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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN VLADETA JANKOVIĆ,
NEUER BOTSCHAFTER DER SERBISCHEN REPUBLIK
BEIM HL. STUHL*

Donnerstag, 21. Februar 2008

 

Exzellenz!

Ich freue mich, Sie zu Beginn Ihrer Mission willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Serbien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und für die Grüße, die Sie mir von Präsident Boris Tadić überbringen. Übermitteln Sie ihm bitte meine hochachtungsvollen guten Wünsche anläßlich seiner kürzlich erfolgten Wiederwahl und die Versicherung meines Gebets für alle Menschen Ihrer Nation.

Der Heilige Stuhl schätzt seine diplomatischen Beziehungen mit Serbien hoch ein und hofft, auf diese Weise die Fortsetzung der Anstrengungen zum Aufbau einer Zukunft in Frieden, Wohlstand, Versöhnung und friedlichem Miteinander in der ganzen Region zu ermutigen, während Serbien und seine Nachbarn ihren Platz in Europa suchen. Wenige Länder auf dem europäischen Kontinent entkamen im vergangenen Jahrhundert den Verwüstungen des Krieges, und alle können aus den Lektionen der jüngsten Vergangenheit lernen. Während Sie für eine sicherere Zukunft arbeiten, ist es wichtig sich zu erinnern, daß die Identität und die reiche kulturelle Tradition Ihrer Nation wie die aller europäischen Nationen tief im Erbe des christlichen Glaubens und des Evangeliums der Liebe verwurzelt sind. »Es gibt keine gerechte Staatsordnung, die den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte« (Deus caritas est, 28). Diejenigen, die Christus folgen, sind dazu berufen, diesen Dienst der Liebe allen ihren Brüdern und Schwestern ohne Unterschied anzubieten: Nur auf diese Weise können lang anhaltende Spannungen endgültig beigelegt werden.

Wenn wir uns entscheiden, aus den Werten zu leben, die wir aus unseren christlichen Wurzeln schöpfen, finden wir den Mut, zu vergeben und Vergebung anzunehmen, uns mit unseren Nachbarn zu versöhnen und gemeinsam eine Zivilisation der Liebe aufzubauen, in der alle akzeptiert sind und geachtet werden. Ich weiß, wie schwer das serbische Volk während der Konflikte der jüngsten Zeit gelitten hat, und möchte meine tiefempfundene Sorge um die Serben und die anderen Nationen des Balkans, die von den traurigen Ereignissen des letzten Jahrzehnts betroffen waren, zum Ausdruck bringen. Der Heilige Stuhl teilt Ihren ernsthaften Wunsch, daß der erlangte Friede der Region dauerhafte Stabilität bringen möge. Besonders appelliere ich mit Blick auf die gegenwärtige Krise im Kosovo an alle Beteiligten, mit Besonnenheit und Mäßigung vorzugehen und Lösungen zu suchen, die gegenseitigen Respekt und Versöhnung fördern.

Zu den verschiedenen Spaltungen zwischen den Völkern Europas gehören nicht zuletzt jene, die aus dem tragischen Verlust der christlichen Einheit im Laufe der letzten tausend Jahre herrühren. Ich freue mich über den Fortschritt in den Beziehungen zwischen orthodoxen und katholischen Christen und bin der serbisch-orthodoxen Kirche besonders dankbar dafür, daß sie im Jahr 2006 das Treffen der Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen mit aktiver Unterstützung seitens ranghoher Mitglieder Ihrer Regierung gastfreundlich aufnahm. Auf diesem Gebiet hat es in der Tat hoffnungsvolle Entwicklungen gegeben, die vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen unterstützt wurden; dazu gehören die jüngsten gemeinsamen Initiativen zwischen der Päpstlichen Lateranuniversität und der Orthodoxen Theologischen Fakultät des Serbischen Patriarchats in Belgrad, auf die Eure Exzellenz hingewiesen haben. Ich hoffe aufrichtig, daß diese positiven Entwicklungen weiterhin Früchte tragen werden, insbesondere durch die gemeinsame Auswertung der christlichen Soziallehre, und in dieser Hinsicht erwähne ich dankbar den Empfang, der Kardinal Renato Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, bei seinem letzten Besuch an der Orthodoxen Theologischen Fakultät zuteil wurde.

Serbiens geographische Lage an der Grenze zwischen dem östlichen und westlichen Christentum bietet eine einzigartige Gelegenheit, den ökumenischen Dialog zu fördern, während seine Vertrautheit mit dem Islam – sowohl durch die Begegnung mit dem osmanischen Reich als auch durch die heutige Anwesenheit der vielen Muslime in der Region – reiche Möglichkeiten für einen Fortschritt im interreligiösen Dialog eröffnet. Beide Vorgänge sind äußerst wichtig, wenn in der modernen Welt mehr gegenseitiges Verständnis und Achtung zwischen den Völkern und Nationen erreicht werden soll. Seien Sie versichert, daß die katholische Kirche in Serbien eifrig darum bemüht ist, ihre guten Beziehungen mit dem Heiligen Synod weiter auszubauen und sich an gemeinsamen Initiativen zu beteiligen, die dazu bestimmt sind, die christliche Einheit und eine echte Annäherung zwischen den Bekennern verschiedener Religionen zu fördern und auf diese Weise zum Aufbau von Frieden und Einklang innerhalb der Nationen und zwischen ihnen beizutragen.

Religionsfreiheit ist ein unerläßliches Element beim Aufbau einer Gesellschaft, in der sich dieser Einklang entwickeln kann, und die von Serbien in den letzten Jahren unternommenen Schritte gewährleisten dieses hochgeschätzte menschliche Grundrecht. Der Plan, Kirchen und religiösen Gemeinschaften die Besitztümer zurückzuerstatten, die von der jugoslawischen Föderation verstaatlicht worden waren, und die Einführung des Religionsunterrichts an den Schulen haben zu einer spirituellen Erneuerung Ihres Landes beigetragen, und in dieser Hinsicht ist ein wichtiges Beispiel gegeben worden, von dem andere Regierungen lernen können. Ich bete dafür, daß diese Offenheit für die religiösen Werte in der Gesellschaft weiter wachsen möge, so daß die öffentliche Debatte wirklich von den aus dem Glauben hergeleiteten Grundsätzen gestärkt werde. Wie ich in der kürzlich für die Römische Universität »La Sapienza« vorbereiteten Vorlesung (17. Januar 2008) ausführte: »Wenn die Vernunft aus Sorge um ihre vermeintliche Reinheit taub wird für die große Botschaft, die ihr aus dem christlichen Glauben und seiner Weisheit zukommt, dann verdorrt sie wie ein Baum, dessen Wurzeln nicht mehr zu den Wassern hinunterreichen, die ihm Leben geben«. Ohne die geistige Nahrung, die aus dem lebendigen Glauben kommt, verarmt eine Kultur zutiefst, und die Aussichten auf eine wahrhaft menschliche Zivilisation verschwinden rasch.

Exzellenz, ich bete dafür, daß die diplomatische Mission, die Sie heute antreten, die zwischen dem Heiligen Stuhl und Ihrem Land bestehenden guten Beziehungen weiter festigen werde. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Dienststellen der Römischen Kurie immer bereit sind, Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben Hilfe und Unterstützung zu bieten. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und das ganze serbische Volk Gottes reichen Segen herab.


*L'Osservatore Romano n. 10 p. 11.

 



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