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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN JÜRI SEILENTHAL,
NEUER BOTSCHAFTER VON ESTLAND BEIM HL. STUHL*

Konsistoriensaal
Freitag, 1. Juni 2007

 

Herr Botschafter!

Mit Freude heiße ich Sie im Vatikan willkommen und nehme das Beglaubigungsschreiben entgegen, das Sie zum außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Estland beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Ich danke Ihnen für die herzlichen Grüße, die Sie mir von Präsident Ilves überbracht haben, und bitte Sie, ihm auch meine ehrerbietigen Grüße zusammen mit meinen aufrichtigen guten Wünschen für das Gedeihen und das Wohlergehen der Bevölkerung Estlands zu vermitteln.

In den letzten Jahren widmete sich Estland nicht nur der anspruchsvollen Aufgabe der sozialen und wirtschaftlichen Reformierung des Landes, sondern bemühte sich auch um die Festigung der Bande mit Europa und der internationalen Gemeinschaft. Die Mitgliedschaft Ihrer Nation in der Europäischen Union ist, wie Eure Exzellenz betont hat, nicht nur eine Wiederaufnahme der jahrhundertealten Beziehungen, sondern auch die Bestätigung eines großen politischen und spirituellen Erbes, das die Seele Ihrer Nation geprägt hat. Das sich in einem raschen Wandlungsprozeß befindende Europa von heute hat bedeutende Fortschritte gemacht für den Aufbau einer gemeinsamen Heimat, die gekennzeichnet ist durch konstantes wirtschaftliches Wachstum, die Entwicklung neuer Modelle der Einheit, die Verschiedenheiten achten, und enge Zusammenarbeit im Hinblick auf Gerechtigkeit und Frieden. Estland kann vielfach zu dem Europa von morgen beitragen, nicht zuletzt dank der schwer erkämpften Erkenntnis vom Wert der Freiheit und der Opfer, die diese Freiheit mit sich bringt.

Die große Revolution, die Osteuropa in der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts erlebte, bezeugte das angeborene und unstillbare Verlangen der einzelnen Menschen und der Völker nach Freiheit wie auch die Untrennbarkeit von echter Freiheit und dem Streben nach Wahrheit, die Anerkennung der transzendenten Würde jedes Menschen und die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung und Solidarität. Diese Werte, ein kostbares Erbe der tausendjährigen Geschichte Estlands, müssen wir uns ständig neu zu eigen machen, sie müssen in jedem Bereich des politischen und gesellschaftlichen Lebens praktisch zum Ausdruck gebracht werden, in der Überzeugung, daß sie jene Weitsicht gewährleisten und jene spirituellen Kräfte wecken mögen, die für den Aufbau einer Zukunft der Hoffnung notwendig sind. Am eigenen Leib verspürte Ihre Nation in den letzten Jahren die anspruchsvolle Herausforderung, eine Gesellschaft aufzubauen, die wirklich frei ist, aber gleichzeitig ihren prägenden Traditionen treu bleibt. Europa braucht dieses Zeugnis, das dem Kontinent als Ganzem gewiß helfen wird, »mit schöpferischer Treue seine grundlegenden Werte anzuerkennen und zurückzugewinnen«, Werte die durch die christliche Botschaft entscheidend geprägt worden sind (vgl. Ecclesia in Europa, 109) und ein unveräußerliches Element seiner wahren Identität darstellen.

Exzellenz, ich danke Ihnen für die freundlichen Worte über die Kirche in Estland und versichere Ihnen, daß die Katholiken des Landes in einem Geist respektvoller Kooperation mit anderen Christen aktiv am Leben der Nation teilhaben möchten. Die Kirche bietet ihre Lehre an in der Überzeugung, daß die Wahrheit des Evangeliums die Wirklichkeit der menschlichen Situation erleuchtet und jene Weisheit verleiht, die Einzelpersonen und Gemeinschaften brauchen, um die Anforderungen jenes Sittengesetzes zu erkennen und anzunehmen, das die notwendige und beständige Grundlage für gerechte und harmonische Beziehungen in der Gesellschaft herstellt. Mit ganz besonderem Einsatz fördert die Kirche die Heiligkeit der Ehe, die grundlegende Rolle und Aufgabe der Familie, die Erziehung und Bildung der Kinder und die Achtung des gottgeschenkten Lebens, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Da das Wohlergehen jeder Gesellschaft weitgehend vom Wohl ihrer Familien abhängt (vgl. Sacramentum Caritatis, 29), hoffe ich, daß dieses Zeugnis zur Festigung des familiären und gemeinschaftlichen Lebens beitragen und, zusammen mit einer weisen und weitsichtigen Sozialpolitik, die Wiederbelebung der langen Geschichte starker und vereinter Familien Estlands fördern wird. Denn es ist vor allem die Familie, in der die Jugend zu Güte, Hochherzigkeit, Vergebung und brüderlicher Sorge für andere erzogen wird und die ihr das Bewußtsein persönlicher Verantwortlichkeit für den Aufbau einer Welt der Freiheit, der Solidarität und Hoffnung verleiht.

In diesem Sinn entbiete ich Ihnen, Herr Botschafter, meine besten Wünsche und mein Gebet für die Arbeit, die Sie nun im Dienst Ihrer Nation beginnen. Auch versichere ich Ihnen, daß die Dikasterien des Heiligen Stuhls stets bereit sein werden, Sie bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben zu unterstützen. Für Sie, Ihre Familie und die geliebte Bevölkerung Estlands erflehe ich von Herzen Gottes Segen der Freude und des Friedens.


*L'Osservatore Romano n. 25 p. 12.

 

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