige Initiativen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und des Dienstes an den Leidenden fortgesetzt und ihn im Laufe der Jahrhunderte verbreitet.

Während die wissenschaftliche und die technologische Dimension zum Krankenhaus gehört, erstreckt sich dagegen das Gebet auf das ganze Werk von Pater Pio. Es ist sozusagen das übergreifende Element: die Seele jeder Initiative, die geistliche Kraft, die alles bewegt und alles nach der Ordnung der Liebe, die letztlich Gott selber ist, ausrichtet. Gott ist Liebe. Deshalb möchte ich eure Aufmerksamkeit auf das grundlegende Wortpaar lenken, das im Mittelpunkt meiner Enzyklika steht: Gottesliebe und Nächstenliebe (vgl. Deus caritas est, 16–18). Pater Pio war vor allem ein »Mann Gottes«. Von Kindheit an hat er sich von ihm gerufen gefühlt und »mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft« (Dtn 6,5) geantwortet. So konnte die göttliche Liebe von seiner bescheidenen Person Besitz ergreifen und ihn zu einem auserwählten Werkzeug ihrer Heilspläne machen. Gelobt sei Gott, der zu allen Zeiten einfache und hochherzige Seelen auswählt, um Großes zu tun (vgl. Lk 1,48–49)! Alles in der Kirche kommt von Gott, und ohne ihn kann nichts Bestand haben. Die Werke von Pater Pio sind ein außerordentliches Beispiel für diese Wahrheit: Die »Casa Sollievo« kann man durchaus ein »Wunder« nennen. Wer konnte sich nach menschlichem Ermessen vorstellen, daß neben dem kleinen Kloster von San Giovanni Rotondo sich einmal eines der größten und modernsten Krankenhäuser Süditaliens erheben werde? Wer – wenn nicht der Mann Gottes, der die Wirklichkeit mit den Augen des Glaubens und mit einer großen Hoffnung sieht, weil er weiß, daß für Gott nichts unmöglich ist?

Eben darum ist das Fest der »Casa Sollievo della Sofferenza« zugleich das Fest der Pater-Pio- Gebetsgruppen, also jenes Teiles seines Werkes, der ständig an Gottes Herz »anpocht«, wie ein Heer von Menschen, die sich der Fürsprache und der Sühne widmen, um für die Kirche und die Welt die notwendigen Gnaden zu erlangen. Liebe Freunde, die Entstehung eurer Gebetsgruppen geht auf den Winter 1942 zurück, als der Zweite Weltkrieg Italien, Europa und die Welt erschütterte. Am 17. Februar jenes Jahres richtete mein verehrter Vorgänger, Papst Pius XII., einen Aufruf an das christliche Volk, daß viele zum gemeinsamen Gebet für den Frieden zusammenkommen sollten. Pater Pio forderte seine geistlichen Söhne und Töchter dazu auf, sofort auf den Aufruf des Stellvertreters Christi zu antworten. So entstanden die Gebetsgruppen; das Organisationszentrum war die noch im Bau befindliche »Casa Sollievo della Sofferenza«. Dies ist ein Bild, das ein beredtes Symbol ist und bleibt: das Werk von Padre Pio als eine große »Baustelle«, beseelt vom Gebet und bestimmt zur tätigen Nächstenliebe. Die Gebetsgruppen haben sich in den Pfarreien, Klöstern und Krankenhäusern verbreitet, und heute gibt es von ihnen mehr als 3000 auf allen Kontinenten. Ihr vertretet sie zahlreich hier an diesem Tag! Jene ursprüngliche Antwort auf den Aufruf des Papstes hat das Wesen eures geistlichen »Netzes« für immer geprägt: Euer Gebet erfolgt, wie es in den Statuten heißt, »mit der Kirche, für die Kirche und in der Kirche« (Vorwort), es muß gelebt werden in voller Treue zum Lehramt, im bereitwilligen Gehorsam gegenüber dem Papst und den Bischöfen, unter der Leitung des vom Bischof ernannten Priesters. Die Statuten schreiben auch einen wesentlichen Einsatz der Gebetsgruppen vor, nämlich die »wirkliche und tatkräftige Nächstenliebe, um den Leidenden und Bedürftigen Linderung zu verschaffen, als praktische Umsetzung der Gottesliebe« (ebd.). Hier haben wir wieder das Wortpaar Gebet und Liebe, Gott und der Nächste. Das Evangelium läßt keine Ausflüchte zu: Wer sich dem Gott Jesu Christi zuwendet, wird dazu angespornt, den Brüdern zu dienen, und umgekehrt entdeckt derjenige, der sich den Armen widmet, in ihnen das geheimnisvolle Antlitz Gottes.

Liebe Freunde, die Zeit ist um, und der Augenblick ist gekommen, die Begegnung zu beenden. Ich möchte euch mein aufrichtiges »Dankeschön« hinterlassen für die Unterstützung, die ihr mir mit eurem Gebet leistet. Der Herr möge es euch vergelten! Gleichzeitig erbitte ich für die Arbeitsgemeinschaft der »Casa Sollievo della Sofferenza« die besondere Gnade, stets dem Geist und dem Plan von Pater Pio treu zu bleiben. Ich vertraue dieses Gebet der himmlischen Fürsprache von Pater Pio und der Jungfrau Maria an. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen und euren Lieben von Herzen den Apostolischen Segen.

 

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